ZENSUR VON DER SCHLIMMSTEN SORT' IST DIE ANGST VORM EIGNEN WORT

(Heinrich Heine)


(oder: Gegen die Schere im Kopf - Für eine unzensierte, linksradikale Widerstandspresse!)

Die Kriminalisierung geht weiter.......
Erneutes Verfahren nach § 129 in Lübeck !

Im Zusammenhang mit den Verfahren gegen die radikal gibt es nun ein weiteres Verfahren: dem, der im Sinne des Pressegesetzes Verantwortlichen, der Antifaschistischen Zeitung für Lübeck + Umland wird vorgeworfen, für eine Vereinigung, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf ausgerichtet sind, Straftaten zu begehen, geworben zu haben.
Die Staatsanwaltschaft hat sich die Nr. 2/96 herausgegriffen und behauptet, daß der auf den Seiten 16-20 abgedruckte Text dem Sachverhalt des Werbens für eine kriminelle Vereinigung entspricht. Dieser Text, von dem hier die Rede ist, wurde von einem der im radikal-Verfahren Beschuldigten geschrieben und setzt sich unter anderem mit dem Knastsystem auseinander.
Darüber hinaus wird aber in diesem Text auch die radikal thematisiert; warum und weshalb sie illegal organisiert wurde und wird, und welche Funktion und Wichtigkeit sie für die Diskussion um militante und linksradikale Politik nach wie vor hat:
"Seit 1984 hat sich die radikal nach den ersten Kriminalisierungsversuchen in der Illegalität organisiert. Nicht zum Selbstzweck, sondern um auch weiterhin militante, linksradikale Politik und Diskussion ohne Zensur, ohne Schere im Kopf, vorantreiben zu können.
Und genau in dieser Funktion liegt, bzw. kann die Wichtigkeit der radikal liegen. Die radikal kann ein wichtiges Forum sein, um perspektivische, linksradikale Konzepte zu diskutieren. Und letztendlich auch ein Forum, um militante Politik als unabdingbarer Bestandteil revolutionärer Veränderungen zu entwickeln."
Und genau auf diese Passage im Text fährt die Staatsanwaltschaft ab und stellt sie in der Anklage heraus.
Es wird von der Staatsanwaltschaft im Weiteren behauptet, daß durch den abgedruckten Hinweis auf "Veranstaltungsreihen gegen die Kriminalisierung des linken politischen Widerstandes" und dem abgedruckten Spendenaufruf für die Zeitung "radikale Zeiten", der Angeklagte für die Vereinigung "radikal" werben will. Dieser Passus in der Anklageschrift, der die radikal und die Solidaritätsbewegung in einem Atemzug nennt, läßt keine andere Interpretation zu, als daß ein eindeutiges Kriminalisierungsinteresse auch gegen die Solidaritätsbewegung seitens des Staatsschutzes und der Justiz besteht. Desweiteren wird in der Anklageschrift vorverurteilt, daß "A.E., der ersichtlich Mitglied der kriminellen Vereinigung die die linksradikale Untergrundzeitung verfaßt hat, ist". Dabei phantasiert der Staatsanwalt in seinem Verfolgungswahn die Verurteilung von Leuten herbei, die noch nicht einmal einen Prozeß hatten.
Und um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, wurden natürlich auch noch andere "zwielichtige" Themen in der Antifaschistischen Zeitung benannt. So sei dort ein DIN-A4-Blatt eingelegt, auf dem die sofortige Freilassung von Hanna Krabbe verlangt wird und beigefügt eine Unterschriftenliste für diese Forderung.
Die Freilassungsforderung einer politischen Gefangenen, die seit über 20 Jahren in den Knästen der BRD gesessen hat, scheint der Staatsanwaltschaft so bedeutend und erwähnenswert, daß sie dies in ihrer Anklageschrift aufnimmt.
Auch die Postkarte der Roten Hilfe mit einem an die Bundesregierung adressierten vorgedrucktem Text, der eine Solidaritätserklärung mit dem zu der Zeit in Berlin in Auslieferungshaft sitzenden Benjamin Ramos Vega enthält, scheint der Staatsanwaltschaft so bedeutend, daß sie in der Anklageschrift Erwähnung findet.
Die Kriminalisierung von Menschen, die positiv Stellung beziehen zu linksradikalen Themen und politischen Projekten, hat nach wie vor Hochkonjunktur.
Klar ist für uns, daß wir nicht nur weiterhin für die Einstellung aller Verfahren streiten werden, sondern selbstverständlich auch dafür, daß solche Sätze wie in der AZ 2/96 nicht nur gedacht sondern auch geschrieben, gedruckt und verteilt werden können und in einer emanzipatorischen Praxis münden!

LINKSRADIKALE POLITIK IST NICHT KRIMINELL, SONDERN FÜHRT ZU SELBSTBESTIMMUNG, KOLLEKTIVITÄT UND BEFREIUNG !!!
LEBT & LEST RADIKAL!



29/11/96 Soliplenum Schleswig-Holstein