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Nachrichtenredaktion

Hamburg, den 02.06.1996

Brandanschlag Lübeck 18.01.1996
Safwan Eid - Weitere Beschwerde der Verteidigung

Pressemitteilung

Mit der weiteren Beschwerde hat die Verteidigung des Libanesen Safwan Eid in der letzten Woche den Haftbefehl und die diesen bestätigende Entscheidung der Landgerichtskammer Lübeck angegriffen. Unter Hinweis darauf, daß die Staatsanwaltschaft der Verteidigung inzwischen darin folgt, daß der Beschuldigte erst 20 Jahre alt ist, ist erneut beantragt worden, das Verfahren an das zuständige Jugendgericht zu verweisen und Termin zur mündlichen Haftprüfung zu bestimmen.

1. Die Verteidigung stellt in der Beschwerdeschrift fest, daß es bei Safwan Eid -gerade nach den von der Staatsanwaltschaft vertretenen Theorien über den Brandausbruch- kein "Täterwissen" gibt, dieses von den Gerichten vielmehr in offensichtlicher Unkenntnis der Aussage des Sanitäters angenommen wurde. Der Weg zu dieser Annahme verlief so:

OStA Klaus-Dieter Schulz behauptete in der Pressekonferenz zur Inhaftnahme des Libanesen am 20.01.1996: "Entscheidend war vielmehr die Tatsache, daß der Beschuldigte Wissen mitgeteilt hat, über das nur der Täter oder ein Tatbeteiligter verfügen kann. So hat er den Ort des Brandausbruchs, der zur damaligen Zeit den Ermittlungsbehörden nicht bekannt war, der uns bis gestern nicht bekannt war, genau bezeichnet." Den Ort des Brandausbruchs lokalisiert die Staatsanwaltschaft bekanntlich in der zur Hafenstrasse belegenen Wohnung des 1. Stocks des Wohnhauses Hafenstrasse 52.

Die Behauptung des OStA Schulz war falsch. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft erklärt, sie habe niemals behauptet, Safwan Eid habe gegenüber dem ihn belastenden Sanitäter davon gesprochen, er habe das Feuer im ersten Stock gelegt.

Als angeblichen Geständnisinhalt hatte der Sanitäter behauptet, man habe Benzin gegen eine Tür gekippt, das dann angezündet und brennend die Treppe hinuntergelaufen sei. Diese Angaben lassen sich mit beliebigen Türen in einer beliebigen Etage oder auch mit der Hauseingangstür - zu der immerhin eine Treppen führt - vereinbaren. Nur befand sich der nach den Feststellungen der Staatsanwaltschaft angebliche Brandausbruchsort nicht an einer Tür und ca. 12 m von der 13 cm höher gelegenen Haustreppe entfernt. Auch konnten trotz Verwendung neuester Technik keinerlei Spuren von Brandbeschleunigern festgestellt werden.

Obwohl aus dem Akteninhalt von Beginn an ersichtlich war, daß Safwan Eid nicht über Täterwissen verfügt, wurde anlässlich des Haftprüfungstermins vom 20.03.1996 die Behauptung des dringenden Tatverdachts aufrechterhalten. Daß diese Entscheidung immer noch auf der Fehlmeldung der Staatsanwaltschaft beruhte, bewies sich mit dem Nichtabhilfebeschluss des AG Lübeck vom 10.04.1996: dort behauptete der Richter ausdrücklich und sachlich falsch, der Beschuldigte habe gegenüber dem Sanitäter erklärt, der Brand sei im ersten Stockwerk des Hauses ausgebrochen.

Obwohl auf Einwand der Verteidigung in der Beschwerdeschrift vom 21.04.1996 auch die Staatswaltschaft erklärte, dies sei von ihr nie behauptet worden, verwarf das Landgericht Lübeck die Beschwerde erstaunlicherweise aus den angeblich zutreffenden Gründen des Haftbefehls und des Nichtabhilfebeschlusses vom 10.04.1996.

2. Unter Hinweis auf ein über keine Schliessvorrichtung verfügendes, jederzeit leicht zu öffnendes Fenster im hölzernen Vorbau des Brandhauses, weist die Verteidigung weiter darauf hin, daß die Argumentation der Staatsanwaltschaft, der Brand müsse von einer Person aus dem Haus gelegt worden sein, sich nicht halten lässt.

3. Die Beschwerdeschrift macht der Staatsanwaltschaft den Vorwurf, keine weiteren Massnahmen zur Aufklärung des rätselhaften Todes des - im ersten Stock wohnenden - Hausbewohners Sylvio A. im hölzernen Vorbau ergriffen zu haben und legt eine gutachterliche Stellungnahme des Direktors des Instituts für Rechtsmedizin der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, Prof. Dr. W. Bonte vor. Dieser bestätigt, daß aus rechtsmedizinischer Sicht der Beweis nicht erbracht werden kann, daß Sylvio A. durch Brandeinwirkung starb und stellt in diesem Zusammenhang die Frage nach Ermittlungen nach dem Brandherd im Erdgeschoss.