Es rauscht im Äther und raschelt im Blätterwald...

Printmedien, Internet, Radio, Fernsehen, Ausstellungen, Plakate, Filme - warum, wie und mit welchem Anspruch nutzen Gruppen diese Formen und in welchem Kontext werden sie gesehen/sehen sie sich selbst?? Das Interview mit FSK ist der Auftakt zu einer hoffentlich folgenden Reihe von Texten zum Stellenwert und zum Selbstverständnis linker Medien.

Interview: Warum machst du freies Radio??

FSK ist das Freie Sender Kombinat in Hamburg, ein Zusammenschluß von verschiedenen Radiogruppen: Radio St.Paula, feministisches Radio, Uniradio, Radio Loretta, der AG Stadtteilradios und Forumradios. FSK ist ab April 96 lizensiert für eine 25 ½ Stunden -Frequenz in Hamburg, und damit offizieller, legaler Anbieter eines Radioprogramms. FSK sendet auf 89.1 Mhz Mo-Fr 18.30-23, Sa 18-23 und So 20-23 Uhr. In dieser Zeit nutzt FSK ein sog. Fenster auf dieser Frequenz, die in der übrigen Zeit von Deutschlandradio Berlin bespielt wird. FSK ist auch über Kabel auf 101.4 zu empfangen.

Antonio ist Teil der Inforedaktion bei FSK und damit eine Facette der heterogenen Struktur des FSK.
Er spricht nicht für den Gesamtverbund.

r (radikale Zeiten): Was ändert sich durch die Frequenzvergabe?

a (Antonio): Die jetzige Lizensierung ist Folge eines 10-jährigen Kampfes hier in Hamburg für ein freies Radio und ist für uns der erste Schritt auf dem Weg zur ganzen Frequenz.

r: Könnt ihr in eurer Sendezeit frei über eure Inhalte und das, was ihr sendet, verfügen?

a: Rein rechtlich ist es so, daß uns in unserem Fenster niemand abschalten kann - solange wir die medienrechtlichen Vorschriften einhalten.

r: War für euch immer klar, daß ihr eine legale Frequenz anstrebt?

a: Ja und es ist auch wichtig das zu erwähnen, weil das gerade in linken Szenen immer gerne durcheinandergebracht wird, ob freies Radio oder Piratenradio. FSK ist nicht Radio Hafenstraße..

r: Warum habt ihr euch für das Medium Radio entschieden?

a: Das Reizvolle an Radio ist dieses potentielle "An Alle". Auf unserer Frequenz 89,1 erreichen wir 900 000 Radiogeräte. Freies Radio versucht sich ein Massenmedium anzueignen ohne Massenpolitik zu machen.. Wir wollen nicht nur die Szeneviertel beschallen. Dann könnten wir ein Soundsystem auf der Straße aufstellen.

In der Medienpolitik Stellung zu beziehen und darin nach linken Interessen zu handeln, ist meiner Ansicht nach eine Sache, die in den letzten 10,15 Jahren vernachlässigt worden ist.

r: Radio ist ein Massenmedium, es gibt erstmal kaum eine Hierarchie darin, wie Leute sich das aneignen können, wie das bei anderen Medien wie Internet oder weniger verschärft auch bei Zeitungen der Fall ist. Trotzdem hören Leute Radio eher im Hintergrund, es ist nicht das Medium, über das so die großen Inhalte wahrgenommen werden. Das hat was mit Hörgewohnheiten zu tun... Wie stellt ihr euch vor, euren Anspruch, gerade Inhalte und Diskussionen zu transportieren, ausgerechnet über Radio zu verwirklichen?

a: Durch unsere Organisationsstruktur, dadurch, daß wir ein Zusammenschluß von verschiedenen Radiogruppen sind, ist unser Programm sehr heterogen und dient alleine schon deswegen gar nicht diesem Standard der herkömmlichen Radios, nämlich der Durchhörbarkeit.

Unser Programm ist ganz klar gedacht als Einschaltradio; weshalb wir auch eine Programmzeitung herausgeben..

r: In eurem Flugi zum Sendestart war die Rede davon, ein Wort-Ton-Verhältnis von 50:50 herzustellen. Das ist ein hoher Anspruch.

a: In den kommerziellen Sendern gilt die Regel, keinen Wortbeitrag über 2 Minuten 30 Sekunden zu machen. Irgendein Statistikmensch hat wohl mal ausgerechnet, daß die Leute danach offenbar abschalten. Gängig ist die Form: Worthäppchen - Musik - Worthäppchen - Musik... Das machen wir ganz bewußt nicht so. Es wird dreieinhalb Tage Wortsendungen und dreieinhalb Tage Musiksendungen geben, ein Tag ist geteilt, um das 50:50 Niveau zu bekommen. Ganz zu Ende gedacht sind wir ein bißchen unglücklich mit dieser sehr althergebrachten Trennung zwischen Wort und Musik, als ob im Wort dann der Inhalt wäre und die Musik, das sei dann eben das Schöne zum Zuhören..

r: Medien schaffen Realität. Wie wollt ihr damit umgehen?

a: Uns liegt daran, die Konstruiertheit jeglicher Meldung offenzulegen. Es wird keinen klugen Moderator mit sonorer Stimme geben, der diese gewisse Seriosität, der Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt, der wieder alles ins Lot bringt, der in seiner Abmoderation jeden Beitrag, auch wenn dieser mal etwas schärfer geraten sein sollte, wieder einordnet. Es muß bei uns darum gehen, deutlich zu machen, wie diese Meldung, dieser Beitrag jetzt zustande gekommen ist, wie die Produktionsbedingungen aussehen... Es darf nicht der Eindruck der Allwissenheit entstehen. Auch wenn wir von einem Fernsehturm ausgestrahlt werden, sitzen wir eben nicht drauf.

r: Du würdest eure Arbeit ja in einen politischen Kontext stellen und darin mit eurem Medium auch eine Rolle spielen wollen. Sowas kann auf unterschiedlichen Ebenen passieren.

a: Wir verstehen uns unter verschiedenen Aspekten als politisches Projekt. Zum einen durch die Organisationsform, die sich mit dem Anspruch Hörende zu Sendenden zu machen grundsätzlich vom herkömmlichen Rundfunk unterscheidet. Andererseits versucht freies Radio durch Form und Inhalt an dieser Normalität hier zu rütteln und eben nicht die harmonische Hintergrundmusik dazu abzuliefern, wenn in diesem Land Flüchtlingsunterkünfte brennen und jährlich Zehntausende abgeschoben werden..

r: Das heißt also, ein Medium nicht als Dienstleistung anzubieten. Mit Sendungen, die gemacht werden, Material zur Verfügung zu stellen, damit auch mobilisierend zu wirken, aber gleichzeitig die Einrichtung des Radios an sich als Forum anzubieten, was dann von anderen genutzt werden kann und soll. Das setzt voraus, daß Leute die Idee des Projektes verstehen, bereit sind, ihre Hörgewohnheiten zu verändern, um sich das Radio zunutze zu machen und sich darüber hinaus in das Projekt einzubringen?

a: Wenn wir hier diese Wirklichkeit verändern wollen, dann müssen wir auch das uns Gewohnte verändern. Unsere Verhaltensweisen kommen aus dieser Gesellschaft und aus unserer Sozialisation...Das Radio bietet eine gewisse Struktur für Veränderungen an. In unserer Broschüre steht irgendwo diese schlaue Phrase von der "transversalen Neuzusammensetzung des Bewegungssubjekts"...

Unsere Zielgruppe sind die, die sich in ihren fremdzugeschriebenen Identitäten nicht mehr wohlfühlen.

Daher ist unsere Zielgruppe nicht eine bestimmte Szene. Das ist jetzt das Pech mit dieser Dreieinhalbstundenfrequenz: wir können kein Kinderradio oder kein SeniorInnenradio haben, wir haben im Moment kaum nichtdeutschsprachige Programme - das sind alles Gründe, warum wir die Vollfrequenz brauchen.

Dreieinhalb Stunden ermöglichen nur einen Kompromiß mit der Gefahr der Herkömmlichkeit.

Und wer ist schließlich auch wir? "Wir" haben diese Struktur geschaffen, jetzt muß sie genutzt werden.

Neben der konkreten Beteiligung ist es wichtig, dieses Radioprojekt als Teil eines Netzes zu begreifen, d.h. uns dann als Gruppe, die zu einem Thema arbeitet, Informationen zukommen zu lassen. Die Leute im Studio haben dann eine koordinierende oder produzierende Funktion, um es zu ermöglichen, Öffentlichkeit zu schaffen.

Ob dieses Radio ein linkes Projekt ist, wird sich in der Programmgestaltung zeigen.

Dieses Radio ist erstmal ein Medium, was nicht in der Hand der Herrschenden ist, sondern es kann sich von vielen Menschen angeeignet werden.

r: Medien können Spiegel einer Bewegung sein, genauso wie sie eine anschiebende Funktion erfüllen können, etwa um Diskussionen anzustoßen.
Wie seht ihr euch?

a: Ich denke, es ist falsch, Medien nur als Hilfsmittel zu sehen. Ab dem Moment, wo ich ein Flugblatt rausgebe oder eine Sendung mache, bin ich Teil der Konstruktion der Wirklichkeit. und schaffe eine Öffentlichkeit, die es so vorher noch nicht gab. Ich füge zu dieser Wirklichkeit etwas hinzu.

Ich halte es für einen großen Fehler der 80er, daß die Diskussion um Medien irgendwann nicht mehr geführt wurde und die Bewegung ihre Medien nur noch als Hilfsmittel betrachtet hat für einen an anderen Punkten verorteten Kampf. Medienproduktion ist Teil der politischen Arbeit - in Form und Inhalt.

r: Was wollt ihr mit der Nachrichtensendung ?

a: Im schnellen Medium Radio bietet sich eine Infosendung an.

Eine Meldung ist nicht einfach eine Meldung, sie soll Gebrauchswert haben: mobilisieren, Diskussionen anstoßen...eben nicht dieser Effekt :"ach, wie schrecklich ist die Welt, aber ich hab ja noch Nudeln auf dem Herd...". Das Radio soll die Normalität irritieren.

Wir wollen nicht nur die linksradikalen Tagesthemen sein. Wichtig ist, daß die Leute sich am Zustandekommen dieser Nachrichten beteiligen.

r: Wie wollt ihr entscheiden, was zur Nachricht wird?

a: Wir werden sowohl die stille Szenepost nutzen als auch Mailboxen, wir werden eigene Berichte schreiben und hoffen auch, daß Leute ganz herkömmlich auf Pressekonferenzen gehen.

Obwohl die Infosendung täglich zur gleichen Zeit von 19.30 bis 20 Uhr stattfindet, wird sie sich auch je nach politischem Standpunkt der Beteiligten unterscheiden..

r: was gibt es für Erfahrungen mit Kriminalisierung freier Radios?

a: Die Angriffe gegen freie Radios fanden bisher vorwiegend im medienrechtlichen und nicht im strafrechtlichen Bereich statt. Für uns hat in letzter Zeit Ernst Elitz, der Intendant von Deutschlandradio mit dem wir uns die Frequenz teilen müssen, die Öffentlichkeitsarbeit übernommen, weil er anscheinend PKK-Reklame bei uns entdeckt hat, was dann von Focus bis FR gierig aufgegriffenwurde.

r: Danke für das Gespräch.

FSK ist zu erreichen über:

FSK
Schulterblatt 23c
20357 Hamburg

Tel: 040/ 43 43 24 Fax: 430 3383
e-mail: FSK-HH@CL-HH.comlink.de

FSK finanziert sich auschließlich durch Spenden und Fördermitgliedsbeiträge.

Bankverbindung: Hamburger Sparkasse BLZ 20050550 Kto.-Nr. 1226/124848

Kurzer Nachtrag zum Interview: Unmittelbar nach Sendestart wurde FSK bereits wegen allzu genauer Berichterstattung mit einem Verfahren bedroht, nachdem während der Newrozdemos in Hamburg aus einer Erklärung des Kurdistan-Rundbriefes vorgelesen wurde und eine Inforedaktion direkt aus dem Kessel gesendet hatte. Zwar scheint sich diese Drohung mittlerweile als haltlos erwiesen zu haben, bietet aber nochmal einen Einblick in die Angreifbarkeit jeglicher offensiver Berichterstattung.