Kriminalisierung und Terror im Internet - Politische Zensur

Die Euskadi Koordination ist ein 1984 in Zürich gegründeter und nach Schweizer Recht eingetragener Verein. Ihre Aufgabe besteht in der Verbreitung alternativer Informationen zum Baskenland (Euskadi), insbesondere zum politischen Konflikt zwischen Euskadi und dem spanischen Staat. Von 1986 bis 1992 wurden aktülle Nachrichten sowie Hintergrundberichte in der deutschsprachigen Zeitschrift "Euskadi Information" veröffentlicht. Die Auflage wurde an mehrere Hundert AbonnentInnen und Dutzende von Buchhandlungen in Deutschland, der Schweiz und Österreich verschickt. Andere Gruppen in Europa gaben ebenfalls ähnliche Zeitschriften auf Französisch und Spanisch, teilweise auch auf Englisch und Italienisch heraus.

Im Oktober 1995 ging die "Euskadi Information" versuchsweise ans Netz: die Web-Seiten erschienen bei einem schweizer Provider, der Internet Access AG in Zürich. Unser Angebot an Informationen in fünf Sprachen (Deutsch, Englisch, Baskisch, Französisch und Spanisch) wurde kontinuierlich ausgebaut. Der große Zuspruch, mehr als 1500 Einzelabfragen pro Woche, ließ deutlich werden, daß dieses Angebot einem reellen Bedürfnis entsprach.

Die Kriminalisierungskampagne und der Computerangriff

Am 19. Februar veröffentlichte die in Bilbao erscheinende konservative Zeitung "El Correo Espanol" einen Artikel und einen Kommentar mit der provokativen Überschrift "InternETA". In beiden Artikeln wurde die Euskadi Information beschuldigt, eine verdrehte Ansicht des Baskenlandes zu zeigen und angeblich zum Umfeld der baskischen bewaffneten Bewegung ETA zu gehören. Die ultrakonservative und spanisch-nationalistische Zeitung "ABC" aus Madrid kriminalisierte mit der Behauptung, das "ETA-Umfeld könnte das Internet für chiffrierte Verbindungen gebrauchen", und mit dem Hinweis, daß die spanische Polizei unsere Aktivitäten untersuche. Alle Medien publizierten längere Artikel samt Photographien der Web-Seiten, und versuchten die Informationen als "Apologie des Terrorismus" zu deuten. "ABC" und einige Zeitschriften steigerten sich zu Titelzeilen wie "Die Polizei vermutet, daß ETA ihre Attentate durch Internet befiehlt". Euskadi Information wurde ebenfalls beschuldigt, der "internationalen Terrorszene" zuzugehören, wegen der Links zu anderen Web-Seiten, wie die der mexikanischen Zapatistas oder der irischen Sinn Fein, und weil das Recht auf Gebrauch der PGP-Chiffrierung unterstützten.

Zu diesem Zeitpunkt gingen auch die ersten Beleidigungen und Drohungen per e-mail ein, sie kamen aus dem spanischen Staat und meistens mit anonymen oder gefälschten Absenderadressen. Einige dieser Meldungen waren sehr ernst zu nehmen, denn sie kündigten Attentate gegen baskische PolitikerInnen an, ganz im Zeichen des schmutzigen Krieges des spanischen Staates gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung. Am 13. Februar, kurz nach einem Attentat der ETA in Madrid, gelang es spanischen Hackern, einige Graphiken auf den Web-Seiten auszutauschen, um Euskadi Information politisch zu diskreditieren. Diese Sabotage wurde am nächsten Tag von der gesamten spanischen Presse vermeldet, mit stolzen Kommentaren, wie "Der Demokratie-'Virus' " oder "antiterroristische Hacker schlagen zurück gegen die Unerwünschten".

Ab Mittwoch dem 14. Februar '96 wurde dann eine grossangelegte e-mail-Flutwelle von verschiedenen spanischen Universitäten aus gestartet, hauptsächlich von der "Universidad Autonoma de Madrid". Diese massive Bombardierung mit e-mails (bis zu 80 Stück pro Minute) dauerte knapp zwei Tage und brachte den Service Provider an den Rand des Zusammenbruchs.

Unter dem Druck der Ereignisse sah sich unser Provider gezwungen, die Euskadi-Information-Web-Site zu schliessen, obwohl er zugeben musste, daß das Informationsangebot aus Schweizer Sicht völlig legal war, und daß dieser Vorfall eigentlich einen schwerwiegenden Angriff auf das Recht auf freie Meinungsäusserung darstellte. Mit wenigen Ausnahmen übernahmen die Schweizer Medien die von spanischen Presseagenturen verbreitete Sicht der Dinge, so daß es für Euskadi Information nahezu unmöglich wurde, einen neün Internet Provider in der Schweiz zu finden, der dem Risiko eines unter Umständen erneuten Angriffes der antidemokratischen spanischen Cyberterroristen entgegentreten würde. Inzwischen hat es andere, ähnliche Aktionen gegeben, wie die versuchte Sabotage der baskischen Diskussionsliste Basque-L, oder die Diskussion in den spanischen Newsgroups über die zu ergreifenden Maßnahmen, um die baskische Zeitung "egin" am demnächst geplanten Zugang zum Internet zu hindern.

Die Euskadi Information hat inzwischen einen neuen Internet Provider, und zwar in Gent, Belgien. Die Webseiten der Euskadi Information können unter folgender Adresse aufgerufen werden:

http://www.knooppunt.be/-euskadi/

Für weitere Fragen und Informationen kann unter der e-mail Adresse euspress@knooppunt.be oder per Fax an (02) 6463012 in Brüssel mit der Euskadi Information in Kontakt getreten werden.

20/03/96

Euskadi Koordination Zürich, Schweiz

Euskadi Koordination
Postfach 7323
8023 Zurich
Switzerland


Legende:

Provider = Betreiber einer Mailbox

Web-Seiten = Seiten im world wide web (WWW)

PGP = pretty good privacy (Verschlüsselungsprogramm)