Kriminalisierung kurdischer Solidaritätszeitungen

Der Staat läßt nicht locker. Nach dem Verbot der PKK und anderer kurdischer Organisationen, der Schließung kurdischer Kulturvereine, wie etwa zuletzt in München der Deutsch-Kurdische Elternverein nach § 20 Vereinsgesetz , geraten nun auch vermehrt kurdische Soli-Zeitungen wie Biji, Kurdistan-Rundbrief und Kurdistan-Report ins Visier staatlicher Verfolgung und Zensur.

Am 11.11.95 bekam der presserechtlich Verantwortliche der wöchentlich erscheinenen Biji ( Informationen aus Kurdistan und der BRD - herausgegeben von der Kurdistan Solidarität Nürnberg-Erlangen) die mittlerweile sechste Vorladung vom Erlanger Staatsschutz, der Ermittlungsverfahren gegen die Ausgaben Nummer 59 und 60 wegen angeblicher Verstöße gegen §20 des Vereinsgesetz, mithin wegen Unterstützung der Arbeiterpartei Kurdistans PKK, einleitete. In der Vergangenheit sind bereits Ermittlungsverfahren gegen die Nummern 20, 47, 52, 55, 56, 57 und 58 eingeleitet worden. Im Falle der Ausgabe 22, in der zusätzlich noch wegen angeblicher Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§90 StGB) ermittelt wird, ist Anklage bei der Nürnberger Staatsanwaltschaft erhoben worden; der bloße unkommentierte Abdruck einer Presseerklärung der Volksbefreiungsarmee Kurdistans, ARNK, in der zum Tourismusboykott gegen die Türkei aufgerufen wurde, sei ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz.

Ohne juristische Folgen blieben dagegen das vor kurzem staatgefundene Treffen, einschließlich Berichterstattung, zwischen dem ehemaligen Berliner Innensenator und jetzigen CDU-Bundestagsabgeordneten Heinrich Lummer und dem Generalsekretär der PKK, Abdul Öcalan, ein "Stern-Interview" mit Öcalan im Sommer 1995 oder ein Interview der WDR-Sendung "ZAK" mit einem ERNK-Vertreter kurz darauf. Es gelten eben scheinbar doch unterschiedliche Maßstäbe.

In einer von der Kurdistan-Solidarität Nürnberg-Erlangen herausgegebenen Presseerklärung heißt es unter anderem :"Die Zielrichtung bei diesem und anderen Verfahren ist klar: Es soll versucht werden, authentische und /oder objektive Informationen über den kurdischen Befreiungskampf und über die, die ihn führen, über die Verbrechen des faschistischen Regimes des Nato-Partners Türkei und die, die ihm dabei politisch, militärisch, und finanziell helfen - zu verbieten.(....)

§20 (Verstoß´gegen das Vereinsgesetz) ist ein Gummiparagraph, der dabei wie §129a im Falle der Berichterstattung und Meinungsäußerung zur RAF und dem revolutionären Widerstand angewendet wird : als Vorwand für Ermittlungen, die nicht immer zu Verfahren führen müssen, es aber den Repressionsorganen der Staatsgewalt erlauben, linke und fortschrittliche Zusammenhänge einzuschüchtern, auszuspähen, Veranstaltungen und Demonstrationen anzugreifen und kurdische Vereine zu überfallen und zu durchsuchen."

Bereits Ende Juli erhielt der presserechtlich Verantwortliche des Kurdistan-Rundbriefes, Rüdiger Lötzer eine Anklageschrift der Kölner Staatsanwaltschaft, vertreten durch Oberstaatsanwalt Dr.Bellinghausen, wegen "Zuwiderhandlung gegen ein vollziehbares Vereinsverbot" nach §20.

Strafbar soll sein, daß in der Ausgabe Nr.13/95 des Kurdistan-Rundbriefes vom 29.6.95, sowohl eine Grußadresse von A.Öcalan an die damalige Demonstration in Bonn ("für eine politische Lösung in Kurdistan" ), an der 100.000 KurdInnen teilnahmen, dokumentiert wurde als auch eine ERNK-Erklärung, in der deutsche Behörden vor einem Provokationskurs gegenüber KurdInnen gewarnt werden, abgedruckt wurde. Die Staatsanwaltschaft vertritt die Auffassung, daß "durch den Abdruck der beiden Artikel der Angeschuldigte die verbotene Tätigkeit der PKK und der ERNK im Inland gefördert hat."

Dies ist bereits der vierte Versuch, den Kurdistan-Rundbrief, der seit 1987 existiert, zu kriminalisieren.

Im Januar 1994 flatterte die erste Anzeige von Seiten der Kölner Polizei wegen ”Werbung für eine verbotene Vereinigung” ins Haus des Herausgebers. Hintergrund war, daß zwei, vom Herausgeber mit ”zur Zeit verboten” kenntlich gemachte, Organisationen, das Kölner Kurdistan-Komitee und der Dachverband Feyka Kurdistan mit im Impressum des Kurdistan-Rundbriefes auftauchten. Insgesamt drei Anklagen mißglückten, zuletzt erklärte das Oberlandesgericht Domstadt, daß nichtexistente Gruppen auch nicht unterstützt werden können.

Wie es jetzt ausgeht , ist dagegen völlig offen. ”Die IG-Medien haben mir jedenfalls Unterstützung zugesagt”, erklärte Rüdiger Lötzer gegenüber den radikalen Zeiten.