"Hände weg von den Medien"

JournalistInnentag der IG Medien in Berlin

Unter dem Motto "Hände weg von den Medien" diskutierten am 25. 11. in Berlin rund 100 Journalistinnen und Journalisten der Bundesrepublik auf dem 10. JournalistInnentag der IG Medien über die Einschränkung der Pressefreiheit. Die zunehmenden Übergriffe gegen Medien - Redaktionsdurchsuchungen, die Beschlagnahme von Recherchematerial, körperliche Angriffe gegen JournalistInnen sowie die Frage nach dem "gläsernen Staat" und das Zeugnisverweigerungsrecht wurden debattiert.

In der Öffentlichkeit sieht Prof. Wolf Dieter Narr vom Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin das Herz der Demokratie. In der BRD hätten wir es jedoch mit einer "wuchernden Demokratie" zu tun, die in sich funktioniere, die kaum noch kontrollierbar und und durch keinerlei Mechanismen wirklich zu öffnen sei, so Prof. Narr zum Thema: "Medienrepression: Einzelfall-Zufall-System?". Das gleiche gelte für das staatliche Gewaltmonopol. Bei allem stünden Parlamente draußen. Für JournalistInnen bedeute es Narr zufolge einen enormen Aufwand, Geheimhaltungsbarrieren in den Behörden und Ämtern zu durchbrechen. Die technische Komplexität der Probleme, undurchschaubare Gesetze und die zunehmende Kapitalisierung der Informationen erschweren massiv die Arbeit der JournalistInnen, weil sie oft nicht mehr in der Lage seien, "mit dem eigenen Spaten zu graben". Schlußfolgernd vereinte Narr das Zufallsprinzip ebenso wie Medienrepression als System. Jedoch weise die bundesdeutsche Gesellschaft deutliche "strukturelle Elemente" der Medienrepression auf.

Den nahezu "gläsernen Staat" stellte ein schwedischer Journalistenkollege vor. Kern ist ein Informationszugangsgesetz, was nicht nur das Recht auf freie Meinungsäußerung für jedeN garantiert. Vielmehr können sich alle BürgerInnen umfassend selbst informieren. Ihnen sind z.B. abgeschlossene Ermittlungsakten der Polizei ebenso zugänglich wie Gerichtsunterlagen und das Pass- und Melderegister. Zudem ist jede Behörde verpflichtet, Informationen z.B. über Mißstände an JournalistInnen weiterzugeben. KeinE BeamteR oder AngestellteR kann dafür belangt weren. Die Vorstellung vom gläsernen Bürger rief im Auditorium Schaudern hervor. Die Aussicht, daß jedeR MitbürgerIn über den anderen abfragen kann, wieviele Pässe er/sie hat, wo er/sie wohnt, welche Steuern er/sie zahlt... ließ Unruhe im Saal aufkommen. Dennoch sind die geltenden Datenschutzgesetze in Deutschland überarbeitungsbedürftig, war ein Resümee der Debatte.

Das Zeugnisverweigerungsrecht für JournalistInnen in der Bundesrepublik wird zunehmend ausgehöhlt, insbesondere durch die restriktive Auslegung zugunsten der Behörden und des Staates. Immer häufiger werden Redaktionen und Studios durchsucht, Ermittlungsbehörden beschlagnahmen rigoros Material. Die Methoden werden dabei immer krasser. Der geringste Verdachtsmoment - auch gegen Unbekannt - reicht aus, um ganze Festplatten abzuräumen. Diskutiert wurden Entwürfe von Grünen, SPD und Bundesrat zur Novellierung des Zeugnisverweigerungsrechts, die derzeit im Bundestag vorliegen. Dabei treten die Grünen für ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht für alle journalistisch Tätigen ein - eine Forderung, mit der die IG-Medien offensichtlich mitgehen kann. Rechercheergebnisse, auf welchem Datenträger auch immer, gehören nicht in Strafakten. Der Staat müsse mit seinen eigenen Mitteln aufklären, sagte Gerd Nies, Vizevorsitzender der IG-Medien, dazu.

Carla Bernhardt (IG-Medien)