Exil beginnt dort, wo die Flucht aufhört...!

Wir haben in der letzten Ausgabe der radikalen Zeiten angekündigt, daß wir in dieser und in der nächsten Nummer als Schwerpunkt "Exil" thematisieren wollen. (Trotz längerer hitziger Diskussionen in der Redaktion gibt es auch bei uns noch sehr unterschiedliche Meinungen und Ansätze.)

Untertauchen heißt in der überwiegenden Anzahl der Fälle, aus der politischen Diskussion zu verschwinden, nicht mehr wahrgenommen zu werden. Eine Kommunikation mit Untergetauchen gibt es so gut wie nicht. Daß sie nicht auf einem anderen Planeten leben, sondern irgendwo unter uns und somit auch für uns durch Briefe, die in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht werden können, erreichbar sind, nehmen wir nicht wahr oder vergessen es einfach.

Wir haben uns für diesen Schwerpunkt entschieden, weil wir die Notwendigkeit sehen, dieses Thema in einem breiteren Rahmen zu diskutieren und ins Bewußtsein zu rufen. Vor dem Hintergrund der Remilitarisierung (Deserteure), der de facto Aufhebung des Asylrechts (Flüchtlinge) und der immer weiter verschärften Gesetzgebung im Rahmen der "inneren Sicherheit" gehen wir davon aus, daß immer mehr Menschen gezwungen sein werden, sich staatlichem Zugriff durch Untertauchen zu entziehen.

Wir haben in der weitern Diskussion um dieses Thema aber festgestellt, daß der Begriff Exil, so wie wir ihn verwendet haben, einfach zu ungenau ist für das, was wir thematisieren wollen.

Exil bedeutet, daß Mensch, der sich der staatlichen Verfolgung entzogen hat, in ein anderes Land geht, in welchem er/sie ohne die permanente Bedrohungsangst leben kann und die Möglichkeit hat, sich individuell zu entfalten. Letztendlich geschützt durch die herrschende Ordnung in dem Land, in welches Mensch flieht. Mensch, der in welchem Land auch immer, durch staatliche Organe bedroht wird und untertaucht, wird ständig von der Entdeckung bedroht sein und kann sich nicht frei bewegen. Er/sie lebt illegal - auf der Flucht.

Flucht

Exil - Illegalität

Exil und Illegalität verbinden sich in einem wichtigen Punkt - FLUCHT. Flucht ist die Möglichkeit für Mensch, sich einer Bedrohung zu entziehen. Wir wollen versuchen darzustellen, daß das eine wie das andere für Menschen Möglichkeiten und Perspektiven bietet. Wir wollen verdeutlichen, daß es möglich ist, sich staatlicher Verfolgung durch Flucht und Illegalität zu entziehen und trotzdem nicht lebendig begraben zu sein. Und wir wollen die Erfahrungen von Menschen weitergeben, die sich entschlossen haben zu fliehen, um ins Exil zu gehen.

In dieser sowie in der nächsten Nummer sollen Menschen zu Wort kommen die im Exil gelebt haben. Sie werden berichten, was und wer sie ins Exil getrieben hat, wie sie das Exil erlebt haben und welche Erfahrungen sie an Menschen, die von Verfolgung bedroht sind, weitergeben können.

Wir wollen versuchen zu thematisieren, was notwendig ist und welche Räume geschaffen werden müssen, damit Menschen, die gezwungen waren unterzutauchen und in der Illegalität leben, sich zu Wort melden können, um nicht aus den politischen Zusammenhängen zu verschwinden.

Und wir wollen die Erfahrungen von Menschen vermitteln, die sich praktisch und theoretisch mit diesem Komplex befaßt haben.