"Die können mich sehr wohl quälen, erniedrigen. Ich will mich dadurch nicht brechen lassen!" (Rainer, 30.10.95)

Rainer hat sich vom 17.10. bis 11.11.95 im Hungerstreik für bessere Haftbedingungen befunden.

Seine Forderungen waren (und sind immer noch) die Aufhebung der Isolation, d.h. Teilnahme an Gemeinschaftsveranstaltungen und gemeinsamer Hofgang mit anderen Gefangenen.

Es ging für ihn auch darum, seine Solidarität mit anderen Gefangenen auszudrücken:

Zum Zeitpunkt seiner Entscheidung für den Hungerstreik, einen Tag nach seinem Haftprüfungstermin, waren im Trakt in Brackwede seine beiden Mitgefangenen schon seit drei Wochen für ähnliche Forderungen im Hungerstreik .

Drittens war dieser Hungerstreik für Rainer auch wichtig, um einen Rest an Selbstbehauptung und Selbstbestimmung zu leben, selber aktiv zu sein und zu kämpfen.

Rainer's "induviduelle" Situation

Rainer ist es wichtig, auf seine Situation als Vater hinzuweisen, weil "meine Wahrnehmung der Haftsituation gefühlsmäßig vor allem von der brutalen und rücksichtslosen Trennung von O." (9-Monate alt) "geprägt ist."

Rainer's Auseinandersetzung mit seiner Rolle als Vater geht über das rein Persönliche hinaus, ohne daß er sich "als den 'neuen Mann', den 'antipatriachalen Vater' hinstellen" will:

"Ich glaube ohne Übertreibung und Selbstüberschätzung sagen zu können, daß ich unserem Kind in meinem Leben einen größeren Platz eingeräumt habe als die meisten Väter in der BRD. Und zwar weil es meinem Bedürfnis, meinen Gefühlen entspricht!"

Rainer ist nach Beginn des Hungerstreiks in ein anderes Haus verlegt worden. Damit ist er von seinen Mitgefangenen getrennt worden, mit denen er z.B. beim Hofgang sprechen konnte. Er hat durch die Verlegung zwar einen größeren Hof für den Hofgang, ihm wird aber unter der Drohung den Hofgang abzubrechen, jeglicher Kontakt mit anderen Gefangenen untersagt.

Körperlich hat ihm der Hungerstreik sehr schnell zu schaffen gemacht (Kreislauf), was wahrscheinlich schon auf Folgen der Isohaftbedingungen zurückzuführen ist.

Drinnen und Draußen!

Rainer hat seine Entscheidung, das Kampfmittel Hungerstreik zu wählen, alleine getroffen. Eine Absprache mit den anderen Gefangenen, die wegen der gleichen Vorwürfe in Isolationshaft sitzen, waren für ihn "leider nicht möglich" (?).

Die mangelnde und durch die Briefzensur erschwerte Auseinandersetzung mit Rainer hat in Münster, als seine Entscheidung eine Woche nach Hungerstreikbeginn bekannt wurde, zu Hilflosigkeit und Lähmung geführt.

Einerseits waren anfangs kaum konkrete Informationen vorhanden, andererseits waren die meisten Menschen in der Soliarbeit bestimmt durch Ängste um Rainer und (auch politischen) Widersprüchen mit seinem Weg.

Die durch den Hungerstreik ausgelöste Diskussion hat zumindest hier in Münster die Auseinandersetzungen um unser Verhältnis zu Rainer und unseren konkreten Umgang mit ihm erheblich vorangebracht.

Und die deshalb geführte Diskussion um Knast und Widerstand im Knast allgemein hat sicher auch nicht geschadet.

Wir bewerten die Aktion deshalb auch im Nachhinein als positiv für uns, obwohl wir lieber ohne Hungerstreik weitergekommen wären.

Abbruch nach 25 Tagen

Obwohl der Hungerstreik hauptsächlich negative Auswirkungen für Rainer's konkrete Situation hatte, hat er ihm Kraft und ein gutes Gefühl gegeben. Der Abbruch hat ihn erstmal nicht niedergeschlagen oder resignieren lassen.

Rainer hat für sich konkret "erfahren", daß die Verantwortlichen die Leute, die sich in einem Hungerstreik befinden, verrecken lassen, wenn kein öffentlichen Druck aufgebaut wird.

(Auch die anderen Gefangenen, die sich im Hungerstreik befanden haben diesen wohl abgebrochen.)

Eine Soligruppe aus Münster, 14.10.95