Tarifkampf bei Metall und Versicherungen

Gesamtmetall

zurückgewichen

er Tarifabschluß in der bayerischen Metallindustrie hat ein lebhaftes und unterschiedliches Echo gefunden. Zunächst überwog bei den Kommentatoren in den Medien und bei den Verhandlungsführern von Gesamtmetall die positive Bewertung. Der Abschluß wurde als vernünftig und der wirtschaftlichen Lage angemessen bezeichnet. Kurze Zeit später kam der Schwenk. Mehrere Verbände der Metallkapitalisten stellte den Abschluß in Frage, so vor allem in NRW. Auch im Tarifgebiet Küste stimmten die Metallarbeitgeber dem Kompromiß nur mit Zähneknirschen zu (hier steht der Abschluß noch bevor). Selbst Dieter Hundt, seines Zeichens Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Baden-Württemberg und in Bayern als Vertreter von Gesamtmetall am Verhandlungstisch, läßt jetzt am Abschluß kein gutes Haar mehr. Was ist passiert? Die Konzerne und Gesamtmetall hatten angesichts brechend voller Auftragsbücher in der Autoindustrie und im Werkzeugmaschinenbau ein schnelles Ende des Arbeitskampfes betrieben. Die Verteuerung der DM infolge der weltweiten Währungsspekulation hat ihnen jetzt die Profitaussichten etwas geschmälert, und mit Wucht werfen sie sich auf weitere Programme zur Kostensenkung. Im Vordergrund der Taktik der Arbeitgeber hatte zunächst die Verschiebung der 35-Stunden-Woche und der Einbezug des Samstags in die Regelarbeitszeit gestanden. Genau hier mußte Gesamtmetall zurückstecken. Und neben der viermonatigen Pauschalzahlung von 152,50 DM monatlich sind dies die eindeutigen Pluspunkte des Tarifergebnisses. Die gewerkschaftliche Taktik, den Streik in einem Tarifgebiet mit einem hohen Anteil von mittleren und kleineren Betrieben zu führen und dadurch das Mittel der Aussperrung zu begrenzen, war erfolgreich. In Bayern konnte sich Gesamtmetall mit dem Konfrontationskurs nicht durchsetzen. Die "Disziplin" der Arbeitgeber, d.h. die Unterordnung der Kleinen unter die Großen, funktionierte nicht. Auch in der IG Metall brechen die Fronten auf. Die Presse berichtete, daß Riester, zweiter Vorsitzender der IG Metall, in der letzten Verhandlungsnacht eine "intelligente flexible Arbeitszeitregelung" angeboten habe. Die Verhandlungsführer der Arbeitgeber seien aber darauf nicht eingegangen, da es ihnen zu wenig durchdacht war. Die Auflösung bestimmter noch bestehender Arbeitszeitregelungen wird demnach vom Gewerkschaftsvorstand selber angeboten. Im selben Zusammenhang muß vermerkt werden, daß der Vorschlag des DGB-Vorsitzenden Schulte, den Samstag als Regelarbeitstag wieder einzuführen, öffentlich nur vom ersten Vorsitzenden der IG Metall Zwickel und von der IG Bau Steine Erden zurückgewiesen wurde. Die anderen Gewerkschaften hielten sich zurück. So läßt sich zunächst festhalten, daß mit dem bayerischen Abschluß das Tarifvertragssystem noch steht und die IG Metall einen Erfolg verbuchen konnte. Aber: Die offene Auseinandersetzung der letzten Tage kündigt an, daß es in der Frage der flexiblen Arbeitszeiten keine Entwarnung geben wird. Die Firmen werden Modelle von versetzten Schichten, Jahresarbeitszeitregelungen, kapazitätsorientierter variabler Arbeitszeit (KAPOVAZ) anbieten und mit Arbeitsplätzen winken. Sie werden der IG-Metall-Kampagne "Einstellungen statt Überzeit" öffentlichkeitswirksam entgegenkommen. Die offene Debatte über Art, Umfang und Richtung der Flexibilisierung der Arbeitszeit muß in den Gewerkschaften unbedingt geführt werden. -(ros, gekürzt)

Knappe 4% für hbv/DAG Etwa 1000 Versicherungs- und Bankangestellte demonstrierten am 7.3.95 in einem Sternmarsch zum Gänsemarkt in der Hamburger Innenstadt für ihre Tarifforderungen. Anlaß war die dritte Verhandlungsrunde Versicherungen, die an diesem Tag in Hamburg stattfand. Auf der Kundgebung bekräftigten Redner aus Betriebs- und Personalräten sowie von HBV und DAG die Forderungen von 6%, mindestens 250,- und wiesen die Provokationen der Versicherungen aus den ersten Verhandlungsrunden zurück (u.a. Arbeitszeit bis 45 Stunden, Verschlechterung des Vorruhestands, Nullrunde für Azubis, Samstag als Regelarbeitstag etc.). Nach der Kundgebung auf dem Gänsemarkt fuhr eine Delegation von ca. 100 Beschäftigten mit zwei Bussen direkt zum Verhandlungsort nach Harburg, um den Druck auf den Arbeitgeberverband zu verstärken. Dank des Metallerstreiks und -abschlusses vom Vortag fiel das Tarifergebnis Versicherungen, auf das sich am nächsten Morgen geeinigt wurde, dann auch besser aus, als mancher erwartet hatte: für drei Monate jeweils 200,- DM monatlich, ab Mai 3,8% Gehaltserhöhung mit einer Laufzeit bis 30.4.96. Die meisten Zumutungen des Arbeitgeberverbandes (s.o.) konnten zurückgewiesen werden. Eine Verschlechterung ist jedoch der Einstieg in eine Arbeitszeitverlängerung ("Flexibilisierung"): So soll es ab 1996 zulässig werden, die Arbeitszeit für einzelne Beschäftigte bis auf 42 Wochenstunden zu verlängern, wenn andere entsprechend verkürzen. Allerdings sind hier einige Hürden gezogen worden: U.a. sind Betriebsvereinbarungen erforderlich, die Versicherungen haben in dieser Frage kein Direktionsrecht, d.h. die Freiwilligkeit muß gewahrt bleiben. -(res)

Flexibilisierung

statt Arbeitszeit

verkürzung?

Am 8. März trafen sich ca. 25 Kollegen aus 12 Klein- und Mittelbetrieben der Druckindustrie im Gewerkschaftshaus, um im Rahmen einer Veranstaltung des Arbeitskreises Kleinbetriebe der IG Medien über die Probleme bei der Umsetzung der ab 1.4. vereinbarten Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden in der Druckindustrie zu diskutieren. Wie sich herausstellte, war es noch in keinem der vertretenen Betriebe gelungen, mit der Geschäftsleitung eine klare Vereinbarung über die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung zu treffen. Offensichtlich zentral durch Schulungen und Broschüren des Verbands der Druckindustrie Nord (VDN) gelenkt, versuchen die Betriebsleitungen zum einen, feste Arbeitszeitvereinbarungen mit den Betriebsräten bzw. Beschäftigten nach Maßgabe des Manteltarifvertrages zu umgehen, und zum anderen eine Vielzahl verschiedener Arbeitszeitmodelle durchzusetzen. Gemeinsam ist den meisten dieser Modelle, daß sie darauf abzielen, die Arbeitszeiten einseitig nach den Bedürfnissen des Betriebes zu flexibilisieren und gleichzeitig für die stoßweise anfallende Mehrarbeit keine Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. Die anwesende Landesbezirkssekretärin Brigitte Schütz wies darauf hin, daß die im Tarifvertrag enthaltene Klausel, nach der bei der Umsetzung der 35-Stundenwoche vorübergehend die Möglichkeit von zehn zuschlagsfreien Überstunden zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung vereinbart werden kann, eine Kann-Bestimmung ist, die keinesfalls automatisch gilt, wie viele Unternehmer suggerieren möchten. Maßgeblich bleiben nach wie vor die Bestimmungen des Manteltarifvertrages, in dem es z.B. heißt, daß die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für den einzelnen Arbeitnehmer auf fünf Tage von Montag bis Freitag zu verteilen ist und auch bei ungleichmäßiger Verteilung der Arbeitszeit an keinem Tag die Höchstarbeitszeit von 10 Stunden überschritten werden darf. Besonders schwierig ist es für die Betriebe ohne Betriebsrat, sich der Zumutungen von der Unternehmerseite zu erwehren. Es kann jedoch nicht angehen, daß die für viele Kleinbetriebe ohne Zweifel verschärfte Konkurrenz, für die zum Teil die während des DDR-Anschlußbooms aufgebauten Überkapazitäten verantwortlich sind, auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und sich dadurch die Arbeitsbedingungen für alle nachhaltig verschlechtern. Der Arbeitskreis Kleinbetriebe der IG Medien Hamburg trifft sich wieder am 12. April um 19.00 Uhr im Gewerkschaftshaus, 8. Ebene, Sitzungszimmer. Im Beisein eines Rechtsanwalts soll dann das Thema "Gekündigt - was tun?" diskutiert werden. -(ulj)

Demo gegen Polizeiübergriffe Aus Protest gegen die kürzlich öffentlich gewordenen Übergriffe und Folterungen von Polizisten gegen Schwarze demonstrierten am 5.3. ca. 150 Menschen vor der Polizeiwache 11 an der Kirchenallee. Aufgerufen hatten laut taz die "Black Students Organization" und die "Initiative schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland". Ein Aufrufflugblatt habe ich nicht in die Hände bekommen. Von der Kirchenallee aus zog die Demonstration dann noch zum Rathaus. Die Polizei hielt sich erwartungsgemäß völlig zurück. Eine Gruppe trug weiße Masken und war mit Spielzeugpistolen ausgerüstet. Sie stellten die Übergriffe öffentlichkeitswirksam nach, indem sie Schwarze auf den Boden warfen und auf diese "schossen". Vom Lautsprecherwagen aus wurde die "Hamburger Bevölkerung" aufgerufen, sich zu solidarisieren. -(Fr.)

CDU fordert "HilfsSheriffs" für die Polizei Die Hamburger CDU fordert die Einrichtung eines "Freiwilligen Polizeidienstes" zur Unterstützung der Polizei. Mehrere hundert unbezahlte, freiwillige Polizeihelfer sollen die Polizei bei der Sicherung von Gebäuden und öffentlichen Anlagen, beim Streifendienst, der Verkehrsüberwachung, bei Ordnungsdiensten und anderem unterstützen. Der Dienst der mit einer kurzen Grundausbildung versehenen, nur mit Schlagstock und Funkgerät bewaffneten Hilfspolizisten soll unentgeltlich sein, Auslagen sollen erstattet werden. In Bayern und Baden-Württemberg würden bereits positive Erfahrungen mit solchen Modellen gemacht, so die CDU. Wir erinnern uns eher der Tatsache, daß diese freiwillige Polizeitruppe in Berlin vor einiger Zeit als Sammelbecken von Rechten und Faschisten bekanntgeworden ist. Innensenator Wrocklage hat in bezug auf die CDU-Forderung bekanntgegeben, daß die Innenministerkonferenz derzeit verschiedene Modelle wie "Angestellte im Vollzugsdienst", Freiwilliger Polizeidienst als Wehrersatzdienst", "Ehrenamtliche Polizeidienste" und das von der CDU vorgeschlagene Modell prüfe, und möchte erst die Ergebnisse abwarten. Da aber kein zusätzliches Geld für solche Kräfte zur Verfügung stehe, würde ein mögliches Mehr an schlecht ausgebildeten Hilfspolizisten durch eine Verringerung an gut ausgebildeten Polizeibeamten zu bezahlen sein. Darin könne er keine Verbesserung für die Sicherheit der Bürger sehen. - (ulj)

Fahrt nach

Buchenwald

Wie inzwischen vielleicht bekannt, wird am 9.4.1995 anläßlich des 50. Jahrestages der Selbstbefreiung Buchenwalds (11.4.1945) in dem ehemaligen KZ eine Manifestation stattfinden. Dies wird in dem diesjährigen Gedenkjahr wahrscheinlich die einzige bundesweite Möglichkeit sein, öffentlichkeitswirksam dem Geschichtsrevisionismus von konservativer und neofaschistischer Seite entgegenzutreten. Es wird die einzige größere Veranstaltung sein, wo AntifaschistInnen aus verschiedenen Ländern ein Zeichen setzen gegen die Gleichsetzung von links und rechts und die deutschnationale Selbstbemitleidung. Die Manifestation von Buchenwald, auch für jüngere AntifaschistInnen, ist nicht zu unterschätzen und wird wahrscheinlich auch das letzte Mal die Möglichkeit bieten, mit den überlebenden AntifaschistInnen aus Europa, den USA, Israel und anderen Ländern in Kontakt zu kommen. Der Jahrestag erinnert daran, daß: -KZ-Insassen nicht nur Opfer waren, sondern aktiv Widerstand leisteten; -Widerstand unter den schwersten Umständen möglich ist; -dieser Widerstand von Kommunisten geleistet wurde; -die Erfahrungen der KZ-Haft zu dem nicht mehr zu tilgenden Schwur von Buchenwald führten, der noch heute Richtschnur für antifaschistisches Handeln sein kann. Das Programm für Sonntag, den 9.4. - andere Tage bitte erfragen -, sieht folgendermaßen aus: 11.00 Uhr Gedenkveranstaltung des Freistaates Thüringen, Deutsches Nationaltheater Weimar 14.30 Uhr Gedenkfeier des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos auf dem ehemaligen Appellplatz des Lagers. Ansprachen: Pierre Durand (ILK-Präsident), Meier Lav (Oberrabbiner, Tel Aviv, als Kind in Buchenwald), USGeneral Thomas Crawford (ehemaliger Befehlshaber der Truppe, die das selbstbefreite KZ als erste erreichte), Bernhard Vogel (Ministerpräsident von Thüringen, angefragt), Inge Ainger- Scholl (Angehörige der Opfer der Weißen Rose), Pierre Subreau (französischer ehemaliger Häftling in Buchenwald, Minister a.D. bei General de Gaulle), Pierre Durand (wird den Buchenwald-Schwur zitieren). 15.45 Uhr Kranzniederlegung am Ort des ersten, am 19.4.1945 von Häftlingen errichteten Denkmals für die Ermordeten des KZ 16.00 Uhr Kaddisch am Jüdischen Mahnmal 16.45 Uhr Eröffnung einer Ausstellung mit Werken des ehemaligen Buchenwald- Häftlings Walter Spitzer 19.30 Uhr Erstaufführung des Orchesterwerkes In Memoriam Buchenwald Natürlich bietet das Programm Anlaß zu Kritik. Das Internationale Komitee Buchenwald-Dora, welches nicht nur aus Kommunisten besteht, mußte oder wollte aus unterschiedlichen Gründen diese Konzessionen machen (siehe auch Antifaschistische Nachrichten 5/95). Wir glauben, daß es trotzdem wichtig sein wird, nach Buchenwald zu fahren, gerade auch angesichts der internationalen Medien. Wir wollen gezielt gegen den von reaktionärer Seite propagierten Geschichtsrevisionismus eingreifen, ohne jedoch die Feiern zu stören. Deswegen wollen wir gemeinsam und nicht als Einzelpersonen nach Buchenwald fahren und die Fahrt gemeinsam vorbereiten. Damit möglichst viele Menschen mitkönnen, wollen wir mit einem Bus Samstag Nacht starten. Die Bahn ist zu umständlich, und Übernachtungsmöglichkeiten gibt es nicht. Um unsere Positionen zu vertreten, wollen wir ein Thesenpapier, möglichst mit Übersetzung, und mehrsprachige Transparente erstellen. Das nächste Vorbereitungstreffen findet am Freitag, den 17.3., um 19.00 Uhr im Antifa-Cafe Chemnitzstr. statt. Eine Busfahrt, bei der auch Leute ohne Autos mitkommen können, ist nur möglich bei rechtzeitiger und verbindlicher Planung! Bringt deswegen am 17.3. Geld (30 bis 40 DM pro Person, lange Fahrt) für Euch und Eure Gruppen mit! Je mehr Leute verbindlich zusagen, desto billiger wird es! Eine Informationsveranstaltung über das KZ Buchenwald, die Selbstbefreiung, die Bedeutung für AntifaschistInnen heute und die Umdeutungsversuche von reaktionärer Seite findet am Freitag, den 24.3., um 19.00 Uhr im Antifa-Cafe Chemnitzstr. statt. Am 31.3. ist noch eine Veranstaltung der VVN-BdA mit einem ehemaligen Buchenwald-Häftling, Ort und Zeit waren uns leider nicht bekannt. Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten und andere antifaschistische Gruppen (erk)

Prof. Schwanitz und die Salonfaschisten In verschiedenen Medien wird momentan für das angebliche Skandalbuch Der Campus von dem Hamburger Philologie-Professor Dietrich Schwanitz geworben. Er selber bezeichnet sein Buch als "heitere Selbstkritik eines Linken", und so ist das Buch auch in dem als linksliberal bekannten "Eichborn-Verlag" erschienen. Dabei läßt die Rezension in der Hamburger Morgenpost, wo über "Dumpfe Studenten, korrupte Senatoren, sensationslüsterne Journalisten, eine hysterische Frauenbeauftragte, faule Dozenten und mediengeile Professoren" berichtet wird, wohl eher den Schluß zu, es handelt sich bei Schwanitz um einen frauenfeindlichen, entnervten Reaktionär. In der konservativen Welt schrieb er denn auch schon 1993 einen "Weckruf an die traumsüchtige deutsche Linke", mit dem er sich als Blockadebrecher nach rechts ausweist. Der Artikel wurde auch gleich von einer rechtsextremistischen Zeitschrift, dem Deutschland-Magazin, abgedruckt. Herausgeber dieser Postille ist Kurt Ziesel, gleichzeitig Geschäftsführer der "Deutschland-Stiftung". Prof. Ludwig Elm schreibt über ihn: "Als ehemaliger NS-Publizist und Schriftsteller (unter anderem Kolumnist des Völkischen Beobachters) gehörte Ziesel seit den fünfziger Jahren zu den Hauptautoren neofaschistischer Verlage sowie konservativer Zeitungen und Zeitschriften, zu den Akteuren rechtsextremistischer Umtriebe und Zusammenschlüsse - wie zum Beispiel der Gesellschaft für freie Publizistik " Für seine Abrechnung mit der Linken, in der er für gesunden Nationalstolz plädiert, hat sich Prof. Schwanitz also die richtige Zeitschrift ausgesucht. Ob seine Abrechnung mit der Uni ähnlich ausfällt, bleibt zu prüfen. (Hochschul-Antifa)

Der internationale Frauentag 1995

Nachlese zu einem institutionalisierten Tag

Entstanden ist der 8. März in der sozialistischen Frauenbewegung, 1907 von Clara Zetkin als Tag der Frauen für politische und menschliche Emanzipation initiiert und durchgesetzt, auch um den Kampf für das Frauenwahlrecht zu unterstützen. Wählen dürfen wir hier nun schon eine Weile, und ansonsten? Nach wie vor sind Frauen nicht gleichberechtigt, was die Möglichkeiten einer qualifizierten Ausbildung und Erwerbstätigkeit anbelangt. Dies auch aufgrund der Ideologie von der Unterschiedlichkeit der Geschlechter und der daraus entstandenen Benachteiligungen von Mädchen und Frauen. Immer noch haben Frauen ein Drittel bis ein Viertel weniger Einkommen als Männer, dies vor allem in den unteren Lohngruppen. Aus der biologischen Tatsache, daß Frauen Kinder bekommen, wird die Verpflichtung zur sozialen Mutterschaft konstruiert und damit die Ideologie von der Hauptverantwortlichkeit. Die Zahl der Männer, die Erziehungsurlaub nehmen, ist äußerst marginal, deshalb auch nicht besonders erwähnenswert. Die patriarchale zwangsheterosexuelle Ideologie hat für beide Geschlechter Konsequenzen, für Frauen allerdings immer noch eine einschränkendere Funktion. Die Orientierung auf Ehe und Familie ist für Frauen verbunden mit Doppel- und Dreifachbelastung, so daß sie aus dieser Überlastung heraus sich oft gegen außerhäusliche Arbeit entscheiden. Allerdings in wachsender Zahl lieber die Situation einer "Alleinerziehenden" in Kauf nehmen, als ständig die emotionale Reproduktionsarbeit am Mann zu leisten. Nach wie vor ist der @218 nicht abgeschafft, ein Kampf, der bereits in der 1. deutschen Frauenbewegung geführt wurde, und die "eheliche Pflichterfüllung" bedeutet oft nichts anderes als Vergewaltigung in der Ehe. Beides ist Ausdruck einer patriarchalen Moral, die Frauen als Eigentum der Männer ansieht und ihnen nach wie vor das Selbstbestimmungsrecht und damit einen gleichwertigen Subjektstatus verweigert. Die Sparmaßnahmen im sozialen Bereich und die damit verbundene Verschlechterung der Kinderbetreuung, zeitlich und pädagogisch, bei gleichzeitiger Aufwertung der Hausfrauen- und Mutterrolle wird ein übriges dazu beitragen, Frauen aus der Erwerbsarbeit zu drängen, zumindest aus der tariflich abgesicherten. Verstärken wird sich die Anzahl der Frauen, die in ungeschützte Arbeitsverhältnisse und in flexible Teilzeitarbeit gehen, damit die ökonomische Abhängigkeit vom Partner. Die Definition der Frau als "Mitverdienerin" wird wieder Aufschwung erhalten, und das "Weibliche" (Harmonie) der Frau wird als Korrektiv zu einem durch Männer geprägten entfremdeten Umgang aufgewertet. Auch innerhalb der Linken wird viel von einer "Feminisierung der Gesellschaft" fabuliert, die Definition des "Weiblichen" als friedensstiftende Eigenschaft, um die Welt zu retten, sozusagen "Weiblichkeit als Putz- und Entseuchungsmittel" (C. Thürmer-Rohr). Was ist also aus dem historischen Bezug des Frauentags geblieben angesichts der politischen Notwendigkeiten, nicht nur im reichen Europa, sondern global? Wie sehr die BRD-Frauenbewegung atomisiert ist, machte der diesjährige Frauentag deutlich. Der Versuch des letzten Jahres, über alle unterschiedlichen Positionen hinweg gemeinsame bundesweite Aktionen zu organisieren, zeigte, wie verschieden der Zugang zu Feminismus ist. Dieses nicht zu diskutieren, sondern in puren Aktionismus zu verfallen, läßt keine dauerhafte Zusammenarbeit zu. Zu fragen ist, ob sich, wie es durch die Gewerkschaften geschieht, durch die Forderungen nach Quotierung, Gleichstellungsbeauftragten und Teilhabe an den Karrieremöglichkeiten tatsächlich die patriarchalen Strukturen verändern lassen - zudem es inzwischen auch Männer als Gleichstellungsbeauftragte gibt. Ob die "Anklage gegen den Zeitverlust" (eine Aktion in Hamburg) tatsächlich mit einer anti-patriarchalen Position zu tun hat, ist ebenso zu bezweifeln. Eher wird durch solche Aktionen der Frauentag zur Spielwiese für Familienideologie und zum Abfordern von Privilegien für die bürgerliche Mittelschichtsfrau. Zeit-Priorität zu setzen, ist nötig, allerdings nicht, um alles besser "unter einen Hut" zu bringen. Die Lösung des Problems ist sicher nicht darin zu sehen, daß Männer sich partnerschaftlich an Kinder- und Hausarbeit beteiligen. Der diesjährige Frauentag zeigte deutlich, daß eine Neubestimmung zum 8. März notwendig ist. Der Tag, der entstanden ist für den Kampf um politische und menschliche Emanzipation der Frauen, hatte zumindest in Hamburg keinen Bezug darauf und ging auch nicht über den eurozentristischen Blick hinaus. Kein Thema war die Tatsache der Situation der Flüchtlingsfrauen und Immigrantinnem hier und der weltweiten Flüchtlingsbewegung von 20 Millionen Menschen, von denen 80% Frauen sind. Damit verbunden die Tatsache, daß Frauen und Mädchen auf der Flucht besonderen Gefahren ausgesetzt sind, vor allem durch sexuelle Übergriffe. Frauen sind mehrheitlich auf der Flucht, gehören aber zur Minderheit derjenigen, die Asyl erhalten. Frauenspezifische Gründe werden nicht als Asylgrund anerkannt, dazu gehört die Tatsache, daß Vergewaltigung ein Form der Folter ist, der Frauen in allen Teilen der Welt ausgesetzt sind. Vergewaltigung wird als systematische Gewalt gegen Frauen im Krieg eingesetzt, im Sinne einer patriarchalen Moral, die damit die männliche Gegenseite erniedrigen will. Frauen haben nach wie vor kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, damit sind sie auch in Gewaltsituationen an den Mann gebunden. Weltweit leiden 110 Millionen Frauen an den Folgen von Geschlechtsverstümmelungen, und zwei Millionen Mädchen sterben jährlich an den Folgen dieses grausamen Rituals, das auch von Exilgruppen in Europa durchgeführt wird. Kein Thema des diesjährigen Frauentags war die am 26. August beginnende Weltfrauenkonferenz in Peking als wichtiges Forum, um die Wahrung der Menschenrechte für Frauen einzufordern, deren spezifische Situation innerhalb der Linken immer noch in nicht unerheblichem Maße als Nebenwiderspruch abgehandelt wird. Nur wenn der Frauentag wieder mit radikalen Positionen besetzt wird, steht er im Kontext seiner historischen Entstehung, und damit besteht die Chance, ihn der Vereinnahmung durch jene zu entziehen, die in der BRD, ebenso wie Hillory Clinton in Kopenhagen auf dem "Gipfel gegen Armut", nur mit Phrasen gegenüber Frauen ihre Solidarität bekunden und das Recht auf Gleichstellung einklagen und die Rettung darin sehen, weltweit Geburtenkontrolle verstärkt einzusetzen, was durchaus im Kontext imperialistischer Politik steht. Feministische Politik ist mehr als Teilhabe-Forderung oder Gleichstellung (wohin?), denn "weiße Feministinnen sollen erkennen, daß sie einen Teil des ökonomischen kulturellen Imperialismus und einer ethnisch-zentristischen Sichtweise bilden Feminismus muß sich mit Imperialismus, mit Fragen von Landrechten befassen, sonst ist es ein kurzsichtiger Feminismus ohne globale Vision." (Gloria Joseph, taz vom 29.2.88) Eine Konsequenz aus der Bestandsaufnahme sollte vielleicht sein, 365 Tage im Jahr zum Kampf für Frauen und ihre Menschenrechte zu machen, hier und weltweit, privat und öffentlich. Gudrun Aßmann, Mitarbeit in der AG Lisa Hamburg, Sprecherin der bundesweiten AG Lisa der PDS

Literatur: Frauen in Aktion - Frauen in Gefahr / amnesty international, Weltweite Kampagne gegen Menschenrechtsverletzungen an Frauen - März 1995 / amnesty international, BRD e.V., 53108 Bonn, 8,- DM

TIPS & TERMINE

DONNERSTAG, 16. MÉRZ

Romero Tage anläßlich des 15. Todestages des salvadorianischen Erzbischofs Oscar Arnulfo Romero, der von den Todesschwadronen ermordet wurde. Monsenor Romero klagte offen die Unterdrückung in El Salvador an, er rief die Soldaten auf zu desertieren und forderte den Präsidenten der USA dazu auf, die Militärhilfe für El Salvador einzustellen. Sein Name gilt als Symbol des Widerstandes in Lateinamerika. Im Rahmen dieser Tage findet im Haus für Alle folgende Veranstaltung statt: Mexico in der Krise - Mexico zwischen Wirtschaftskrise und Indigena-Aufstand. Ricardo Loewe, Arzt in Mexico City und Mitglied der wichtigsten Oppositionsplattform CND (Convencio Nacional Democratica), und ein Vertreter einer unabhängigen Bauernorganisation berichten von der aktuellen Situation in Mexico. VeranstalterInnen: Kulturforum Lateinamerika, Nicaragua Förderkreis und andere. 20.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58

PDS Kreisverband Wandsbek Treffen für Mitglieder und Interessierte 19.30 Uhr, Brakula, Bramfelder Chaussee 265

SAMSTAG, 18. MÉRZ

Orientalischer Abend mit Musik, Tanz, Essen und Trinken 20.00 Uhr, Stadtteiltreff AGDAZ, Fehlinghöhe 16

DIENSTAG, 21. MÉRZ

PDS Eimsbüttel diskutiert Wohnungspolitik Die Stadtteilgruppe der PDS-Eimsbüttel trifft sich im Gymnasium Kaifu, Kaiser-Friedrich-Ufer 6 (Ecke Bundesstr., Bus 182). 19.00 Uhr

MITTWOCH, 22. MÉRZ

Ein neuer Gesellschaftsvertrag? Eine Veranstaltung der PDS-Basisorganisation Hamburg. Referent: Joachim Bischoff. Angesichts offenkundiger gesellschaftlicher Krisenerscheinungen finden allerorten Debatten über gesellschaftliche Perspektiven statt. U.a. werden in diesem Zusammenhang verschiedene Modelle eines "neuen Gesellschaftsvertrags", der den "alten Sozialstaatskompromiß" ablösen soll, diskutiert. Wir wollen klären, was der Bezugspunkt der Debatte ist und welche Möglichkeiten es zur Aufhebung der gesellschaftlichen Widersprüche gibt. 19.30 Uhr, Gaststätte Zorba, Jarrestr. 27

Umweltforum: Agrarindustrie in der Krise Hilft eine umweltverträgliche Landwirtschaft weiter? Mit Ulf Skirke, Umweltberater; Beitrag DM 3,00. 19.00 Uhr, Die neue Gesellschaft, Rothenbaumchaussee 19

DONNERSTAG, 23. MÉRZ

Cote d'Ivoire - Elfenbeinküste mit dem bekannten Journalisten George Coffy aus Cote d'Ivoire Am 7.12.93, dem Jahrestag der Unabhängigkeit der Cote d'Ivoire, starb der erste und bisher einzige Präsident Houphouet Boigne, der seit 32 Jahren als Alleinherrscher mit diktatorischen Mitteln regierte. Erst 1990 ließ Boigne andere politische Parteien zu, deren Mitglieder er aber weiterhin verfolgte. Seit seinem Tod hat der ehemalige Parlamentspräsident Henry Bedie die Macht übernommen. An der politischen Situation hat sich damit nichts geändert. Neuwahlen wird es dieses Jahr geben. Die Veranstaltung findet französisch/deutsch statt. Eine Veranstaltung der F.P.I. - Front Populaire Ivoirienne 19.30 Uhr, Kölibri, Hein-Köllisch- Platz 12

Senden gegen Rechts Offener Kanal Hamburg, Kabelkanal 02. Die Sendung wird am nächsten Tag um 11 Uhr wiederholt. Die Redaktion sucht dringend Hilfe, da sie die Sendungen tagsüber vorproduzieren muß. Bitte wenden an: Jürgen Brammer, Försterweg 52, 22525 Hamburg, Tel. 5404122 19.00 Uhr

FREITAG, 24. MÉRZ

Informationsveranstaltung über das KZ Buchenwald Siehe dazu auch Artikel S. 4 19.00 Uhr, Antifa-Cafe Chemnitzstr. 3-7

SAMSTAG, 25. MÉRZ

Offene Landesversammlung der PDS Tagesordnung u.a.: Rechenschaftsbericht Arbeitsausschuß (politischer Teil, finanzieller Teil); Aussprache; Bericht der Revisionskommission und Entlastung des Arbeitsausschusses; Politischer Schwerpunkt: 8. Mai 1995 - 50. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus; Wahlen 11.00 bis 18.00 Uhr, Palmaille 24

MONTAG, 27. MÉRZ

Unterbringung - Zur Geschichte von Wohnlagern in Hamburg 1930-1995 Zwischen Zwangsunterbringung und Notunterkunft. Eröffnung einer Fotoausstellung. Die Ausstellung dokumentiert Lebensbedingungen in Hamburg. Sie zeigt Wohnverhältnisse von Obdachlosen, von jüdischen MieterInnen im Nationalsozialismus, von ausländischen ZwangsarbeiterInnen, von >Displaced Persons<, von >GastarbeiterInnen<, von Flüchtlingen und MigrantInnen. Anhand von Fotos, Lageplänen, Grundrissen und Dokumenten entfaltet sich eine Geschichte von Lgern, die über die ganze Stadt verteilt sind, aus dem öffentlichen Bewußtsein jedoch verdrängt wurden. Daß sie dennoch ein entscheidender Teil von Hamburgs Geschichte und Gegenwart sind, will die Ausstellung vor Augen führen. Näheres über die Ausstellung dokumentiert ein Faltblatt, das ab Anfang März in der GWA erhältlich ist. 19.30 Uhr, Kölibri, Hein-Köllisch- Platz 12

Montagspodium: Rote Socken - Das Phänomen PDS Gesprächsleitung: Herbert Ludz, Vorsitzender der Neuen Gesellschaft, Kostenbeitrag: DM 3,00 20.00 Uhr, Die Neue Gesellschaft, Rothenbaumchaussee 19

SAMSTAG, 8. APRIL

Die Krankenanstalt im Visier Ein Seminar der AG Gesundheitspolitik bei der PDS Im Schatten weitverbreiteter Kritik an der Gesundheitsversorgung und nicht zuletzt an den Einrichtungen dafür, d.h. insbesondere an den Krankenhäusern, kann es sich die Reaktion leisten, die öffentlichen Aufwendungen für die Krankenhäuser weiter zu kürzen, um sie demnächst ganz zu streichen. Auch die Versorgung in den Krankenhäusern soll vollständig über die Krankenkassenbeiträge finanziert werden, welche jedoch konstant bleiben müssen angesichts der gesetzlich vorgeschriebenen Beitragsstabilität. In der Konsequenz werden die öffentlichen Krankenhäuser in Hamburg noch in diesem Jahr privatisiert. Die ÖTV hat in der Auseinandersetzung um die Bedingungen dieser Privatisierung die tariflichen und arbeitsrechtlichen Probleme der Beschäftigten insbesondere im Auge gehabt und Regelungen durchsetzen können, die akzeptabel aussehen. Für Teile der Krankenhausbelegschaften - z.B. die Reinigungskräfte - trifft dies allerdings nicht zu, was darauf hinweist, daß Schwierigkeiten hinsichtlich Bezahlung und Arbeitsbedingungen auf alle Beschäftigten lauern. Das ist kein Wunder, solange die Patienten in dieser ganzen Diskussion praktisch keine Rolle spielen, d.h. der Arbeitsauftrag für die Beschäftigten gar nicht klar ist. Auf was lassen sich die Krankenschwestern etc. überhaupt ein? Dies hängt auch damit zusammen, daß die Frage, wie denn die Einrichtung Krankenhaus fortschrittlich umgestaltet werden soll, wenn sie so, wie sie jetzt ist, zu teuer und nicht mal befriedigend für die Patienten ist, schwer zu bearbeiten und von der Gewerkschaften mit allgemeinen Formulierungen zum Versorgungsauftrag bisher eher umgangen wur de. Wir wollen uns dieser Frage zuwenden und ziehen dazu Texte von Michel Foucault aus seinem Buch Die Geburt der Klinik und von Klaus Dörner aus dessen Buch ufbruch der Heime hinzu. Beide Texte können die Fähigkeit zur Kritik der bestehenden Versorgungseinrichtungen erhöhen. Das halten wir für eine Voraussetzung dafür, zu einer fortschrittlichen Umgestaltung beitragen zu können.

Ausstellung in der Kampnagelfabrik

"Vernichtungskrieg.

Verbrechen der Wehrmacht

1941 bis 1944"

So heißt eine Ausstellung, die in der Halle k3 der Kampnagelfabrik vom 5.3. bis 15.4. zu sehen ist. Die kritischen Einwände, die gegenüber der vorangegangenen Ausstellung "200 Tage und ein Jahrhundert" in den Lokalberichten (5/95 vom 2.3.) berechtigterweise vorgebracht worden sind, treffen auf dieses Projekt nicht zu: So bleibt hier Gewalt kein anonymes Phänomen; sie wird vielmehr festgemacht an einer bestimmten Organisation, der Wehrmacht, die der Koordinator der Ausstellung, Hannes Heer, als "verbrecherische Organisation" bezeichnet, und an Personen wie dem General Franz Böhm, der - wie unzählige andere - zuvor erdachte Vernichtungskonzepte realisierte. Ein weiterer möglicher Einwand könnte sein, die Aussagen, die in der Ausstellung vermittelt werden, seien nicht neu: Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den Ergebnissen einer kritischen Geschichtswissenschaft, die durchaus existiert (hat), und denen einer Verschleierungstaktik, die seit 1945 von Vertretern der ehemaligen Wehrmacht betrieben wurde und die zu dem Mythos von der angeblichen "sauberen Wehrmacht" führte. Die Verschleierung setzte aber schon während des Krieges ein; sie wird von den Initiatoren der Ausstellung als "Verwischen der Spuren - Vernichtung der Erinnerung" bezeichnet. Die Mittel, mit denen sie durchgesetzt wurde, waren u.a. Fotografierverbot (1941 von Himmler erlassen, aber nicht wirklich durchgesetzt), Mitteilung wichtiger Befehle (z.B. zur Judenvernichtung) nur in mündlicher Form. Die meisten der gezeigten Fotos sind im Krieg gefallenen oder kriegsgefangenen Soldaten von den Alliierten (i.a. der Sowjetarmee) abgenommen worden. Die Ausstellung hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Mythen zu zerstören, und dazu drei Beispiele ausgewählt: den Partisanenkrieg in Serbien, die Besetzung Weißrußlands und die Verbrechen der 6. Armee auf dem Weg nach Stalingrad. In Serbien wurde das Ziel, die Infrastruktur der Partisanenarmee durch Terror gegen die Zivilbevölkerung zu schwächen, von der Wehrmacht unter dem Kommando des oben erwähnten Franz Böhm verbunden mit dem NS- Programm der "Endlösung der Judenfrage". In sogenannten "Sühnemaßnahmen" sollten für jeden getöteten Wehrmachtsangehörigen 100 serbische Zivilisten exekutiert werden. Um stets genügend Geiseln zur Verfügung zu haben, wurde ein KZ eingerichtet, das als "Reservoir" diente. Wie routiniert die Vernichtung betrieben wurde, zeigt ein Formblatt (!) für Geiselerschie ßungen. Weißrußland dient als weiteres Beispiel, um Verbrechen der Wehrmacht zu dokumentieren, unter anderem, weil es von allen Republiken der ehemaligen Sowjetunion am längsten von deutschen Truppen besetzt war. Hier errichtete die Wehrmacht Ghettos und beteiligte sich an der Endphase der dortigen Judenvernichtung, indem sie Postenketten stellte. Ihre Aufgabe bestand außerdem in der "Säuberung des flachen Landes". Um möglichen Skrupeln der Beteiligten entgegenzuwirken, wurden die Juden als die "einzige Stütze der Partisanenbewegung" bezeichnet. In der Zeit zu Beginn des Rußlandfeldzuges, als eine Partisanenbewegung noch kaum existierte, wurden versprengte Rotarmisten zu Partisanen erklärt. Frauen und Kinder wurden, wie auch später, unter dem Vorwand ermordet, sie hätten sich als "Kundschafter" betätigt. Zwar gab es in der mittleren militärischen Ebene zu dem Zeitpunkt, als klar wurde, daß der Krieg militärisch nicht mehr zu gewinnen war, Bestrebungen, die Zivilbevölkerung weniger zu terrorisieren; diese wurden aber hinfällig zu dem Zeitpunkt, als Himmler zum Beauftragten für die Partisanenbekämpfung eingesetzt wurde. Nun war nicht mehr von "Partisanen", sondern nur noch von "Banden" die Rede. Der kürzlich (wegen Verjährung) vom BGH freigesprochene Lehnigk-Emden wendete 1943 in Italien nur an, was er im Osten gelernt hatte. Den sowjetischen Kriegsgefangenen wurde von vornherein, da sie zu Unterstützern einer verbrecherischen Weltanschauung gestempelt wurden, der Kombattantenstatus verweigert. Daraus ergab sich schon im Vorwege ihr millionenfaches Schicksal der Vernichtung. Es kann keine Rede davon sein, die Wehrmacht sei von der riesigen Zahl der sowjetischen Kriegsgefangenen überrascht worden; vielmehr waren Hunger (nur halbe Rationen), Kälte (es sollten keine Quartiere errichtet werden, wenn nicht schon welche vorhanden waren), politische ("Kommissarbefehl") und rassistische Verfolgung (im Dezember 1941 wurde der "Kommissarbefehl" auf "Asiaten" ausgeweitet) von vornherein geplant. In der letzten Abteilung zeigt sich, wie schon in den Bereichen "Serbien" und "Weißrußland", daß es nicht genügt, von einer "Verstrikkung" der Wehrmacht in die NS-Verbrechen zu reden. Die 6. Armee, gern als "Opfer Hitlers" bezeichnet, beteiligte sich an Maßnahmen der Judenvernichtung und Ausrottung der Zivilbevölkerung auf ihrem Weg nach Stalingrad. Was sich in einer Besprechung dieser Ausstellung nur schwer wiedergeben läßt, ist die Intensität der Bemühungen der Initiatoren, ihre Ergebnisse unangreifbar zu präsentieren. Dazu gehört z.B., daß zur Auswertung der Fotos ein Uniformspezialist hinzugezogen wurde und daß bei Erläuterungen von Fotos streng darauf geachtet wurde, ob nur die Wehrmacht oder auch z.B. SS oder Einsatzgruppen dargestellt worden sind. Diese Akribie hat sich auch nachträglich als notwendig erwiesen. Denn selbst subjektiv wehrmachtskritische Kommentatoren wie der 84jährige ehemalige WDR-Intendant und frühere Wehrmachtsoffizier Klaus von Bismarck (vgl. FR vom 9.3.95) wehrten sich dagegen zu akzeptieren, daß die Wehrmacht insgesamt als "verbrecherische Organisation" angesehen werden muß. Einschränkend bemerkte Hannes Heer jedoch gegenüber älteren Besuchern, das bedeute aber nicht, daß jeder Wehrmachtsangehörige ein Verbrecher war. (lz)

Öffnungszeiten: Di-Fr 16-21.00 Uhr, Sa-So 11-21 Uhr Eintritt: 10 DM, erm. 5 DM

Das AKW-Krümmel und die Leukämie

erkrankungen in Neu-Allermöhe

Während seiner Ausbildung hörte der Hamburger Kinderarzt Dr. Will, daß er während seiner ganzen Zeit als niedergelassener Kinderarzt nach der Statistik wahrscheinlich mit zwei Fällen von Leukämie bei Kindern konfrontiert sein würde. Als er nach vier Jahren Praxis im Hamburger Stadtteil Neu-Allermöhe bereits den vierten Fall von Leukämie diagnostizieren mußte, fühlte er sich beunruhigt und ging an die Öffentlichkeit. Anfang Februar wurde die Häufung von Leukämien in Neu-Allermöhe durch eine Sendung des Nachrichtenmagazins Panorama bundesweit bekannt und löste im Stadtteil große Unruhe aus. Leukämie bei Kindern ist eine seltene Erkrankung. Im Bundesdurchschnitt erkrankt eines von 25000 Kindern pro Jahr. Die Erkrankungsrate in Neu-Allermöhe liegt somit um den Faktor 6 über der durchschnittlichen Erkrankungsrate. Auffällig ist, daß nicht weit von Neu-Allermöhe ein weiterer Ort liegt, bei dem in den letzten Jahren ein weit überhöhtes Leukämierisiko bei Kindern festgestellt wurde; die Gemeinde Elbmarsch direkt am AKW Krümmel.

Reaktionen Am 24.2. fand eine erste Veranstaltung zu diesen Thema im Bürgerhaus Neu- Allermöhe statt. Eingeladen hatten der Verein "Bürger für Allermöhe" und die SPD. Der Veranstaltungsraum im Bürgerhaus reichte schon zehn Minuten vor Beginn nicht mehr aus, die Interessierten aufzunehmen. Als die Veranstaltung begann, standen die Leute in der Vorhalle bis zum Eingang, in der Hoffnung, die Veranstaltung über Lautsprecher auch von hier noch verfolgen zu können. Gemessen an diesem Interesse war der Verlauf der Veranstaltung enttäuschend. Lange und lebensfremd wurde von zwei Vertretern der Behörde für Arbeit und Gesundheit die Frage aufgeworfen, ob ein Junge, bei dem die Leukämieerkrankung im Alter von fünfzehneinhalb diagnostiziert worden war, noch als Kind mitgezählt werden kann oder nicht und ob es statistisch seriös sei, den Stadtteil Neu-Allermöhe isoliert zu erfassen. Angeboten wurde eine Untersuchung im Rahmen der "Michaelis-Studie", mit der im staatlichen Auftrag auch den Ursachen der Leukämiefälle in den Elbmarschen nachgegangen werden soll. Nun hat allerdings gerade die Michaelis-Studiengruppe bei kritischen Umweltschutzgruppen einen ausgesprochen schlechten Ruf. So wurde von vielen Teilnehmern die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung laut. Aber auch der Vertreter der SPD-Bürgerschaftsfraktion (M. Dose) mochte nicht versprechen, sich dafür einzusetzen. Ebenso lehnte er die Unterstützung der Forderung ab, Krümmel vorsorglich, bis zur Klärung eines Zusammenhangs mit den Leukämiefällen in den Elbmarschen und in Neu-Allermöhe, abzuschalten, da dies nicht den geltenden Gesetzen entspräche. Und obwohl er sich im Verlauf der Veranstaltung zuweilen als markiger Umweltschützer zu profilieren suchte (Zitat: " ich bin ja bei jeder Brokdorf-Demo dabei gewesen "), mochte er im Konkreten nicht mehr zusagen als eine detailliertere Senatsnachfrage bis nach den Sommerferien. So hatte man über weite Strecken das Gefühl, es ginge den SPD-Vertretern bei dieser Veranstaltung vor allem um eine Beruhigung der aufgebrachten Bevölkerung, eher um den Schutz des Reaktors als um den Schutz der Kinder. Positiv aus dem Rahmen fielen dagegen die Beiträge von Frau Dr. Dieckmann, Kinderärztin aus den Elbmarschen, die sehr ausführlich auf die möglichen, in der Umwelt vorhandenen Gefahrenpotentiale für die Entstehung von Leukämie bei Kindern einging und damit bei den meisten Zuhörern die Erwartung nach genauerer Information doch noch einlöste.

Mögliche Ursachen Noch kann niemand sagen, welche Ursachen für die erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Stadtteil Neu-Allermöhe an Leukämie zu erkranken, verantwortlich sind. Neben einer Reihe von Faktoren, die an sich überall anzutreffen sind (Benzolbelastung, Pestizide etc.) sind speziell für Neu-Allermöhe zwei mögliche Verursacher im Gespräch. Die 380 KV-Leitung durch den Stadtteil sowie das 18km entfernte Atomkraftwerk Krümmel. Allerdings ist es umstritten, inwiefern das Kraftwerk überhaupt an der Entstehung dieser Krankheiten beteiligt sein kann. Insbesondere wird argumentiert, in einer Entfernung von 18km wäre eine Beeinträchtigung durch radioaktive Niedrigstrahlung, die im Normalbetrieb des Kraftwerkes freigesetzt wird, ausgeschlossen. Außerdem sei die Erhöhung der radioaktiven Belastung durch das Kraftwerk selbst in unmittelbarer Nähe so gering, daß sie praktisch nicht meßbar sei. So muß zuerst einmal der Frage nachgegangen werden, wie plausibel im wissenschaftlichen Sinne ein Verdacht gegen das AKW Krümmel ist. Zweifellos ist radioaktive Strahlung ein eindeutiger Risikofaktor für die Entstehung von Leukämie. Einen Schwellenwert für den Beginn der Gefährdung gibt es dabei nicht, d.h. jede Erhöhung der Strahlenbelastung, und sei sie auch noch so gering, erhöht gleichzeitig auch das Erkrankungsrisiko. Tatsache ist, daß bei störungsfreiem Betrieb in der direkten Umgebung von Kernkraftwerken nur eine minimale Erhöhung der Radioaktivität meßbar ist. Es wäre jedoch falsch, dies auch mit einer nur minimalen Erhöhung der Erkrankungswahrscheinlichkeit gleichzusetzen. Tatsächlich kann diese minimale Erhöhung zu einer drastischen Erhöhung der Erkrankungswahrscheinlichkeit führen, und dies ist verursacht durch die Emission sog. künstlicher Radionuklide durch das Kraftwerk.

Künstliche Radionuklide Überall, wo wir uns befinden, sind wir radioaktiver Strahlung, beispielsweise aus dem Weltraum bzw. von natürlichen strahlenden Elementen im Boden, ausgesetzt. Diese Strahlung, die je nach geographischer Lage unterschiedlich groß sein kann, nennen wir natürliche Radioaktivität. In Kernkraftwerken wird durch die Spaltung von radioaktivem Uran Wärme und letztlich Strom erzeugt, wobei als "Abfallprodukt" auch die Spaltprodukte des Urans anfallen. Diese Stoffe sind hochradioaktiv. Da es sich hierbei um Stoffe handelt, die es vor der Anwendung der Atomtechnologie auf der Welt nicht gegeben hat, nennen wir sie künstliche Radionuklide. Auch im Normalbetrieb treten aus einem Kernkraftwerk kleine Mengen dieser Radionuklide aus und lagern sich in der Umgebung ab. Wir müssen uns also vorstellen, daß wir in der Umgebung der Kernkraftwerke nicht nur konfrontiert sind mit radioaktiver Strahlung, deren Quelle sich im Kraftwerk befindet, sondern gleichzeitig mit strahlendem Material in Form dieser künstlichen Radionuklide, die überall abgelagert sein können, im Fleisch der Kühe, die in der Nähe des Kraftwerks geweidet haben, auf der Tomate im Garten, die wir in der nächsten Minute essen werden etc. Natürlich nehmen wir mit unserer Nahrung ständig auch natürliche Radionuklide in unseren Körper auf, die Gefährdung dadurch ist jedoch vergleichsweise gering, da diese strahlenden Stoffe nicht im Körper verbleiben, sondern schnell wieder ausgeschieden werden. Anders verhält es sich bei den aus dem Kernkraftwerk stammenden künstlichen Radionukliden. Da diese erst seit wenigen Jahrzehnten auf der Erde vorkommen, ist unser Organismus nicht darauf eingerichtet, sie zu erkennen. Aufgrund identischer chemischer Eigenschaften kommt es zu zuweilen folgenschweren Verwechslungen. So wird das künstliche Radionuklid Jod 131 mit natürlichem, nichtradioaktivem Jod verwechselt und bei Bedarf in der Schilddrüse eingelagert. Dort wird es dann bis an unser Lebensende bleiben und - zwar mit minimaler Intensität, aber beständig - das umliegende Gewebe bestrahlen. In bezug auf kindliche Leukämie verdächtiger ist das ebenfalls von Kernkraftwerken abgegebene Strontium 90. Aufgrund seiner chemischen Struktur wird Strontium 90 vom menschlichen Körper mit Calzium verwechselt und bei Calziumbedarf in den Knochen eingelagert. Kinder sind hiervon besonders betroffen, da bei ihnen ein erhöhter Calziumbedarf besteht. Einmal in den Knochen eingelagert, verbleiben die Strahler dort und bestrahlen von dort aus geringer Entfernung u.a. die Zellen, die für die Blutbildung verantwortlich sind. Es wird niemals möglich sein, bei einem einzelnen Fall einer Leukämieerkrankung konkret den Verursacher zu benennnen, aber es gilt heute als gesicherte Erkenntnis, daß in der direkten Umgebung von Kernkraftwerken die Häufigkeit von Leukämieerkrankungen bei Kindern deutlich erhöht ist.

Die 15- bis 20km-Zone Unplausibel erscheint auf den ersten Blick ein Zusammenhang zwischen den Leukämieerkrankungen in Neu-Allermöhe und dem Kernkraftwerk Krümmel aufgrund der großen Entfernung und im Zusammenhang damit, daß in den Gebieten zwischen der Elbmarsch und Neu-Allermöhe in den letzten Jahren keine Leukämieerkrankungen bei Kindern auftraten. Denkt man jedoch darüber nach, so bietet sich dafür durchaus eine technische Erklärung an. Kernkraftwerke geben im Normalbetrieb künstliche Radionuklide auf zweierlei Weise ab. Zum einen durch Undichtigkeiten im Gesamtsystem, die bei Anlagen dieser Größenordnungen nie ganz zu vermeiden sind (in Krümmel ist in diesem Zusammenhang das Maschinenhaus ins Gerede gekommen) und zum zweiten durch den Schornstein, der relativ hoch ist, um den Ausstoß auf ein relativ großes Gebiet zu verteilen. Während Radionuklide, die auf anderen Wegen als dem Schornstein das Kraftwerk verlassen, sich im Nahbereich des Kraftwerks ablagern und dort zu einem Gesundheitsrisiko werden können, werden Radionuklide, die durch den Schornstein freiwerden, sich - aufgrund der großen Höhe - nicht in der unmittelbaren Nähe und auch nicht in der Distanz von wenigen Kilometern absetzen. Inwiefern eine gesteigerte Belastung durch diese Nuklide in einer Entfernung von etwa 15 km beginnt, ist nie konkret untersucht worden, es erscheint jedoch im ersten Ansatz durchaus plausibel, und es fällt auf, daß zumindest in der Umgebung eines anderen Atomkraftwerkes (Würgassen an der Weser) ähnliche Beobachtungen gemacht wurden. Auch dort findet sich eine erhöhte Erkrankungswahrscheinlichkeit in der direkten Umgebung des Kraftwerks, aber zusätzlich dazu auch in einer ringförmigen Zone, die in einer Entfernung von 15 bis 20 km um das Kraftwerk liegt.

Fazit Sollte es sich bei der Häufung von Leukämieerkrankungen im Stadtteil um eine Laune des Zufalls handeln, so sind wir dagegen machtlos und könnten jedoch andererseits darauf hoffen, daß diese Serie von selbst wieder abreißt. Wenn es aber Ursachen gibt, die nicht zufällig sind, sondern mit der speziellen geographischen Lage dieses Stadtteils zu tun haben, dann wird diese Gefährdung nicht von selbst enden. Wir müßten dann damit rechnen, daß es auch 1995 und in den folgenden Jahren zu Neuerkrankungen kommt. Konkret heißt das, wir können uns nicht lange damit Zeit lassen, den etwaigen Verursacher zu finden und auszuschalten. Und es muß schon erlaubt sein zu fragen, ob die Gesundheit unserer Kinder nicht wichtig genug ist, diejenigen Anlagen, gegen die ein sehr begründeter Anfangsverdacht besteht, schon heute vorsorglich und bis zur weiteren Klärung abzuschalten. K.S.

Überlegungen zum 8. Mai

Kritik einiger "antideutscher" Standpunkte, die die Zusammenarbeit so schwer machen

Aus Anlaß des 50. Jahrestages der Niederlage Nazi-Deutschlands wird es offizielle Feierlichkeiten größeren Ausmaßes geben. Diese Feiern sind am wenigsten geprägt von der Freude der BRD-Eliten an der Niederlage des Faschismus. Ganz im Gegenteil geht es ihnen darum, Fesseln, die ihnen durch eben diese Niederlage angelegt wurden, abzustreifen. Dafür gilt es, nach innen, wie auch besonders nach außen, Deutschland als geläuterten Staat darzustellen, vor dem niemand sich zu fürchten brauche und der daher auch das tun könne, was er wolle. Die Hauptaussagen der kommenden Nationalfeiern werden sein, der deutsche Staat habe seine Lehren aus dem NS gezogen, die BRD sei heute ein völlig anderer Staat als das "Dritte Reich". Ferner wird mann behaupten, "wir" hätten mittlerweile genug gesühnt für die Untaten der Nazis und daher sei es an der Zeit, aus dem "Schatten der Vergangenheit" herauszutreten, was so viel heißt wie: die Beschränkungen, die die Sieger des Zweiten Weltkrieges den Nachfolgestaaten des "3. Reiches" aufgezwungen haben, könnten nunmehr getrost wegfallen. Es wird wehleidig darauf verwiesen werden, daß ja auch Deutsche Opfer des Krieges gewesen sind. Tote Soldaten, Tote der Städtebombardierungen, aus den "Ostgebieten" Geflohene oder Ausgesiedelte und schamlos in diese Aufzählung eingereihte WiderstandskämpferInnen gegen den Faschismus werden dazu benutzt werden, aus dem Täterstaat Deutschland ein Mitopfer des Weltkrieges zu machen. Millionen ermordeter Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, Behinderter, Homosexueller, KommunistInnen und SozialdemokratInnen, osteuropäischer ZwangsarbeiterInnen, AntifaschistInnen werden, wo sie nicht ins Konzept der deutschen Opferrolle einbaubar sind, an diesen Tagen nur am Rande erwähnt werden, als wäre das Kriegsende nicht in allererster Linie das Ende ihrer weiteren Entrechtung und Vernichtung. Zusätzlich werden mit der Behauptung, die wirkliche Befreiung wäre erst 1989 erfolgt, Kommunismus und Faschismus gleichgesetzt, mit dem Ziel alle sozialistischen Bestrebungen zu diskriminieren und ihre Verfolgung zu legitimieren. Bei diesem Versuch der Umwertung der Geschichte geht es nicht bloß um die Beruhigung des Gewissens, sondern damit ist die Ermöglichung lang gehegter Projekte verbunden, deren bisherige Nichtverwirklichng wesentlich an den deutschen Verbrechen scheiterte. Da sind v.a. zu nennen: -Die BRD möchte endlich wieder an Kriegshandlungen teilnehmen dürfen. Derzeit wird das über die Blauhelme versucht. War der BRD dies bislang aufgrund des deutschen Eroberungskriegs verwehrt worden, so soll gerade dieser Krieg jetzt als Begründung für eine BRD-Kriegsbeteiligung herhalten (aus der Geschichte gelernt zu haben, heißt neuerdings, in Bosnien intervenieren zu müssen; dies auch von ehemaligen Teilen der Friedens bewegung). -Die BRD strebt an, ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat zu werden. Dafür ist es notwendig, als "Friedensmacht" zu erscheinen. Für die BRD kann dieser Weg ausschließlich über den "Nachweis" führen, aus dem 2. Weltkrieg gelernt zu haben. -Damit hätten dann revanchistische Ansprüche auch wieder einen Platz. War vormals der BRD-Anspruch auf osteuropäische Gebiete deutlicher Ausdruck von Aggressivität und wurde daher in der BRD "auf kleiner Flamme" am Leben gehalten, so kann jetzt evtl. der revanchistische Anspruch als Zeichen einer wiedergewonnenen Normalität dargestellt werden, nach dem Motto: "Deutschland ist heute kein Aggressor mehr. Darum wollen wir unser Land jetzt zurückhaben." -Die Rehabilitierung völkischen Denkens läuft schon geraume Zeit. Die Ausländergesetzgebung, die Abschaffung des Asylrechts speisen sich eben daraus, daß Menschen "deutschen Blutes" Rechte haben, Menschen "nichtdeutscher Abstammung" dagegen höchstens geduldete "Gäste" sind. Diese Ideologie ist nur tragfähig, wenn die BRD ihre Abkehr von allen NS-Ideologien glaubhaft machen kann, da andernfalls die Nähe dieser Gesetze zur NS-Rassenideologie sofort ins Auge spränge. -Weiterhin sind etliche Vorhaben in Arbeit, die NS-Geruch haben, aber nur unter dessen Übertönung durchsetzbar sind. Dazu zählen u.a. der Ausbau des staatlichen Repressionsapparates, soziale Entrechtung und Zwangsarbeit, Familienpolitik mit Geburtenförderung und Abtreibungsverbot, die erst am Anfang stehende Euthanasie-Debatte (Singer, Kuhse). All dies riecht derart nach alter deutscher Tradition, daß diese Tradition als überwunden dargestellt werden muß und diese Entwicklung der BRD als "internationale Normalisierung" angesehen werden soll. All diese Vorhaben werden natürlich nicht bei den diesjährigen Gedenkfeiern entschieden. Dennoch haben diese gerade dafür enorme Bedeutung. Gelingt es der BRD, sich als demokratisch geläuterten, friedfertigen Staat, der seine Lehren aus der Geschichte gezogen hat, abzufeiern, wäre das ein Meilenstein auf einem Weg, der natürlich nicht erst heute begonnen hat. Daraus ergibt sich aber auch für die Linke die Aufgabe, der BRD in den Arm zu fallen, die staatliche Selbstinszenierung zu behindern. Die oben beschriebenen geschichtsrevisionistischen Absichten stehen u.E. auf tönernen Füßen, da eine kritische Einstellung gerade zu den NS- Verbrechen verbreitet ist und bei entsprechender Argumentation der Standpunkt der Reaktion durchaus kein Freispiel hat. (Z.B. zu behaupten, aus dem von Deutschland begonnenen Krieg Lehren gezogen zu haben, und im selben Atemzug deutsche Kriegseinsätze zu propagieren, ist ein Widerspruch, an dem wir gut ansetzen können. Wir dürfen der Reaktion nicht das Terrain überlassen!)

Kritik an einigen Positionen anti deutscher und antinationaler Gruppen Die 8.Mai-Feiern sollen ein falsches Bewußtsein schaffen: Es gäbe wesentlich gemeinsame Interessen aller Deutschen, die sie gegenüber anderen Völkern zu vertreten hätten. Damit werden soziale Widersprüche, die aus der patriarchalen und Klassengesellschaft erwachsen und alltagsprägend sind, ausgeklammert. Sie sollen hinter dem vermeintlich nationalen Interesse verschwinden. Ob UnternehmerIn oder ArbeiterIn, ob Frau oder Mann, ob ArbeitsloseR oder ManagerIn, so die Botschaft, alle sind als Deutsche gleich. Viele der antideutschen Standpunkte wirken an der Bildung dieses falschen Bewußtseins ungewollt mit. Das Übernehmen der Behauptung, alle Deutschen seien gleich bzw. handelten gemeinsam aus gleichen Interessen als nationales Kollektiv, als Volksgemeinschaft also, nur mit negativem Vorzeichen (diese Volksgemeinschaft ist schlecht), fällt dem reaktionären Bestreben nicht in den Arm, sondern bestätigt es vielmehr durch Übernahme der Grundannahme von der angeblichen Interessengemeinschaft Deutschland. Immer wieder ist in Flugblättern und Artikeln die Rede von den Deutschen; politische Differenzierungen werden bewußt nicht wahrgenommen, geradezu unter der Phrase vom "nationalen Konsens" eingeebnet. Daß solcherlei Positionen sich in linken Publikationen finden, ist u.a. ein Ausdruck der Definitionsmacht, die dieser Staat derzeit hat. Es reicht nicht, die behauptete Volksgemeinschaft zu negieren, sondern es muß (und kann!) bewiesen werden, daß es eine solche Volksgemeinschaft überhaupt nicht geben kann. "Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen." (Kommunistisches Manifest) Die patriarchale und Klassengesellschaft schafft Ausbeuter und Unterdrücker sowie Ausgebeutete und Unterdrückte. Diese haben vorwiegend differente Interessen. Wo diese aufeinanderprallen, entstehen Brüche und Widersprüche. In diesen Brüchen kann sich erweisen, daß die Ausgebeuteten und Unterdrückten mehr Gemeinsamkeiten mit Ausgebeuteten und Unterdrückten anderer Nationalitäten haben als mit ihren "eigenen"Ausbeutern und Unterdrückern. Dieser Prozeß läuft natürlich nicht widerspruchsfrei ab. Insbesondere ist der Rassismus in den Köpfen deutscher Ausgebeuteter und Unterdrückter ein großes Hemmnis, des gemeinsamen Handelns, der Solidarität. Kein Wunder, daß Nationalismus, Rassismus bei den Herrschenden hoch im Kurs stehen und munter propagiert werden. Wer in einer/m anderen Unterdrückten oder Ausgebeuteten nicht in erster Linie eine/n mögliche/n KampfesgenossIn sieht, sondern eine/n GegnerIn, den/die es mittels Rassismus auszuschalten gilt, wird seinen/ihren Unterdrückern und Ausbeutern nicht zu Leibe rücken. (Ausdrücklich: dies ist keine Erklärung des Rassismus und seines Funktionierens, sondern die Erklärung, warum die herrschenden Eliten an ihm interessiert sind.) Nationalismus, Militarisierung, Sozialstaatsabbau, Rassismus. Die Frage: "wer hat daran eigentlich ein Interesse?", kann die aufgebaute Illusion, dies sei im "deutschen Interesse", mit der Intention: das nützt allen Deutschen, zerstören. (Na ja, leicht ankratzen würde uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch schon erfreuen.) Die Kritik hingegen, die mit "die Deutschen " anfängt, dekonstruiert den von den Herrschenden gewollten Irrtum der deutschen Interessengemeinschaft nicht, sondern bestätigt ihn geradezu. Die folgende Ablehnung dieses "Projekts Deutschland" bleibt dann nur moralisches Anhängsel, das von "den Deutschen" verlangt, sich gegen das materielle Eigeninteresse zu entscheiden. Es ist aber ein falsches Eigeninteresse, das die Herrschenden suggerieren. Zerstören wir diese Suggestion! Wir sehen Rassismus und Nationalismus wesentlich als Verkleisterung der gesellschaftlichen Widersprüche. Wesentlich heißt, daß die rassistische Gesellschaftsordnung für Weiße auch Vorteile bringt: bei der Konkurrenz um den Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche Aber den Kern der schlechten Lage können die Ausgebeuteten und Unterdrückten eben nur im Kampf gegen die Ausbeuter und Unterdrücker verändern, und das heißt gemeinsamer Kampf. Da haben Rassismus und Nationalismus eine herrschaftsverschleiernde Funktion, die den Beherrschten auf die Füße fällt. Diese haben daher guten Grund, sie aus dem Weg zu räumen. Herzog konnte in seiner Dresdner Rede keineswegs offen propagieren, daß "die Deutschen" Opfer waren. Er mußte das schon verklausulieren. Die Dresdner Feiern haben u.E. gezeigt, daß die Herrschenden noch keineswegs so weit sind, wie viele Antideutsche behaupten: "die Deutschen", ein einig Tätervolk, das sich als Opfer fühlt und zu neuen Taten bereit wäre. Nein, die Gedenkerei soll genau daran erst arbeiten, weil bei vielen das Wissen um die Kausalitäten der Dresdner Bombardierungen vorhanden ist. In diversen TV-Interviews mit BürgerInnen war immerwiederkehrend die Rede davon, daß Deutschland den Krieg begonnen hat, und die Schuld für die Bomben wurde ganz überwiegend nicht den Alliierten, sondern den deutschen Kriegsverbrechern gegeben. (Ganz im Gegensatz dazu stehen Aussagen des Flugblattes zur Hamburger Veranstaltung "Keine Träne für Dresden": "50 Jahre nach der Bombardierung Dresdens präsentieren sich die Deutschen als die eigentlichen Opfer des Krieges.") Gerade bei dieser relativ günstigen Ausgangslage für linke Positionen bringt provokativ gedachte Häme über Trauernde wenig, sondern es läßt sich gerade zeigen: Das kann dabei herauskommen, wenn mensch sich an die Seite der eigenen Ausbeuter und Unterdrücker stellt und mit diesen gegen andere zu Felde zieht oder sie zumindest gewähren läßt. Ein ziemlich starkes Argument gegen die aktuelle BRD-Kriegspolitik. Immer wieder fehlt bei den antideutschen Schriften eine Benennung der Profiteure, der treibenden Kräfte von Krieg und Holocaust, aber auch von den gegenwärtigen Absichten der Reaktion. Das nützt den Herrschenden, auch sie wollen diese Betrachtungsweise eliminiert wissen. Kaiser Wilhelm kannte nur noch Deutsche. Einigen Antideutschen geht es heute genauso. Dieser Beitrag ist ganz ausdrücklich nicht gegen alle Menschen und Zusammenhänge gerichtet, die sich antinational oder antideutsch nennen. Aus der Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse ist die Schlußfolgerung, schwerpunktmäßig gegen Deutschland, Nation zu argumentieren, schlüssig. Argumentativ ist unser Schwerpunkt ein anderer, aber gemeinsames Handeln sollte kein Problem sein. Wir wenden uns hier gegen einen Teil der antideutschen/-nationalen Menschen/ Gruppen, der analytisch von Nationen als treibenden Politikkategorien ausgeht, nicht von patriarchalen und Klassengegensätzen. (Beispielsweise äußert in der Interim 321 der "Rote Reißwolf", er wolle mit "den sozialen Problemen des deutschen Mobs" nichts zu tun haben.) Wer glaubt, Gesellschaften verhielten sich wesentlich aufgrund ethnischer Bedingtheiten und nicht aufgrund von patriarchalen und Klassengegensätzen, kann nicht unserE VerbündeteR sein. Uns ist zum 8. Mai wichtig (übrigens nicht nur da), die Menschen ernstzunehmen. Zu oft scheinen uns die Flugblätter gerade zu Dresden geprägt vom Versuch eigener Profilierung, dem es nicht um Überzeugung geht. Schon jetzt ist absehbar, daß viele Linke zum 8. Mai schweigen werden, nicht weil ihnen die Notwendigkeit des Eingreifens nicht bewußt wäre, sondern weil sie keine Lust auf das undifferenzierte Eindreschen einiger Antideutscher auf die deutsche Bevölkerung und in fast demselben Atemzug auf linke KritikerInnen dieser Politik haben. (Eine der harmloseren Formulierungen aus dem Antinationalen Info, März: "Oftmals erklären sich Linke auch als >antinational<, kehren dann jedoch auf Positionen zurück, die von einem nationalen Bezug ausgehen.") Unsere Perspektive: Viel kann bewegt werden, da die Bevölkerung keineswegs geschlossen hinter geschichtsrevisionistischen Positionen steht, sondern Kritiken am Einebnen historischer Erfahrungen zugunsten einer aggressiven Gegenwartspolitik verbreitet sind. Gute Argumente können daran wirken, daß der gesellschaftliche Diskurs nicht noch weiter nach rechts gezogen werden kann. Die Herrschenden bewegen sich auf diesem Terrain nicht so sicher, wie sie sich den Anschein geben. Für eine linke Intervention! Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen

In dieser Ausgabe u.a.:

Flexibilisierung statt Arbeitszeitverkürzung? Solidarität mit den Kurden ist nötiger denn je! Fahrt nach Buchenwald Der internationale Frauentag 1995 Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 Das AKW Krümmel und die Leukämieerkrankungen in Neu-Allermöhe Überlegungen zum 8. Mai

NEWROZ 1995 Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk DEMONSTRATION Montag, 20.3.1995, 16.30 Uhr Moorweide/Dammtor

Schluß mit dem Völkermord in Kurdistan! Für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes! Sofortige Einstellung aller Unterstützung der Türkischen Republik durch die BRD! Für die Aufhebung aller Verbote gegen kurdische Organisationen! Für friedliche und ungestörte Newrozfeiern! Zur Demonstration rufen auf: Antifa Jugendfront, AG BWK in und bei der PDS, Arbeitskreis Gewerkschafter/innen für Kurdistan, DKP-Eimsbüttel, Freunde des kurdischen Volkes, Kurdistan Volkshaus, MLPD Hamburg, PDS/LL Hamburg, Revolutionärer sozialistischer Bund, VSP und SDAJ NEWROZ-Fest 18. März 1995, 14.00 Uhr Alsterdorfer Sporthalle

Internationale Kurdistan-Konferenz Mit über 200 Teilnehmenden fand am 24.-26.2. in Berlin die Internationale Kurdistan-Konferenz statt, organisiert von verschiedenen PDS-Fraktionen und -Gliederungen sowie dem Kurdistan Informationsbüros Köln und Berlin und unter Beteiligung von Grünen, Kritischen PolizistInnen, Rechtsanwälten u.a. Zum Abschluß verabschiedete die Konferenz einen Appell für die sofortige Beendigung der Türkei-Hilfe und eine politische Lösung in Kurdistan und einigte sich auf eine Folgekonferenz im nächsten Jahr. Der Appell ist in den Politischen Berichten Nr. 5 dokumentiert. Es heißt darin: "Wir appelllieren an alle demokratischen Kräfte in dieser Republik, ein Zeichen zu setzen: +gegen den menschenverachtenden Kriegs- und Konfrontationskurs der türkischen Regierung und der Bundesregierung in der kurdischen Frage; +gegen die von Kohl, Kanther, Kinkel, und anderen verantwortlichen Politikern betriebene Verfolgung der gesamten kurdischen Bevölkerungsgruppe in diesem Land; +für die Achtung von Menschenrecht und Menschenwürde; +für die Respektierung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes; +für die deutsch-kurdische Freundschaft; +für die Zusammenarbeit mit kurdischen Vereinen und Einrichtungen auf kommunaler Ebene, auf Landes- und Bundesebene, in Gewerkschaften, Menschenrechts- und Bürgerrechtsgruppen sowie in allen demokratischen Parteien; +gegen den Abbau demokratischer Rechte und Militarisierung. Solidarität mit dem kurdischen Volk ist ein Gebot der Menschlichkeit!"

Wieviel Freiheit braucht die Schule? Wieviel Demokratie in der Schule verträgt die Gesellschaft 1995?

Autonomie und Demokratisierung, Gesellschaft, Staat und Schule Bildungspolitische Arbeitstagung der PDS/LL, AG Bildungspolitik

Am Sonnabend, 1. April 1995, in Hamburg, Curio-Haus, Rothenbaumchaussee 13

Kurz vor Beginn des 21. Jahrhunderts wird wieder verstärkt gefragt: "Was sollen unsere Kinder und Jugendlichen lernen?" Und: "Wie müssen, wie können wir das Bildungswesen organisieren?" Kein Zweifel: Die zentral gelenkte, zentral von einer Schulbehörde, einem Kultusministerium nur verwaltete Schule funktioniert weniger denn je. Neue Schul- und Schulverfassungsgesetze liegen vor oder sind in Arbeit. Die Stichworte "Demokratisierung" und "Autonomie" fallen immer häufiger. Wollen die einen mehr Rechte, erwarten die anderen mehr Effizienz und die dritten mehr pädagogische Freiräume. In Hamburg, in Bremen, in Hessen, in Berlin und in den neuen Bundesländern gibt es besonders heftige Debatten. Was sagen Linke dazu? Wie verträgt sich diese Diskussion mit dem eingeleiteten Umbau des Bildungssystems? Welchen Einfluß haben die zunehmenden Haushaltskürzungen auf die Pädagogik? Wird die Schule vor allem nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien strukturiert? Soll Bildung der unmittelbaren Verwertbarkeit unterworfen werden? Was sagen die betroffenen Schüler, Lehrer und Eltern dazu? Von diesem Ansatzpunkt ausgehend wollen wir einen offenen und kontroversen Prozeß, unter Einbeziehung der konkreten Situation in Hamburg, die Diskussion um einige Facetten erweitern und betroffene Schüler, Eltern, Lehrer, Bildungspolitiker und Gewerkschaften zu Wort kommen lassen.

Ablauf: 10.00-12.30 Uhr Eröffnung/Begrüßung, Plenum, Raum K4 Einleitungsbeiträge: 1. Ist Autonomie ein Beitrag zur Demokratisierung von Schule? Horst Bethge, Hamburg, Bildungspolitischer Sprecher der PDS; 2. Staat und Schule, Autonomie und Demokratisierung unter verfassungsrechtlichem Aspekt. Hans-Henning Adler, Oldenburg, Landesvorsitzender der PDS, Schulelternvorsitzender, Rechtsanwalt. Diskussion 14.00 Uhr - Arbeitsgruppen Themenblock 1: 1. Abschied vom Prinzipiellen, von der Pädagogik? Pädagogische Freiheit, selbstbestimmtes Lernen, Autonomie des Bildungswesens. Mit Prof. Dr. Hans-Georg Hofmann, Berlin, Gudrun Zimdahl (2. Vors. GEW Hamburg). 2. Die Rolle der Schulaufsicht wandelt sich - wohin geht die Reise? Die schleichende Einführung der sanften Hierarchie. Mit Gunhild Böth (Landesinstitut für Weiterbildung Soest), Elke Brosow, Berlin (Mitarbeiterin PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus), Hajo Sassenscheid, HH, Schulpsychologe 3. Vom Elend des Berufsbeamtentums, Freiheitlich-Demokratische Grundordnung (FDGO), Streikrecht für LehrerInnen - in Zukunft nur noch angestellt. Mit Prof. Dr. Martin Kutscha, Berlin, Sigrun Steinborn, Berlin (Abgeordnete der PDS) 17.00 Uhr - Arbeitsgruppen, Themenblock 2: 1. Abschied vom Sozialen, von der Chancengleichheit? Armut in Ballungsräumen, das Recht auf Bildung und die soziale Ausgleichsfunktion des Bildungssystems. Mit Uli Podszuweit, HH (Soziologe, Mitautor Sozialatlas) 2. Schule als Betrieb? Lean production = Lean education? Das Input-Output-Denken und Erfahrungen in anderen Bereichen und Ländern. Mit Uli Ludwig, HH (Mitglied des Personalrats, Lehrer), Hermann Ziegenbein, HH (Betriebsratsmitglied, ÖTV-Bezirksleitung) 3. Alle Macht den Räten? Mitbestimmung von Eltern, Schülern, Lehrern, Schulleiter auf Zeit und demokratische Schulverfassung. Mit Aart Pabst, HH (Gesamtschul-Schulleiter), Maren Großman, Frankfurt/O (Lehrerin), Andre Bigalke, HH (Student), Prof. Dr. Günter Wilms, Eichwalde 20.15 bis 21.45 Uhr Hearing/Plenum - Positionen von Parteien, Gewerkschaften, Gremien. Mit Marita Böttcher, Jüterborg (MdB, PDS); N.N.: ARGE (Arbeitsgemeinschaft der Gesamtschulelternräte), Roswitha Stolfa, Halle (bildungspolitische Sprecherin der PDS, Landtagsvizepräsidentin), Barbara Beutner, HH (Elternvertreterin), Kurt Edler (MdBÜ Bündnis 90/Grüne) Tagungsbeitrag DM 10,-/5,-. Zur Vorbereitung ist ein Reader erhältlich (DM 10,-). Anmeldung bei: PDS/LL Hamburg, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 3892161, Fax 3388331. Schlafplätze werden noch gesucht. Bitte melden!

"Weißrußland, dessen westlicher Teil einer Zivilverwaltung unterstellt wurde, während die östliche Hälfte unter Militärverwaltung blieb, war von allen sowjetischen Republiken am längsten unter deutscher Besatzung. An keinem Beispiel läßt sich genauer demonstrieren, was Nazi-Okkupation wollten und anrichtete: Von 10,6 Millionen Einwohnern verloren 2,6 Millionen ihr Leben.

Vortragsreihe zur Ausstellung FREITAG, 17. MÉRZ

Vergeltungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht in Italien 1943/44 Der Referent, Friedrich Andrae, ehemals Leiter der Hamburger Bücherhallen, ist der Autor eines im Februar bei Piper erschienenen Buches mit dem Titel "Auch gegen Frauen und Kinder. Der Krieg der deutschen Wehrmacht gegen die Zivilbevölkerung in Italien 1943- 1945". Andrae wird das unbekannte Kapitel des schmutzigen Krieges der Wehrmacht in Italien behandeln. 20.00 Uhr, Hamburger Institut für Sozialforschung, Mittelweg 36, Eintritt frei.

DONNERSTAG, 23. MÉRZ

Geiselkrieg. Militärische Besatzungspolitik in Serbien 1941/42 Der Referent, Dr. Walter Manoschek, hat mit seinem Buch "Serbien ist judenfrei" 1993) für Aufsehen gesorgt. Er belegt in der Untersuchung, wie die Wehrmacht im Sommer und Herbst 1941 unter dem Vorwand der Geiselnahme alle serbischen Juden ermordet. Im Rahmen seines Vortrages wird Manoschek Fotografien von Geiselerschießungen in Serbien zeigen, die der ehemalige Bildberichterstatter Gerhard Gronefeld (München) aufgenommen hat. Gronefeld wird bei der Veranstaltung anwesend sein. Walter Manoschek, der an der Universität Wien eine Assistentenstelle innehat, ist einer der wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Vorbereitung der Ausstellung. 20.00 Uhr, Ort wie oben

DONNERSTAG, 13. APRIL

Rassenkrieg. Wehrmacht, Holocaust und Partisanenkampf in der Sowjetunion 1941-1943 Referent: Hannes Heer Das Thema "Wehrmacht und Holocaust" ist trotz aller Beiträge einer kritischen Militärgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik ein großes Tabu geblieben. Hannes Heer hat in einem Aufsatz der Zeitschrift "Mittelweg 36" (Heft 3, Juni/Juli 1994) erstmals anhand von längst bekannten Militärakten und neuen Dokumenten in Archiven der ehemaligen Sowjetunion einen ersten Versuch unternommen zu belegen, daß die Wehrmacht von Beginn an und systematisch am Programm der "Endlösung der Judenfrage" in der Sowjetunion beteiligt war. In einer Untersuchung zum sogenannten Partisanenkampf, veröffentlicht in dem zur Ausstellung erschienenen Begleitband, hat er weitere Belege für den rassistischen Charakter des Ostfeldzuges geliefert. Hannes Heer, Historiker und Filmregisseur, ist derzeit Mitarbeite des Hamburger Instituts für Sozialforschung und Leiter des Ausstellungsprojekts. 20.00 Uhr, Ort wie oben

DONNERSTAG, 6. APRIL

Lesung: Frontbesichtigung. Ernst Jünger: "Kaukasische Aufzeichnungen" (1942 Lesung und Anmerkungen von Hannes Heer, Helmut Lethen und Jan Philipp Reemtsma Ernst Jünger, der Apologet des Ersten Weltkrieges, ist Ende 1942 von Paris aus zu einer Reise an die Kaukasusfront aufgebrochen. Angezogen durch die sich verdichtenden Berichte über die Greuel an der "Ostfront" wollte er sich mit dem Krieg, da, wo er am barbarischsten war, konfrontieren. Er erkennt seinen Krieg nicht wieder. Drei Wissenschaftler werden aus der unterschiedlichen Sicht ihres Faches Abschnitte dieser Reisebeschreibungen auswählen und kommentieren. 20.00 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38, Eintritt 10/5 DM

Dokumentation

Auszug aus der "Stellungnahme des Papiertigers zur AntiDeutschKampagne" (aus Interim Nr. 319, aus Platzgründen gekürzt)

Wir haben uns deshalb entschieden, uns an keinerlei Mobilisierungen im Rahmen der AntiDeutschKampagne zu beteiligen 1. Die Konstruktion eines ethnischen Hauptwiderspruchs ist reaktionär. Die Konstruktion einer (völkischen?) "deutschen Kollektivschuld" bewegt sich auf dem gleichen Niveau der Auseinandersetzung, wie DIE Deutschen als Ganzes von der Verantwortung der Geschichte entlasten zu wollen. 2. Die "Ethnisierung des Sozialen" von links entspricht darüber hinaus dem Zeitgeist. Die Medien versuchen besonders in den letzten Jahren, Konflikte und Kriege, als Produkte des Völkerhasses darzustellen 3. Die undifferenzierte Darstellung ganzer Völker als Täter bzw. Opfer schafft theoretisch "Volksgemeinschaften", die es in unserem Denken nicht gibt Die Opfer der NaziPolitik auf ihre Rolle als Opfer zu reduzieren, ist falsch. So gab es auch überall Widerstand von "JüdInnen", ZwangsarbeiterInnen usw. Ihr Widerstand ist uns Bezugspunkt und auf keinen Fall der eines Bomber Harris. 4. Obwohl wir selbst eine kritischsolidarische Position zu nationalen Befreiungsbewegungen haben, finden wir die grundsätzliche Ausgrenzung und Abstempelung von Menschen und Organisationen, die sich auf nationale Befreiungskämpfe beziehen, absolut chauvinistisch. 5. Die Propagierung des "deutschen rassistischen Massenkonsenses" arbeitet den staatstragenden Medien und Nazis zu. Wir müssen uns mit den Ursachen und Folgen des Rassismus bei uns und insgesamt in der Bevölkerung auseinandersetzen. Die "Antideutschen" versuchen, sich eine andere (negative, rein abgrenzende) Identität zu schaffen, indem sie sich über alle drüberstellen und sich so aus der Verantwortung stehlen. 6. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Auge, daß das Thema Sexismus/Geschlechterverhältnis völlig übergangen wird. 7. Wir wollen uns nicht auf eine "antideutsche" oder sonst eine Identität reduzieren lassen, schließlich geht es um unsere Befreiung aus allen Unterdrükkungsverhältnissen. Das eine ist mit dem anderen untrennbar ver bunden. Wir schlagen vor, sich die Geschichte nicht als eine von "nationalen Kämpfen" anzuschauen. Und nicht mehr nur mit dem Blick von oben herab, der sich auf nichts mehr beziehen kann und den eigenen Frust legitimiert. Sondern auch als eine Geschichte von gesellschaftlichen Widersprüchen, einschließlich sozialer Bewegungen und Kämpfe, auf die wir uns beziehen und aus denen wir lernen können. Auch wenn die Herrschenden diese Geschichte durch ihre Revisionismuskampagne am liebsten auslöschen wollen.

Lokalberichte HamburgNr. 6/1995, 16. März 1995 Herausgeberkreis: Alternative Liste, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen, AG Gesundheitspolitik der PDS Hamburg, Arbeitsgemeinschaft BWK in und bei der PDS/LL Hamburg, Arbeitskreis Azania, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Hochschul-Antifa, Liste Links, Mitglieder der PDS/Linken Liste Hamburg, VSP, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Redaktionstreffen: Donnerstag, 23. März, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo: 1.1.95: 52,- DM (Förderabo: 65,- ermäßigtes Abo 39,-, für Leute ohne Einkommen 26,-), zu zahlen auf das Konto GNN- Verlag, HASPA, BLZ 20050550, Kt-Nr. 1269/122311. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH