Arbeitsschutzbericht

Arbeitsunfälle und

Berufskrankheiten

nehmen zu

Wie dem Arbeitsschutzbericht zu entnehmen, ist die Zahl der Arbeitsunfolgen in Hamburg anhaltend hoch: 12777 in 1993. Trotz des Rückgangs der lohnabhängigen Beschäftigung im letzten Jahr sind auch die Unfälle mit Todesfälle in der gewerblichen Wirtschaft und im Hafen nicht zurückgegangen; im Hafen verunglückten 1993 zwei Arbeiter tödlich, in den ersten zehn Monaten 1994 dagegen bereits sechs. Auch die Berufskrankheiten nehmen teilweise rapide zu (bundesweit von 74000 angezeigten Fällen 1992 auf 92000 in 1993). In Hamburg starben 1993 mindestens 250 Menschen berufsbedingt an Krebs. Die Zahl, erschrekkend hoch, dürfte indes eher noch zu niedrig angesetzt sein - die Schätzungen über den Anteil der berufsbedingten Tumore an allen Krebserkrankungen schwanken zwischen 1% und 30%. Am häufigsten wurden durch Asbest hervorgerufene Erkrankungen angezeigt. Das heißt, daß immer mehr Menschen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben die über lange Jahrzehnte rücksichtslose Verwendung von Asbest bezahlen. (Noch in den 70er Jahren wurde Asbest, obwohl die krebserzeugende Wirkung seit den 40er Jahren bekannt war, im Hafen lose in Jutesäcken angelandet.) 1993 wurden in Hamburg 167 asbestbedingte Krebserkrankungen wie Lungenkrebs und Krebs des Rippenfells gemeldet (1992: 128), die ebenfalls durch Asbest hervorgerufenen Erkrankungen an Lungen- und Pleuraasbestose dabei nicht berücksichtigt. Diese bedrückende Entwicklung hinderte das Parlament nicht daran, im Rahmen des Novellierungsverfahrens 1994 das in der Gefahrstoffverordnung festgeschriebene Gebot, krebserzeugende Stoffe durch weniger gefährliche zu ersetzen, aufzuweichen. -(scc)

Über 650 unterschrieben Aufruf

Christine Kuby muß

draußen bleiben

Am 15.12. fand im Hotel Schanzenstern eine Pressekonferenz statt, mit der die Initiative "Dringender Aufruf an die Öffentlichkeit: Christine Kuby muß draußen bleiben!" - diesen Aufruf haben inzwischen ca. 650 Personen und Gruppen unterzeichnet - öffentlich vorgestellt wurde. Eingeladen hatten dazu Christine Kubys Rechtsanwältin Ursula Ehrhardt, Prof. Dr. Gerhard Garweg als Mitunterzeichner des Aufrufs sowie Tjark Kunstreich und Lars Fischer als Besucher von Christine Kuby. Christine Kuby wurde 1978 als RAF- Mitglied verhaftet und wegen Mordversuchs (sie versuchte, sich mit der Schußwaffe der Verhaftung zu entziehen, dabei wurde ein Polizist leicht verletzt) und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Aufgrund der mittlerweile mehr als 16jährigen Sonderhaftbedingungen ist Christine Kuby in der Haft so schwer erkrankt, daß sie Anfang November diesen Jahres für die Dauer einer dringend erforderlichen Bandscheibenoperation und der anschließenden Rehabilitation Haftaussetzung erhielt. Nach Ablauf der Reha- Maßnahmen soll sie wieder ins Gefängnis zurück, obwohl sowohl der Anstaltsarzt als auch eine externe Neurologin dauerhafte Haftunfähigkeit feststellten, wie ihre Rechtsanwältin mitteilte. Eine völlige Gesundung ist, auch nach Ansicht von Anstaltsarzt und der behandelnden Fachärztin, nur unter grundlegend geänderten Lebensbedingungen gewährleistet. Notwendig wird dazu u.a. jahrelange krankengymnastische Behandlung sein, die im Gefängnis nicht möglich ist. Bei einer neuerlichen Inhaftierung besteht trotz der gerade erfolgten Operation die Gefahr weiterer schwerer Bandscheibenvorfälle und damit bleibender Lähmungen, also dauerhafter Invalidität. Obwohl diese Tatsachen sowohl der Bundesanwaltschaft als auch dem Oberlandesgericht Hamburg bekannt sind, steht zu befürchten, daß Christine Kuby nach dieser kurzen Haftaussetzung wieder zurück in die JVA Lübeck muß. Dabei ist ihre sofortige Freilassung nicht nur rechtlich möglich, sondern eigentlich längst überfällig. Denn bereits im Januar 1993 beschloß das zuständige Hamburger Oberlandesgericht nach einem Antrag auf Entlassung nach 15 Jahren Haft, daß Christine Kuby wegen der Schwere der Schuld 16 Jahre in Haft zu bleiben habe. Diese 16 Jahre sind bereits im Januar diesen Jahres erreicht worden und mittlerweile um bald ein Jahr überschritten. Da Christine Kuby eine psychiatrische Begutachtung, die von Bundesanwaltschaft und OLG gefordert wird, ablehnt und beide Behörden nicht bereit sind, einen Gutachter zu benennen, der ein Gutachten nach Aktenlage erstellen könnte, ist das Entlassungsverfahren blockiert. In unregelmäßigen Abständen läßt das Oberlandesgericht verlautbaren, daß es mit der Prüfung des Verfahrens befaßt sei und eine Entscheidung kurz bevorstehe - dies nunmehr, also seit Antragstellung auf Entlassung nach 15 Jahren verbüßter Haft, seit über zwei Jahren. Auf der Pressekonferenz betonten Rechtsanwältin Ehrhardt wie auch die beiden Besucher von Christine Kuby, daß es bei der Frage von Haftunterbrechung bzw. Haftentlassung nicht um eine juristische, sondern um eine politische Entscheidung gehe. Ihr Gesundheits- bzw. Krankheitszustand werde zur Erpressung von Wohlverhalten benutzt. Den anwesenden, zweifelnden Journalisten (darunter von ap, dpa, taz, Morgenpost und NTV) erläuterte Rechtsanwältin Ehrhardt diese Aussage anhand von folgendem kleinen Beispiel: In einem Gespräch mit dem zuständigen Bundesanwalt Bell lehnte dieser ein Verlassen der Klinik übers Wochenende, wie dies für alle anderen Patienten dort möglich ist, mit der "Begründung" ab, daß Christine Kuby ihnen ja auch nie entgegenkomme. Die Entlassung von Irmgard Möller nach 22 Jahren Haft, so Lars Fischer auf der Pressekonferenz, bedeute nicht automatisch Schritte für die Freilassung von Christine Kuby, Heidi Schulz (eine weitere schwer erkankte Gefangene) und den anderen Gefangenen aus der RAF. Wie auch Christine selbst begreifen die Initiatorinnen und Initiatoren des Aufrufs ihren Fall nur als - allerdings besonders dringendes - Beispiel im Gesamtkontext aller Gefangenen aus der RAF, um deren (bedingungslose) Freilassung es geht. Übrigens: Die Geschäftsleitung der Morgenpost lehnte den Abdruck des Aufrufs zur Demonstration am 17.12. in Hamburg ohne Angabe von Gründen ab - obwohl es sich um eine bezahlte Anzeige handeln sollte. -(jeh)

CDU: Gefängnisse

privatisieren!

Die CDU nimmt einen neuen Anlauf, Gefängnisse zu privatisieren. Bis März soll der Senat, so der an den Rechtsausschuß der Bürgerschaft überwiesene CDU-Antrag, die Ergebnisse seiner Überlegungen darlegen, wie die Umwandlung der staatlichen Gefängnisse in Privatanstalten bzw. der Neubau von Gefängnissen durch Private zu bewerkstelligen sei. Der Justizsenator äußerte sich bereits zustimmend. Die Gier, aus der Not der Ein- und Weggesperrten Profit zu schlagen, dürfte nicht zuletzt durch die Tatsache angestachelt worden sein, daß die Zahl der Verurteilungen wieder drastisch steigt. 1992 haben Hamburger Gerichte 22300 Menschen verurteilt, 1600 mehr als im Jahr zuvor, und die herrschende deutsche Politik, Innen-, Rechts-, Sozial-, Wohnungs-, Asyl- und sonstige Politik, verspricht weitere rasante Steigerungsraten. Die CDU verweist auf Erfahrungen im Ausland. In der Tat! In den USA etwa geht die Ausweitung des Gefängnissystems - hier befinden sich Ende 1994 erstmals über 1 Million Menschen im Gefängnis - nicht nur mit der Verschärfung der allgemeinen Repression und der rassistischen Unterdrückung, nicht nur mit der weiteren Entrechtung der Gefangenen und der Verschärfung der Haftbedingungen einher - sondern auch mit Herausbildung großer privater Gefängniskonzerne. Der größte unter ihnen brachte seinen Betreibern 1993 bereits bei 100 Mio. Umsatz 4 Mio. $ Gewinn. So dürfte die Initiative der CDU auf zweierlei zielen: mehr Gefängnisse zu bauen für die unteren Klassen und die oberen Klassen am wuchernden Gefängnissystem auch noch verdienen zu lassen. -(scc)

Demo gegen REPsTreff In Hamburg-Hoheluft trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat der REP- Ortsverein Eimsbüttel und eine Art offener Stammtisch. (In der Kneipe Klinker, Schlankreye 69, neben dem Holi- Kino). 40 bis 50 REPs nehmen teil, anläßlich der Bundestagswahlen waren es sogar fast 100. Im November sind Antifas bereits gegen das Treffen vorgegangen, im Dezember fiel es aus. Für den Januar ist eine Kundgebung geplant, deren Ziel es ist, den Faschisten das Treffen zu verunmöglichen und die Kneipe in der Gegend als Faschistentreff bekanntzumachen. Kommt alle am Donnerstag, den 5.1., um 19.00 Uhr (pünktlich) zur U-Bahn Hoheluft. -(F)

FAP taucht ab FAP warnt Mitglieder telefonisch vor Hausdurchsuchungen! Auf dem Nationalen Infotelefon (040/2195400, Eiffestr. 602c) wurde am 18.12.94 auf eine Durchsage auf dem "Infotelefon Schleswig-Holstein, Stimme des nationalen Aufbruchs" hingewiesen. Dort wurde u.a. verbreitet, daß die FAP aufgrund der Ankündigungen weiterer Verbote, so der "Deutschen Nationalisten", der "Direkten Aktion Mitteldeutschlands", der "Jungen Nationaldemokraten" und der "Hilfsgemeinschaft Nationalpolitischer Gefangener" mit einer größeren Zahl von Hausdurchsuchungen rechnet. Die FAP forderte auf, Mitgliederlisten, Kassenbücher, Beitragslisten und Material wie z.B. Aufkleber von verbotenen Organisationen aus den Wohnungen, Kellern, Autos etc. verschwinden zu lassen. Des weiteren wurde mitgeteilt, daß die FAP alle ihre Gruppierungen in und bei Hamburg am 4.12.94 aufgelöst habe und daß die bisher in Krupunder angesiedelte Bundesgeschäftsstelle ab Januar 1995 nach Berlin verlegt wird. - Die Entwicklung im einzelnen zu bewerten, ist zu früh. Aber es liegt nahe, daß sich hinter der angeblichen Auflösung das Konzept der Bildung kleiner, klandestiner Gruppen verbirgt, von dem wir in der letzten Ausgabe (S. 3) berichteten. -(Nach einer Meldung von J. Brammer, CL- Netz HH)

Sparhaushalt und Verwaltungsreform

Im Dienst der "Wettbewerbsfähigkeit"

Der Haushalt für 1995 mit einem Gesamtvolumen von 18 Mrd. DM wurde in der vergangenen Woche mit den Stimmen der SPD und STATT-Partei verabschiedet. In seiner Haushaltsrede bekannte sich der Erste Bürgermeister Voscherau zur Herausforderung "durch unsere Drehscheibenfunktion am Rande der EU und des Ostens: also im Herzen Europas", dazu, die "Chancen" für die Metropole Hamburg "durch einen klaren, langfristigen Kurs bei den großen Zukunftsprojekten der Infrastruktur und der Forschung" zu wahren. Während in diesem Sinne z.B. die Investitionsausgaben der Wirtschaftsbehörde um 12,7% gesteigert werden, so z.B. 17 Mio. mehr für Wirtschaft- und Technologieförderung und 20 Mio. mehr für "dringende Infrastrukturprojekte im Hafenbereich", während die umstrittene Hafenerweiterung Altenwerder anfinanziert wird, mahnt Voscherau: "In Hamburg müssen wir wie alle Deutschen in diesen Zeiten neu lernen, wie es ist, wenn man sich nach der Decke strecken muß." Dies betrifft dann die nicht-investiven Staatsausgaben, wie Personalkosten, Sozialleistungen, den Bildungs-, Wissenschafts- und Erziehungsbereich. Im Rahmen des Haushalts-Konsolidierungskonzepts, das bis 1998 den Betriebshaushalt um 800 Mio. DM jährlich entlasten soll, sollen 1995 50 Mio. DM beim Personal, 200 Mio. bei den Sach- und Fachausgaben sowie 150 Mio. bei "Sonderbereichen" eingespart werden. (Zu den Sonderbereichen gehören laut Konsolidierungskonzept der Finanzbehörde öffentliche Unternehmen - v.a. Wohnungsbaukreditanstalt und HHA -, Pflegesätze im Bereich der Sozial-, Jugend- und Altenhilfe, Aufwendungen für Aussiedler und Zuwanderer.) Die Einnahmen sollen um 100 Mio. verbessert werden, u.a. durch Steuer- und Gebührenerhöhungen. In den folgenden Jahren sollen die strukturellen Einsparungen bei den Personalkosten und den Sonderbereichen und die Einnahmeverbesserungen auf jeweils 200 Mio. jährlich gesteigert werden. Wie an verschiedenen Beispielen in dieser Zeitung bereits gezeigt, läßt der Senat für die hohen Ziele der "Wettbewerbsfähigkeit" Obdachlose, Sozialmieter, Studenten, Schüler, Kindergartennutzer und die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zur Ader. Zwar wird er durch die Sozial- und Finanzpolitik der Bundesregierung, die die Kommunen durch die geplante Befristung der Arbeitslosenhilfe, die Abschaffung der Gewerbekapital- und die Senkung der Gewerbeertragssteuer unter Druck setzt, in diese Richtung weiter angestachelt, was auch Voscherau bemerkt. Bei alledem ist er jedoch mit den Zielen der Bundesregierung einig: "Allerdings: Daß die Gewerbesteuer als Großunternehmenssteuer zum Problem der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft werden kann, ist unbestreitbar." Und: "Die Leistungsfähigkeit des Staates, umgekehrt: der Verbrauch des Sozialprodukts durch den Staat, ist ein Kernthema. Ein Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern 43 Pfennig von jeder Mark abknöpft, die sie erwirtschaften, sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Die Abgabenquote muß herunter."

Handelskammer: Privatisieren - und zwar jetzt! Die Handelskammer fordert schon seit Jahr und Tag eine noch schärfere Gangart des Senats bei der Haushaltskonsolidierung. Neben einer noch rigideren Ausgabenbegrenzung im Betriebshaushalt, in dem die laufenden Ausgaben dauerhaft unter den laufenden Einnahmen bleiben sollen ("Die Personalausgaben der Stadt erfordern besonders drastische Maßnahmen", insbesondere die Altersversorgungslasten seien abzubauen) - fordert sie breit angelegte Privatisierung staatlicher Dienstleistungen: "Die staatlichen Angebote müssen sich auf die Aufgaben konzentrieren, die zu den Pflichtaufgaben gehören." (Hamb. Wirtschaft 6, 8/94). Das hieße, daß z.B. für eine eigene Hamburger Beschäftigungs- oder Sozialpolitik, die über die Pflichten aus dem Sozialhilfegesetz und Arbeitsförderungsgesetz hinausginge, kein Raum wäre. Zudem verlangt die Kammer eine Énderung des Haushaltsrechts, nach der strikt zwischen Vermögens- und Betriebshaushalt getrennt wird, dadurch soll der Vermögenshaushalt gesetzlich vor Zugriffen zur Deckung von Defiziten im Betriebshaushalt geschützt werden. Auf diese Weise deckt der Senat im Haushalt 1995 immerhin einen Fehlbetrag von rund 1,2 Mrd. DM durch Verkauf von Häusern und Grundstücken sowie die Herabsetzung des Eigenkapitals der Stadtentwässerung. Der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls vorgesehen. Ebenso wie die bereits erschöpfte Möglichkeit der Haushaltsdekkung durch Rücklagen werden aber diese Spielräume enger und damit der Druck zur Privatisierung größer. Dies aber ist das vorrangige Ziel der Banken und Konzerne: Erst die umfassende Privatisierung schafft - neben den Zugriffsmöglichkeiten auf profitable Anlagequellen - die Grundlage für die "Entpolitisierung" des Wirtschaftens der noch staatlichen Versorgungs- und Dienstleistungsbetriebe und damit der Befreiung dieser Kapitale aus sozialstaatlichen Bindungen. (Vgl. Deutsche Bank Research, Kommunen unter Privatisierungsdruck, Handelsbl. 15.11.)

Neues SteuerungsmodellReform oder Rationalisierung? Als zentralen Hebel zur Bewältigung der Haushaltskrise sehen der Senat und die Regierungsparteien die Strukturreform von Haushalt und Verwaltung im Sinne des "Neuen Steuerungsmodells". Dabei soll das zentralistische Haushaltsverfahren in ein neues Budgetierungsverfahren übergeleitet werden, Fach- und Ressourcenverantwortung sollen dezentral auf Fachbereichsebene zusammengeführt werden, die Steuerung soll vorwiegend über den Output, d.h. die zu erbringenden Leistungen, nicht über die bewilligten personellen und sachlichen Mittel (Input) erfolgen; statt durch Einzeleingriff soll global gesteuert werden, ein zentraler Steuerungs- und Controlling-Bereich soll entstehen, "Qualitätsmanagement" und "Wettbewerbselemente" sollen Einzug halten. "Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden sich in Zukunft neuen Herausforderungen stellen müssen. Möglichkeiten einer leistungsgerechten Bezahlung dürfen kein Tabu mehr sein - ebenso wie zeitlich befristete Zulagen. Mobilität und Flexibilität am Arbeitsplatz werden stärker gefordert sein, um den sich wandelnden Anforderungen an die öffentliche Verwaltung gerecht zu werden." (Finanzbehörde, Konsolidierungskonzept für den Hamburger Haushalt, Okt. 94) Die angestrebte "Durchlässigkeit zwischen Personal- und Sachhaushalt" (Voscherau) bei dezentraler Ressourcenverantwortung wird den Druck auf "ineffiziente" Arbeitsplätze erhöhen. In vergleichbaren Pilotprojekten in Nordrhein-Westfalen werden als Problem "Leistungsgeminderte" und "Fußkranke" benannt. Die Vorsitzende des Landtagsausschusses "Mensch und Technik", K. Grüber, stellte fest, Verlierer seien "alle, die nicht zur Olympiamannschaft gehören, darunter viele Frauen" (Handelsblatt, 2.12.94). Bei den angepeilten Sparquoten im Personalbereich werden dann also die konkreten Arbeitsplatzverluste nicht mehr durch zentrale politische Entgen veranlaßt, sondern dezentral aufgrund quasi-betriebswirtschaftlicher "Sachzwänge" in den einzelnen Émtern und Behörden. Mit einer entsprechenden "Neuen Haushaltsmethodik" hatte der Senat bereits dem politischen Widerstand gegen die Sparmaßnahmen des 95er Haushalts die Spitze genommen: Nicht mehr die zentral dekretierte "Giftliste", sondern die festgelegten Sparquoten durften von den Fachressorts nach Maßgabe eigener Prioritäten umgesetzt werden. In seiner Haushaltsrede propagiert Voscherau die Umbildung der staatlichen Organisation nach dem Vorbild des kapitalistischen Unternehmens: "Unternehmen ist aber das Geheimnis internationaler Wettbewerbsfähigkeit, nicht Unterlassen. Der Staat muß daher Effizienz wieder möglich machen und selbst an Beweglichkeit gewinnen. Er muß seine innere Struktur den Erfordernissen von morgen anpassen - genau wie ein Unnehmen." Hinter diesen Zielen der "Effizienz" und "Wettbewerbsfähigkeit" sollen alle sozialen Interessen als "partikulare" zurücktreten. Dafür müssen wir eben alle "sparen". Es ist ein weiterer Schritt zur Unterordnung von Staat und Gesellschaft unter die Konteressen. Deren Wunschvorstellung äußerte kürzlich vor Hamburger Unternehmern und Bankiers BMW-Vorstand und Ex-Kohl-Berater Teltschik: "Der wirtschaftliche Wettbewerb wird auch zum Wettbewerb der Gesellschaft." (HA, 12.12.94) -(ulj)

Protestlauf gegen den Krieg in Kurdistan Am 21.12. brach eine Gruppe aus dem Kurdistan Volkshaus, darunter ein hier lebender kurdischer Sportler, der bereits an mehreren internationalen Marathonwettbewerben teilgenommen hat, vom Harburger Rathaus zu einem Protestlauf nach Bonn (ca. 500 km) auf unter dem Motto: "Stoppt den schmutzigen Krieg in Kurdistan". Der Protestlauf richtet sich auch gegen die Unterstützung der Völkermordpolitik der Türkischen Republik durch die BRD. - Die kurdische Zeitung Özgür Ülke dokumentierte am 7.12. ein Schreiben der türkischen Midentin Ciller vom 30.11., also unmittelbar vor den Bombenanschlägen gegen Özgür Ülke, das ans Innenministerium gerichtet war und in dem es u.a. heißt: "Presseorgane, die sich mit ihren Veröffentlichungen gegen das Wohl des Staates richten, Separatismus betreiben und Terror-Organisationen unterstützen, müssen aktiv bekämpft werden. Mit sofortiger Wirkung müssen Mittel und Wege gefunden werden, um dies zu gewährleisten. Ich bitte Sie darum, das Nötige zu veranlassen." Wer den Wiederaufbau von Özgür Ülke unterstützen will, kann das mit einer Spende auf das folgende Konto tun: Postbank Köln, BLZ 37010050, Kto-Nr. 6999-508, Medico International, Stichwort "Özgür Ülke". -(scc)

Diebstahl im Archiv der sozialen Bewegungen In der Nacht zum 6. Dezember wurde im Archiv der sozialen Bewegungen Hamburg in der Roten Flora eingebrochen. Dabei wurden sämtliche technischen Geräte gestohlen, die für die Arbeit des Archivs unersetzlich sind: zwei Computeranlagen mit Drucker, ein Faxgerät, Werkzeug sowie der gemietete Kopierer. Da das Archiv für soziale Bewegungen nicht versichert ist, hat ihm der feige Einbruch einen Schaden in Höhe von mehreren tausend Mark zugefügt. In einer Erklärung heißt es: "Wir sehen in diesem Einbruch (und nicht nur in diesem) einen gezielten Angriff auf linke selbstverwaltete Strukturen Wir möchten euch nun bitten, uns in dieser schwierigen Situation zu helfen: vielleicht habt ihr ja einen Computer (auch Teile) oder ein Faxgerät, das ihr nicht mehr braucht. Oder ihr spendet auf unser Konto (siehe unten). Jeder Beitrag ist eine Hilfe. Vielen Dank für Eure Unterstützung." Spendenkonto: Hamburger Bank Kto.Nr. 12/267503, Archiv der Sozialen Bewegungen, Tel. 433007. Quelle: CL- Netz, nach einer Mitteilung der Infogruppe HH (ifghhvkrabat.comlink.de) c/o Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg

Stellenausschreibung

53113 Bonn Bundeshaus, Bonn-Center Tel: (0228)168-5823 Fax: (0228)168-6572

An die Vorstände der westlichen Landesverbände und den Arbeitsausschuß der AG West Bonn, 14. Dezember 1994 Stellenausschreibung

Die Bundestagsgruppe der PDS sucht für den Zeitraum ab dem 1.1.1995 zur Besetzung der Wahlkreisbüros in Bremen und Hamburg je eineN MitarbeiterIn mit Wohnsitz in der jeweiligen Stadt. Voraussetzung sind durch Ausbildung und/oder mehrjährige Praxis erworbene politische Kenntnisse und organisatorische Fähigkeiten sowie die Fähigkeit, mit modernen Kommunikationsmitteln umzugehen. Frauen sowie Menschen mit Behinderungen werden bei gleicher Eignung vorrangig berücksichtigt.

Bewerbungen mit den üblichen Unterlagen bitte bis zum 24. Dezember 1994 an: Frau Dr. Heidi Knake-Werner, MdB Berliner Str. 34, 28203 Bremen

Landesverband Hamburg Palmaille 24 22767 Hamburg Geschäftsführender AusschußHamburg, den 19.12.94

An alle Arbeitsgruppen, Basisgruppen, Kreisverbände in Hamburg zur Kenntnis: Mitglieder Arbeitsausschuß

Liebe Genossinnen und Genossen, mit Datum vom 17.12. wurde uns auf der Sitzung der AG PDS/Linke Liste westl. Bundesländer die (nebenstehende) Stellenausschreibung der Bundestagsgruppe zur Besetzung eines Wahlkreisbüros in Hamburg übergeben. Die Einrichtung solcher Wahlkreisbüros fügt sich ein in ein Konzept zur weiteren Entwicklung der PDS in Westdeutschland (vgl. PID, Nr. 50, Seite 3f). Stellen für MitarbeiterInnen der Bundestagsgruppe sind ausschreiben. Da zwischen Parteivorstand, Bundestagsgruppe und den Landesverbänden vereinbart ist, im Einvernehmen zu handeln, bitten wir Genossinnen und Genossen, die sich bewerben wollen, darum, auch den Arbeitsausschuß zu infor mieren. Da der Rundbrief erst im Januar erscheint, hat der geschäftsführende Vorstand beschlossen, die Mitglieder aller Arbeitsgruppen, Basisgruppen und Kreisverbände per Rundschreiben auf das Bewerbungsverfahren aufmerksam zu machen. Wir bitten Euch darum, die Mitglieder in den Gruppen über das Bewerbungsverfahren zu informieren. Gleichzeitig wird in der nächstfolgenden Ausgabe der Hamburger Lokalberichte mit gleichem Text auf das Bewerbungsverfahren aufmerksam gemacht. GenossInnen, die keine AbonnentInnen der Lokalberichte sind und bisher keine Kenntnis von dem Bewerbungsverfahren haben, erhalten am selben Tag eine Kopie dieses Anschreibens. Der geschäftsführende Vorstand hat auf der gleichen Sitzung am 18.12.94 den amtierenden Geschäftsführer, Genossen Andreas Grünwald, aufgefordert, sich ebenfalls für diese Stelle zu bewerben. Mit freundlichem Gruß i.A. Kirsten Radüge, Landessprecherin

Rückfragen sind möglich bei den LandessprecherInnen Horst Bethge, Tel. (040)6015212 Kirsten Radüge, Tel. (040)2996081 oder über die Geschäftsstelle (040)3892164

TIPS & TERMINE

SAMSTAG, 31. DEZEMBER

Silvester? Wer zum Jahreswechsel noch nichts Besseres vorhat, wer Stehbierhallen nicht mag, wer Sektgenuß nicht für einen sozialen Aufstieg hält der (oder die) möge ab "Dinner for one" in die Palmaille 24 kommen, um praktizierte gute Vorsätze zu feiern! Getränke, Musik, Flimmerkasten sind vorhanden - um das Mitbringen fester Nahrung wird gebeten. Es lädt ein die BO Hamburg Ost der PDS/Linke Liste

Silvester-Fete im Magda-Thürey- Zentrum mit "Dinner for one", "Pepperoni" und türkischer Folklore und Disco zum Abhotten bis in den frühen Morgen. Eintritt: 12,- DM/erm. 8,- DM (für Getränke); Essen: alle bringen was Leckeres mit fürs Buffet. Es laden ein: MLPD-Hamburg und DKP Kreis Eimsbüttel und Mitte ab 19.00 Uhr Magda-Thürey-Zentrum, Lindenallee 72 (Eimsbüttel, nahe U-Christuskirche)

FREITAG, 6. JANUAR

Runder Tisch gegen Rechts Vorbereitung einer Demonstration am 27.1. aus Anlaß des Jahrestages der Befreiung des KZ Auschwitz und des Jahrestages der Machtübertragung auf Hitler 18.00 bis 21.30 Uhr, DGB-Haus, Saal Stoer/Oste

DIENSTAG, 10. JANUAR

Gründung einer Schwulen AG bei der PDS Fragestellung: Brauchen die Schwulen die PDS - und braucht die PDS die Schwulen? Interessenten sind herzlich willkommen. 20.00 Uhr, PDS/LL-Büro, Palmaille 24

MITTWOCH, 11. JANUAR

Zum Stand der Marx-Engels- Gesamtausgabe am Beispiel der Marxschen Kapitalentwürfe. Eine Veranstaltung der MASCH-HSG mit Carl-Erich Vollgraf, Berliner Verein zur Förderung der MEGA-Edition. 19.00 Uhr, Uni, Allende-Platz 1, Pferdestall, Raum 108

DONNERSTAG, 12. JANUAR

Filme und Diskussion über: Che Veranstaltungsreihe der VSP zu "Persönlichkeiten der Geschichte". Film mit Omar Sharif, Jack Palance. 19.00 Uhr, VSPBüro, Glashüttenstr. 106 (Nähe U-Feldstr.)

Antifaschistisches Kino an der Uni Roma, citta aperta (Rom, offene Stadt), Italien 1945, R. Rossellini, 100 min., Spielfilm 1944 Rom steht nach dem faktischen Zusammenbruch des Mussolini-Regimes, das nur noch als Marionettenregierung am Gardasee existiert, unter der Polizeigewalt der deutschen SS. Der Film beschreibt das Leben von einfachen Leuten in einer ärmlichen Straße Roms: wie sie ihr Leben, aber auch den Widerstand gegen die Besatzer zu organisieren versuchen. Am 23. März 1944 waren bei einem Attentat auf ein SS-Regiment 33 SS-Männer getötet worden. Die deutschen Besatzer beschlossen, für jeden SS-Mann zehn Italiener zu töten, und ermordeten 350 Menschen. Unter diesen Hingerichteten war auch Don Morosini, ein Pfarrer, der für die Resistenza, die italienische Widerstandsfront gegen den Faschismus, arbeitete und Vorbild für die Protagonisten des Filmes ist. 18.15 Uhr, Hörsaal A, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1. Kosten 3,- DM.

Ausländische Arbeiter und Konzentrationslagerhäftlinge bei VW während des 2. Weltkrieges Referent: Prof. Dr. Hans Mommsen, Ruhr-Universität Bochum 18.00 bis 20.00 Uhr, Hörsaal M, Uni-Hauptgebäude, Edmund-Siemers-Allee 1

Nachbetrachtung zu einer Ausstellung

Mut zum Widerstand

Wir sehen "eine Aufgabe der Ausstellung darin »...À, die Festschreibung auf die Opferrolle zu entkräften durch die Dokumentation, die beweist, daß keineswegs alle bereit waren, alles mit sich geschehen zu lassen; und selbst im Zentrum nationalsozialistischer Macht noch Handlungsperspektiven zum Widerstand gesehen haben". Dies umschreibt eine der Intentionen, die die Autonome Männer Antifa, AG Kultur und Geschichte, dazu veranlaßte, die Austellung "Juden im Widerstand" nach Hamburg zu holen. Die Ausstellung zeichnet ein Bild vom Überlebenskampf jüdischer Menschen unter der Herrschaft des Nationalsozialismus und ihrer politischen Aktionen gegen die Faschisten. Damit wird der Legende widersprochen, "die Juden" hätten sich wie die Schafe zur Schlachtbank treiben lassen, mit der ein Teil der Verantwortung von den Tätern auf die Opfer abgeschoben wird: Hätten sie sich doch nur gewehrt - vielleicht wäre es dann nicht so schlimm gekommen. Ein auch heute wieder angewandtes Muster, um rassistische Gewalt zu rechtfertigen: Bei so vielen Ausländern in Deutschland sei es doch kein Wunder, wenn sich "die Deutschen" schließlich wehrten - wieder werden die Rollen von Täter und Opfer vertauscht. Die Aussteller leisten bewußt Widerstand gegen die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik, die nach der "Wiedervereinigung" in erschreckendem Maße umsichgreift. Sie wollen sich nicht auf mahnendes Entsetzen angesichts vergangenen Grauens beschränken, sondern stellen die Ausstellung in diesen politischen Zusammenhang. Dieses Ziel hätte noch wirkungsvoller verfolgt werden können, wenn die politischen Motive und Absichten der Widerstand Leistenden stärker herausgearbeitet worden wären. Die Texte ihrer Flugblätter fehlen in der Präsentation. Man findet viele Briefe, Fotos und Auszüge aus Naziakten und erhält dadurch ein sehr persönliches Bild von dem Widerstandskampf, in dem sich Überlebenskampf und politische Aktion trafen. Der politischen Seite wird die Ausstellung aber nicht gerecht, die gesellschaftlichen Verhältnisse verschwimmen in Einzelschicksalen. So verbleibt es bei einem Appell an die Zivilcourage der einzelnen, sich mit Unrecht nicht abzuden. Dies ist sicher auch eine Motivation vieler der porträtierten Männer und Frauen gewesen - schließlich ging es um die eigene physische und psychische Existenz. Aber solcher Widerstand kam zu spät und konnte nur einzelnen helfen. Die Ausstellung macht deutlich, daß es unter allen Umständen möglich ist, Widerstand zu leisten und sich nicht zu beugen. Zivilcourage ist notwendig und berechtigt. Für die heutigen Auseinandersetzungen sollte man sich jedoch nicht darauf beschränken. Ohne eine Analyse der bestehenden kapitalistischen Verhältnisse und der Funktion von Rassismus als Herrschaftstechnik zur Aufrechterhaltung derselben und daraus folgender entsprechender politischer Aktion zur Durchzung der gemeinsamen Interessen der Beherrschten wird sich die Rechtsentwicklung nicht aufhalten lassen. Katalog: Wilfried Löhken, Werner Vathke (Hg): Juden im Widerstand, Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion, Berlin 1939-1945, Berlin 1993 Markus Gunkel

Erwiderung auf eine Filmrezension

Noch einmal:

Die Bartholomäusnacht

"Es handelt sich im wesentlichen um einen Mantel- und Degenfilm ", faßt (rhw) ihre Kritik an Patrice Cheraus Film La Reine Margot (Die Bartholomäusnacht, siehe letzte Ausgabe) zusammen. Eigentlich schade, fing sie doch so schön an. Zunächst wurden einige prägnante Textpassagen von Friedrich Engels und dem Historiker Max Steinmetz zitiert. Darin wurden die gesellschaftlichen Entwicklungen am Ende des 16. Jahrhunderts und insbesondere die Rollen, die Hugenotten bzw. Calvinisten und Katholiken in dieser Epoche des Kampfes des erstarkenden Bürgertums gegen den Feudalismus einnehmen, skizziert. Klassiker zitieren - eine Übung, gegen die wirklich nichts einzuwenden ist. Problematisch ist jedoch, daß die Rezensentin zu wissen glaubt, daß "von diesen Hintergründen in dem Film nichts zu finden" ist. Was könnte denn der gewünschte Maßstab zur Beurteilung eines Films sein, der ein historisches Sujet verarbeitet? In erster Linie ist, meines Erachtens, im Film eine realistische Darstellung wesentlich. Und das erfordert - um hier auch an einen Gedanken Friedrich Engels zu erinnern - außer der Treue der Details auch die getreue Wiedergabe typischer Charaktere.; Hierin sind dem Film keine gravierenden Unzulänglichkeiten anzukreiden. Die Ereignisse haben sich im wesentlichen so zugetragen wie beschrieben. Die Charaktere der ProtagonistInnen - vor allem Katharina Medici, ihr Sohn Karl und Margot - werden mit beachtlichen schauspielerischen Leistungen dargestellt+. Die Krise des Feudalismus im allgemeinen und des katholischen Hauses Valois im besonderen stellt sich eben auch in seinen grausamen, debilen, verkommenen Söhnen dar. Ein völlig unproduktiver Clan der Spätrenaissance, der sich bestenfalls durch Luxuskonsum, Dekadenz und Grausamkeit auszeichnet=. Obwohl es sich vermeintlich nur um einen "Mantelfilm" handelt, ist die Frage der Kleidung der AkteurInnen in dem Sinne der Kritik keine Nebensache. Kleidung half nicht nur, religiöse Auffassungen auszudrücken, sondern diente auch dazu, Standes- bzw. Klassenunterschiede sichtbar zu machen. Kleidung manifestierte und verfestigte Herrschaftsverhältnisse@. Auch die Szene, in der Margot Katharina wegen ihrer Verbrechen zur Rede stellt, liefert der Film eine präzise Erklärung für die Ziele Katharinas. Ihre dynastischen Motive, ihr haßerfülltes Agieren, um den Abstieg der Valois aufzuhalten, vor allem um ihren Sohn, König Karl, dem Einfluß des calvinistischen Admirals Coligny zu entziehen und selbst wieder unter Kontrolle zu bekommen. Genau jener Coligny ist es nämlich, der in der Beratung mit dem König den Krieg gegen das (katholische) Spanien fordert. Dieser Krieg soll die schöpferischen, calvinistischen Teile des Adels und des aufstrebenden Bürgertums stärken, die Entwicklung der französischen Nation und damit - ob bewußt oder unbewußt - die Herausbildung kapitalistischer Produktion fördern. Im gleichen Kontext ist die Szene zu werten, in der einige Kaufleute und Adlige - quasi sinnbildlich als Keime der neuen kapitalistischen Klasse - in den Niederlanden zusammensitzen und über den Kampf gegen den französischen König beraten. Im Dialog wird es ihnen in den Mund gelegt, ihre eigene religiöse Zugehörigkeit (Calvinisten, Juden, Katholiken) habe zurückzustehen, um das gemeinsame Ziel zu erreichen: in Ruhe Handel zu treiben und Geschäfte zu machen. Wie soll ein Film einen historischen Hintergrund denn noch deutlicher zum Ausdruck bringen? Wo ist denn die Differenz zu dem, was Engels wie folgt auf den Punkt brachte: "Auch in den sogenannten Religionskriegen des sechzehnten Jahrhunderts handelt es sich vor allem um sehr positive materielle Klasseninteressen, und diese Kriege waren Klassenkriege, ebensogut wie die späteren inneren Kollisionen in England und Frankreich. Wenn diese Klassenkämpfe damals religiöse Schibboleths trugen, wenn die Interessen, Bedürfnisse und Forderungen der einzelnen Klassen sich unter einer religiösen Decke verbargen, so ändert dies nichts an der Sache und erklärt sich leicht aus den Zeitverhältnissen."/ Der zweite Vorwurf richtet sich gegen die "offensichtliche Analogie zwischen der Ermordung der Hugenotten und der Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern durch die Nazis" (rhw). Zunächst versucht der Film, die Realität der Nacht zum 24. August 1572 zu erfassen. Berichte von Agrippa d'Aubigne und anderen Zeitzeugen( lassen erahnen, daß den ZuschauerInnen dabei manches erspart bleibt. Ohne Frage haben wir die Bilder der Leichenberge der faschistischen Konzentrationslager im Kopf, werden Assoziationen wach. Allein, der Film zeigt ein Gemetzel, ein chaotisches Stechen und Morden, aber er läßt gerade damit auch einen Unterschied zum rationellen industriellen Massenmord der Nazis erkennbar werden. Geschichtsrevisionismus betreibt er nicht. "Weil man aber den Unterschied sieht, nimmt man auch das Gemeinsame wahr. Die Inszenierung der Macht. Die Obszönität von Herrschaft. Das Verbrechen der Intoleranz, die niemanden nach seiner Facon selig werden läßt.") Selbst wenn wir vergleichen, im Film findet eben keine Gleichsetzung statt. Vielleicht ist es hilfreich, auch die Intentionen Chereaus zu betrachten - ohne deshalb unbedingt mit ihnen übereinzustimmen. Für ihn hat im Aids-Zeitalter der Tod und die eigene Vergegenwärtigung angesichts des Sterbens von Freunden eine immense Bedeutung. Sein Entwurf: "Kunst hilft, ein Gefühl für das Chaos zu bekommen. Die Gespenster schlafen nicht, schreibt Heiner Müller, ihre bevorzugte Nahrung sind unsere Träume. Das ist das Thema der Kunst, weil es das Thema unseres Lebens bleibt. Kunst hat die Aufgabe, die Leute zutiefst zu berühren und dadurch zu verwirren. Theater darf nicht Klarheiten schaffen, es muß Klarheiten abschaffen."& Ein Tip zum Schluß: Vielleicht hilft es ja zur Vermeidung von Frustrationen, schon vor dem nächsten Kinobesuch die Ankündigung zu lesen. Wenn einer der gegenwärtig beeindruckendsten europäischen Theater- und Opernregisseure eine Literaturverfilmung vornimmt, kann es wohl passieren, daß dabei keine Sendung für den Schulfunk herauskommt. Meinhard Mäker Vgl. F. Engels an M. Harkness (April 1988), in MEW, Bd. 37, S. 42ff. Daß in Deutschland Isabelle Adni nicht besonders beliebt ist, nun gut. Aber zumindest Jean-Hugues Anglade (Karl) und Virna Lisi (Katharina) hätten in einer Rezension anerkennende Worte verdient. Vgl. A. Castelot, Heinrich IV., München 1992, S. 63ff. Im Film werden Laszivität und Dekadenz der feudalen Klassen meines Erachtens ausreichend angedeutet. Die Realität überstieg unbestreitbar bei weitem die beiden aufgeführten Fassungen. Vgl. J. Kuczynski, Geschichte des Alltags des deutschen Volkes, Bd. 1, Köln 1980, S. 324ff.; F. Braudel, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts. Der Alltag, München 1990, S. 332ff. F. Engels, Der deutsche Bauernkrieg, in: MEW, Bd. 7, Berlin 1982, S. 343 "Welch ein Schlachtfest", schrieb z.B. Pater Opser an den Abbe de Saint-Gall, "ich zitterte beim Anblick des Seine- Stroms, der voll war von nackten, grauenhaft verstümmelten Leichen. Bis zu diesem Augenblick hat der König nur den König von Navarra geschont Alle sind hier einer Meinung und loben die Vorsicht und Hochherzigkeit des Königs, der, nachdem er in seiner Güte und Duldsamkeit die Ketzer gleichsam gemästet hatte wie das Vieh, sie dann plötzlich von seinen Soldaten abschlachten ließ Alle ketzerischen Buchhändler wurden ermordet und nackt in die Fluten geworfen. Mit einem Wort, niemand, nicht einmal die Frauen, entrann " Zitiert nach: H. Schreiber, Paris, München 1967, S. 147f; vgl. auch H. Köller/B. Töpfer, Frankreich. Ein historischer Abriß, Köln 1977, S. 248ff. Ch. Peitz, "Ein langer Film über das Töten", in: Die Zeit Nr. 40, 30.9.94, S. 62 Interview mit P. Cherau in: Neues Deutschland, 12./13.11.1994, S. 9

Chilenische Filmtage

Chile - eine

zeitgemäße Erinnerung

Den deutschen Medien war zuletzt die formale Ablösung der Militärdiktatur in Chile vor fünf Jahren einige Aufmerksamkeit wert. Für den Teil des Publikums, der zwar grundsätzlich interessiert ist, sich aber nicht die vereinzelten speziellen Publikationen zusammensucht, waren die Chilenischen Filmtage in Hamburg mit den sie ergänzenden Diskussionsveranstaltungen eine gute Möglichkeit, Erkenntnisse über die Ereignisse des letzten Vierteljahrhunderts zu sammeln oder aufzufrischen. Es ist aber zu bezweifeln, ob die meisten ZuschauerInnen mehr als sehr eindrucksvolle Bilder einer besonderen, zunächst so hoffnungsvollen, dann so ungeheuerlich mörderischen historischen Phase eines latein-amerikanischen Landes mit sich nahmen. Chile ist ein besonderes Land. Es ist sehr europäisch, liegt aber eben nicht in Europa und hat von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen des "Nordens" nur Teile übernommen. Feudalistisch-ständische Strukturen mit wenigen Großgrundbesitzern am obersten und den ursprünglichen Einwohnern, hauptsächlich Mapuche, am untersten Ende der Hierarchie dominierten noch 1970, bei Beginn der kurzen Regierungszeit Salvador Allendes und der Unidad Popular. Die Industrie, fast nur Kupfer und Chemie, gehörte US- Amerikanern und Deutschen. Nach der Ermordung von rund hunderttausend aktiven ArbeiterInnen, KleinbäuerInnen und Intellektuellen, der Flucht ins Exil weiterer Hunderttausender (bei 10 Millionen Einwohnern) und der weitergehenden, erst nach Ablösung der Junta gemilderten Repressionen dürften die alten Strukturen weitgehend wiederhergestellt sein. Orlando Lübbert, Regisseur und Bearbeiter des von verschiedenen Leuten meistens geheim gedrehten Dokumentarfilms "Chile - Wo der Schmerz beginnt" (1981-87), sagte in der Diskussion: "Zur Zeit Allendes war ich Student, aus der Mittelklasse. Wir stürzten uns mit geschenkten Kameras - es gab keine Filmakademie, kein Material - in den Aufbruch. Aber wir kannten die da unten ja überhaupt nicht, wir mußten ihn ersten lernen, diesen Blick von unten." Und er warf Patrizio GuzmÓan, der mit cubanischer Hilfe den Film Die Schlacht um Chile gedreht hat, vor, er habe diesen "Blick von unten" nicht. In Lübberts Film fällt besonders auf, daß fast alle Gruppen des Widerstands mit großer Eindringlichkeit "die Einheit" beschwören. Wer weiß schon (noch), warum. Ich mußte erst nachsehen: Allendes Volksfront Bündnis bestand aus acht Parteien, darunter die Kommunistische Partei (CP) und ein Teil der Sozialdemokraten (der andere stand im bürgerlichen Lager). Dazu gab es die außerparlamentarische Linke, deren einflußreichster Teil, die "Bewegung der Revolutionären Linken" (MIR), selbst zerstritten war in seiner Kritik an der Regierung. Die bürgerliche Opposition bestand aus Christdemokraten und nationalistischen Rechten, dazu Abspaltungen der gemäßigten Linken. Daneben gab es den Gewerkschaftsverband (CUT) und, am Ende als wichtigsten Faktor, die Streitkräfte, zu denen gesagt werden muß, daß sie, mit einer Art permanenter Notstandsgesetzgebung, so etwas wie einen verfassungsmäßigen Auftrag zum Schutz der Verfassung hatten. Nur war der natürlich auslegbar. Allende hatte innerhalb kurzer Zeit die Großindustrie enteignet und verstaatlicht und eine Landreform begonnen. Diesen revolutionären Ansatz wollten die außerparlamentarischen Linken weitertreiben zum Aufbau einer "Volksmacht" nach rätedemokratischem Modell. Und sie wollten ihre Gruppen bewaffnen, in ziemlich klarer Erkenntnis, daß die bürgerlichen Kräfte gegen sie mobilisieren würden. Allende hingegen bestand darauf, innerhalb des "Rechtsstaates" zu operieren; die CP stimmte ihm zu. Die Spaltung der Linken in solche, die jedes Parlament zum abzuschaffenden "Fetisch" erklärten, und die, die sowohl Parlament als auch Volksmacht wollten, vertiefte und vervielfältigte sich. Der verzweifelte Ruf nach Einheit in Lübberts Film ist also nur zu verständlich. Das Begleitheft zu den chilenischen Filmen sagt zu Anfang: "Salvador Allende wird Präsident, die Bevölkerung will ein sozialistisches Chile." Das ist falsch. Allende bekam am 4. September 1970 36,3%, der Rechtskonservative Alessandri 34,9% und der Christdemokrat Tomic 27,8% der Stimmen. Ein halbes Jahr später gewann Allende zwar viele Stimmen der Rechten, konnte sich aber nicht für ein Plebiszit entscheiden, das ihm sehr vielleicht eine Mehrheit zur Énderung der Verfassung eingebracht hätte. Danach wurden die Rechten stärker, und die Mobilisierung gegen die Linke begann im vollen Ernst, mit Hilfe des vor allem US-amerikanischen Kapitals, aber auch des deutschen und dem anderer Länder, mit massiver Unterstützung des CIA, d.h. auch der amerikanischen Regierung. Derweil wurden die Volksmachtgruppen per Gesetz entwaffnet. Ob sie sonst stark genug gewesen wären, den putschenden Streitkräften zu widerstehen, vielleicht mehr Soldaten und Matrosen auf ihre Seite hätten ziehen können, weiß niemand. Die wirtschaftliche Struktur Chiles macht das Land extrem abhängig vom Weltmarkt. Wenn nur der Kupferexport gestört oder boykottiert wird, kann es buchstäblich nicht überleben, denn das ohnehin nicht reichliche Ackerland wird hauptsächlich von den Großgrundbesitzern zur Viehhaltung genutzt. Der Großhandel ist fest in der Hand der oberen Klassen, die Fuhrunternehmer hatten sich vollständig auf ihre Seite geschlagen, wenn sie nicht selbst dazugehörten. Die Offizierskaste gehört naturwüchsig dazu, auch wenn einige wichtige Generale Allende unterstützten. So konnte das Großkapital das vorher schon hochverschuldete Land, nachdem ausländische Banken auch noch die Guthaben eingefroren hatten, ziemlich leicht und ziemlich still abschnüren und dadurch die Unzufriedenheit mit der schlechten Versorgung hervorrufen oder zumindest schüren. Die Gefahr, nach einem Modell Chile ganz Latein-Amerika der damals viel stärkeren revolutionären Strömung preiszugeben, war so groß, daß humanitäre Bedenken hier so wenig wie in Vietnam aufkamen. Und das, zusammen mit der Verpflichtung zu internationaler Solidarität und Einheit, wenigstens unter erkennbar direkter Bedrohung, sollte uns in Erinnerung bleiben. Wer hätte etwas gegen Recht und Gesetz? Wer aber setzt das Recht und macht das Gesetz, und für wen? General Pinochet und seine Mittäter haben Gesetze gemacht, nach denen sie ungestraft hunderttausendfachen Mord befehlen konnten. Sie sind in höchsten Regierungskreisen anerkannt. Warum? Weil sie Großkonzernen ArbeiterInnen zu Hungerlöhnen besorgten? Weil sie nicht in Banken einbrachen, sondern selbst Banken gründeten? Junge ChilenInnen, das wurde auf den Filmtagen nachdrücklich gezeigt, erinnern sich und halten sich an das Vermächtnis der Toten. Wir aber, wir hier, dürfen uns nicht auf die Medien verlassen. Und wir müssen eine brennende Frage stellen: Würden die Chilenen von damals, die hier Asyl fanden, auch heute in die Bundesrepublik kommen dürfen? Lilo Lottermoser

Zu den Haushaltsberatungen

Veränderungen bei CDU, SPD, GAL

in den Stadtgewerkschaften

Und in der PDS?

Der nachfolgende Beitrag wurde schon für die letzte Ausgabe der Lokalberichte verfaßt. Er beschäftigt sich mit der politischen Situation unmittelbar vor und im Zusammenhang der Hamburger Haushaltsberatungen in der Bürgerschaft. Aus Platzgründen war ein Abdruck nicht möglich. Der Verlauf der Haushaltsberatungen zeigt, daß der Beitrag nach wie vor aktuell bleibt.

Es tut sich einiges - vor den Haushaltsberatungen im Dezember: Zunächst flog Markus Wegener aus dem Vorsitz der Statt-Partei. Dann fällte die GAL am 14.11. einen "Beschluß zur Haushaltspolitik", in dem sie zwar einerseits Umschichtungen im Haushalt für möglich hält, andererseits aber "das Deckungsgebot des Haushalts" grundsätzlich akzeptiert. Ein Kompromiß, der noch vor zwei Jahren keiner gewesen wäre. Die SPD- Fraktion beschließt am 25.11. eine Unterwerfungserklärung an den Senat und wird sich - jedenfalls was eigene Anträge anbetrifft - so gut wie überhaupt nicht in die Haushaltsdebatte einmischen. Ole von Beust, Fraktionschef der CDU, wählt sich drei Tage später das Abendblatt, um der GAL in einem Interview schon mal für 1997 ein mehr oder weniger offenes Koalitionsangebot zu unterbreiten. In den größeren Stadtgewerkschaften ÖTV und GEW ist es schon vor Wochen zu Auseinandersetzungen darum gekommen, ob die Kraft existiere und ob es richtige Strategie sei, zu wirksamen Protestaktionen gegen den Sozialkahlschlag aufzurufen.

Um was geht es? Der Reformdruck war 1993 in Hamburg so gravierend, daß es zu ungewöhnlichen Kräfteverschiebungen kam. Die SPD verlor, die FDP kam nicht rein, die GAL erzielte ein Traumergebnis. Der CDU gab das Verfassungsgericht schon zuvor die rote Karte. Aber: In einer Mischung aus Unmut über Bürokratie und Filz konnte die Statt-Partei Protest auch auf ihre Fahnen heften und in die Bürgerschaft einziehen. Genau dies erlaubt es der SPD, so weiterzumachen wie bisher auch. Selbst wohlwollende JournalistInnen haben es sehr schwer, auch nur ein kleines Quantum eigenständigen politischen Profils beim Statt-Koalitionär auszumachen. Sie sind reine Mehrheitsbeschaffer. Seitdem treibt die Ideologie von der "Haushaltskonsolidierung" neue Purzelbäume, erschlägt jedes Argument. Es geht um "Standortsicherung" und das heißt: Privatisierung, Einschränkung und Beseitigung sozialer Dienstleistungen, Deregulierung. Aus der Sicht des Senats soll das "strukturelle Defizit des Betriebshaushalts bis 1997 durch eine Entlastung des Haushalts um 800 Mio." beseitigt werden. Im Personalhaushalt sollen jährlich 75 Mio. DM eingespart werden. Der größte Brokken: "Auch unter Berücksichtigung aller bisherigen Konsolidierungsmaßnahmen wird noch ein Defizit von 2,5 Mrd. DM verbleiben, das letztlich durch Vermögensveräußerung zu schließen ist." Und: "Der Senat hat zusammen mit dem Haushaltsplan-Entwurf 1995 seine Vorstellungen von der Einführung eines neuen Steuerungsmodells dargelegt". Kernelemente sollen dabei sein: "Vereinbarung konkreter Leistungsziele in der Verwaltung", strikte "Ergebnisorientierung" und "Budgetierung im Rahmen definierter Aufgaben" bei gleichzeitiger Entscheidungsdelegation, "Schaffung von Wettbewerb statt Vermeidung von Konkurrenz". Ausdrücklich erwähnt werden auch "nicht- staatliche Zuwendungsempfänger". Die partielle Beseitigung einzelner Mißstände im öffentlichen Sektor ("Reformpolitik") soll sich im Rahmen des Abbaus sozialer Errungenschaften vollziehen. Haushaltspolitisch liest sich das so: "Der Haushaltsplanentwurf für 1995 sieht Einsparungen von 400 Mio. DM im Betriebshaushalt vor. Diese Zielsetzung konnte nur dadurch erreicht werden, daß die Behörden im Rahmen gemeinsam erarbeiteter Vorgaben eigenverantwortlich die einzusparenden Summen konkretisiert haben." Ein Prinzip, das inzwischen auch für eine Unzahl in der Stadt tätiger sozialer Einrichtungen greift. Im SPD-Reformdeutsch ist dagegen viel von Entscheidungsdelegation, Verwaltungsreform und "Abbau von Bürokratie" die Rede. Und: Rosi Raab schafft es z.B., einerseits eine Novelle zum Schulgesetz vorzulegen, die durchaus eine Reihe konkreter Mißstände benennt und Lösungsvorschläge entwikkelt, erklärt zugleich aber, daß sie mit der GEW so lange "kein Wort" rede, wie diese nicht selber eigene Sparvorschläge vorstelle. Aber auch die "soziale Komponente" (wenn es man nur eine wäre!) bleibt nicht unberücksichtigt. Eingerichtet ist ein Programm mit dem vielversprechenden Namen "soziale Brennpunkte". Real geht es um Maßnahmen im Bereich der Stadterneuerung (im Sinne von Hochglanzpolitur). 1995 soll es von bisher 40,7 auf 52,5 Mio. DM erweitert werden. Auch um ein weiteres "Sonderprogramm zur Armutsbekämpfung" wird viel Wind gemacht. Ein Blick in den Haushaltsentwurf verrät die Dimension: 10 Mio DM. Ein Fliegenschiß. Um diese beiden Töpfe wird nun eifrig gestritten - v.a. in der SPD-Fraktion. Für den gesamten anderen Haushalt bringt sie es auf exakt 2 Anträge: "Abmarkierung eines Fahrradstreifens in der Ritterstraße" für 150000 DM und Aufstockung der Stellen für die "Schutzgemeinschaft Wald" und für den BUND um jeweils 3 Stellen - selbstverständlich im Wege der Umschichtung. (Alle Zitate aus: Kurzinformationen der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Nr. 222/ 1994 vom 27.11.94) Diese intelligente Deregulierung hat mit Entscheidungsdelegation und Reformpolitik real nichts im Sinn, allenfalls ist sie gekoppelt an einer faktischen Entmachtung des Parlaments. Und sie ist gnadenlos populistisch: hemmungslose Mobilisierung von Vorurteilen gegen den öffentlichen Sektor, geschickte Nutzung des konservativen Wertewandels. Diese Stimmungslage macht es den Stadtgewerkschaften ÖTV und GEW schwer, eine Abwehr zu entwickeln. Auseinandersetzungen um die richtige Linie sind die Folge. Eine einheitliche Orientierung, den Sparapologeten mit Aktionen entgegenzutreten, ist kaum erkennbar. Ein wichtiges Moment dieser Abwehrschwäche ist es aber, daß die sozialen Interessen der durch Deregulierung und soziale Spaltung betroffenen Menschen im politischen Raum kein Gegenstand der öffentlicher Debatte mehr sind.

Zur Rolle der GAL Diese Rolle kam viele Jahre der GAL zu. Seit einigen Jahren ist ihre Politik hier sehr widersprüchlich geworden. Eine Initiative gegen die Abschiebung hat es mit Anna Bruns zu tun - eine Parteilinke. Wem es darauf ankam, Interessen zu artikulieren gegen die neuerlichen Kita-Gebührenerhöhungen, hatte in Jutta Bialas, ebenfalls eine Parteilinke, eine Verbündete. Wer aber das Pech hatte, zum Beipiel im Bildungssektor zu arbeiten oder im Hochschulsektor, mußte sich eben mit Kurt Edler oder Martin Jörs zufriedengeben. Und dazwischen liegen Welten. Die Position der letzteren wird nun durch Willfried Maier (er ist als neuer Fraktionsvorsitzender im Gespräch) in einem Papier "Warum eine Énderung unserer Haushaltspolitik nötig ist" (gal-intern 12/94) auf den Punkt gebracht: Grüne Politik habe sich an den Kriterien kapitalistischer Standortpolitik zu orientieren! In Bezugnahme auf die Marxsche Formel von der Berechnung der Profitrate heißt es: "Der Ökonomisierungsmechanismus kapitalistischer Verwertung ist also sozial (und moralisch) kaum zu entbehren. Der historische Erfolg des >sozialdemokratischen Jahrhunderts< bestand darin, den Profitmechanismus durch den Nationalstaat sozial zu begrenzen Diese Lösungsmöglichkeit verliert aber mit der Internationalisierung des Kapitals immer mehr an Wirkung " Auch grüne Haushaltspolitik habe sich deshalb zukünftig an die "abschätzbaren Grenzen" zu halten und: "Wenn wir bei so eingeschränkten äußeren Bedingungen noch gestalten wollen, dann bleibt nur die Möglichkeit, in den Ausgabebereichen selbst Énderungen einzufordern und zu erreichen." Maier entwickelt hier neue ideologische Prämissen für die gegenwärtige und zukünftige Rolle der Grünen, und der Gedanke von der reinen Öko-FDP drängt sich auf. Natürlich hat es Widerspruch gegeben. In einem von 7 Bürgerschaftsabgeordneten (Andreas Bachmann, Jutta Biallas, Anna Bruns, Norbert Hackbusch, Antje Möller, Heike Sudmann, Susanne Uhl) unterzeichneten Papier werden gleich zu Beginn drei Fragen gestellt: "1. Ist die GAL bereit, angesichts der immer stärkeren sozialen Polarisierung und Verarmung vieler Hamburger Quartiere für ein zumindest in Ansätzen spürbares Armutsbekämpfungsprogramm auch dann einzutreten, wenn dies den Rahmen des vorgegebenen Haushalts erheblich ausdehnt? 2. Welche Kriterien sind für uns bei der Diskussion der Verwaltungsreform ausschlaggebend? Lassen wir uns auf die Vorstellung ein, durch Organisationsreformen grundsätzliche Haushaltsprobleme bewältigen bzw. Verbesserungen z.B. in den Bereichen Schule/Hochschule allein aus dem Bestand finanzieren zu können? Oder gehen wir davon aus, daß eine >Effizienzsteigerung< im Sinne höherer Gebrauchswerte (Qualität) öffentlicher Dienste für die NutzerInnen, aber auch Transparenz und Enthierarchisierung für die Beschäftigten und eine Demokratisierung häufig mit höheren Aufwendungen verbunden sind? 3. Welche Schlußfolgerungen für unsere praktische Politik ziehen wir aus der Einschätzung, daß das sogenannte >strukturelle< Defizit des Hamburger Haushaltes nur in geringem Umfang hausgemacht ist, sondern im wesentlichen auf die gemeindefeindliche Finanzverteilung und der Armutsfalle beruht, in die der Bund die Kommunen in einer Periode sehr verfestigter Dauerarbeitslosigkeit treibt?" Die gegebenen Antworten sind solche, die Reformpolitik unter dem Qualitätsgesichtspunkt und vor dem Hintergrund realer gesellschaftlicher Bedürfnisse behandelt und dem Gerede von den sogenannten Sachzwängen entgegentritt. Der Riß, der damit aber in der GAL-Bürgerschaftsfraktion deutlich wird, könnte größer nicht sein.

PDS muß eingreifen Ich denke, daß die relativ klaren Angebote Ole von Beusts an die GAL auch vor diesem Hintergrund mit zu erklären sind. Es ist dabei zweitrangig, ob eine solche Option schwarz-grün tatsächlich Aussicht auf Erfolg hätte. Entscheidend ist, daß auch diese Diskussion zu einer Stärkung politischer Positionen in Richtung intelligenter Deregulierung beiträgt. Die Unruhe, die nun in die Hamburger Politik gekommen ist, berührt das Ausmaß einer solchen Deregulierungspolitik und die Frage nach den politischen Trägern. Und hier erfährt die SPD nun, daß eine solche Politik in Hamburg auch ohne sie (und vielleicht besser) möglich und vorstellbar wäre. Wenn es richtig ist, daß die verbliebene GAL-Linke sich insbesondere über ihr soziales Profil definiert, daß zweitens auch die Probleme Hamburger Stadtgewerkschaften nur zum Teil hausgemacht sind, daß drittens eine Politik der ökologischen und der sozialen Reformen notwendig bleibt, daß es hierfür durchaus einen politischen Boden gibt, dann ist eine Situation gegeben, in der gerade die PDS gefordert wäre, als politischer Faktor Druck von links auszuüben, ihre 22000 Stimmen in die Waagschale zu werfen. Die drei Fragen, die in der GAL-Debatte aufgeworfen sind, müssen beantwortet werden, und die Zeit ist gekommen, im Rahmen kluger Bündnispolitik stadtpolitisch einzugreifen. Die politischen Verhältnisse, das zeigt nicht nur der Wegener-Rücktritt und das Taktieren des Ole von Beust, sind keineswegs stabil, politischer Bewegungsraum ist vorhanden. Andreas Grünwald

Gericht weist Steuerforderung ab

Angriff gegen PDS

(vorerst) gescheitert

Rund 50 Menschen versammelten sich am 9.12. am Mönckebrunnen zu einer Protestkundgebung gegen den Versuch, die PDS per Steuerforderung von 67 Mio. und Beme von 3,1 Mio. DM Wahlkampfkotung in den Ruin zu treiben. Zum Zeitpunkt der Kundgebung hatte das Berliner Verwaltungsgericht die Steuerattacke bereits vorläufig zurückgewiesen: Da sich die Steuerforderung auf Altvermögen bezieht, dieses Altvermögen aber bei der Treuhand liegt bzw. von der Unabhängigen Parteienkommission verwaltet wird, muß die Steuerforderung, wenn überhaupt, aus diesen Mitteln erfüllt werden. Wir dokumentieren im eine der auf der Protestkundgebung gehaltenen Kurzansprachen.

() Nachdem die Kampagnen gegen die "roten Socken", gegen Stefan Heym und Gregor Gysi nichts gefruchtet hatten und die PDS wieder in den Bundestag gelangte, greift man nun zu anderen Mitteln, nämlich die PDS mit Steuerbescheiden zu erdrosseln. Das aber wird nicht die letzte Aktion gegen die PDS sein. Denn die Methoden sind im Prinzip immer die gleichen, Kritik, neue Ideen, andere Weltanschauungen, andere politische Meinungen zu unterdrücken. Das hat eine ganz lange Tradition - besonders in Deutschland. 1. Als das Christentum neu war, die Gleichheit aller Menschen vor Gott vertrat, hat man im Römischen Reich die Christen verfolgt. 2. Als sich die Christen im Mittelalter gegen den Papst auflehnten und sich Geistesfreiheit verbreitete, hat man die Protestanten mit Ketzerverfolgungen und Inquisition kleinzuhalten versucht, hat man versucht, neue Ideen aufzuhalten. Es hat nichts genutzt, wie wir alle wissen. 3. Als vor über 100 Jahren die Arbeiter und Sozialdemokraten sich zu Gewerkschaften und zur SPD zusammenschlossen, versuchte man, mit Sozialistenverfolgungen die linke Kritik am Kapitalismus mundtot zu machen. In Hamburg hat man Gewerkschafter und Sozialdemokraten der Stadt verwiesen. Es hat nichts genutzt - SPD und Gewerkschaften wurden stärker. 4. In den 50er Jahren versuchte die Bundesregierung unter Adenauer, die Kommunisten zu verfolgen - mit dem "Adenauer-Erlaß", mit dem KPD-Verbot 1956. Es hat nichts genutzt. 5. In den 60er Jahren diffamierten CDU und SPD die Friedensbewegung und die DFU als "5. Kolonne Moskaus", als "Freunde Ulbrichts". Die Friedensbewegung wurde stärker. Ich erinnere daran, daß an dieser Stelle 1963 400000 gegen die Atomraketen protestierten. 6. In den 70er Jahren haben der Hamburger SPD-Senat und die Bundesregierung versucht, mit dem "Radikalenerlaß", mit Berufsverboten Linke auszuschalten. Es hat nichts genutzt. 7. In den 80er Jahren hat man versucht, die grün-alternative Bewegung zu diffamieren, die ersten Grünen-Abgeordneten als Chaoten abzustempeln, und der Hamburger Senat und die Springer-Presse haben versucht, selbstbestimmtes Wohnen und alternatives Leben in der Hafenstraße mit Polizeieinsätzen zu kriminalisieren (wie man hört, liebäugelt der 1. Bürgermeister Voscherau ja heute wieder damit). Es hat nichts genutzt. 8. 1990 sagte man: "Karl Marx ist tot", die Linke, die PDS - sie leben nicht länger. Es hat nichts genutzt - die PDS ist wieder im Bundestag, und es gibt noch immer Linke, die sozialistische Vorstellungen verwirklichen wollen. Diese Methode, das Konzept gegen alles Alternative nennt man Antisozialismus, Antikommunismus. Und dagegen gibt es nur ein Mittel: sich gemeinsam zu wehren. Also: Wehrt Euch! Horst Bethge, Landessprecher der PDS/LL

Krankenhaus Harburg

Modernes Krankenhausmanagement aus

Sicht eines kaufmännischen Direktors

Seit Anfang 1994 hat das AK Harburg den neuen kaufmännischen Direktor Finsterbusch, der vom Hamburger Werk des Rüstungskonzerns MBB kam, wo es ihm nicht ganz gelungen war, eine 20prozentige Personalkürzung durchzusetzen. Ob das der Grund für seinen Arbeitgeberwechsel war, bleibt für die Beschäftigten des AK Harburg im Dunkeln. Auf jeden Fall hat dieser ehemalige Industriemanager keine behördentypische Laufbahn hinter sich wie sein Vorgänger, der von der Polizei kam. Eine unbürokratischere Herangehensweise an die momentanen Krankenhausprobleme zeichnete nach einer Eingewöhnungsphase denn auch seinen Einstand aus. In der momentanen Situation, wo sich die Krankenhäuser auf Fallpauschalen vorbereiten müssen, aber die genaue Höhe noch nicht kalkulieren können (also es bleibt unklar, ob ein Krankenhaus relativ gut oder relativ schlecht 1995 dastehen wird), wird für das AK Harburg angenommen, daß ca. 30 Millionen eingespart werden müßten, um verlustfrei zu bleiben. Wir haben schon des öfteren dargelegt, daß immer mehr Budgetverantwortung auf die Abteilungsebene delegiert wird und deshalb zwar mehr Gestaltungsfreiheit für diese entsteht, aber natürlich auch mehr Verantwortung, ohne auf die Gesamthöhe des einzelnen Budgets Einfluß nehmen zu können. Die Abteilungen sind es nun auch vor allem, die die fehlenden Mittel kompensieren müssen. So organisierte Finsterbusch für alle Abteilungen einzelne Veranstaltungen, wo er sein Sparkonzept vorstellte, immer mit der Parole, er halte nichts von einzelnen Schuldzuweisungen für das Defizit - allerdings nicht ohne herauszustellen, daß vor allem die Apotheke und die Bakteriologie (Hygiene) "gemißwirtschaftet" hätten -, es sollten alle Bereiche solidarisch ihren Teil einsparen. So sollten u.a. keine Überstunden mehr ausbezahlt werden. Die Abteilungen sollten mal darstellen, wo bei ihnen "Rationalisierungspotentiale" wären, er würde sie ganz unbürokratisch bei sinnvollen (einsparenden) Veränderungen unterstützen. Wenn das über die Abteilungsleiter nicht klappen würde, sollten sie nur direkt zu ihm kommen. Und er hatte gleich mehrere Erfolge mit seinem Motto, die Beschäftigten selbst könnten die Probleme, die ein kostengünstigeres Wirtschaften verhindern, am besten identifizieren. Im großen chirurgischen Operationssaal waren trotz relativ normaler Besetzung viele Überstunden aufgelaufen. Das Pflegepersonal konnte auch benennen, woran das vor allem lag: Das gesamte OP-Team stand jeden Morgen ab 8.00 Uhr zum Operationsbeginn bereit, nur ein chirurgischer Professor schlief gern länger, und so begannen die OPs seiner Abteilung meist erst gegen 9.00 Uhr. Somit dauerte das OP-Programm auch immer mindestens eine Stunde länger. Dieser chirurgische Chef wurde vom Direktorium "überredet", pünktlich zu kommen, seitdem fallen in diesem OP praktisch keine Überstunden mehr an. Éhnliches gelang im stationären Bereich, indem Zubringerdienste besser organisiert wurden und dadurch praktisch je eine ganze Planstelle auf einigen Stationen eingespart werden konnte, weil unnötige Wegezeiten wegfielen. Abteilungsleiter, die einer vernünftigen Arbeitsorganisation offensichtlich im Wege standen, wurden sehr schnell zurechtgewiesen, so daß viele Beschäftigte den Eindruck gewannen, daß der neue kaufmännische Leiter zwar Einsparungen durchsetzen wolle, aber daß er das nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg, sondern wesentlich demokratischer als seine Vorgänger durchführen würde. Der Frust in den öffentlichen Betrieben über die undurchsichtige Bürokratie, die auch viel mit undurchschaubarer Macht vieler leitender Angestellter, unproduktiver Konkurrenz zwischen verschiedenen Abteilungen u.ä. zu tun hat, führte bei vielen Beschäftigten schon zum Trugschluß, in der Privatwirtschaft wäre alles besser. Richtig daran ist sicherlich, daß die Privatwirtschaft in der Regel viel flexibler und unkonventioneller reagiert als die Filzokratie im öffentlichen Dienst. Unnötige Verschwendung von Geld und Zeit kann fast jeder Beschäftigte aufzeigen, und wie die Harburger feststellen konnten, wurden einige ihrer Vorschläge auch schnell umgesetzt. Eine weitere "Tugend" zeichnet den neuen Krankenhausmanager nach Meinung vieler Kollegen aus, er sage wenigstens, was er meine, und wäre nicht so falsch, wie von anderen Vorgesetzten gewohnt. Ganz offen erklärt er die Wirkungsweise des GSG und daß es jetzt vor allem auf die Wettbewerbsfähigkeit ankomme und nicht mehr auf soziale Gesichtspunkte. Der Reinigungsdienst im AK Harburg sei deshalb nicht mehr vor der Privatisierung zu retten, weil die Tarife im öffentlichen Dienst für Reinigungskräfte um 20 Prozent höher seien als in der Privatwirtschaft, und das könne man beim besten Willen nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen ausgleichen. Weiterhin bestätigt er, daß der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern dazu führen wird, daß immer nur die besten gut dastehen könnten. Das bedeutet, daß, sobald andere Häuser in der Effektivität nachziehen würden, die Richtwerte niedriger würden und man wieder auf einer "höheren" Stufe besser sein müsse usw. usf. Daran könne er aber nichts ändern, das sei Aufgabe der Politik. Geschickt deckt Finsterbusch die Schwächen der öffentlich verwalteten Betriebe auf. Den Begriff "humanes Krankenhaus" ersetzt er durch "kundenorientiertes Krankenhaus". Gemeint sind allerdings vor allem diejenigen Kunden, die günstig abzurechnen sind. Durch seine "sachlichen" Argumente versucht er, die Menschlichkeit einem Wirtschaftlichkeitsdenken unterzuordnen, ganz im Sinne des GSG. Allerdings zeigt sich nun schon in mehreren Bereichen, daß die Luft auch ganz schnell raus sein kann, weil er sich nicht auf viele Mitarbeiter seines Bereiches stützen kann. Das liegt neben Unfähigkeit auch an der Kurzsichtigkeit seines Konzeptes. Von den meisten Fachgebieten des Krankenhauses hat er viel zu wenig Wissen, und Konkurrenzfähigkeit und Wirtschaftlichkeit sind nicht die primären Ziele der Harburger Kollegen. -(mgh, AG Gesundheitspolitik)

In dieser Ausgabe u.a. CDU: Gefängnisse privatisieren Sparhaushalt und Verwaltungsreform im Dienste der >Wettbewerbsfähigkeit< Nachbetrachtung zu einer Ausstellung Noch einmal: Die Bartholomäusnacht Chile - eine zeitgemäße Erinnerung Veränderungen bei CDU, SPD, GAL, den Stadtgewerkschaften. Und in der PDS? Modernes Krankenhausmanagement aus Sicht eines kaufmännischen Direktors

Das Evangelium der Wettbewerbsfähigkeit

Es gibt Wörter, die zu bestimmten Zeiten wie Gesetze wirken, zu Recht oder zu Unrecht. So ein Wort ist heute die "Wettbewerbsfähigkeit". Die Ideologie und die Praxis, die sich auf dieses Wort stützen, sind katastrophal Das Evangelium der Wettbewerbsfähigkeit beruht auf einigen einfachen Ideen: Wir befinden uns in einem erbarmungslosen technologischen, industriellen und wirtschaftlichen Weltkrieg. Es kommt darauf an, zu überleben, sich nicht töten zu lassen. Das Mittel dazu ist die Wettbewerbsfähigkeit. Ohne sie gibt es keine Rettung, weder kurz- noch langfristig; kein Wachstum, keinen wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand, keine Autonomie und politische Unabhängigkeit; () Die Wettbewerbsfähigkeit hat ihre Evangelisten, ihre Theologen, ihre Prediger - und, wohlgemerkt, ihre Gläubigen: die öffentliche Meinung, die mit diesem Diskurs bombardiert wird. () Nach diesen Theologen ist die Wettbewerbsfähigkeit wie eine Gnade Gottes: Man hat sie, oder man hat sie nicht. Die sie haben, werden erlöst. Wer die Sünde begeht, nicht wettbewerbsfähig zu sein, wird zum Untergang verurteilt. () Die "frohe Botschaft" der in den Rang einer Ideologie erhobenen Wettbewerbsfähigkeit beglückt allerdings nur einen verschwindend kleinen Teil der Weltbevölkerung. Für den Rest sind ihre Folgen verheerend und ihre Schäden beträchtlich, die sie anrichtet. Vor allem zelebriert sie, indem sie die Ware zur einzigen Wahrheit erklärt, das Prinzip der Ausgrenzung. Alle sind zum Essen geladen, aber nur eine kleine Handvoll Menschen, Gruppen, Regionen oder Länder - nämlich die, die in den Genuß der Gnade kommen, wettbewerbsfähiger zu sein als die anderen - können und dürfen sich wirklich an den Tisch setzen. Ironie der "Sachzwänge": Je mehr die Wettbewerbsfähigkeit die Ausgrenzung vorantreibt und dadurch die Zahl der Akteure auf dem Markt vermindert, desto mehr verlieren die Märkte ihren wettbewerblichen Charakter Ausgrenzung beschränkt sich nicht auf Unternehmen, sie trifft auf fundamentalere Weise die einzelnen Menschen und sozialen Gruppen. Sie trifft auch ganze Länder und sogar Kontinente (wie Afrika), sei es, weil sie keine großen Märkte sind, sei es, weil sie "kulturell" unfähig sind, der Bewegung zu folgen. Die Wettbewerbsfähigkeit vergesellschaftet auf diese Weise die Tatsache, daß die Wahrheit auf der Seite des Stärkeren im Bereich der Technologie, der Industrie und des Handels ist. Sie etabliert einen absoluten Vorrang für das Bessersein auf diesen Gebieten und legitimiert so die Aufrechterhaltung struktureller Ungleichheiten zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Regionen, Ländern. Die Vorstellung, daß die Kluft zwischen den entwickelten Ländern des Nordens und dem Rest der Welt unvermeidlich sei, wird so gerechtfertigt. Die Ideologie der Wettbewerbsfähigkeit verstärkt und erweitert den Vorrang der Kriegslogik in den Beziehungen zwischen Unternehmen, ökonomischen Akteuren, Städten und Staaten. Die Vorstellung der Weltwirtschaft, die sie unterbreitet, ist sehr simpel: Die Unternehmen sind nichts als Armeen, die sich bekämpfen, um Märkte zu erobern und errungene Positionen zu verteidigen. () Diese Kriegslogik reduziert die Rolle des Staates auf ein gigantisches System juristischer, bürokratischer und finanzieller Technokratie, das der ökonomischen Leistungsfähigkeit des Unternehmens dienen soll. Der Staat ist nicht mehr der Ausdruck des kollektiven öffentlichen Interesses. Er wird zu einem Akteur unter anderen, mit der Aufgabe, die günstigsten Bedingungen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu schaffen. Das Allgemeininteresse reduziert sich so auf das Interesse der gigantischen Firmen, die um die Weltmärkte kämpfen. Es ist offensichtlich, daß diese Ideologie das Gegenteil von jeder Art von demokratischer Beteiligung ist. Und welche wissenschaftliche, kulturelle Verarmung der Diskussionen über Wirtschaft, das menschliche Leben, die Gesellschaft sie bewirkt! () Akzeptiert werden nur Diskussionen, die der Kultur des Besserseins, der Logik des Wirtschaftskrieges und technologischen Imperativen folgen Riccardo Petrella, L'evangile de la competitivite, in: Le Monde Diplomatique, Sept. 1991, zit. n. Jörg Huffschmid, Wem gehört Europa, Bd. 1, Heilbronn (Diestel) 1994, S.136ff.

Chile - der Kampf geht weiter

Chile - der Kampf geht weiter: So hieß ein Film aus dem Jahre 1974 über den Putsch gegen die Volksfront-Regierung Salvador Allendes. Die Chilenischen Filmtage, die vom 1.-14.12. im "3001- Kino" stattfanden, wurden am 14.12. abgeschlossen mit einer Veranstaltung unter dem Titel "Chile 1970-94" im Haus für Alle. Der Abend zerfiel in zwei sehr unterschiedliche Teile: Veranstalterin war die Chilenische Jugend- und Kulturinitiative; von daher fand an diesem Abend auch eine Begegnung verschiedener Generationen statt. Für die Elterngeneration, die die Allendezeit und den Putsch bewußt miterlebt hatte, sprach der bundesrepublikanische Vertreter der Sozialistischen Partei Chiles (der auch Allende angehört hatte). Er bemühte sich, das - wie er selbst zu Recht betonte - uferlose Thema "Allendezeit und Putsch" durch gezielte Auswahl von exemplarischen Einzelaspekten zu begrenzen (Militär und Arbeiterklasse, Entwicklung Chiles seit 1800 im Überblick »zum Verständnis der VorgeschichteÀ, Ökonomie Chiles). Das war angesichts der knapp bemessenen Zeit auch eine sinnvolle Entscheidung. Und trotzdem: Der Vortrag ließ keinen Funken überspringen; gerade für die Jüngeren im Publikum muß er blutleer geblieben sein. Jedenfalls kam nichts zustande, was sich mit einigem Recht als Diskussion bezeichnen ließe. Anders der zweite Teil; er wurde im wesentlichen von einem jungen Mann bestritten, der in der Pinochet-Diktatur politischer Gefangener gewesen war, aber auch der Vertreter der Chilenischen Jugend trug einiges bei. Es ging nicht allein um die zweite Hälfte der Pinochet-Diktatur (die 80er Jahre also) - aber auch dieses Thema bekam aus der Perspektive der jungen Chilenen ein neues Gesicht, zum Beispiel, wenn berichtet wurde, daß ein junger Chilene in Deutschland, der seinen Asylantrag stellte und aufgefordert wurde, eine Analyse der politischen Situation in Chile zu liefern, nur sagen konnte, er wisse, wie man eine Barrikade baut oder einen Molotow-Cocktail herstellt, aber zur Analyse der politischen Situation in Chile könne er sich nicht äußern. Die Pinochet-Zeit ist in den Augen der jungen Chilenen, die sich im Widerstand befanden bzw. noch befinden, nicht bedeutungslos geworden; im Gegenteil: Gesetzliche Grundlagen und Strukturen aus der Zeit der Diktatur bestehen fort und wirken weiter; aber die jungen Leute sehen keinen Grund, die politischen Zustände im Chile der 90er Jahre im Gegensatz zur Pinochet-Diktatur als demokratisch zu bezeichnen; es wurde vielmehr ein düsteres Bild gezeichnet, wozu sowohl die Anklage gegen die Aylwin-Regierung wegen des Versäumnisses gehörte, die Archive des Pinochet- Geheimdienstes CNI zu beschlagnahmen und auszuwerten, als auch die bittere Feststellung, daß politische Verfolgung einschließlich Folter nicht etwa aufgehört habe, sondern nur gezielter und effektiver eingesetzt werde (vor allem gegen Organisierte aus der "Patriotischen Front", aus der MAPU/Lautaro u.a., aber auch gegen Nicht-Organisierte). Wie es gute Tradition internationalistischer Veranstaltungen ist, endeten die Betrachtungen bei der Bewertung der Politik des Landes, in dem sie stattfanden: Es kann nicht verwundern, daß die Rolle der Asylpolitik der BRD heftig kritisiert wurde. Das Interesse der BRD-Regierung, möglichst wenige Flüchtlinge ins Land zu lassen, und das Interesse der gegenwärtigen chilenischen Regierung, als demokratisch gelten zu wollen, treffen sich in unheilvoller Weise. Die einzelnen Perioden des Zeitraums von 1970 bis 1994 bleiben zwar, hinsichtlich der Vorträge, unverbunden nebeneinander stehen, aber im Verlauf des Abschnitts, der die Menschenrechtssituation im Chile der 90er Jahre behandelte, wurde deutlich, daß sowohl die Kräfte, die die Volksfront, als auch die Gegenkräfte, die den Putsch hervorgebracht haben, immer noch fortwirken und der Kampf nicht abgeschlossen ist. -(lz)

Lokalberichte HamburgNr. 26/1994, 22. Dezember 1994 Herausgeberkreis: Alternative Liste, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen, Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Arbeitskreis Azania, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Hochschul- Antifa, Liste Links, Mitglieder der PDS/Linken Liste Hamburg, Vereinigte Sozialistische Partei, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Redaktionstreffen: Donnerstag, 29.Dezember, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo: 1.1.95: 52,- DM (Förderabo: 65,- ermäßigtes Abo 39,-, für Leute ohne Einkommen 26,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ 20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/ Hamburg mbH