Widerstand gegen Mietervertreibung formiert sich

Frank KG läßt Wohnungen verfallen

Im Jahre 1928 kauft die Siedlungsbaugesellschaft Hermann und Paul Frank (Frank KG) von der Freien und Hansestadt Hamburg ein Areal im Stadtteil Dulsberg, um dort billige Wohnungen für Arbeiterfamilien zu errichten, die ihre im Sanierungsgebiet Altstadt für das neue Kontorhausviertel räumen mußten. Es entsteht in neuartiger, rationeller Bauweise eine moderne Wohnsiedlung, die den "Gemeinschaftsgedanken" durch ihre praktischen und sozialen Einrichtungen verwirklichen will. Obwohl meist nicht Arbeiter-, sondern Angestellten- und Beamtenfamilien in die Häuser einziehen und z.B. eine geplante Krankenstation nicht eröffnet wird, gelten die Häuser international als richtungsweisend für den sozialen Wohnungsbau. Davon ist heute so gut wie nichts mehr übriggeblieben. Neben der konsequenten Vernachlässigung der Bausubstanz sind auch fast alle Gemeinschaftseinrichtungen, wie z.B. Gemeinschaftsbäder und Dachterrassen, nicht mehr vorhanden. Um die drohende Unbewohnbarkeit der Häuser zu verhindern sowie aufgrund ihrer vertraglichen Wiederkaufsrechte und "aus sozialen Erwägungen" heraus schließt die Freie und Hansestadt 1981 einen Kontrakt mit der Frank KG, der die Firma zur Instandsetzung und Modernisierung der desolaten Anlage sowie zur Schaffung von 70 familiengerechten Wohnungen binnen einer Zehnjahresfrist verpflichtet. Mit minimalem Geldeinsatz, unsinniger sowie schlechter Bauausführung und einer Politik der Mietervertreibung durch Mißachtung jeglicher Mieterrechte, vor allem bei den Modernisierungsmaßnahmen, gelingt es der Frank KG bis zum 31.12.91, genau 336 von 579 Wohnungen zu sanieren. Eine vertragliche Konventionalstrafe von 4,5 Mio. DM ist für die Nichterfüllung des Vertrages vorgesehen. Doch durch die Tat Unbekannter gerät eines der noch nicht modernisierten Häuser am 2. August 1991, also gut ein halbes Jahr vor Ablauf der Vertragsfrist, in Brand. Das Ergebnis sind 100 obdachlose Mieter und Mieterinnen wegen Löschwasserschäden. Der Frank KG wird aufgrund dieses Vorfalles eine Fristverlängerung von zwei Jahren gegeben. In der Hälfte dieser Zeit stellt die Frank KG mit Hilfe der Hamburger Feuerkasse lediglich das brandgeschädigte Haus wieder her, wobei gleichzeitig modernisiert wird. Dabei werden die ersten zwei der 70 familiengerechten Wohnungen geschaffen. Für die Zeit des Umbaus ihres Hauses erreichen die obdachlosen Mieter, daß die Frank KG ihnen die seit Jahren leeren Wohnungen im Nachbarblock (Mülhäuser Str. 7-10) zur Verfügung stellt. Durch die obdachlos gewordenen Mieter wird eine Zwischennutzung des leerstehenden Wohnraums bis Anfang 1993 erreicht. Seitdem stehen von den 148 Wohnungen wieder über 100 leer. Im Frühjahr 1993 bewilligt die Wohnungskreditanstalt (WK) bereits die Höchstsätze zur Modernisierung und Instandsetzung (7,1 Mio.). Die Frank KG lehnt diese Gelder jedoch ab, denn nur mit 4,4 Mio. zusätzlicher Fördermittel wäre ihr nach eigenen Angaben ein Baubeginn möglich (d.h. 78000 DM pro Wohnung). Ein weiteres Jahr Leerstand folgt, und im Sommer 94, also sechs Monate nach Ablauf der letzten Fristverlängerung, liegt der 11,5-Mio.-DM-Antrag bei der WK. Der Wohnungsleerstand kann so in der Hand der Wohnungswirtschaft dazu genutzt werden, von der Stadt höhere öffentliche Gelder zu erzwingen. Die verantwortlichen Behörden, bei denen auch die Vertragsrechte liegen, das Bezirksamt Nord und das Ortsamt Barmbek-Uhlenhorst, nehmen keine Kontrollfunktion wahr, operieren gar mit falschen Zahlen über erfolgte Woh nungszusammenlegungen. Neben dem menschenverachtenden Leerstand und einem langen Nichtstun der Frank KG sind für die letzten Bewohner der Mülhäuser Str. Anfangsmieten im sozialen Wohnungsbau von 9,80 DM/qm die Folge. Innerhalb der Bewohnerschaft des Dulsbergs formiert sich der Widerstand gegen diesen Vermieter und die Politik der Mietervertreibung, auch wenn sie "Durchmischung des Stadtteils" genannt wird. -'(Holger Moslowski)

Dokumentiert: ein Flugblatt

BAMBULE

muß bleiben!

Wer nicht kämpft, hat schon verloren Wir sind die BewohnerInnen der Bauwagenburg BAMBULE aus dem Karo- Viertel. Seit einem knappen Jahr versucht eine Allianz aus Bezirksamt Hamburg-Mitte und STEG, uns unsere Lebensgrundlage zu entziehen und von unserem Platz zu vertreiben - jetzt haben sie es fast geschafft. Heute hat das Oberverwaltungsgericht die letzten "rechtsstaatlichen" Bedenken zerstreut. Ab jetzt können wir jederzeit geräumt werden Wir werden nicht gehen, sondern hierbleiben - bedingungslos! Die Bauwagen sind unsere Wohnungen, und das Karo-Viertel ist der Ort, wo wir leben wollen. Dies war und ist Grundlage unseres Kampfes um das Grundstück in der Vorwerkstraße. Dieses konkrete Grundstück steht darüber hinaus aber auch für den Kampf um Wagenplätze überhaupt. Bauwagenplätze können selbstbestimmte Freiräume sein, in denen wir entscheiden, wie wir zusammenleben wollen und mit wem. Sie sind eine Möglichkeit, der alltäglichen Vereinzelung unsere Idee von Gemeinschaft entgegenzusetzen. Und sie sind eine Form von Durchsetzung des Rechtes aller Menschen auf bezahlbaren Wohnraum. Für uns geht es daher nicht um eine individuelle Lösung von Wohnungsnot oder ein besonders romantisches Wohnen, sondern um einen Ansatz von Systemopposition. () Mit Sicherheit ist dies ein Grund für die Räumungsabsichten - Widerstand ist in diesem Land verboten. Ein anderer Grund liegt in der Bauwagenpolitik in Hamburg überhaupt. Während in verschiedenen Bezirken Hamburgs Bauwagenplätze geduldet werden und der Unsinn des HHer Wohnwagengesetzes zumindest schon politisch diskutiert wird, verharrt der Bezirk Mitte auf seiner schon traditionellen Linie der polizeilichen Lösungen Hinter dem öffentlichen Gefasel von Gesetzessachzwängen und dem Untergang der Zivilisation auf Wagenplätzen steckt der politische Wille des Bezirkes, die Kontrollierbarkeit von Wagenplätzen wahlweise durch Vertreiben oder Zerstören zu gewährleisten. In unserem Fall geht es auch um den skrupellosen Willen des Bezirkes, in Zusammenarbeit mit der STEG die Umstrukturierung des Karo-Viertels reibungslos durchzusetzen - neben Luxushotel, Schicki-Gewerbe und -Gastronomie hat ein Bauwagenplatz zukünftig nichts verloren. Trotz aller Angst und Unklarheit, was danach wird, werden wir uns gegen all das wehren. Wir werden Wut und Haß deutlich machen - gegenüber denen, die uns konkret vertreiben wollen oder dies mit zu verantworten haben. Dabei brauchen wir alle Unterstützung, die ihr geben könnt. Helft uns bei der Verteidigung unseres Platzes mit Lust und Phantasie Dokumentiert durch: (a), Infogruppe Hamburg (ifghhvkrabat.comlink.de) c/o Schwarzmarkt Kleiner Schäferkamp 46, 20357 Hamburg

Zwei Jahre Haft

für Worch

Christian Worch, Führungsfigur der bundesweiten Neonazi-Szene und in Hamburg in der "Nationalen Liste" (NL) tätig, ist am 30.11. vom Landgericht Frankfurt wegen Verstoßes gegen das NS-Verbot zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Ausschlaggebend war laut Presseberichten seine Leitungstätigkeit in der "Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front" (GdNF), einer Kaderstruktur verschiedener, formal selbständig agierender, überwiegend regionaler Nazibanden wie z.B. der NL. Die GdNF wurde als Nachfolgestruktur der 1983 verbotenen "Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten" (ANS/NA) des Michael Kühnen bewertet. Damit wurde die GdNF meines Wissens erstmals gerichtlicherseits als Organisation behandelt und nicht, wie die GdNF sich selbst darzustellen sucht und der Staatsapparat willig verbreitet, als lediglich loser, informeller Zusammenhang. Setzt sich diese Bewertung auch in der Berufungsverhandlung durch, könnte das Auswirkungen auf den staatlichen Zugriff auf die GdNF-Strukturen haben, denn bislang wurden zwar einzelne Gruppen verboten, nicht jedoch die Spinne im Netz angegangen. Worch erhielt keine Bewährung, da er ein "unbelehrbarer politischer Überzeugungstäter" sei. Er ist mehrfach vorbestraft wegen Volksverhetzung und verbotenen Uniformtragens. Mittlerweile sitzen einige zentrale Gestalten der Nazi-Szene im Gefängnis: Gottfried Küssel und Günter Reinthaler in Österreich, Thomas Dienel und Arnulf Priem in der BRD. Die Zahl derjenigen Neonazis, die in der Lage sind zu organisieren, ist nicht sehr groß. Schon heute können sie einen Teil des ihnen nahestehenden Potentials rechter Jugendlicher nicht einbeziehen. D.h. die halbherzigen staatlichen Maßnahmen können die Nazis empfindlich im Erhalt und Ausbau ihrer Strukturen treffen. Der Staat braucht die offenen Faschisten z.Zt. nicht besonders. Im Gegenteil gerät er im In- und Ausland unter Handlungsdruck, darum macht er den Nazis derzeit ein wenig den Boden unter den Füßen heiß, um der Öffentlichkeit zu zeigen, daß mann etwas tue, und den Neonazis zu bedeuten, öffentliche Auftritte im Augenblick sein zu lassen (z.B. "Rudolf-Heß-Gedenkmärsche" und das mit ihnen verbundene große öffentliche Aufsehen). Die einzelne Gruppen treffenden, zumeist nicht konsequent durchgesetzten Verbote und einige Haftstrafen gegen Nazi"führer" behindern die Nazis. Die NS-Gruppen ziehen sich in kleine, klandestine Gruppen zurück: Die Gefahr, daß diese sich weiter militarisieren, ist gegeben. Die Neonazis sind in der nächsten Zeit möglicherweise weniger zur weiteren Anhangbildung in der Lage; sie bleiben als illegale oder halblegale Banden weiterhin gefährlich. Und: es gibt keinen Grund anzunehmen, daß der Staat die Nazis nicht irgendwann wieder für seine Zwecke gebrauchen kann. Das Problem bleibt daher akut. -(F)

sa®4®5®5®0®371 ® Beschlagnahme aufgehoben

"BRD/RAF" wieder

erhältlich!

Das OLG Düsseldorf hat die Beschlagnahme der am 10.8. bei einer Durchsuchung des GNN-Verlages Köln gefundenen 966 Exemplare der 6. Auflage der zeitgeschichtlichen Dokutation "BRD/RAF" aufgehoben und die Rückgabe der Exemplare angeordnet. Die Beschlagnahme war betrieben von der Bundesanwaltschaft und angeordnet vom Ermittlungsrichter beim OLG Düsseldorf. Mit der 1987 erschienenen Broschüre hatte der GNN-Verlag einen Beitrag leisten wollen, den Konflikt zwischen der BRD und der RAF zu dokumentieren und dabei auch und nicht zuletzt die exzessiven staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen die RAF und ihre Begründungen festzuhalten und so für die kritische Aufarbeitung zugänglich zu machen. In diesem Sommer, fast sieben Jahre nach Erscheinen, hatte die Staatsanwaltschaft mehrere Zwischentexte der Redaktion, in denen staatliche Verfolgungsmaßnahmen kritisch dargestellt wurden (u.a. der Tote Trakt, die Kontaktsperre 1977), als "Werbung für eine terroristische Vereinigung" gewertet. Der Verlag hat - wie in den vorhergegangenen 18 anderen von der Bundesanwaltschaft gegen die GNN-Verlage angestrengten @90a- und @129a-Verfahren - auch in dieser juristischen Auseinandersetzung das Recht auf Kritik verteidigt. In der dem Verlag zugegangenen Entscheidung stellen die Richter des OLG Düsseldorf nun fest, es sei Anliegen des Verlags gewesen, "eine Sammlung der wichtigsten Dokumente der Auseinandersetzung der >RAF< mit der >BRD< herauszugeben, um vor allem der jüngeren Generation die Möglichkeit zu geben, sich über die Auseinandersetzung ein Bild zu machen". Dies sei "nicht als Werben für eine terroristische Vereinigung zu werten". Auch wenn der Inhalt einiger der von der Staatsanwaltschaft beanstandeten redaktionellen Beiträge geeignet sei, die RAF und ihre Ziele im günstigen und die Bundesrepublik Deutschland, ihre Staatsorgane und die Strafverfolgungsbehörden im ungünstigen Licht erscheinen zu lassen, komme diesen redaktionellen Beiträgen der Schutz des Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) zugute: "Der Durchschnittsleser wird sie als Teil einer historischen Dokumentation auffassen, die sich nach dem Vorwort zum Ziel gesetzt hat, den Zeitraum von 1970 bis 1984 und dabei insbesondere den Zeitraum von 1970 bis 1977 auszuleuchten." Das @129a-Ermittlungsverfahren gegen zwei Geschäftsführer des Kölner GNN-Verlages, das in diesem Zusammenhang ebenfalls eingeleitet worden war, war bereits am 28. September von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Verfahren gegen linke Buchhändler (u.a. in Göttingen und Berlin), die die Bundesanwaltschaft u.a. wegen Verkaufs der Dokumentation eingeleitet hatte, sind noch anhängig. -(scc) Die Broschüre kostet 10,- DM und kann ab sofort wieder im GNN-Verlag, Palmaille 24, bestellt bzw. gekauft werden.

Verhandlungen um den LBK als eine "Anstalt öffentlichen Rechts" sind abgeschlossen

Umwandlung der Krankenhäuser

Die Umwandlung der Hamburger Krankenhäuser in eine "Anstalt Öffentlichen Rechts" wird von der Senatorin Fischer-Menzel nach wie vor zum 1.1.95 angestrebt. Der Gesetzentwurf wird demnächst in Senat und Bürgerschaft eingebracht. Die ÖTV hatte nach dem ersten Entwurf Forderungen an die Behörde entwickelt und darüber verhandelt. Dabei konnte das sog. Widerspruchsrecht nicht durchgesetzt werden, das es den Beschäftigten ermöglichen würde, ihrem Verkauf per Gesetz zu widersprechen und bei der Freien und Hansestadt Hamburg zu bleiben. Nach Rechtsauffassung der ÖTV besteht es aber sowieso - unabhängig davon, ob es im Gesetz steht oder nicht. Grund der Ablehnung durch die Behörde ist wohl einerseits, daß eine Umrechnung der 71 Kollegen, die bei der Umwandlung der Stadtreinigung widersprachen, auf die Krankenhäuser zuviele "Verweigerer" ergeben würde. Zum anderen wäre ein Aufruf zum kollektiven Widerspruch ein wirksames Arbeitskampfmittel. Die jetzige gesetzliche Unklarheit nützt den Arbeitgebern.

Kein Vetorecht bei Privatisierung Nicht durchgesetzt werden konnte ein Vetorecht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, wenn es um Privatvergabe, Neugründungen und Beteiligungen an anderen Unternehmen geht. Im Gesetz verankert wurde nur die Verpflichtung, "eine ausführliche Begründungsvorlage (Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Qualität und Alternativen)", in der "Fragestellungen der Arbeitnehmer berücksichtigt werden" und anhand derer der zuständige Personalrat informiert wird.

Kompetenzen und Parität im Aufsichtsrat Im zukünftigen Aufsichtsrat werden die Beschäftigten durch sechs in Urwahl gewählte und drei auf Vorschlag der Gewerkschaften ernannte Personen vertreten sein. Ihnen gegenüber stehen neun Behördenvertreter, die vorsitzende Gesundheitssenatorin hat doppelte Stimme. Im jetzigen Verwaltungsrat sind die Beschäftigten nur drittelparitätisch vertreten. Auch was die Kompetenzen angeht, so ist der Aufsichtsrat ein Fortschritt gegenüber dem jetzigen Verwaltungsrat. Seine Kompetenzen sind im Gesetz als Beratung und Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes, Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder, Prüfung der Jahresabschlüsse der Krankenhäuser und Einrichtungen des LBK, die Entlastung des Vorstandes und die Entscheidung über die Verwendung des Jahresergebnisses. Es folgen 18 inhaltliche Aufgaben, die der Zustimmung des Aufsichtsrates bedürfen, wovon die letzte als "sonstige, für die Entwicklung des LBK Hamburg bedeutsame strukturelle Angelegenheiten". Der Aufsichtsrat kann jederzeit Bericht über die Angelegenheiten des LBK Hamburg verlangen, die Schriften und Bücher einsehen und prüfen sowie örtliche Besichtigungen vornehmen. Diese Kompetenzen können die Transparenz des Wirtschaftens und den Durchblick der Beschäftigten verbessern. Der Krankenhauskonzern soll einen Finanzausgleich der Häuser untereinander durchführen. So muß das Hafenkrankenhaus bestehen bleiben, auch wenn die dort behandelten Obdachlosen, Seeleute und HIV-positiven Drogenabhängigen nach Seehoferlogik zu den "teuren" Patienten gehören.

Wie können Patienten und Nutzer Einfluß nehmen? Patienten und Nutzer fehlen im Aufsichtsrat. Die gesundheitspolitischen Festlegungen sind vager als gefordert ausgefallen. Da ist von der "Patientenorientierung" als allgemeinem Ziel die Rede, von der "hohen Qualität" des "differenzierten Leistungsangebots", und der geforderte Statdteilbezug findet sich nur als Hinweis wieder, "so weit wie möglich auch regionale Gesichtspunkte zu berücksichtigen". Die ÖTV muß Möglichkeiten für die Beteiligung von Patienten und Nutzern eröffnen und pflegen, wenn sie mitgestalten will, und darf sich nicht an deren Mißachtung beteiligen.

Rückkehrrecht als Privatisierungsbremse Durchgesetzt wurde das sog. Rückkehrrecht, das bei einer späteren Ausgliederung, Schließung oder Privatisierung den betroffenen Beschäftigten die Möglichkeit gibt, in die Freie und Hansestadt Hamburg zurückzugehen. Das wird als "Privatisierungsbremse" wirken, solange es um Privatisierung ganzer Krankenhäuser geht. Die Auseinandersetzungen darüber, ob der eine Reinigungsdienst oder die andere Küche privatisiert werden kann, werden dagegen eher zunehmen.

"Binnenmodernisierung" im Landesbetrieb Wäscherei Die ÖTV hatte die Aufnahme des Landesbetriebes Wäscherei in die Anstalt gefordert, von dem es schon länger heißt, er sei unrentabel und nicht konkurrenzfähig. Es konnte die Aufnahme und inzwischen auch eine Bestandsgaratie erreicht werden. Zum ersten Mal fand eine Art "paritätische Begutachtung" statt, die ergeben hat, daß die mangelhafte Organisation eine Hauptursache für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit mit den Privaten ist. Der von der ÖTV geprägte Gegenbegriff zur Ausgliederung heißt denn auch "Binnenmodernisierung".

Überleitungstarifverhandlungen Zur Überleitung des Personals gibt es ein Verhandlungsergebnis, das von der großen Mehrheit der ehrenamtlichen Funktionäre und aktiven Mitgliedern der Abteilung Krankenhäuser gebilligt wurde. Die ÖTV hatte sich eine tarifliche Überleitung ohne Verschlechterungen, möglichst mit Verbesserungen vorgenommen. Die Tarifverträge, die für die "Anstalt" gelten werden, sind denn auch bis auf Verbesserungen wortgleich mit den bisherigen. Der Hamburger Arbeitgeberverband "Arbeitsrechtliche Vereinigung e.V" (AVH) lehnte außer aus Kostengründen jede Forderung kategorisch ab, die die ÖTV sowieso für die zentralen Manteltarifverhandlungen stellt, bis auf die symbolische Ausnahme, daß zukünftig auch der nicht verheiratete Angestellte bei der Geburt seines Kindes Arbeitsbefreiung erhalten kann. Die wichtigsten Punkte zur Überleitung: Die Wege- und Rüstzeiten werden endlich wenn auch bescheiden rückwirkend abgegolten und in Zukunft geregelt. Für Schäden haften die Beschäftigten nur noch bei vorsätzlicher Verursa chung. Auszubildende müssen nach dem Examen für mindestens 6 Monate übernommen werden; übernommene Auszubildende haben keine neue Probezeit. Die Beschäftigten können zwischen den zwei Systemen der (Alters-)Zusatzversorgung (Ruhegeld/VBL) wählen. Fort- und Weiterbildung im Rahmen des Bedarfs und auf Arbeitgeberkosten ohne zeitliche Beschränkung gab es bisher nur für die Pflegekräfte. Diese Regelung soll für alle gelten. Bei freiwilliger Rückkehr zur Freien und Hansestadt Hamburg werden Beschäftigungszeiten angerechnet, für Pflegekräfte auch Bewährungszeiten. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erfolgt für die erreichte Dauer; allerdings als Krankengeldzuschuß.

Weder gesetzlich noch tariflich, aber geregelt Als Erklärung zur Niederschrift der Verhandlungen wurden alle die Punkte festgehalten, die weder gesetzlich noch tariflich geregelt waren. Dazu gehören z.B. die Krankenhauskindergärten, die Personalunterkünfte und die Weitergeltung aller Regelungen und Erlasse zugunsten der Beschäftigten, z.B. EG- Richtlinien und alle Vereinbarungen zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgebern nach @94 des Personalvertretungsgesetzes.

Bedingungen für die Unterschrift der ÖTV Die ÖTV hat allerdings das Verhandlungsergebnis unter den Vorbehalt gestellt, daß das Rückkehrrecht im Gesetz bleibt und daß die Zukunft der Kinderstuben ohne Erhöhung der Elternbeiträge gesichert wird. Ein weiterer Vorbehalt ist dazugekommen. Der jetzige Finanzsenator und frühere Gesundheitssenator Runde will der "Anstalt" die Zinsen in Höhe von 30 Millionen DM jährlich aufbrummen, die dadurch entstehen, daß die Krankenkassen die Pflegesätze verspätet überweisen. Hierzu hat die ÖTV erklärt, daß die Behauptung, daß sich durch die "Anstalt" für die Beschäftigten nichts verschlechtere, nicht mehr zutrifft, wenn dort als erstes Personalkosten in dieser Höhe eingespart werden müßten. Die anstaltsspezifischen Kosten und die aus ihrer Sicht eher geringe "unternehmerische Freiheit" veranlassen jetzt die Geschäftsführer des LBK und die Kaufmännischen Direktoren zu mehr oder weniger verhohlener Ablehnung, die Senatorin hat es weiterhin eilig mit der Gründung. Die ÖTV hat durchgesetzt, daß die Anstaltsgründung sich nicht negativ auf die jetzt Beschäftigten auswirken wird. Auf den durch das Gesundheitsstrukturgesetz zu erwartenden Rationalisierungsdruck, der z.B. durch den Streit um die Höhe der Basispflegesätze und die Kalkulation von Fallpauschalen entstehen wird, muß sie sich vorbereiten. Konzepte wie die Öffnung nach außen durch ambulante Pflege und "Essen auf Rädern" im Stadtteil laufen auf noch höheren Leistungsdruck für die betroffenen Beschäftigten hinaus, wenn es nicht gelingt, die erkämpften Einflußmöglichkeiten so zu nutzen, daß jeder mit dem Ergebnis leben kann. (brg, AGG) Wo männliche oder weibliche Bezeichnungen benutzt wurden, ist das jeweils andere Geschlecht mitgemeint.

sa®4®5®5®0®334 ® Umstrukturierung der Uni

Widerstand nötig

Die Hamburger Universität wird verkleinert und umgebaut. Im nächsten Jahr sollen weitere Arbeits- und Studienplätze abgebaut werden. Begründet wird dies von der Wissenschaftsbehörde und vom Senat mit dem Defizit im Hamburger Haushalt. Die Hochschulleitung akzeptiert die Schrumpfung der Universität, wie Unipräsident Lüthje beteuert, "gegen ihre eigene hochschulpolitische Überzeugung". Diese Linie ist nicht neu. Im zu Ende gehenden Jahr legte sie selber eine Liste mit Vorschlägen für Stellenstreichungen vor, deren einziger Vorteil gegenüber der Behördenliste war, daß sie nicht ganz so umfangreich und weniger willkürlich war. Die politische Überzeugung wird zur Farce, wenn man sich nicht für sie einsetzt. Die Unileitung beschäftigt sich lieber damit, den entbrennenden Streit an der Hochschule um die knapper werdenden Mittel zu moderieren, anstatt Widerstand gegen die Umstrukturierung der Hochschulen zu entwickeln, die sich den Erfordernissen des Standort Deutschlands anpassen sollen. Dieser Selbstbeschäftigung dient auch die Einführung des Globalhaushaltes für die Uni, die für 1996 vorbereitet wird. Die "Leistungs-Kennzahlen", die mit der Hilfe einer Unternehmensberatung für die Verteilung der Mittel innerhalb der Uni erarbeitet werden, orientieren sich an wirtschaftlicher Effektivität. Auch vom rechtsgrünen AStA ist kein Widerstand zu erwarten. Er begrüßt die Einführung eines Globalhaushaltes und stellt sich auf die Logik des Sparens ein: Nicht an der Uni, sondern in der Behörde müsse gespart werden. Politik wird durch einfachen antisozialdemokratischen Gestus ersetzt. Politik, die sich an den leeren Kassen des Hamburger Senats orientiert und sie als Sachzwang akzeptiert, kann die Interessen der Studierenden und der anderen Hochschulangehörigen nicht vertreten. Hamburg ist eine der reichsten Städte Europas: 19 Hamburger besitzen mit 5,8 Milliarden DM 80% des Barvermögens der Stadt. Geld genug ist also vorhanden - das Defizit des Hamburger Haushaltes 95 beträgt 1,5 Milliarden -, es muß nur anders verteilt werden. Hochschul- und Wissenschaftspolitik muß sich an den gesellschaftlichen Problemen und Interessen der Menschen orientieren. Die Menschen wollen und müssen sich wissenschaftlich qualifizieren können, um in dieser Gesellschaft möglichst handlungsfähig zu sein - deshalb müssen die Hochschulen ausgebaut werden. Und gesellschaftliche Probleme wie Kriege, Umweltzerstörung, Hunger, Unterentwicklung und Arbeitslosigkeit bedürfen wissenschaftlicher Problemlösungen, um sie zu bewältigen. In diese Richtung müssen die Hochschulen umstrukturiert werden. Dafür gilt es sich politisch zu engagieren. -(M.G.)

Demonstration gegen Abschiebeknast Gegen den Abschiebeknast in Glasmoor fand am Samstag, den 3.12., eine Demonstration durch Norderstedt mit (leider nur) 200 TeilnehmerInnen statt. Aufgerufen hatten antirassistische Gruppen aus Hamburg und Norderstedt. Die Demo wurde durchgeführt, um den Verdrehungen der Presse etwas entgegenzusetzen. Diese hatte nämlich berichtet, daß die Weigerung von Flüchtlingen am 6.11., in ihre Zellen zurückzugehen, darauf zielte, daß schneller abgeschoben werden solle. Das ist natürlich Unsinn! Die Flüchtlinge protestierten dagegen, daß sie eingeknastet werden und daß sie dauernd von der Abschiebung bedroht sind. Darum lauteten die Forderungen der Demo: Kein Abschiebeknast in Norderstedt und anderswo! Für Bleiberecht und offene Grenzen! -(F)

TIPS & TERMINE

DONNERSTAG, 8. DEZ.

Lesung und Gespräch mit Eugen Friede, Überlebender der Widerstandsgruppe "Gemeinschaft für Frieden und Aufbau", Berlin 19.30 Uhr, Gedenk- und Ausbildungsstätte "Israelitische Töchterschule", Karolinenstr. 35

Antifaschismus in Theorie & Praxis Vortragsreihe mit Rolf Surmann. Antifaschismus hinterfragen. Konzeptionen von Antifagruppe. 19.30 Uhr, Haus für Alle, Amandastr.

Chilenische Filmtage Nutuayin Mapu, Wir werden unser Land zurückerobern. 1971. Mapuche erzählen von der Zeit, in der sie noch arbeiteten und große Ernten hatten, von ihrer Verelendung und der Vertreibung von ihrem Land, aber auch von ihrer Bereitschaft zum Kampf für ein Leben nach ihren eigenen Gesetzen. Amuhuelai-Mi, Du wirst nicht mehr auszuwandern brauchen. 1971. Die Mapuche sind eine indianische Bevölkerungsgruppe in Chile, die besonders unter den Rassendiskriminierungen zu leiden hat. Der Film zeigt die Bemühungen der UP, die Gruppe wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Nube de Iluvia, Regenwolken. 1989. Die beiden Aymara-Indianerinnen Martin und Juana sind auf dem Weg von der Stadt Iquique zur Hochebene Altiplano. Auf ihrer Wanderung erzählen sie vom Verlust ihrer Lebensgewohnheiten und der Einsamkeit derjenigen, die zurückbleiben. 20.00 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

FREITAG, 9. DEZEMBER

Chilenische Filmtage Nutuayin Mapu, Wir werden unser Land zurückerobern. (s.o.) Mulumapu, Tierra humeda, Feuchte Erde. 1994. "Mulumapu ist kein Dokumentarfilm ethnologischer oder anthropologischer Art, der die Mapuche-Kultur analysieren und seinen Protagonisten Themen, Dialoge und Motivationen vorgeben würde. Diese sprechen für sich selbst von den Verhältnissen, die ihre Ausgrenzung provozieren, angesichts der Gefahr, durch soziale Veränderung und >den Fortschritt der Zivilisation< vernichtet zu werden." (Die Filmemacher) 20.00 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

SAMSTAG, 10. DEZEMBER

Die Stimme des Begehrens - Was ist frei an einem Freien Radio? Während der ersten Phase des Arbeitstreffens werden Texte aus dem alten Merve-Band "Alice ist der Teufel - Praxis einer subversiven Kommunikation, Radio Alice Bologna", Berlin 1977 (einsehbar in der Bibliothek Literatur Wiss., Uni HH, VMP6, 4. Stock, Signatur GCc3.977/1) in ihrem politischen Zusammenhang der autonomia operaia vorgestellt. Aus dem Text von Radio Alice, dem einzigen Freien Radio Europas, von dem eine fundierte Reflexion seines medialen Handelns schriftlich festgehalten wurde, werden dann in einer zweiten Phase einige Grundfragen Freier Radios entwickelt, um dann drittens in die Apotheose des Hamburger Radio Projektes FSK zu münden. Als Vorbereitungslektüre wird die FSK-Broschüre "Form Struktur & Konzept" empfohlen. Referent: Marcel Stötzler (Radio Loretta) 15.00 bis 18.00 Uhr, Kulturladen St. Georg, Lange Reihe 111

Chilenische Filmtage Die Schlacht um Chile - Der Kampf eines unbewaffneten Volkes. 1973- 78. Zum ersten Mal war es in Lateinamerika möglich, eine revolutionäre Situation Tag für Tag zu filmen und so die Politik der Volksregierung und gleichzeitig die faschistischen Methoden der Imperialisten und der einheimischen Bourgeoisie gegen diese Politik aufzuzeichnen. 18.00, 20.00 und 22.30 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

Kein Frieden mit Deutschland - gegen die Kollaboration mit der Nation Vorbereitungstreffen zu einer bundesweiten antinationalen Aktion rund um den 8. Mai 95. "Wir gehen davon aus, daß eine Demonstration/ Aktion um den 8. Mai den geschichtlichen Anlaß nicht von der gegenwärtigen Politik abtrennt, sondern sich eingedenk der Ereignisse vor 50 Jahren auf die jetzige und die zu erwartende deutsche Politik konzentriert. Wir gehen davon aus, daß die Demonstration/Aktion jedem positiven Bezug auf die deutsche Nation und dem deutschen Nationalismus entgegentritt. Wir halten es für richtig, auf der Basis eines sich nicht an Breite, sondern an Klarheit orientierenden Aufrufs alle infrage kommenden Möglichkeiten einer bundesweiten Mobilisierung für eine politische Demonstration zu nutzen." Zu dem Treffen laden u.a. ein: 17Û Celsius. Redaktion bahamas. Kontakt über: Vorbereitungsgruppe 8. Mai, Postfach 306237, 20328 Hamburg. Ab 10., 14.00 Uhr, bis 11., in Berlin, Gneisenaustr. 2

SONNTAG, 11. DEZEMBER

Rundgang: "Arbeit und Vernichtung - Das Konzentrationslager Neuengamme" Führung durch die Ausstellung und über das Gelände. 15.00 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, Jean-Dolidier-Weg

Chilenische Filmtage Protokoll über Chile. 1986. 1983 kehrte Miguel Littin zum ersten Mal seit seiner Flucht 1973 für sechs Wochen illegal in sein Land zurück. Für die Aufnahmen hatte er drei Filmteams aus Holland, Frankreich und Italien geholt, die offiziell andere Aufträge besaßen. Für spezielle Aufnahmen kamen insgesamt weitere sechs Filmteams des chilenischen Widerstands hinzu. Das Ergebnis dieses für alle Beteiligten gefährlichen Unternehmens ist die bis heute umfangreichste Bestandsaufnahme der Militärdiktatur. 18.00 und 20.00 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75 Stimmzettel und Gewehr. 1971. Der Spielfilm beschreibt die politische Geschichte Chiles zwischen 1935 und 1970, der ersten und der zweiten Volksregierung, den Prozeß der Verbürgerlichung jener alten Kommunisten, die 1937 in der Brigade Lenin marschierten. Er zeigt die Reaktion der chilenischen Kapitalisten auf den Sieg Allendes, ihre Konspiration zum Zusammenbruch der Wirtschaft und damit der Regierung 22.30 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

MONTAG, 12. DEZEMBER

Antifaschistisches Kino an der Uni Die Entscheider, 1993, 30 Min., Dokumentarfilm. "Einzelentscheider" ist die amtsdeutsche Bezeichnung für die Angestellten des Bundesamtes zur Anerkennung von Flüchtlingen, die entscheiden, ob ein Flüchtling Asyl bekommt oder nicht. Im ersten Teil des Filmes werden ein Einzelentscheider und eine Einzelentscheiderin zu ihrer Arbeit befragt, sie berichten, auf welche Art ihre Entscheidungen zustande kommen. Im zweiten Teil erzählen drei Flüchtlinge von den Erfahrungen mit den Einzelentscheidern in ihren Asylverfahren. Fluchtgrenzen, 1994, 30 Min. Querblick Konstanz, Dokumentarfilm. Überlebende Fluchthelfer erzählen, wie sie während der NS-Zeit Flüchtlinge über die Grenze von Deutschland in die Schweiz gebracht haben, wo sie häufig nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurden. Heute, nachdem in Europa die Asylgesetze weiter verschärft worden sind, gibt es viele Menschen auf der Flucht, denen es nicht gelingt, eine Grenze zu passieren, oder die von Abschiebung bedroht sind. Asyl D-A-Ch berichtet von der Situation der Flüchtlinge, und zwei Schweizerinnen erzählen von den Konsequenzen, die sie für sich zogen. 18.15 Uhr, Hörsaal A des Unihauptgebäudes, Edmund-Siemers-Allee 1

Chilenische Filmtage Stimmzettel und Gewehr (s.o.). 20.00 Uhr, 3001 Kino Drei traurige Tiger. 1968. Die Geburtsstunde des neuen chilenischen Filmes schlägt mit "Tres tristes tigres" von Raul Ruiz. Das Thema seines ersten Filmes sollte ihn auch in den kommenden Jahren beschäftigen: die Kleinbourgeoisie, deren Alltagswirklichkeit, Marotten und Mentalitäten er immer wieder mit Witz und Sinn fürs Detail darstellt und der er manche absurde Seite abgewonnen hat. 22.30 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

DIENSTAG, 13. DEZEMBER

Chilenische Filmtage Geschichten von Eidechsen. 1988. Eine Trilogie auf der Suche nach den Wurzeln von Gewalt und Hoffnungslosigkeit: Zwei Freunde sind auf der Flucht, der eine ist schwer verwundet; ein entflohener Mörder erreicht ein Landhaus, wo ihn ein verlorener Sohn in völlige Verwirrung stößt; ein alter Vorarbeiter findet die Frau wieder, die ihn vor Jahren verlassen hat. 20.00 Uhr, 3001 Kino Kurzfilmprogramm 22.30 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75

Veranstaltung mit Mario Kessler "Sozialismus und Zionismus" 20.00 Uhr, Gedenk- und Ausbildungsstätte "Israelitische Töchterschule", Karolinenstr. 35

Naziterror in Hamburg Diskussionsveranstaltung mit Jürgen Brammer. Brammer, selbst von den Nazis zum Abschuß freigegeben, berichtet über die aktuelle Bedrohung von rechts in Hamburg. 19.30 Uhr, Kulturhaus Eppendorf, Martinistr. 40

MITTWOCH, 14. DEZEMBER

Chilenische Filmtage Geschichten von Eidechsen (s.o.) 18.00 Uhr, 3001 Kino, Schanzenstr. 75 Abschlußveranstaltung: Chile. Unidad Popular, Staatsstreich, Verfassung 1980, Menschenrechte 1990-94. Mit Hugo Veloso, Vorsitzender der Sozialistischen Partei Chiles in der BRD, Dr. Isodoro Bustos, Rechtsanwalt, Marcelo Gonzales, ehem. politischer Häftling in Chile. Veranstalter: Chilenische Jugend- und Kulturinitiative 20.00 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58

DONNERSTAG, 15. DEZ.

Moische Postones Reinterpreation der Marxschen Kapitalkritik Moische Postone, Hochschullehrer an der Uni Chicago, veröffentlichte 1993 ein Buch unter dem Titel Time, labor, and social domination. Neben einer Kritik am traditionellen Marxismus liefert er in diesem Buch weiterführende Überlegungen zu den Kategorien, die Marx in seiner Kritik der Politischen Ökonomie untersuchte. Begriffe wie abstrakte Arbeit, abstrakte Zeit, Geld, Kapital, Totalität werden von Postone aufgegriffen und über die Marxschen Bestimmungen hinaus als Bewegungsformen der spezifischen gesellschaftlichen Synthesie im Kapitalsystem interpretiert. Eine Arbeitsgruppe, die sich seit zwei Jahren mit Postones Ansätzen beschäftigt, stellt zentrale Überlegungen aus seinem 1993er Buch vor. Zur ersten Orientierung sei auf den Artikel von J.Ph.Becker (Bahamas Nr. 14) verwiesen. Eine Masch-Veranstaltung 18.00 Uhr, Pferdestall Raum 106, Allendeplatz 1

Die IG Farben und die Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen im Werk Auschwitz Referent: Prof. Dr. Peter Hayes, Northwestern University, Evanston/Illinois, USA 18.00 bis 20.00 Uhr, Hörsaal M des Unihauptgebäudes, Edmund-Siemers-Allee 1

Antifaschistisches Kino an der Uni Drachenfutter, 1987, 75 Min. Jan Schütte, Spielfilm. Ein pakistanischer Flüchtling versucht in Hamburg sein Glück. Er schlägt sich mit dem nächtlichen Verkauf von Rosen durch, bis er einen Job als Tellerwäscher findet. Dort trifft er einen Kellner aus China, der im Laufe der Zeit sein Freund wird. Die beiden beschließen, zusammen ein eigenes Lokal aufzumachen. Der Tag der Eröffnung endet allerdings anders, als sie erwartet hatten Ausgrenzen - Abschieben, 1994, 27 Min. Medienwerkstatt Freiburg, Dokumentarfilm. Bundeswehr an der Grenze, eine elektronische Mauer um Deutschland, Jagd auf Flüchtlinge mit Wärmebildgeräten, Abschiebung in sog. "sichere" Drittstaaten - das Grundrecht auf Asyl ist in Deutschland seit Mai 1993 faktisch abgeschafft. Die grüne Europa-Abgeordnete Claudia Roth hat zusammen mit 50 Menschen aus Flüchtlings- und Menschenrechts-Initiativen im November 1993 eine sechstägige Reise entlang der deutschen Ostgrenze unternommen. Bei dieser Reise wurden sowohl Gespräche mit Grenzschutzoffizieren und Mitgliedern einer Bürgerwehr in einem Grenzdorf geführt als auch mit Flüchtlingen im Erstaufnahmelager Hinrichshagen. 18.15 Uhr, Hörsaal M des Unihauptgebäudes, Edmund-Siemers-Allee 1

Veranstaltung mit Eike Geisel Die Wiedervereinigung mit der deutschen Geschichte oder: Wie Auschwitz doch noch gut ausgegangen ist. 20.00 Uhr, Gedenk- und Ausbildungsstätte "Israelitische Töchterschule", Karolinenstr. 35

Die weiße Rose, BRD 1983 Regie: Michael Verhoeven, mit Lena Stolze 19.00 Uhr, Büro der VSP, Glashüttenstr. 106

FREITAG, 16. DEZEMBER

Zeit zu feiern! Ein gemeinsames Fest für Mitglieder und alle, die es werden wollen. Gemeinsam wollen wir ein erfolgreiches Jahr beenden und vielleicht auch neue Ideen für das nächste Jahr entwickeln. 19.30 Uhr, Stadtteiltreff AGDAZ e.V., Fehlinghöhe 16

DIENSTAG, 20. DEZEMBER

Fremde Blicke - Blicke auf Fremde Kulturelle Identität oder neue Proletarität - Chancen für einen neuen Internationalismus? Diskussionsveranstaltung: Wie kann sich die Linke am eigenen Schopf aus dem politischen Sumpf ziehen? Hinterfragen des Konzeptes der kulturellen Identität. Gibt es materialistische Ansätze für ein neues revolutionäres Subjekt? Ist die Hoffnung auf einen neuen Internationalismus Chance oder Utopie? Es diskutieren: Nadine Gevret, Rolf Surmann, Yves Dorestal. 19.30 Uhr, Haus für Alle, Amandastr.

Filmkritik

Die Bartholomäusnacht

(La Reine Margot) BRD/Frankreich/Ital. 1993, P. Chereau Regie Dieser Titel rief in mir die Vorstellung von der Abrechnung der Katholiken in Frankreich mit den Hugenotten wach, die zum zweiten Hugenottenkrieg führte und 1598 mit dem Edikt von Nantes vorläufig endete, das den Hugenotten eine politische Sonderstellung ermöglichte. Die Hugenottenkriege werden meist als Glaubenskriege dargestellt, und der Calvinismus entwickelte sich auch rasch zum Todfeind des Katholizismus: "Aber neben dem Deutschen Luther hatte der Franzose Calvin gestanden; mit echt französischer Schärfe stellte er den bürgerlichen Charakter der Reformation in den Vordergrund, republikanisierte und demokratisierte die Kirche. Während die lutherische Reformation in Deutschland versumpfte und Deutschland zugrunde richtete, diente die calvinistische den Republikanern in Genf, in Holland, in Schottland als Fahne, machte Holland von Spanien und vom Deutschen Reich frei und lieferte das ideologische Kostüm zum zweiten Akt der bürgerlichen Revolution, der in England vor sich ging." (Friedrich Engels, Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie) Das Dogma des Calvinismus war "den kühnsten der damaligen Bürger angepaßt. Seine Gnadenwahl war der religiöse Ausdruck der Tatsache, daß in der Handelswelt der Konkurrenz Erfolg oder Bankrott nicht abhängt von der Tätigkeit oder dem Geschick des einzelnen, sondern von Umständen, die von ihm unabhängig sind." (Marx/Engels, Werke, Bd. 22, Berlin 1963, S. 300) Der Calvinismus stellt eine frühe Bourgeoisie dar, deren wirtschaftliche Erfolge in der Vermehrung von Besitz, Vermögen und Kapital als Gott wohlgefällig angesehen wurden, während die Armen die Pflicht hatten, fleißig zu arbeiten. Das calvinistische Gemeindeleben zeichnete sich im allgemeinen durch große Sittenstrenge aus. Die Kleidung der Calvinisten war betont streng, einfach und düster. Die Lebensauffassung entsprach voll den Erfordernissen der Periode der ursprünglichen Akkumulation, in der Sparsamkeit, Verzicht auf unproduktiven Luxus subjektive Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg waren. Bemerkenswert war auch die straffe presbyteriale und synodale Kirchen- und Gemeindeverfassung, die Bestandteil des calvinistischen Dogmas wurde. Über die Kirchenorganisation lenkten nicht selten die wirtschaftlich mächtigsten Bürger das öffentliche und politische Leben der Gemeinde, die sich vom Staat so unabhängig wie möglich zu halten suchte. Unter der breiten Bevölkerung fand die antifeudale kämpferische Aktivität des Calvinismus Anklang. Meist verband sich seine Dogmatik mit politischer Aktivität im progressiven frühbourgeoisen Sinn, mit nüchterner Vernunft und kämpferischer Ausprägung. Der Angriff des Calvinismus galt der feudalen Reaktion, der Gegenreformation und deren staatlichen Hauptstützen, Spanien und Österreich. (Nach: Deutschland von 1476 bis 1648, Dr. Max Steinmetz, Berlin 1967) Bis auf wenige Éußerlichkeiten in der Kleidung der Hugenotten und der Katholiken ist von diesen Hintergründen in dem Film nichts zu finden. Er behandelt einen Lebensabschnitt der Marguerite von Valois (Margot) und beginnt mit ihrer Hochzeit mit dem Hugenotten Henri de Navarre, die eine Aussöhnung der Katholiken und Hugenotten bewirken sollte. Diese scheitert an der Bartholomäusnacht, in der die Hugenotten von den katholischen Gefolgsleuten des Königs zu Tausenden abgeschlachtet werden. Margot rettet in dieser Nacht einen Hugenotten und verliebt sich in ihn. Der Rest des Films behandelt dann weitgehend diese Liebesgeschichte. Leider ist die Begründung im Film für das Abschlachten der Hugenotten dürftig, es ist notwendig, das Reich zusammenzuhalten. Es gibt aber keine Hinweise auf Sezessionsabsichten der Hugenotten. Ebenso fehlt eine Begründung, woher der Haß der Katholiken auf die Hugenotten rührte. Hier wäre selbst eine wie immer geartete religiöse Erklärung besser als gar keine gewesen. Weiterhin kritisch anzumerken ist die offensichtliche Analogie zwischen der Ermordung der Hugenotten und der Vernichtung von Menschen in den Konzentrationslagern durch die Nazis, die sich für mich in dem Transport der Hugenottenleichen in Massengräber zeigte. Diese Szenen erinnerten stark an Dokumentarfilme über diese Vernichtungsart der Nazis. Meines Erachtens läßt sich die Bartholomäusnacht aber mit der industriell geplanten und durchgeführten Tötungsmaschinerie der Nazis nicht vergleichen. Hier wurde die Gunst der Stunde genutzt, die Führungselite der Hugenotten anläßlich der Hochzeit in Paris auf einen Schlag zu treffen, während die Nazis die Bedingungen dafür schufen, die gesamte jüdische Bevölkerung Europas und andere mißliebige Menschen zu deportieren und industriell zu töten. Es handelt sich im wesentlichen um einen Mantel- und Degenfilm, mit allerdings sehr schönen und schaurigen Bildern. Auffallend ist, daß selbst in den Leichenbergen bis auf wenige Ausnahmen nur junge, gutaussehende Menschen zu sehen sind. Erst beim Abspann wurde mir klar, daß ich einem Mißverständnis aufgesessen war: Der Film basiert, nach dem französischen Titel, auf dem gleichnamigen Roman von Alexandre Dumas d.É., einem Verfasser freier Bearbeitungen von Ereignissen der französischen Geschichte. -(rhw)

eit dem 1. und bis zum 22. Dezember 1994 findet in der Gedenk- und Ausbildungsstätte "Israelitische Töchterschule", Karolinenstr. 35, eine Ausstellung zum Thema "Juden im Widerstand - Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion, Berlin 1939-45" statt. Die Ausstellung ist eingebettet in ein Programm verschiedener Veranstaltungen, die unter "Termine" ausgewiesen sind. Eine Veranstaltung mit Ingrid Strobl, Historikerin, Bremen, zur "Rolle der Frauen im jüdischen Widerstand" ist angefragt. Die Ausstellung ist geöffnet von Dienstag bis Samstag von 10.00 bis 18.00 Uhr. Sie ist in einem umfangreichen Buch dokumentiert, zum Preis von 25,- DM zu erhalten bei: Schwarzmarkt, Kleiner Schäferkamp 46, oder Buchhandlung im Schanzenviertel, Schulterblatt 55. Im folgenden eine Beschreibung der drei Gruppen:

Die Gemeinschaft für Frieden und Aufbau Die "Gemeinschaft" war als bürgerliche Gruppe hauptsächlich in den Jahren 1943 und 1944 aktiv. Neben der Existenzsicherung ihrer in der Illegalität lebenden jüdischen Mitglieder war die Produktion von Flugblättern und deren Verbreitung wichtige Aufgabe der Gruppe. Weiter versuchten sie, bekannte Gestapoinformanten und zivile Denunzianten, die versteckte Juden verrieten, durch Drohbriefe einzuschüchtern. Mit viel Energie und einem tragischen Mangel an Konspirativität nahmen sie Kontakte zum kommunistischen Untergrund, zu Kriegsgefangenen und zu Wehrmachtsangehörigen, die sie für aufgeschlossen hielten, auf. Dies wurde der Gruppe, die anfangs eigene Ausweise und Mitgliederlisten herausgab (!), letztlich zum Verhängnis. Beachtenswert war der Schwerpunkt der Flugblätter, der die Judenvernichtung zugunsten einer allgemeineren Antikriegsrhetorik nicht thematisierte, obwohl Werner Schaff, als einer der Köpfe der Gruppe, aus dem KZ Theresienstadt mit dem Willen floh, die Öffentlichkeit über diese Verbrechen aufzuklären. Wahrscheinlich glaubte man nicht oder nicht mehr, daß das Schicksal der Juden in der deutschen Bevölkerung große Resonanz finden würde, und setzte auf erfolgversprechende Losungen im Sinne von "Schluß mit dem für Deutschland verhängnisvollen Krieg".

Die Gruppe Chug Chaluzzi Die jüdische Gruppe "Chug Chaluzzi" unter der Leitung des zionistischen Lehrers Jitzak Schwersenz formierte sich als illegaler Zusammenschluß 1942 und ging aus jüdischen Bildungs- und Emigrationsprojekten hervor. () Der wachsende Ausgrenzungs- und Auswanderungsdruck seitens der Nazideutschen führte zur Renaissance jüdischer Religiosität und Tradition in den überwiegend assimilierten Gemeinden Deutschlands. Im Zuge dieser Entwicklung gewann der bis dahin in Westeuropa bedeutungslose Zionismus an Ausstrahlungskraft. In ihm fanden sich die verschiedensten Gruppen und politischen Strömungen ein, viele Jugendliche, die aus ihren politischen Organisationen ausgeschlossen wurden, und unpolitische Menschen suchten Rückhalt und Kraft in dieser Bewegung. Eine linke oder linksliberale kosmopolitisch-assimilatorische Position wurde angesichts der Verfolgungsmaßnahnahmen der Nazideutschen immer unvermittelbarer. () Nachdem sich die Nazideutschen um die Jahreswende 1941/42 die Bedingungen dafür geschaffen hatten, Juden nicht nur zur Auswanderung zwingen zu können, sondern die gesamte jüdische Bevölkerung Europas deportieren und industriell töten zu können, verschärfte sich die Lage des "Chug Chaluzzi". Hoher Fahndungsdruck und Denunzianten erschwerten das Untertauchen und Überleben in der Illegalität und die Suche nach Fluchtmöglichkeiten. In der Endphase des Krieges bewaffneten sich einige der bis dahin Überlebenden, um nicht noch letzten Mordaktionen zum Opfer zu fallen. Als die Gestapo versuchte, sie im Frühjahr 45 zu verhaften, schossen sie zurück.

Antifaschistische Gruppen um Herbert und Marianne Baum Die sich über neun Jahre erstreckende Geschichte der Gruppen um Herbert Baum ist leider überwiegend im "Negativ" der Gestapoakten dokumentiert. Hierzu muß gesagt werden, daß die Beschreibungen der Gruppenstrukturen, der Verbindungen und leitenden Persönlichkeiten in einer Weise konstruiert wurden, die den Eigeninteressen des Gestapoapparats dienten. Fahndungserfolge und die Gewichtung einzelner Fälle sind vor dem Hintergrund von Beförderungswünschen, Planstellensicherung und Öffentlichkeitsarbeit des Polizeikomplexes zu betrachten, ganz so wie wir heute die Verfolgung Linksradikaler durch bundesdeutsche Behörden analysieren müssen. Entsprechend muß die Geschichtsschreibung der Gruppen um die Baums in eine menschliche Sprache übersetzt werden. In diesem Prozeß der Wiederaneignung linker Geschichte stoßen wir auf ein kompliziertes Geflecht von persönlichen-, Liebes-, Arbeits- und politischen Beziehungen der einzelnen Menschen und Gruppen. In dieser "Szene" überwiegend kommunistisch orientierter jüdischer Jugendlicher mußten in langen Auseinandersetzungen die Bedingungen geschaffen werden, politisch diskutieren zu können und bis dahin Unpolitische miteinbeziehen zu können. Die Notgemeinschaft Ausgegrenzter und Bedrängter mußte in eine politische Gemeinschaft verwandelt werden, aus der organisierter Widerstand heraus möglich war. Dies war Aufgabe erfahrener und energischer Menschen wie Herbert Baum, dessen Fähigkeiten und Verbindungen zum Widerstand im Ausland zu der zentralen Rolle beitrugen, die er spielte. Er war Schnittpunkt vieler Gruppen und Cliquen, jedoch kein "Vorsitzender". Aus den Diskussionen und Schulungskreisen heraus wurden Flugblattaktionen, nächtliches Parolenmalen und Beschaffungsaktionen geplant. Vor dem Hintergrund zunehmender Einschränkung und Gefährdung als Folgen von Nürnberger Gesetzen, Zwangsarbeit, Deportation und Vernichtung war jeder kleine Schritt mühsam und riskant. Aus der Sicherung und Versorgung der eigenen illegalen Existenz heraus wird die engere Gruppe um die Baums im Sommer 1942 schließlich offensiv: Es kommt zur umstrittenen militanten Aktion, dem Brandanschlag auf eine große Nazipropagandaaustellung über den Kriegsgegner Sowjetunion. In der Folge hebt die Gestapo umfangreiche Gruppenzusammenhänge aus und ermordet als Vergeltungsmaßnahme 500 Berliner Juden. Argumenten, die Tat haben noch schärfere Repressalien der Nazideutschen provoziert, die politische Situation für Militanz sei noch nicht reif gewesen, die Aktion sei unvorsichtig und zu opferreich gewesen, müssen eigene Fakten entgegengestellt werden. Quelle: Veranstaltungsheft, aus: CL-Netz Hamburg, gekürzt

Bericht über die Demonstration in Hamburg vom 26.11.1994 gegen das PKK-Verbot nebst einer kurzen Standortbestimmung

"Niemand versteht uns besser als Deutschland"

Ein Bündnis, bestehend unter anderem aus verschiedenen Antifas, den Freunden des kurdischen Volkes und dem PDS- Landesverband Hamburg, hatte für Sonnabend, den 26.11.94, zu einer Demonstration gegen das PKK-Verbot aufgerufen. Das Verbot ist seit einem Jahr in Kraft. Die Demonstration stand unter dem Motto "Der kurdische Befreiungskampf läßt sich nicht verbieten." Etwa 500 Menschen, vornehmlich Kurdinnen und Kurden, folgten dem Aufruf. Es war keine große Demonstration und auch nicht das, was man eine "machtvolle" Demonstration nennt. Die Menschen traten jedoch selbstbewußt und geschlossen auf. Sie wußten, das PKK-Verbot war zwar noch nicht gefallen, aber man hatte schon einiges erreicht. Dies kommt nicht überraschend. Ein Blick in die Lokalberichte vom 24.11.94 zeigt, daß das Verbot der PKK und der Kurdischen Befreiungsfront nicht zu einer Einschüchterung geführt hat. So fanden am Donnerstag, den 24.11.94, zwei Informationsveranstaltungen (Schauspielhaus und GWA) statt. Für Sonntag, den 27.11.94, war ein Dia-Vortrag über die Lage in Kurdistan im Schanzenstern angekündigt. Es zeigt sich, daß nichts vergessen ist und die Solidarität auch nicht unterdrückt werden kann. Zweifellos ist diese jetzige in die Breite gehende Solidarität zurückzuführen auf den wunderbaren Mut, aber auch die tragischen Opfer der Kurdinnen und Kurden unmittelbar nach dem Verbot, die sich insbesondere in den Autobahnblockaden in Kassel und in Bremen gezeigt haben. Da davon auszugehen ist, daß die Solidaritätsarbeit sich vertieft und verbreitet, auf der anderen Seite aber genauso sicher ist, daß der Staatsapparat die Linie der Unterdrückung gleichfalls vertieft und verbreitet, erscheint es nützlich, eine kurze Standortbestimmung, die auch in der Schlußrede auftauchte, vorzunehmen.

"Niemand versteht uns besser als Deutschland" sagt der türkische Außenminister Soysal am 22.11.94 in Ankara, kurz vor seinem Abflug nach Deutschland. Mit dem Verbot der PKK sei die Bundesregierung richtungsweisend gewesen. Jetzt gehe es darum, die Finanzquellen der kurdischen Terroristen in Mitteleuropa auszutrocknen (FAZ vom 23.11.94). Soysal, nachdem er dieses Lob der Bundesrepublik Deutschland gezollt hat, kommt dann auf das Wesentliche und Tragende der deutsch-türkischen Beziehungen zu sprechen: Die Bundesrepublik, als wichtigster Handelspartner der türkischen Republik, solle besondere Bemühungen entfalten, um die EG-Integration der Türkei zu beschleunigen. Unter diesem Vorzeichen äußerte sich auch der deutsch-türkische Kooperationsrat. Der offen eingestandene Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Kooperation und politischer Unterdrückung zeigt besser als 1000 theoretische Abtungen, daß das PKK-Verbot dem einzigen Zwekke diente, die Rahmenbegungen für die Expansion des Kapitals sicherzustellen. Die Verbotsverfügung vom 22.11.94 beruft sich hierauf mit ganz erstaunlicher Offenheit, wenn nicht gar in blinder Arroganz. Es heißt dort: Die deutsche Außenpolitik und die Außenpolitik der gesamten westlichen Welt tritt für diese Integrität eines wichtigen Nato-, WEU- und Europaratspartners im Interesse des Friedens in der gesamten Region ein. Eine weitere Duldung der PKK-Aktivitäten in Deutschland wird die deutsche Außenpolitik unglaubwürdig machen und das Vertrauen eines wichtigen Bündnispartners, auf das Wert gelegt wird, untergraben. Darüber hinaus werden dadurch diejenigen Kräfte in der Türkei gestärkt, die die Bindung an Europa und die westliche Welt lokkern wollen." Das außenpolitische Kalkül war für das PKK-Verbot entscheidend. Vordem setzte die Bundesregierung auf die Waffe der terroristischen Vereinigungen gemäß Par. 129a StGB. Die in der Bundesrepublik nach ihrer Ansicht befindliche Teilorganisation der PKK sollte als terroristische Vereinigung ausgemacht und damit einer praktisch umfassenden Verfolgung anheimgestellt werden. Der durch Anklageschrift vom 20.10.88 vor dem OLG Düsseldorf eingeleitete Prozeß gegen 20 Kurdinnen und Kurden brachte jedoch nicht das gewünschte Ergebnis. Das Gericht traf nicht die Feststellung, daß die PKK als solche als terroristische Vereinigung anzusehen sei. Lediglich eine, zum Zeitpunkt der mündlichen Urteilsverkündung im übrigen schon nicht mehr bestehende Unterabteilung der PKK nannte es terroristisch. Es war demgemäß nicht gelungen, der PKK als solcher politischen Charakter abzusprechen und ihre Mitglieder als kriminell zu qualifizieren. Nur nebenbei sei erwähnt, daß auch im Zuge der KPD- Rechtsprechung sich der Bundesgerichtshof zunächst nur darauf verstand, den Funktionärskörper der KPD als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen, bis er später zur breiten Kriminalisierung über die Konstruktion der Kommunistischen Gesamtorganisation griff. Auch der kleine PKK-Prozeß vor dem OLG Celle brachte nicht das gewünschte Ergebnis. Der Vorwurf der terroristischen Vereinigung wurde dort im Laufe des Verfahrens fallengelassen. Es spricht einiges dafür, daß mit Hilfe des Vereinsverbotes, das ja die Partei als solche im politischen Leben ausschaltet, die unbefriedigenden Ergebnisse aus dem Terrorismusverfahren korrigiert werden sollten. Die Legitition des verwaltungsrechtlichen Verbots dürfte aber nicht das Gewicht haben, das der juristischen Qualifikation als terroristischer Vereinigung zukommt. Schon aus diesem Grunde und weil die Kämpfe in Kurdistan sich zuspitzen und die Wünsche des türkischen Partners immer drastischer werden, wird offensichtlich weiterhin auch auf die Karte der terroristischen Vereinigung gesetzt. Es sollen wegen Verdachts gemäß Par. 129a StGB in Stuttgart-Stammheim eine Kurdin und in Köln ein Kurde einsitzen. Auch die vor einigen Wochen in London vollzogene Festnahme des Europasprechers der Befreiungsfront, Kani Yilmaz, soll nach sicheren Berichten, die allerdings noch einer offiziellen Bestätigung harren, auf einem Auslieferungsersuchen der Bundesrepublik beruhen. Grund: Mitglied in einer terroristischen Vereinigung. Die Zwischenbilanz ist demgemäß nicht eindeutig. Die Verfahren greifen aufgrund der öffentlichen Solidarität nicht kompromißlos durch. Hinzukommt, daß durch Beschluß vom 6.7.94 das Bundesverwaltungsgericht das vorläufige Verbot gegen die kurdischen Vereine, die unter der Feyka zusammengefaßt sind, aufgehoben hat (juristisch: Die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt hat). Obwohl die Entscheidung aufgrund der auf den ersten Blick eher formalen Argumentation erfolgte, die unter dem Dach der Feyka versammelten Vereine stellten keine Teilorganisation der PKK dar, ist doch eine sachliche Schlußfolgerung nicht zu übersehen: In der Sache wird anerkannt, daß die Solidarität der kurdischen Vereine mit dem Befreiungskampf auf Freiwilligkeit und innerer Überzeugung beruht und nicht auf organisatorischem Zwang. Wenn unter diesen Umständen für die weitere Solidaritätsarbeit aber eine Einschätzung gewagt werden kann, so sicherlich diese, daß sich zwar nicht Erfolg oder Mißerfolg des kurdischen Befreiungskampfes, sicherlich aber Erfolg oder Mißerfolg der Unterstützungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich anhand der Terrorismusfrage entscheiden. Innenpolitisch entscheidet sich anhand dieser Frage, ob die PKK letztendlich als terroristische Vereinigung angesehen wird oder nicht. Außenpolitisch entscheidet sich anhand dieser Frage, ob die PKK völkerrechtlich als antikoloniale Befreiungsbewegung anerkannt wird oder nicht. Was die innenpolitische Debatte anbelangt, so liegen über die Art und Weise, wie diese Debatte von den demokratischen Kräften - mehr als dieser gebraucht es hier nicht, denn es ist eine Demokratiefrage - geführt werden muß, schon jahrzehntelange Erfahrungen vor. Die entscheidende Stoßrichtung ist die, daß die sogenannten Terrorismusverfahren nicht der Unterdrükkung vorgeblicher Gewalt dienen, sondern der Unterdrükkung des freien Wortes, sei es gesprochen oder geschrieben. Praktisch alle Verfahren richten sich gegen mündliche oder schriftliche Meinungsäußerungen. Meinungsäußerungen, die aus der Sicht des Staatsapparates eine "finale Konvergenz" zum Terrorismus aufweisen. Eine erneute Gesetzesinitiative, wie die von der Bundestagsfraktion "Die Grünen" in der vorletzten Legislaturperiode angestrengte, zur Abschaffung des code terroriste wäre ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Menschen aus der Kurdensolidarität könnten einem solchen Vorhaben ein neues, zusätzliches Gewicht verleihen. Im Bereich des Éußeren hat die Debatte, ob die PKK eine völkerrechtlich legitime Befreiungsbewegung oder eine terroristische Organisation darstellt, in neuerer Zeit nachhaltigen Auftrieb erhalten. Der Hamburger Völkerrechtler Norman Paech hat in einer auschen fachkundigen Abhandlung die Argumente zusammengefaßt und kommt zu dem folgenden Ergebnis: Zieht man alle diese Informationen und Berichte unvoreingenommen in Betracht, so ist als Ergebnis festzuhalten, daß der türkisch-kurdische Krieg in Südostanatolien ein internationaler Konflikt im Sinne des Art. 1 des Protokolls I ist. In ihm kämpft die PKK als legitime Vertreterin des kurdischen Volkes um die Gewährung des Selbstbestimmungsrechts und die Einhaltung der Menschenrechte. Abgesehen von völkerrechtswidrigen Angriffen auf Zivilpersonen und zivile Objekte ist ihr Kampf gegen das türkische Militä völkerrechtlich gerechtfertigt. Sie ist dementsprechend weder eine terrostische Vereinigung, noch verstößt ihr Kampf gegen den Gedanken der Völkerverständigung". Wer sich mit der Entstehungsgeschichte völkerrechtlicher Thesen befaßt, weiß, daß diese Thesen erst entstehen, wenn die Wirklichkeit sie aufdrängt. Der nachhaltige, mit so ungeheuren Opfern und Anstrengungen erbrachte Widerstand des kurdischen Volkes drängt zu seiner völkerrechtlichen Anerkennung. Die Diskussion wird an Bedeutung gewinnen, und der nächste praktische Schritt sollte sein, der kurdischen Befreiungsfront einen Beobachterstatus bei der UNO zu ermöglichen.

(Für die, die ihre Terminkalender zur Hand haben: Am 17./18.2.95 wollen wir uns in den Räumen der Evangelischen Akademie im Rahmen eines internationalen Sympiumus zum Thema "Internationale Kolonie Kurdistan" über diese Fragen unterhalten.) Josef M.

Hamburg: Solidaritätsaktion

gegen die Enteignung der PDS

Was die Diffamierungskampagne ("Rotlackierte Faschisten"), die Stasi- Vorwürfe gegen Gregor Gysi kurz vor der Bundestagswahl und gegen Stefan Heym vor seiner Antrittsrede als Alterspräsident des Bundestages nicht vermochten, soll nun mittels des Finanzamtes versucht werden: Die PDS soll als wichtige parlamentarische und politische Oppositionskraft mundtot gemacht werden. Gegen sie soll eine Steuerforderung von 67 Mio. DM vollstreckt werden, deren Rechtmäßigkeit sogar zwischen den beteiligten staatlichen Institutionen strittig ist. Es geht dabei um eine Forderung, die sich auf ein Vermögen bezieht, das der PDS längst entzogen ist und das von der Treuhand verwaltet wird. Die Treuhandanstalt wäre zwar bereit, die Steuerforderung aus diesem Vermögen zu begleichen, doch die "Unabhängige Kommission", die das Vermögen der ehemaligen Massenorganisationen der DDR kontrolliert, lehnt das ab. Sie bestreitet zwar die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheides, befürchtet aber, daß sich der Bundesfinanzminister einen Teil des Vermögens aneignet, das für soziale und kulturelle Zwecke in den östlichen Bundesländern eingesetzt werden soll. Daß nun diese Forderung ausgerechnet bei der PDS vollstreckt werden soll und aus der ihr gesetzlich zustehenden Wahlkampfkostenerstattung über drei Mio. DM bereits eingezogen sind, macht nur dann einen Sinn, wenn man sie aus der Politik verdrängen will. Da die PDS, nachdem sie bereits 1990 um die Wahlkampfkostenrückerstattung geprellt worden war, für den Wahlkampf 1994 Kredite in Höhe von 4,5 Mio. DM aufnehmen mußte, weitere 1,5 Mio. DM in Form offener Rechnungen beglichen werden müssen, eigene Vermögenswerte aber nicht existieren bzw. zugänglich sind, führt dieser finanzpolitische Taschenspielertrick dazu, die Partei in Zahlungsschwierigkeiten zu bringen, ihre politische Handlungsfähigkeit erheblich einzuschränken. Manche sprechen gar von einem drohenden Konkurs der PDS. Dergleichen, nämlich sozialistische Politik mundtot zu machen, hat in Deutschland eine traurige Tradition: von den sogenannten Sozialistengesetzen Bismarcks über das Verbot der KPD 1956, die Praxis der Berufsverbote bis hin zu den durchsichtigen Kampagnen gegen führende VertreterInnen der PDS vor der Bundestagswahl und danach. In Hamburg hat die PDS 22000 Stimmen bei den Bundestagswahlen am 16.10.94 erhalten. Mit der Konfiszierung von 3,1 Mio. DM, mit der Androhung weiterer Zwangsmaßnahmen soll auch die Arbeit der PDS in den alten Bundesländern behindert, wenn nicht gar unmöglich gemacht werden. Auch die Mitglieder und SympathisantInnen der PDS/Linke Liste in Hamburg, ihre Wählerinnen und Wähler sollen um berechtigte finanzielle Ansprüche betrogen werden. Auch unsere Kassen wurden durch den Wahlkampf erheblich belastet, auch in Hamburg existieren Verbindlichkeiten aus dem Wahlkampf. Aber die Finanzgerichte stellen das Parteiengesetz auf den Kopf. Wir protestieren gegen dieses Vorgehen und fordern die Finanzbehörden, die politisch Verantwortlichen auf, die Steuerbescheide sofort zurückzuziehen. Wir fordern die sofortige Rückübereignung des geraubten Geldes! Wir bitten um Spenden für den politischen Aktionsfonds der PDS/Linke Li ste! Wir bitten alle Demokratinnen und Demokraten Hamburgs um Unterstützung und Solidarität! Beteiligt Euch an der Verteilung der INFO-Zeitung am kommenden Wochenende! Nehmt teil an der Kundgebung in Hamburg und an der bundesweiten Protestkundgebung am 10.12.94, 11 Uhr auf dem Rosa-Luxemburg- Platz in Berlin! Andreas Grünwald, Landesgeschäftsführer der PDS/Linke Liste Hamburg

Spenden können eingezahlt werden auf das Konto: PDS/Linke Liste Hamburg, Haspa, BLZ 20050550, K-Nr. 1269/120158. Stichwort: Solidarität. Die eingegangenen Spenden fließen in unseren Aktionsfonds für 1995.

DKP HH solidarisch

In einer Presseerklärung vom 3.12.94 verurteilt der Hamburger DKPBezirksvorstand die Entscheidung der Berliner Finanzbehörden: "Welche und wessen politischen Interessen hier auf schamlose Weise durchgesetzt werden sollen, ist offensichtlicher, als den Betreibern lieb sein kann. Trotz massiver Versuche, die PDS während der Wahlkämpfe des Superwahljahres 1994 mit StasiDiffamierungen und ähnlichen Maßnahmen zu diskreditieren, erlangte die PDS außerordentliche Wahlerfolge. () Der Versuch, nun die PDS in den finanziellen Konkurs zu treiben, ist eindeutig politisch motiviert. Er erinnert uns nur zu deutlich an unsere eigene politische Geschichte, an den Versuch, im Nachkriegsdeutschland jedes Erstarken der kommunistischen Bewegung von vornherein zu unterdrücken, die letzlich im Verbot und der Enteignung der KPD 1956 gipfelten. Der damals nach wie vor herrschende Antikommunismus setzt heute seine Tradition fort, nur im anderen, nämlich schein-legalem Gewand der Erteilung von Steuerbescheiden. Wir verurteilen aufs Schärfste dieses Vorgehen, deklarieren es als das, was es ist, nämlich der Versuch, die einzige für die Herrschenden bedrohliche parlamentarische Kraft in diesem Lande auszuschalten und zu kriminalisieren, sind uns aber gewiß der Einsicht und Weitsicht der Bevölkerung, diesen Versuch auch zu erkennen. Die bisher gelaufenen Protestaktionen zeigen deutlich, daß dieser >Schuß nach hinten losgehen< wird. () Wir erklären unsere Solidarität mit den Mitgliedern der PDS, insbesondere mit den sich im Hungerstreik befindenden Genossen, und gleichzeitig unsere Unterstützung im Kampf gegen diesen weiteren Versuch des Abbaus demokratischer Rechte in der BRD."

In dieser Ausgabe u.a.:

Bambule muß bleiben Zwei Jahre Haft für Worch Umwandlung der Krankenhäuser Umstrukturierung der Uni Filmkritik: Die Bartholomäusnacht Ausstellung: Juden im Widerstand "Keiner versteht uns besser als Deutschland" Hamburg: Solidaritätsaktion gegen die Enteignung der PDS

Irmgard Möller nach über 22 Jahren frei Am 1. Dezember wurde Irmgard Möller entlassen. Über 22 Jahre, so lange wie keine andere Frau in der BRD, hat sie im Gefängnis verbracht, die meiste Zeit unter Sonderhaftbedingungen, die die ohnehin zerstörerische Wirkung langer Haft ins Extreme steigern. Die maßlos lange Gefangenschaft Irmgard Möllers ist eine irreversible Tatsache. Aber der staatliche Versuch, an den Gefangenen aus der RAF durch Mißbrauch der Psychiatrie die Todesstrafe auf Raten zu vollstrecken, ist, wenn auch noch lange nicht gescheitert, so doch in diesem außerordentlich wichtigen Fall zurückgeschlagen, in allererster Linie durch die mutige Selbstbehauptung von Irmgard Möller und den anderen Gefangenen aus der RAF. Die Absicht, die Freilassung von persönlicher Beteiligung an einem psychiatrischen Gutachten, d.h. an der totalen politischen Entmündigung abhängig zu machen, war schließlich nicht mehr haltbar. Die Bedingungen, die Freilassung auch der anderen zu lebenslanger Haft verurteilten Gefangenen aus der RAF zu erreichen, sind durch die erkämpfte Freilassung von Irmgard Möller deutlich verbessert. Gegen die Freilassung der Gefangenen, die länger als 15 Jahre inhaftiert sind - Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Lutz Taufer (19 Jahre), Knut Folkerts (17 Jahre), Stefan Wisniewski, Christine Kuby (16 Jahre), Rolf-Clemens Wagner, Rolf Heissler (15 Jahre) - können die Verantwortlichen rechtliche Gründe nicht geltend machen! Die politische Legitimation für die weitere Vollstreckung der Haft ist geschwächt, ihr kann, ihr muß der Boden entzogen werden. Ganz aktuell gilt es jetzt zu verhindern, daß Christine Kuby, deren Haft für eine seit langem dringend notwendige, schwere Operation und eine anschließende Rehabilitation nur unterbrochen wurde, wieder zurück ins Gefängnis muß. -(scc)

Siehe dazu auch Artikel auf Seite 2

K U N D G E B U N G gegen die Enteignung der PDS Wir lassen uns nicht rausSteuern!

Freitag, 9.12.94, 16 Uhr Mönckebergstr., Höhe Mönckebrunnen

Es spricht: Ulla Jelpke, MdB (angefragt)

Ab 15.00 Uhr findet ein Info-Stand statt. Anschließend: vielfältige Aktionen

Siehe auch die letzte Seite

Kirchliche Beobachter fordern:

Weitere RAF

Häftlinge entlassen

In einer am Dienstag (29.11.) veröffentlichten Erklärung nennen die kirchlichen Beobachter des Hogefeld- Prozesses die Entlassung der seit über 22 Jahren einsitzenden Irmgard Möller (47) "längst überfällig". Wenn man die Konfrontation zwischen der RAF und dem Staat weiter abbauen wolle, müsse auch die Entlassung von Karl- Heinz Dellwo, Lutz Taufer, Knut Folkerts, Hanna Krabbe, Stefan Wisniewski und Christine Kuby "vorwärtsgetrieben" werden. Die Genannten hätten ebenfalls die Mindesthaftdauer weit überschritten Weitere Gewalttaten seien von ihnen nicht zu erwarten. Kuby sei zudem schwer erkrankt. Unterzeichnet ist die Erklärung von der Vizepräsidentin der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, Gisela Wiese, vom Vorstandsmitglied des Komitees für Grundrechte und Demokratie, Pfarrer Hubertus Janssen, und von Hanno Heil, Persönlicher Referent des Limburger Bischofs Franz Kamphaus. Vom Prozeß gegen Hogefeld erwarten die Unterzeichner, "daß die Vorgänge in Bad Kleinen, die Teil der Anklage gegen Frau Hogefeld sind, restlos aufgeklärt werden". Schwer nachvollziehbar sei, "daß die Umstände des Todes von Wolfgang Grams, bei dem sogar Polizeibeamte als Zeugen zugegen waren, bis heute viele Fragen aufwerfen", heißt es in der Erklärung. ()

"Gewaltloser Kampf" Die beste Vorbeugung gegen neuen Terror bestehe nicht in Hochsicherheitstrakten und Polizeimaßnahmen, sondern in einem von vielen Bürgern getragenen gewaltlosen, aber radikalen Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wird in der Erklärung der kirchlichen Beobachter des Hogefeld- Prozesses betont. Sie schreiben wörtlich: "Frau Hogefeld wird vielfach als Terroristin bezeichnet. Auch wir verurteilen Terror und Gewaltakte. Aber wir wehren uns strikt gegen die Stigmatisierung von Menschen als Mörder, Verbrecher oder Terroristen." Solche Bezeichnungen erschwerten einen Neuanfang, von dem gerade in der Erklärung Hogefelds zu Beginn ihres Prozesses vor dem Frankfurter Oberlandesgericht an mehreren Stellen die Rede gewesen sei und den auch ein Strafprozeß letztlich ermöglichen solle. Im übrigen müsse auch hier im Sinne eines rechtsstaatlichen Verfahrens in der Öffentlichkeit zunächst die Unschuldsvermutung gelten. -(Meldung der KNA)

Eine Informationsveranstaltung mit Menschen aus der Türkei

West-Türkei - Fluchtalternative oder Verfolgungsort

Auf der letzten Konferenz der Innenminister wurde keine Einigung über die bundesweite Verlängerung des Abschiebestopps für Flüchtlinge aus Türkei/Kurdistan erzielt. Die ablehnende Haltung gegenüber einer bundesweiten Regelung wird damit begründet, daß es für die Kurden auch im Westen der Türkei ausreichende Zufluchtsmöglichkeiten gäbe. Somit wird die Ausländerbehörde, wenn der halbherzig für Hamburg beschlossene Abschiebestopp Ende November abläuft, Flüchtlinge, die kein Asyl erhalten haben, in die Türkei abschieben. Demgegenüber erklärte der nordrhein-westfälische Innenminister Schnoor (SPD), daß ungeklärt sei, wie die türkischen Behörden mit abgeschobenen Kurden umgingen. Deshalb werde das Land Nordrhein-Westfalen eine Expertengruppe in die Türkei entsenden, um das Schicksal der abgeschobenen Kurden zu eruieren. Eine ausgezeichnete Informationsmöglichkeit hätten Herr Schnoor und die anderen Innenmimister und -senatoren wie Herr Wrocklage auf der bundesweit stattfindenden Informationswoche vom 9. bis 17. Dezember 1994 zur Situation der Menschenrechte in der Türkei und Türkei/Kurdistan und den sozialen und politischen Lebensbedingungen. Es wurde dazu eine Reihe von VertreterInnen von Gewerkschaften, Menschenrechtsvereinen und Presse eingeladen, die aus erster Hand Bericht erstatten. Alle interessierten Menschen sind herzlich eingeladen, sich selbst ein Bild zu machen und Fragen zu stellen an: Rechtsanwältin Cevriye Aydin, Mitbegründerin und Vorstandsmitglied des Menschenrechtsvereines (IHD) Istanbul Vijdan Baykara, Vorsitzender der Gewerkschaft für öffentliche Dienste, Istanbul Davut Bozkan, Vertreter der Druck- und Papier-Gewerkschaft Ihsan Caralan, Journalist, Mitglied des zeitgenössischen Journalistenverbandes und Redakteur des Wochenmagazins Gercek Yusaf Kaya, Kreisvorsitzender der Gewerkschaft der Angestellten im Finanzwesen in Tunceli (Dersim) Sabri Topcu, Vorsitzender der Transportgewerkschaft und Sprecher der Gewerkschaftsplattform Istanbul

Donnerstag, 15. Dezember, 19.00 Uhr in der Evangelischen Akademie, Esplanade 15 Die Veranstaltung wird unterstützt von: Bündnis Menschenrechte in Türkei/Kurdistan und weiteren Organisationen und Personen

Ausstellung vom 1. bis 22. Dezember 1994

JUDEN IM WIDERSTAND

Drei Gruppen zwischen Überlebenskampf und politischer Aktion, Berlin 1939-45

Gedenk- und Ausbildungsstätte "Israelitische Töchterschule", Karolinenstr. 35

Dienstag bis Samstag, 10.00 bis 18.00 Uhr

000®In eigener Sache Wir haben uns schweren Herzens entschlossen, die Abo-Preise für die Lokalberichte anzuheben. Trotz der günstigen Entwicklung der Abozahlen - die Auflage beträgt inzwischen knapp 700 mit steigender Tendenz - und trotz regelmäßiger Zuschüsse von Herausgebern beläuft sich das Defizit je Ausgabe gegenwärtig auf mindestens 600 DM. Ursachen für diese Erhöhung - die letzte fand zum 1.1.93 statt - sind der erweiterte Umfang von früher durchschnittlich 8 Seiten auf jetzt zuallermeist 12 Seiten, Preiserhöhungen von ca. 25% beim Papier allein seit Sommer 94, mehrfache drastische Anhebungen der Porto- Gebühren in 1994 und zu Beginn 1995 (inzwischen je Heft über 50 Pfennig plus eine einmaligen Gebühr von 250 DM/Jahr). Die "harten" Kosten für die Lokalberichte betragen Druckvorstufe 917,82 Druck/Weiterverarbeitung 280,81 Aboverwaltung/Versand 495,61 Der Summe der Kosten von 1694,24 DM stehen Abo-Einnahmen von ca. 710,- DM und ein Zuschuß von 369,23 DM je Ausgabe gegenüber. Auf der letzten Sitzung der Redaktion wurde auf Vorschlag des Verlags deshalb beschlossen, die Jahres-Abopreise (26 Ausgaben) ab 1.1.95 wie folgt zu gestalten: Förderabo 65 DM Normalabo 52 DM Abo für Einkommenslose 26 DM Zusätzlich wurde beschlossen, zusätzlich ein "ermäßigtes Abo" für 39 DM/ Jahr einzuführen. Wir weisen alle Abonnentinnen und Abonnenten, die die Erhöhung auf 52 DM nicht tragen können, die Lokalberichte aber weiter abonnieren wollen, darauf hin, daß sie die Möglichkeit des erten Abos wahrnehmen können. Eine Mitteilung an uns genügt! (Wer per Lastschrift bezahlt, benachrichtige uns in diesem Falle bitte innerhalb von 14 Tagen, damit nicht ein zu hoher Betrag abgebucht wird.) Gleichzeitig bitten wir alle Abonnentinnen und Abonnenten, zu prüfen, ob sie ihr Abo nicht in ein Förderabo verdeln können. Denn selbst im günstigsten Fall schließt die Preiserhöhung die Deckungslücke um nicht mehr als 250 bis 300 DM/Ausgabe. Neben der Preiserhöhung bemühen wir uns um Senkung der Herstellungskosten, Einsparungen bei Freiabos, Zuse der Herausgeber usw. Außerdem wollen wir zu Beginn 1995 zu einer Spendensammlung aufrufen. Für Redaktion und Verlag: Christiane Schneider

Lokalberichte HamburgNr. 25/1994, 8. Dezember 1994 Herausgeberkreis: Alternative Liste, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen, Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Arbeitskreis Azania, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Hochschul- Antifa, Liste Links, Mitglieder der PDS/Linken Liste Hamburg, Vereinigte Sozialistische Partei, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Redaktionstreffen: Donnerstag, 15.Dezember, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo ab 1.1.95: 52,- DM (Förderabo: 65,- ermäßigtes Abo 39,-, für Leute ohne Einkommen 26,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ 20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH