Wo die Sozis sparen

Sozialmieter zahlen

7,5 Mio. DM mehr

Die öffentlichen Haushalte geraten zunehmend unter Druck. Sparen heißt deshalb die Devise. Fragt sich nur, wo. Ein Musterbeispiel für eine "soziale" Schwerpunktsetzung hat der Hamburger Senat mit seinen Haushaltsbeschlüssen abgeliefert. Noch im April hatte der neue Finanzsenator Runde vollmundig und werbewirksam die "soziale Schwerpunktsetzung" der Sparbeschlüsse erläutert. Auf Mittelkürzungen bei der Schaffung von Kindertagesheimen, beim Wohnungsbau, der Armutsbekämpfung und der Arbeitsmarktpolitik sollte weitgehend verzichtet werden. Was sich auf den ersten Blick ganz gut anhört, erweist sich bei genauerem Hinsehen allerdings als Mogelpackung. Durch einen Haushaltstrick werden die sozial Schwachen dieser Stadt doch ganz gehörig zur Kasse gebeten. Die bisher gewährte Nachsubventionierung der Mieten plus Nebenkosten (Brutto- Kalt-Miete) wird umgestellt auf eine nun reduzierte Netto-Kalt-Miete (ohne Nebenkosten). Die Folge davon ist, daß die Mieter in Zukunft die Nebenkosten wie Wasser, Sielgebühren, Fahrstuhl, Treppenhaus usw. selbst tragen müssen. Betroffen sind davon ca. 27000 Sozialwohnungen, die bislang vom Senat subventioniert wurden. Bis zu 2,- DM/qm mehr muß in Zukunft bezahlt werden, bis zu einer Höhe von 170,- DM/Monat. Der Senat will mit dieser Maßnahme 7,5 Mio. DM im Jahr einsparen. Für Menschen in Stadtteilen wie Steilshoop und Mümmelmannsberg können diese Erhöhungen den Abstieg in die Armut bedeuten. Es gibt dort viele Familien, deren Einkommen nur etwas über 2000 DM netto im Monat liegt. Durch die Streichung eines Teils der Subventionen klettert nun der Mietanteil am verfügbaren Einkommen auf deutlich über 50 Prozent. Die Mieterhöhungen lassen sich nur in wenigen Ausnahmefällen und dann nur in ganz geringem Umfang durch Wohngeldzahlungen ausgleichen. Großzügiger wird dagegen mit der Wirtschaftsbehörde verfahren. Der Hafen bekommt lediglich 800000 DM weniger für Werbung und Verkaufsförderung. Der neue Wirtschaftssenator Rittershaus gab im Juli bekannt, daß für den Hafenausbau 1994 ein Finanzvolumen von 244 Mio. DM vorgesehen ist und weitere 472 Mio. DM an Verpflichtungsermächtigungen. Beim Vergleich dieser beiden Haushaltstitel wird deutlich, wo die in Hamburg regierenden Sozialdemokraten ihre politische Schwerpunktsetzung sehen. Sie unterscheiden sich nur noch in Nuancen von den Regierungsparteien in Bonn. Aber kampflos wollen die Steilshooper Mieter diese Erhöhungen nicht hinnehmen. Am 12.7.94 fand eine Demonstration gegen die Streichung der Nachsubventionierung statt. Mit Hilfe des "Mietervereins zu Hamburg" schreiben viele Betroffene ihre jeweiligen Genossenschaften an und fordern eine Stundung der Erhöhungen, bis zum September. Dann soll ein Gespräch mit Bausenator Wagner stattfinden, bei dem noch einmal versucht werden soll, die Haushaltsbeschlüsse zurückzunehmen. (Bernt Kamin)

Staatsschutz beseitigt Dokumente

Broschüre BRD-RAF

beschlagnahmt

Auf Weisung der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft haben am 10.8. Beamte der Polizei Köln und des LKA Düsseldorf sämtliche im GNN-Verlag erreichbaren Exemplare der Dokumentation "BRD - RAF" beschlagnahmt.

Die Beschlagnahme geht zurück auf das 19. Verfahren, das die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe seit 1989 gegen GNN-Verlage eingeleitet hat, diesmal gegen den Kölner GNN-Verlag, in dem die Broschüre erschien, und mit dem Vorwurf der "Werbung für eine terroristische Vereinigung" (@129a). Auch wenn wir nahezu alle Verfahren bisher durch Einstellung oder Freispruch gewonnen haben, das 18. wurde gerade eingestellt, wird ganz offensichtlich, daß die BAW bestrebt ist, einen Verlag zu verfolgen und zu unterdrücken, der gerade das Verhalten dieser Behörde gegenüber den Gefangenen aus der RAF immer wieder kritisiert hat. Die beschlagnahmte Broschüre ist seit Ende 1987 im Buchhandel, im ISBN, an Hunderte von Buchhändlern im In- und Ausland verschickt, sie steht in Universitätsbibliotheken und z.B. auch in den Öffentlichen Bücherhallen. Sie wurde inzwischen zum Standardwerk, zur einzigen Quelle, die Interessierten die wesentlichen Texte sowohl der RAF wie auch der Bundesrepublik Deutschland in diesem Konflikt zugänglich macht. Diese Quelle soll wohl verschüttet werden. Als ein wesentlicher Grund für die Beschlagnahme zu diesem Zeitpunkt ist die Auseinandersetzung um die Freilassung von Irmgard Möller, seit über 22 Jahren inhaftiert, und anderen Gefangenen aus der RAF zu sehen. In diesem Konflikt weigern sich die Gefangenen aus der RAF aus politisch bedeutsamen und unterstützenswerten Gründen, sich einem willkürlich abverlangten psychiatrischen Gutachten zu unterziehen. Politik und Justiz versuchen in diesem Konflikt, indem sie die Psychiatrie für politische Zwecke mißbrauchen, die Gefangenen aus der RAF, von deren politischen Zielen, Motiven, Überlegungen nichts bleiben soll, als Ausdruck von "Persönlichkeitsverformung", als abartig, krankhaft, ja verseucht abzustempeln. Wer sich dem psychiatrischen Gutachten und damit der Kennzeichnung als pathologische Verfehlung des menschlichen Geschlechts nicht unterwirft, soll nie mehr freikommen. Einer solchen maßlosen Verfolgung steht entgegen, daß die politischen Dokumente der RAF öffentlich sind, daß sich alle, die das wollen, mit den politischen Zielen und Überlegungen der RAF auseinandersetzen können. Deshalb sollen sie verschwinden. "Verschwinden" lassen will die Bundesanwaltschaft aber auch die Dokumente, die an die Entfesselung der staatlichen Exekutive erinnern, die den staatlichen Terror im Zuge der "Terroristenfahndung und -verfolgung" begründen, die Todesschüsse, die Maschinenpistolen an jeder Straßenecke, die exzessive Hatz auf alle, die der Sympathie verdächtigt wurden, die "Terroristen"gesetze, das "Celler Loch", die menschenverachtende und grausame Behandlung der Gefangenen, die Drohungen mit der Tötung von Geiseln, die unter staatlicher Verfügungsgewalt ums Leben Gekommenen, all die staatlichen Maßnahmen am Rande und außerhalb der Legalität. Der GNNVerlag wird sich mit allen Mitteln gegen den neuerlichen eklatanten Verstoß gegen die Presse- und Meinungsfreiheit wehren. Dabei ist uns jede Unterstützung wichtig. (Christiane Schneider, GNN-Verlag)

"Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" fand nicht statt

Schlappe für

Neonazis

In diesem Jahr machte der Staatsapparat erstmals ernst mit dem Verbot der Neonazi-Aktivitäten zum "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch". Nazi- Treffen oder Anfahrten kleinerer Fascho-Gruppen zu Treffpunkten wurden weitgehend beendet und Nazis vorübergehend festgenommen.

Die Süd- und Westdeutschen wichen mit Umwegen nach Luxemburg aus, wurden dort aber ebenfalls von der Polizei gestoppt. Es ist hier nicht der Ort, das alles genau darzustellen. Es bleibt nur festzuhalten, daß die Nazis trotz monatelanger Vorbereitungen am 13.8. nchts hingekriegt haben. Vorausgesetzt, das bleibt in der folgenden Woche und v.a. am 20.8. auch so, ist das eine erhebliche Niederlage für die bundesdeutsche NS-Szene, die nicht ohne Auswirkungen auf ihre Strukturen bleiben wird. Zum anderen kann dieser Staat sich ein Auftreten der offenen Faschisten derzeit nicht leisten. Er hat mit massivem Vorgehen die Zusammenrottungen unterbunden. Das war vorher nicht unbedingt zu erwarten. An diesem Wochenende waren aber auch viele AntifaschistInnen aktiv.

Demo gegen Jürgen Rieger Wie in den letzten Lokalberichten angekündigt, fand am Freitag, 12.8., eine Demonstration zur Anwaltskanzlei des Nazi-Funktionärs Jürgen Rieger in Blankenese statt. An der Demo nahmen 500 bis 600 AntifaschistInnen, überwiegend aus dem autonomen Spektrum, teil. Angesichts der Urlaubszeit und der kurzen Mobilisierung ist das eine erfreuliche Anzahl. Die Route konnte nicht bis vor Riegers Anwesen führen. Ein Polizeiverbot wurde gerichtlich bestätigt (s. Kasten). Vor Ort ließen 3 Hundertschaften Polizei auch keinen Gedanken an Mißachtung der Auflage aufkommen. Wieder einmal schützten Polizisten Nazis unter Bruch des Demonstrationsrechtes. Rieger selbst ließ sein Haus durch 20 Nazis "schützen", darunter Christian Worch (Nationale Liste) und Andre Goertz (FAP). Während der Demo wurden viele Flugblätter mit Informationen über Rieger verteilt. Die Presse berichtete zwar wenig, aber überwiegend korrekt. Die Demo sollte dazu beitragen, Rieger mehr bekannt zu mchen als eine der zentralen Figuren im Nazi-Netz. Das ist ganz gut gelungen.

Sa, 13.8. An diesem Tag sollte eigentlich der Marsch stattfinden. Nazis hatten Kundgebungen bundesweit angemeldet. Alle waren verboten worden; in Stuttgart und Heilbronn erst letztinstanzlich. Dort hatte die NPD angemeldet. Ansonsten sind die organisatorischen Träger dieses Jahr erneut die FAP und die Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF) gewesen. Die Ausbeute der Nazis war mau: Die süd- und westdeutschen Nazis wurden nach kurzer Randale in Luxemburg festgenommen, die ostdeutschen tauchten kurz in Halle auf, die norddeutschen erschienen erst gar nicht auf der Bildfläche. Etwa 100 wurden von der Polizei bei der Anreise oder wie in Berlin bei dummen Aktionen festgenommen, darunter auch führende Kader. Die Hamburger Kader, die wesentlich an der bundesweiten Organisierung beteiligt sind, saßen in Blankenese bei Jürgen Rieger. (Die Demo am Vortag war ein Stich ins Wespennest!) Sie sind den ganzen Tag nicht in Aktion getreten und beschränkten sich wahrscheinlich auf die Koordinierung der Aktionen von zu Hause aus. Offenbar waren sie überrascht von dem Vorgehen der Polizei und mochten nichts riskieren. AntifaschistInnen in Hamburg waren auf Aufmärsche in Hamburg oder der näheren Umgebung gut vorbereitet. Aber so weit kam es gar nicht erst.

Politische Folgen Für die Chefs der Nazis, die dieses Jahr (bislang) nichts auf die Reihe gekriegt haben und, was die Hamburger anbelangt, sich das Fußvolk in Polizeigewahrsam nehmen ließ, während die "Führer" sich nicht vor die Tür trauten, kann dieser Tag einen großen Ansehensverlust bringen. Ein Nazi-Führer muß "mutig" und "erfolgreich" sein. Da das nicht der Fall war, kann der Einfluß der Kader v.a. auf die nicht-organisierten Nazis sinken, was ihre Organisierung weiter erschweren dürfte. Es zeigten sich erneut "Führungsprobleme". Es gibt ein relativ großes Potential unerfahrener, unorganisierter und meist undisziplinierter Neonazis, v.a. aus der Nazi-Skin-Szene. Die NS- Leitung kriegt diese nur schwer zu Aktionen. Es herrscht akuter Mangel an Kadern, d.h. an Nazis, die in der Lage sind, zu organisieren, vor Ort, die Nazis zusammenfassen, und sei es nur, sie in Autos zu setzen und gemeinsam loszufahren. Die Verbote haben einige Nazis scheinbar doch beeindruckt, speziell in der Ex-DDR haben sie es erheblich schwerer, obwohl der Staat die Verbote gar nicht durchsetzt. Dazu kommt, daß zwei "Aufbauleiter Ost" im Knast sitzen (Thomas Dienel und Gottfried Küssel). Die Bereitschaft der Ostnazis, ihren West"führern" zu folgen, ist im Abnehmen begriffen. Die Westler erscheinen häufiger als Papiertiger, während die Ostfaschos ein wenig das Interesse an organisierter Politik, die über Saufen und Randalieren hinausgeht, verlieren. Bezeichnend die Bemerkung in einer der letzten Ausgaben der Neuen Front (Zeitung der GdNF). Es wird moniert, daß der Boom Ost zurückgeht, weil viele der dortigen Anhänger gedacht hätten, direkt ins Vierte Reich zu marschieren, und ihnen nun der Atem ausgehe. Der organisierte Neonazismus wird sich möglicherweise auf kleinere, feste Kadergruppen zurückziehen. Damit soll einerseits Verboten begegnet werden, andererseits werden damit aber auch Versuche hintangestellt, das große Potential unter Jugendlichen auszuschöpfen, weil es derzeit nicht leistbar ist. Der "Heß-Gedenkmarsch" 1994 ist Ausdruck und vorläufiger Höhepunkt einer Schwächung der Stiefelfaschisten- Bewegung. Der Übergang zu einer straff organisierten Massenbewegung, wie er vor einiger Zeit noch zu befürchten war, scheint vorläufig nicht möglich zu sein. Die Nazis werden sich auf Kaderstrukturen zurückziehen. Auch wenn das ein Ausdruck ihrer Schwäche ist, heißt das nicht, daß sie damit ungefährlicher werden. Mit dem Übergang in die Halblegalität werden sie noch stärker zu brutalen Terroraktionen übergehen. Diese Strukturen müssen daher von uns weiter beobachtet und bekämpft werden! -(F)

Kurdenverfolgung

und Widerstand

Protestfahrt kurdischer Jugendlicher: Nein zur Entvölkerung Kurdistans! Am 27. August findet eine Tagung der Menschenrechtskommission der UN zum Thema des Selbstbestimmungsrechts der Völker statt. Aus diesem Anlaß organisieren das Mesopotamische Jugendhaus Köln e.V. und YEK-KOM (Föderation kurdischer Vereine in Deutschland) eine Fahrradtour von Bonn nach Genf (18. bis 27.8.), an der sich auch Jugendliche aus dem Kurdistan Volkshaus in Hamburg beteiligen. Mit dieser Aktion wollen die Jugendlichen gegen den Völkermord in ihrer Heimat Kurdistan protestieren, der unter zustimmendem Schweigen der europäischen Staaten geführt wird und nicht zuletzt durch die massive wirtschaftliche, militärische und politische Unterstützung seitens der Bundesrepublik überhaupt fortgesetzt werden kann. Der türkische Staat hat in diesem Sommer die größte Militäraktion in seiner Geschichte gegen das kurdische Volk begonnen. Täglich werden kurdische Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Ernten, Wälder, Vieh und landwirtschaftliche Flächen werden vernichtet. Der Generalstabschef Güres droht seit Wochen mit noch umfangreicherem Einsatz chemischer Waffen, wobei schon heute Massenvernichtungswaffen wie Phosphor- und Napalmbomben und Splittergranaten von der türkischen Armee eingesetzt werden. Inzwischen werden die aus ihren Dörfern vertriebenen Menschen zu Tausenden unter unmenschlichen Bedingungen in Internierungslagern gefangengehalten. Dies berichten mehrere internationale Zeitungen. Die Frankfurter Rundschau zitiert amnesty international: Grausam und unter unmenschlichen Bedingungen würden mehrere hundert Personen in südostanatolischen Internierungslagern festgehalten. Sie würden schwer gefoltert und mißhandelt. Weil viele der Insassen nicht registriert seien, bestehe die Gefahr, daß sie für immer >verschwinden<. (3.8.) (Quelle1: Presseerklärung des Kurdistan Volkshaus e.V., Kurdistan Rundbrief vom 11.8.)

Kurdische Gefangene im Hungerstreik Knapp 100 kurdische politische Gefangene, davon rund 30 in norddeutschen Gefängnissen, befinden sich in einem Hungerstreik, der bei Redaktionsschluß noch andauert. Sie protestieren damit, so schreiben sie in ihrer Hungerstreikerklärung vom 10. August, "gegen den Krieg der türkischen Regierung und die Vernichtungspolitik der deutschen Re gierung". Aus der Hungerstreikerklärung: "Dieser schmutzige Krieg wird durch die deutsche Regierung auf allen Ebenen unterstützt. Die meisten Waffen, die dort eingesetzt werden, sind deutsche Waffen. Die deutsche Regierung schweigt gegenüber dem Staatsterror in Nordwestkurdistan, der in letzter Zeit bis zur Einrichtung von Internierungslagern führte. Damit nicht genug, die deutsche Regierung hat auch in Deutschland einen Spezialkrieg gegen Kurden und den kurdischen Befreiungskampf begonnen. Antidemokratische Maßnahmen gegen das kurdische Volk in Deutschland verschärfen sich zunehmend. So werden mit Spezialteams (GSG9) Wohnungen überfallen. Menschen werden festgenommen, gegen legale Einrichtungen werden unter lächerlichen Vorwänden regelrechte Operationen durchgeführt. () Gegen die kurdischen Nationalfarben wird eine heftige Feindschaft entwickelt. Kulturelle Veranstaltungen werden behindert. Diese Entwicklung hat sich bis zu der willkürlichen Erschießung von Halim Dener fortgesetzt. () Die deutsche Regierung trachtet in ihrer Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung danach, das kurdische Volk aus der Geschichte zu tilgen und es zu vernichten. In der Vergangenheit haben sie mit ihrer Zusammenarbeit das armenische Volk vernichtet. Auf die gleiche Weise wollen sie heute den Kampf des kurdischen Volkes für Demokratie und Freiheit ersticken. ()"

Was nun, Herr Hackmann? Pastor Christian Arndt wandte sich Ende Juli schriftlich mit einer Selbstanzeige an Senator Hackmann: "Einem Bericht des Hamburger Abendblatt vom 13. Juli 1994 entnehme ich über die Polizeiaktion in der Hafenstraße gegen den Wandspruch >Die BRD foltert und mordet in Kurdistan <, daß diese Aussage eine Verunglimpfung des Staates darstelle und als Offizialdelikt bewertet wird, das die Polizei zu eben diesem Handeln verpflichtet habe. Hiermit teile ich Ihnen mit, daß ich seit meinem Besuch im türkischen Teil Kurdistans in Gottesdiensten - zuletzt am 17.7.94 - diese Aussage aufgrund meiner Beobachtungen und der Berichte von Menschenrechtsorganisationen geäußert und begründet habe. Dieses werde ich auch weiterhin tun. Damit habe ich laut gemeldeter Interpretation des @50 Strafgesetzbuch (gemeint wahrscheinlich @90 - Red.) durch Ihre Behörde den Tatbestand der Verunglimpfung des Staates erfüllt. Zudem werde ich in dieser Sache ein Wiederholungstäter sein. Leiten Sie bitte dieses Schreiben den zuständigen Stellen Ihrer Behörde weiter, damit ein Ermittlungsverfahren gegen mich eingeleitet werden kann. ()"

Prozeß gegen kurdische Jugendliche Am 2. September (9.00 Uhr) beginnt im Landgericht ein Prozeß gegen kurdische Jugendliche. Ihnen wird vorgeworfen, im vergangenen Dezember an der "Besetzung" der Räumlichkeiten des gerade verbotenen Kurdischen Kulturvereins für Hamburg und Umgebung teilgenommen zu haben. Inzwischen hat, wir berichteten, das Bundesverwaltungsgericht das Verbot von 21 kurdischen Vereinen, darunter der Hamburger Verein, ausgesetzt. Gleichwohl wird die Anklage aufrechterhalten, sie lautet auf versuchte Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, Widerstand, Hausfriedensbruch, Siegelbruch. In zwei gleichgelagerten Verfahren im März und Mai waren die Anklage wegen eines versuchten Verbrechens (Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion) fallengelassen und die beiden kurdischen Angeklagten zu Geldstrafen verurteilt worden. Es ist zu befürchten, daß das augenscheinlich widerrechtliche und provokative Handeln der für die Verbote verantwortlichen Kanther, Kinkel, Kohl immer noch weiter zur Kriminalisierung der kurdischen Bevölkerungsgruppe führt. (Zusammenstellung: scc)

Solidarität mit türkischen Kriegsdienstverweigerern! Wir berichteten (Nr. 14) über eine Solidaritätsaktion der DFG-VK Hamburg mit zwei türkischen Kriegsdienstverweigerern. Die Situation des einen, Gökhan Demirkiran, hat sich infolge der Verlegung in das für seine Folter berüchtigte Militärgefängnis Mamak verschlechtert. Auch die Situation des anderen, Arif Hikmet Iyidogan, wurde noch schlimmer. Eine dreiköpfige DFG-VK-Delegation war bei seinem Prozeß. Vorgehalten wurde ihm u.a. der Text eines Interviews, das er der kurdischen Zeitung Özgür Gündem gegeben hat. Darin sprach er sich für die Abschaffung der Wehrpflicht aus. Der Prozeß wird am 23.8. fortgesetzt, mindestens bis dahin wird Arif in Mamak inhaftiert. Die Begründung für die Verhaftung: Er gefährde das Staatssystem. DFG-VK bittet, die Unterstützung fortzusetzen. Bisher gingen 320 DM aus Hamburg ein. Weitere Spenden unter dem Stichwort Türkei auf das Konto Nr. 449755-204, PB HH, BLZ 20010020. Protestiert beim HHer türkischen Konsulat, Tesdorpfstr. 18, 20148, Tel. 448033-0, Fax 445258. Post an Arif und Gökhan in türkisch und englisch an: Gökhan Demirikiran Arif Hikmet Iyidogan Mamak Cecaevi Askeri, Mamak, Ankara, Türkei

Veranstaltungen vom 4. bis

14.9.94 zu Paul Dessau

Zum 100. Geburts- und 15. Todestag des in Hamburg geborenen Paul Dessau werden im Rahmen des Musik Fest Hamburg verschiedene Werke dieses Komponisten aufgeführt. Die Auswahl laut Programm reicht von 1927 (Streichtrio) bis 1955 (5. Streichquartett) und umfaßt das kammermusikalische Werk mit einem Streichtrio, Streichquartetten und Musik für 15 Streicher, Kompositionen religiös-jüdischer Thematik mit Hagadah shel Pessach, Schirat roeh, 3. Psalm und Marienliedern, Filmmusik und Lieder. Sein Opernwerk wie "Die Verurteilung des Lukullus", "Einstein" oder "Leonce und Lena", "Herr Puntila und sein Knecht Matti", "Mann ist Mann" oder "Der kaukasische Kreidekreis" findet in diesem Programm keinen Raum, seine Tätigkeit als Musikerzieher evtl. in dem Symposion "Paul Dessau - Ein Streitpunkt der Geschichte?" Erwähnung. Zwei Zitate zeigen die unterschiedliche Beurteilung des Werks Dessaus: "Mit seinen heute achtzig Jahren ist er der Senior unserer Komponisten, aber produktiv, wagemutig wie eh." (Vorbemerkung von Fritz Hennenberg in Paul Dessau, Notizen zu Noten, Leipzig 1974) "In der DDR, als privilegierte Brechtmumie und als besonders devoter Parteikünstler, lebte er unter uns Er hatte nichts Eigenes" (Wolf Biermann in der FAZ vom 19.11.1990) Bis Mitte der zwanziger Jahre komponierte Dessau geprägt von den Leitfiguren deutscher Musik dieser Zeit. Danach kommen weitere bestimmende Momente hinzu: Filmmusik, Stücke für Arbeiterchöre und Kompositionen religiös-jüdischen Inhalts. Damit setzt er einen stärkeren Akzent auf funktional-angewandte Musik. 1933 emigriert Dessau nach Paris und setzt sich mit der Zwölftontechnik auseinander, die sich besonders in der Verlaine-Kantate "Le voix" und im 2. und 3. Streichquartett niederschlägt. 1939 flüchtet er weiter in die USA, wo er zunächst als Musiklehrer arbeitet, später auf einer Hühnerfarm und als Gärtner. 1942 macht er Bekanntschaft mit Brecht, und es kommt bis zu Brechts Tod zu einer intensiven Zusammenarbeit, die sich in zahlreichen Vertonungen von Gedichten und Stücken Brechts durch Dessau niederschlägt. 1949 übersiedelt Dessau nach Berlin, wo die Premiere von "Mutter Courage und ihre Kinder" mit seiner Musik stattfindet und 1951 die Uraufführung von "Die Verurteilung des Lukullus". Die Musik dieser Oper war zunächst sehr umstritten und wurde als unharmonisch und verwirrend charakterisiert. Diese Einschätzung in der sog. Formalismus-Debatte von 1951 wurde nach und nach korrigiert. 1953 beginnt Dessau eine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Schauspielschule in Berlin, und ab 1960 gibt er Musikunterricht an der Allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschule I in Zeuthen, seinem Wohnsitz bis zu seinem Tode. In der Zeit seit 1936 entstanden unter anderem vor allem Kompositionen, die politische Aktualität, Parteinahme und Zeitbezogenheit zeigen und, zumindest den Titeln nach, "politische Musik" sind. Politisch zeigt sich diese Musik zunächst in der Radikalität, mit der eingewurzelte Kriterien des Hörens und des musikalischen Genusses zerbrochen werden, dann in der Kritik an musikalisch formuliertem Schwulst, in einer Nüchternheit, wobei sich die musikalischen Mittel dem Text unterordnen, und einer Parodierung bestimmter Hörgewohnheiten, die eine assoziative Erweiterung der Texte erzeugt. (Nach: Jahrbuch Peters 1980, Leipzig 1981) Diese neue Musik brauchte nach Ansicht Dessaus neue Hörer, die Spaß daran haben, sich diese neue Musik zu erschließen. Damit begründet er u.a. seinen Musikunterricht an einer Schule. Zur Charakterisierung dient am besten die Antwort Dessaus in Notizen zu Noten (Leipzig 1974) auf die Frage: "Welche Erfahrungen, Erkenntnisse ließen sich während dieser acht Jahre Musikarbeit in der Schule sammeln? Antwort: Ich fand vor allem eine ganz bestimmte Dialektik bestätigt: Musik ist in ihrer Kompliziertheit der Wissenschaft gleichzusetzen, sie hat spezifische Gesetze, die gelehrt und befolgt werden müssen. Es ist also nicht einfach, sich mit Musik zu befassen, es wird aber erleichtert, wenn man es mit Vergnügen betreibt Wo es kleine Schwierigkeiten gibt, scheue man sich nicht, sie mit Geduld und Ruhe zu überwinden. Ich bin bei den Zeuthener Kindern nie auf unüberwindliche Hindernisse gestoßen und stehe auf dem unerschütterlichen Standpunkt: Jedes Kind ist musikalisch; das eine mehr, das andere weniger; und mit Ausdauer und guter Anleitung läßt sich alles erlernen. Dadurch, daß die Kinder angehalten werden, sich produktiv mit der Musik zu beschäftigen, wird ihr Genuß beim Anhören von Musik gesteigert sein und ihre Freizeitgestaltung eine neue Qualität erreichen. >Denken ist die erste Bürgerpflicht.> Auch in der Musik. Und: Kritisches Denken ist noch besser!" Im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit trat Dessau auch als Beschützer jüngerer Komponisten hervor, der sich von seinen Komponisten-Zeitgenossen dadurch unterschied, daß er wirksam für jüngere Komponisten eintrat, die angegriffen wurden. -(rhw)

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!

Männer, begreift endlich, daß die Geschlechterfrage kein Nebenwiderspruch ist

Daß Selbstbestimmung, soziale Gerechtigkeit und insbesondere die Geschlechterfrage im Mittelpunkt einer jeden emanzipatorischen Bewegung stehen müssen, weiß heutzutage jedermann. Nur, wer setzt diese Erkenntnis schon konkret in seine politische Praxis und Programmatik um? Dieses politische Manko auszufüllen, schickt sich die jetzt gegründete "PASS" an. Die Partei der Arbeitslosen und Sozial Schwachen, mit der Losung "Frage nicht, was das Land für Dich tun kann bzw. Du für das Land, sondern Du für Dich selbst tun kannst". Ich werde mich hier weitgehend auf den zentralen Programmpunkt "Geschlechter- und Familienpolitik" konzentrieren. Dazu heißt es, daß in Untersuchungen durch Frauenzeitungen bewiesen wurde, daß die Tatsache, "daß Hausfrauen durchschnittlich 70 Stunden in der Woche im Haushalt tätig sind, offenbart, daß Frauen offensichtlich für den Haushalt nicht geeignet sind und sich um andere Dinge kümmern sollten". Daher wird der nächste Programmpunkt "Frauen behutsam an echte Arbeit heranführen" entworfen. Hier heißt es: "Die Arbeitsplätze, an denen sich Männer lebenslang abmühen, wirken nicht gerade anziehend auf Frauen. Wenn wir dennoch Frauen mit dieser Welt vertraut machen wollen, müssen wir in ihrer guten Stube eine Werkstatt einrichten. Die Hausfrau wird dann selbst durch Vergleich ihrer bisherigen Puppenstubenidylle mit diesem anspruchsvollen Männerarbeitsplatz die Sinnlosigkeit ihres bisherigen Wirkens erkennen und der Auflösung ihrer Puppenstube nachträglich zustimmen." Lehrjahre sind keine Herrenjahre, denn bis uns diese Heranführung gelungen ist, werden wir Männer gewaltige Opfer bringen müssen, um unser Sklaventum zu beenden. Dies wird besonders deutlich durch den nächsten Programmpunkt "Den Kindern bekommen die unbeschäftigten Mütter nicht gut". "Wenn Kinder ständig mit ansehen, daß die Mutter lebenslang fast ohne Arbeit auskommt, woher sollen Kinder die Motivation haben, einer Arbeit nachzugehen? Viele laufen im Gammler-Look herum, um die Seifenschaum-Orgien ihrer Mütter zu vergessen. Kindererziehung kann nur der Vater übernehmen, der nebenbei etwas Sinnvolles macht, sich also selbst ernährt und damit ein gutes Beispiel für das Kind gibt. Herkömmliche mütterliche Erziehung kann nur dazu führen, daß jeder versucht, auf Kosten anderer zu leben. Letzten Endes ist das Berufsbeamtentum ein Produkt mütterlicher Erziehung. Daß eine Mutter notfalls sogar ein Kind allein erziehen kann, ist eine Schnapsidee des christlichen Abendlandes. Darüber lacht jeder Araber." Ok, erstmal übernehmen wir also den Haushalt, die Kindererziehung, versuchen, die Frauen an echte Arbeit heranzuführen, und machen unsere normale Arbeit, zum Ausgleich dürfen Frauen ins Berufsheer eintreten und mit uns zusammen um die Welt kämpfend die humanitären Probleme dezimieren. Natürlich ist die demokratische Durchsetzung z.Zt. nicht so einfach, denn "dies erbärmliche System hat die Frauen durch das Unterhaltsunwesen gekauft, um sie als Stimmvieh mißbrauchen zu können. Wir werden dies üble Spiel beenden, indem wir die Rollenverteilung in der Gesellschaft in Frage stellen und ein Gesellschaftsmodell vorstellen, in dem keine Unterhaltsansprüche mehr anfallen." Das "Männerforum für Gleichberechtigung und Menschlichkeit" betreibt die Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit dieser emanzipatorischen Bewegung. Dafür gibt es 1. das Männermagazin für freie Denker im Offenen Kanal, 2. das Männertelefon HH, Tel.Nr. 4212777, sowie 3. den Männer-Gesprächs-Kreis jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat, 4. den Männertreff donnerstags (achtet mal drauf, wenn Frauen mal wieder darauf bestehen, daß bestimmte Treffen donnerstags stattzufinden haben) und seit '92 den bundesweiten Männer-Rundbrief mit Texten von normalen Männern und Belegen über Frauengewalt gegen Männer, ungewollte Vaterschaft, nacheheliche Ausbeutung, Buchbesprechungen über Männerbefreiung u.a. Joachim Täubler

TIPS & TERMINE

óNOCH BIS 2. SEPTEMBER

Wer waren die 999er? Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft ehemaliger 999er im IVVdN e.V. Mo-Sa, 10.00-22.00 Uhr, So 14.00-21.00 Uhr, Hamburg-Haus, Doormannsweg 12

óMONTAG, 22. AUGUST

"Solidaritätsfonds ALLA JAROSHINSKAJA" lädt ein Die bundesweite Initiativgruppe "Solidaritätsfonds ALLA JAROSHINSKAJA" lädt alle Anti-AKW- bzw. Tschwernobyl-Initiativen aus dem Raum Hamburg ein zum Vorbereitungstreffen. Wesentlicher Tagesordnungspunkt ist die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der "November-Aktivitäten". 19.00 Uhr, c/o Grüne/GAL Hamburg-Nord, Bussestr. 1, 22299 Hamburg, Tel. 512226

óSONNABEND, 27. AUGUST

Filmreihe im Magda-Thürey- Zentrum In der Filmreihe wird der Film gezeigt: Ernst Thälmann - Führer seiner Klasse 16.00 Uhr, Lindenallee 72, Hamburg-Eimsbüttel, U-Bahn Christuskirche

óMONTAG, 29. AUGUST "Unser Eingreifen im Wahlkampf und unser Verhältnis zur PDS" Der Kreis Wandsbek der DKP führt seine Auftaktveranstaltung zum Bundestagswahlkampf durch. Mit Rolf Priemer, Sprecher der DKP. 19.30 Uhr, BRAKULA, Bramfelder Chaussee 256

óDIENSTAG, 30. AUGUST Treffen mit VertreterInnen der irakischen Opposition Treffen der AG Antirassismus der PDS/LL. VertreterInnen der irakischen Opposition informieren über die Entwicklung der innenpolitischen Lage im Irak. Außerdem soll es zu einer nochmaligen Diskussion zu der von der AL vorgetragenen Kritik an einer Legalisierungskampagne (vgl. Lokalberichte Nr. 15-17) kommen. 19.30 Uhr, Palmaille 24

MITTWOCH, 31. AUGUST

Lesung mit Ingrid Strobl Auf der Veranstaltung von Buchhandlung im Schanzenviertel und Kino 3001 liest Ingrid Strobl aus ihrem Buch: Das Feld des Vergessens, Jüdischer Widerstand und deutsche "Vergangenheitsbewältigung". Aus dem Inhalt des Buches: Jüdische Frauen im Widerstand. Zur (geplanten) Ausstellung "Juden im Widerstand 1939-1945"; Der jüdische Widerstand in Bialystok. Nachbemerkungen zum Buch "Die Untergrundarmee" und zum Film "Mir zeynen do"; "Es ging um die Art zu sterben." Der Aufstand im Warschauer Ghetto; Der 9. November 1989. Die Opfer und ihre Nachkommen; Rechter Blutrausch, eine Tiroler antisemitische Blutlegende; Die Guten und die Bösen. Antisemitismus in der Linken; "Schöne Zeiten", die Haftentlassung des früheren Leiters des SS- Vernichtungslagers Treblinka Kurt Hubert Franz; "x daß es darauf ankommt, selbst zu denken", Portät Hannah Arendt; "Der Tod war mein Lehrmeister", Porträt Nelly Sachs. 140 Seiten, 14 DM, ISBN: 3-89408-036-X. 20.00 Uhr, Stadtteiletage

DONNERSTAG, 1. SEPT.

Film Im Kino 3001 wird einen Tag nach der Lesung mit Ingrid Strobl der Film "Mir zeynen do" gezeigt. 20.30 Uhr

Antikriegstag Das Hamburger Forum wird unter dem Motto: 1. September 1994 - Bundestagswahl 1994" eine Sandwich-Demonstration auf der Mönckebergstr., Gerhart-Hauptmann- Platz durchführen. 17.00 Uhr, ab 15.00 Uhr sind Infotische aufgebaut.

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER

Informationsveranstaltung für die Freiheit von Irmgard Möller Mit Soli-Party Samstag, 3.9., 20.30 Uhr, Subotnik, Große Brunnenstr. 55a

FREITAG, 9. SEPTEMBER

Jürgen Brammer zu seinem Buch über Naziterror Pressekonferenz 14.00 Uhr, Gründung eines runden Tisches gegen Rechts 16.00 Uhr, beide Termine im DGB-Jugendclub "Cafe Movimento", Besenbinderhof 57a,

SAMSTAG, 10. SEPTEMBER

Antirassistisches Fest in Altona Nazischmierereien, faschistischer Telefonterror gegenüber ausländischen Mitbürgern, körperliche Angriffe auf nichtdeutsche Jugendliche, Verprügeln von Asylsuchenden - all das ist inzwischen Alltag, auch vor unserer eigenen Haustür. Auch dort, wo Deutsche und Nichtdeutsche scheinbar friedlich zusammenleben, gibt es den alltäglichen Rassismus. Er ist im öffentlichen Bewußtsein aber nicht präsent, persönliche Kontakte zwischen beiden Bevölkerungsgruppen gibt es kaum. Deswegen führt das "Antirassistische Bündnis Altona/Ottensen" auf dem Spritzenplatz ein antirassistisches Fest durch. Unter anderem sind geplant: eine Fahrraddemonstration zu den Flüchtlingsschiffen; ein internationales Fußballturnier (auf dem Gelände der Max-Brauer-GS); ein SchülerInnenforum "Rassistische Gewalt an Hamburgs Schulen"; ein Forum "Faschismus und Widerstand in Altona"; vielfältige Kulturbeiträge.

IN NAHER ZUKUNFT

Veranstaltung zum Jugoslawien- Konflikt Die Veranstaltung mit Norman Paech zum Jugoslawien-Konflikt und zur Rolle der deutschen Außenpolitik wird in Zusammenarbeit von Hamburger Forum und AStA der HWP durchgeführt. 22.9., 18.00 Uhr, in der HWP, Von-Melle-Park 9.

6. PädagogInnen-Friedenskongreß "Aktiver Pazifismus gegen den neuen Militarismus." Nähere Information in der nächsten Ausgabe. 24./25.9. in Hamburg

Pro und Contra internationaler Kampfeinsätze Die Friedensinitiative Schnelsen und das Hamburger Forum laden ein. Es diskutieren Norman Paech u. Konrad Lübbert mit Hamburger Bundestagskandidaten der CDU, FDP, SPD, GAL und PDS. Gesprächsleitung Gisela Wiese. Dienstag, 27.9., 19.00 Uhr, Freizeitzentrum Schnelsen, Wählingsallee 16

PDS-Wahlveranstaltungen

óSAMSTAG, 3. SEPTEMBER

PDS - Partei der Schwulen? Informationsveranstaltung der Bundes-AG "Schwule bei der PDS". Nähere Informationen unter 030/ 8623707. 18.00 Uhr, im Magnus-Hirschfeld- Zentrum, Borgweg 8, 22303 HH

óMONTAG, 5. SEPTEMBER

Diskussionsrunde mit Manfred Müller Manfred Müller ist Landesvorsitzender der HBV in Berlin, Bundestagskandidat auf der Offenen Liste der PDS. Während der Diskussionsrunde, an der sich auch zahlreiche Hamburger Gewerkschaftsfunktionäre beteiligen werden, soll es u.a. um folgende Fragen gehen: Ist die politische Präsenz der PDS im Bundestag überhaupt nützlich zum Durchsetzen gewerkschaftlicher Positionen? Sollten Gewerkschaften kapitalismuskritische Organisationen bleiben oder sich anpassen, wie es derzeit Mehrheitsmeinung zu sein scheint? Wo könnten Ansätze linker Programmatik in diesem Bereich entwickelt werden? Kurze Zeit vor der Veranstaltung wird übrigens auch eine Unterschriftensammlung beendet, mit der sich linke GewerkschafterInnen für die Wahl der Offenen Liste der PDS aussprechen. Der Aufruf, der schon jetzt von 130 GewerkschafterInnen unterschrieben ist, kann über die PDS-Landesgeschäftsstelle zugesandt werden. 19.00 Uhr, in der Münze, Münzstr. 1 (Nähe Gewerkschaftshaus)

MITTWOCH, 7. SEPTEMBER

Wahlpolitische Tagung Die PDS/Linke Liste LV Hamburg lädt alle interessierten HamburgerInnen zu einer wahlpolitischen Tagung am Mittwoch, den 7.9.94, ab 19.30 Uhr in die Palmaille 24 ein. Mit der wahlpolitischen Tagung will die PDS die heiße Phase ihres Bundestagswahlkampfes einleiten. Zwei größere Komplexe stehen im Mittelpunkt der Diskussion: die Ergebnisse der zentralen Parteikonferenz der PDS vom 28.8.94, bei der es insbesondere um das Oppositionsverständnis der PDS geht; dann die Diskussion und Vorbereitung konkreter Wahlkampfaktivitäten, wie Veranstaltungen, WählerInneninitiativen, Büchertische und Aktionen.

Ausbildung - in Kleinbetrieben kaum zu leisten

Fotokopierdiplom

als Abschluß?

Im Frühjahr hat die Gewerkschaft HBV unter den über 600 Auszubildenden in Rechtsanwaltsbüros eine Umfrage zu den Ausbildungsbedingungen durchgeführt. Der Rücklauf war über die Schule organisiert und dementsprechend hoch: Über 80% aller Fragebögen kamen zurück. Die Ergebnisse sind genauso repräsentativ, wie sie schrecklich sind.

Völlig unzumutbar ist die Situation in fast jedem vierten Büro. Dort arbeiten mehr Auszubildende als ausgebildete Rechtsanwaltsgehilfinnen, manche Rechtsanwälte betreiben ihre Büros nur mit Auszubildenden unterschiedlicher Lehrjahre. Da werden dann drei Ausbildungsjahre lang Bürohilfsarbeiten erledigt wie Akten raussuchen, archivieren, fotokopieren, Post sortieren, Botengänge usw. Beliebt sind auch Auszubildende, die bereits über Schreibmaschinen- oder Computerkenntnisse verfügen - dann werden sie eingesetzt wie Schreibkräfte, oder sie werden als Datenerfasserinnen mißbraucht, die über Softwareprogramme z.B. Zwangsvollstrekkungsaufträge eingeben, ohne irgendwelche inhaltlichen Kenntnisse über diesen Vorgang zu besitzen. Aber auch insgesamt kann von einer Ausbildung nicht gesprochen werden. In weniger als 10% der Büros finden überhaupt regelmäßig Ausbildungsgespräche statt - Ausbildung zwischen Tür und Angel ist die Regel, dann aber hängt es allein von der Durchsetzungsfähigkeit der Auszubildenden oder ihren Kolleginnen ab, ob wenigstens zwischendurch Fragen gestellt werden dürfen und jemand sich Zeit für die Beantwortung dieser Fragen nimmt. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind ausgesprochen schlecht. Gelegentlich bzw. regelmäßig müssen knapp 70% aller Auszubildenden Überstunden machen, die nur teilweise bezahlt werden oder abgebummelt werden dürfen. Klassisches Argument gegen die Bezahlung ist: "Sie hätten ja schneller arbeiten können, dann wären Sie auch rechtzeitig fertig." Das gilt natürlich aber nicht für den Rechtsanwalt, der fünf Minuten vor Schluß noch einen mehrseitigen Fristschriftsatz diktiert hat, der dann nach Feierabend noch geschrieben und zum Gericht gebracht werden muß. Botengänge, Post zum Postamt bringen, Berichtsheftführung usw. - all das muß oft außerhalb der Arbeitszeit erledigt werden. Das psychologische Klima in vielen Ausbildungsbüros ist schlecht. Die Büros sind klein, es gibt oft wenig "gestandene Kolleginnen", die gelernt haben, den Mund aufzumachen. Denen fehlt oft genug aber Zeit zur Ausbildung. Anwälte brauchen nicht, wie z.B. die Ausbilder in handwerklichen oder industriellen Berufen, eine Ausbildereignungsprüfung zu absolvieren, wo sie wenigstens ein Minimum an pädagogischen Kenntnissen nachweisen müssen. Jeder Anwalt darf ausbilden, ob er geeignet ist oder nicht. Und wenn die jungen Frauen es bei ihm nicht aushalten und gehen, vermittelt ihm die Kammer schnell eine neue. Anwaltsbüros sind geprägt durch Hierarchie, da sind die Auszubildenden die letzten der Hackordnung. Unendlich viele persönliche Zumutungen sind an der Tagesordnung: "Ich will Sie hier nur mit Rock sehen". "Holen Sie mir bitte die Anzüge aus der Reinigung." "Auch Kaffeekochen will gelernt sein." Insgesamt ist diese Situation aber nach Meinung der HBV durchaus typisch auch für die Ausbildung in anderen Kleinbetriebsbereichen. Damit ist die Frage offen, ob nicht angesichts der Unzumutbarkeit solcher Sorte "Ausbildung" das duale Ausbildungssystem insgesamt überholt ist und die Ausbildung erheblich stärkere "überbetriebliche Anteile" bekommen müßte. Solange jeder Anwalt das Risiko, das seine selbständige Tätigkeit mit sich bringt, schlicht dadurch minimieren kann, daß er zu Spottpreisen (z.B. 900,- Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr) sich immerhin 35 Stunden pro Woche eine billige Bürokraft hält, wird sich die Situation kaum grundlegend ändern. Und solange Rechtsanwälte die einzigen sind, die Rechtsanwaltsgehilfinnen ausbilden dürfen, werden sie auch immer für andere Bereiche wie Versicherungen und Banken Fachkräfte ausbilden, die nach Ausbildungsende zusehen, daß sie dem Mief der kleinen Kanzleien entkommen. Die Auszubildenden sind diejenigen, die bezahlen: durch Abbruch der Ausbildung, hohe Durchfallquoten bei den Prüfungen und jahrelange "Leidenszeit". -(mek)

Die Hamburger Assistenzgenossenschaft

in Gründung stellt sich vor

Die Hamburger Assistenzgenossenschaft (H.A.G.) wurde von dem Verein "Autonom leben" initiiert. "Autonom leben" ist ein Verein unterschiedlicher körper- und sinnesbehinderter Menschen, die sich für ein würdiges und selbstbestimmtes Leben aller behinderten Menschen einsetzen.

Persönliche Assistenz statt Betreuung Die H.A.G. ist ein Zusammenschluß vor allem von behinderten Menschen aus Hamburg, die auf die Hilfe und Pflege anderer Menschen angewiesen sind. Zu einem würdigen und selbstbestimmten Leben gehört für Hilfeabhängige im besonderen Maße, daß sie über die Art und Weise der benötigten Hilfe und darüber, wer diese ausübt, selbst bestimmen können. Hilfeabhängige Menschen wissen selbst am besten, welche Hilfe und Pflege sie brauchen und wie und wann sie diese bekommen wollen. Sie können selbst am besten entscheiden, was für Fähigkeiten und Qualifikationen die Menschen haben müssen, von denen sie Unterstützung bekommen. "Helfen" führt sehr leicht zu einem Abhängigkeitsverhältnis. Gerade diejenigen, die auf viel Hilfe, auch bei den ganz persönlichen alltäglichen Verrichtungen, angewiesen sind, werden von den Helfenden oft bevormundet und unselbständig gemacht. Eine solche "Betreuung" macht sie häufig zu "Behinderten". Die H.A.G. will eine Umverteilung der Macht zwischen Hilfegebenden und Hilfenehmenden. Die in der H.A.G. zusammengeschlossenen behinderten Menschen wollen keine "Betreuung", sondern persönliche Assistenz. Schon der andere, neue Begriff macht deutlich, daß die persönliche Assistenz durch die Wünsche und die Bedürfnisse des hilfeabhängigen behinderten Menschen bestimmt wird sowie durch dessen individuelle Fähigkeiten, und nicht durch die Bedürfnisse und Vorstellungen der Hilfegebenden, den Arbeitszeiten von ambulanten Pflegeanbietern oder durch die Regeln und Vorschriften von stationären Einrichtungen. Persönliche Assistenz beinhaltet je nach Bedarf u.a: Hilfe bei den alltäglichen Verrichtungen wie Essen, Anziehen, Waschen etc; medizinische Pflege, Hilfe bei der Haushaltsführung; soziale Begleitung; Assistenz am Arbeitsplatz oder in der Ausbildung; Unterstützung bei der Lebensgestaltung und -führung. Die persönliche Assistenz soll gewährleisten, daß behinderte Menschen trotz Hilfeabhängigkeit so viel wie nur irgend möglich an eigener Kompetenz behalten oder zurückerhalten.

Mängel der Sozialstationen und Pflegefirmen Die persönliche Assistenz über einen längeren Zeitraum ist weder unter den gegenwärtigen Bedingungen der stationären Einrichtungen noch mit dem momentanen Angebot an ambulanten Hilfen durch die 41 Sozialstationen oder durch die rund 300 privaten Pflegeanbieter möglich. Überall dort können behinderte, kranke oder alte Menschen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt darüber bestimmen, wer ihnen hilft und wie und wann sie die Hilfe bekommen. Ob im Heim, bei den Sozialstationen oder den Pflegefirmen, immer werden die Art, Form und der Zeitpunkt der Hilfe, der Arbeitsablauf und der Personaleinsatz von den Angebotsträgern und deren MitarbeiterInnen bestimmt. Die Interessen, Gestaltungs- und Veränderungssche der Betroffenen fallen meistens den Anforderungen an einen reibungslosen und effektiven Personaleinsatz zum Opfer. Die Hilfeleistungen werden als Sachleistungen bei den Leistungsberechtigten erbracht und ihr Preis durch Pflegeoder Stundensätze zwischen den Kostenträgern (Sozialämter, Krankenkassen u.a.) und den Hilfeanbietern ausge handelt. Der Umfang der Hilfe orientiert sich an den Vorstellungen der Kostenträger über das, was den behinderten Menschen rechtlich zusteht. Diese selbst haben kaum Einfluß- oder Kontrollmöglichkeiten. Diese Praxis widerspricht allerdings der tatsächlichen Rechtslage, die die Bedürfnisse und Gestaltungswünsche der Anspruchsberechtigten in den Mittelpunkt stellt. Soweit die finanziellen Mittel von den Leistungsberechtigten nicht selbst erbracht werden können, sind diesen die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Um diese bestehenden Rechte auch wahrnehmen zu können, müssen die betroffenen Menschen die finanziellen Mittel unter eigener Kontrolle zur Verfügung gestellt bekommen. Die Sozialstationen und die privaten Pflegeanbieter können die Nachfrage nach ambulanten Hilfen nicht befriedigen. Zeitlich umfangreiche Assistenzen oder Begleitdienste für Freizeit oder am Arbeitsplatz, also gerade das, was ein würdiges Leben behinderter Menschen in der Gemeinschaft erst ermöglicht, sind dort nicht oder nur sehr ungenügend zu bekommen. Wenn es zu Problemen zwischen den hilfeabhängigen Menschen und den hilfegebenden MitarbeiterInnen der Sozialstationen oder der privaten Pflegeanbieter kommt, müssen die Betroffenen meist alleine damit fertig werden. Es gibt keine Schlichtungsstelle, keine psychologische Begleitung oder andere Formen der Unterstützung für die Assistenznehmenden und die Assistenzgebenden, wie regelmäßiger Erfahrungsaustausch oder Fortbildungsangebote.

Die Assistenzgenossenschaft Dadurch, daß die Arbeitgeberfunktion bei den Heimträgern, den Sozialstationen oder den Pflegefirmen liegt, haben die hilfenehmenden Menschen nicht das Recht, das Personal auszuwählen, das bei ihnen arbeiten soll. Viele Hilfen, insbesondere im Bereich der medizinischen oder körperlichen Pflege, setzen ein besonderes Vertrauensverhältnis und gegenseitiges Verständnis voraus. Deshalb muß den Hilfenehmenden mindestens ein Ablehnungs- und Mitentscheidungsrecht zustehen. Am weitesten geht dieses Recht, wenn die Hilfebenötigenden selbst die Arbeitgeberfunktion übernehmen. Sie müssen aber dann auch sämtliche organisatorischen Leistungen, Risiken und Verantwortlichkeiten als Arbeitgeber selbst übernehmen. Viele dieser Menschen scheuen vor dieser Verantwortung und diesen Verpflichtungen zurück. Gegenwärtig gibt es nur die Alternative, entweder auf die Einme auf Art und Weise der benötigten Hilfe zu verzichten und sich dem Angebot der Sozialstationen und Pflegefirmen zu unterwerfen oder alleine die Arbeitgeberfunktion zu übermen. Die Hamburger Assistenzgenossenschaft will die Vorteile beider Möglichkeiten zusammenfassen und deren Nachteile vermeiden. * Die H.A.G. schließt mit den sich an sie wendenden behinderten Menschen sogenannte Assistenzverträge. In diesen werden die Verpflichtungen der assistenznehmenden Menschen festgelegt und die Leistungen der H.A.G. vereinbart. * Die behinderten Menschen suchen sich die benötigten AssistentInnen selber - allein oder mit Hilfe der H.A.G. -, und die H.A.G. stellt als gemeinsame Arbeitgeberin diese bei sich ein. * Die H.A.G. schließt mit den AssistentInnen feste Arbeitsverträge, die die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsinhalte und die gegenseitigen Erwartungen so genau wie möglich bestimmen und die auch die tariflichen ArbeitnehmerInnenrechte garantieren. Nur durch tarifvertragliche Bezahlung und gegenseitige vertragliche Absicherung wird es möglich sein, ausreichend AssisstentInnen zu finden und für die AssistenznehmerInnen die nötige Kontinuität und Sicherheit zu schaffen. * Die H.A.G. macht die Lohnbuchhaltung und die anderen organisatorischen, arbeits-und versicherungsrechtlichen Notwendigkeiten. * Die H.A.G. unterstützt bei Bedarf die mit ihr zusammenarbeitenden behinderten Menschen bei den Verhandlungen mit den jeweils zuständigen Kostenträgern über Art und Umfang der benötigten Assistenz. * Die H.A.G. hilft bei der Suche nach AssistentInnen. Sie organisiert AssistentInnen für Notdienste oder für die Vertretung im Krankheits- oder Ur laubsfall. * Die H.A.G. vermittelt bei Problemen zwischen den AssistenznehmerInnen und den AssistenzgeberInenn. Sie organisiert regelmäßigen Erfahrungsaustausch und Fortbildungen für die hilfeabhängigen Menschen, ebenso für die AssistentInnen. * Die H.A.G. schafft auf diese Weise attraktive Arbeitsplätze für unterschiedlich qualifizierte und ausgebildete Menschen - auch für diejenigen, die bereits aus den Pflegeberufen wegen der dortigen Arbeitsbedingungen ausgeschieden sind.

Warum eine Genossenschaft? Eine Genossenschaft ist eine sehr demokratische Organisationsform. Jedes Mitglied hat eine Stimme, unabhängig davon, wieviele Anteile der Genossenschaft es erworben hat. Eine Genossenschaft verbindet ein großes Maß an Eigenständigkeit und Individualität der einzelnen GenossInnen mit der Möglichkeit und der Notwendigkeit des gemeinsamen Auftretens und Handelns. Die persönliche Assistenz, die ja ganz nach den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten des einzelnen behinderten Menschen ausgerichtet ist, setzt möglichst viel Mitarbeit der assistenznehmenden Menschen voraus. Gleichzeitig haben diese aber auch viel gemeinsame Probleme bei der Realisierung ihrer persönlichen Assistenz. Daher bietet sich die Genossenschaft als besonders geeignete Organisationsform an. In die Genossenschaft können alle eintreten, die bereit sind, mindestens einen Genossenschaftsanteil zu bezahlen. Die Genossenschaft hat einen geschäftsführenden Vorstand. Dieser wird vom Aufsichtsrat kontrolliert. Oberstes Entscheidungsgremium ist die Mitgliederversammlung. Zusätzlich für alle Genossenschaftsmitglieder gibt es die AssistenznehmerInnenversammlung. Durch diese demokratischen, sich gegenseitig kontrollierenden Gremien ist wirtschaftliche Effizienz gewährleistet, und gleichzeitig wird dadurch ermöglicht, daß die behinderten Menschen ihre benötigte Assistenz nicht nur einfach kaufen oder vorgesetzt bekommen, sondern diese in allen Momenten selbst mitgestalten. Quelle: Faltblatt der H.A.G: H.A.G. - persönliche Assistenz für behinderte Menschen. Aus: CL- Netz Hamburg Weitere Informationen erhalten Sie bei der Hamburger AssistenzGenossenschaft, Antonistraße 3, 20359 Hamburg, Tel.: 040/311210, Fax: 3175228

Konzepte müssen eine klare Stoßrichtung haben, sonst sind sie nichts wert

Nochmal zum Vorschlag

einer Legalisierungskampagne

In Erwiderung der Kritik von (kun) am Papier der AL Hamburg bzgl. des Vorschlags einer Legalisierungskampagne (Anti-rassistisches Telefon u.a.) in Lokalberichte 16/94, S. 12, muß nochmal folgendes klargestellt werden:

1. Soweit (kun) die Kritik der AL Hamburg teilweise als "völligen Unsinn" abqualifiziert - noch dazu ausgerechnet in der Ausgabe der Lokalberichte, die von der AL erstmals mitherausgegeben werden -, spricht dies für die Fähigkeit und Sensibilität des Autors bezüglich fundierter Argumentation und Bündnisarbeit. 2. Soweit (kun) behauptet, die AL hätte in ihrer Kritik an der Legalisierungskampagne "die menschenunwürdigen Lebensbedingungen einer großen Anzahl von Menschen ganz salopp als zweitrangig eingeordnet", ist dies falsch: Im Gegenteil hat die AL kritisiert (und tut dies weiterhin), daß die Legalisierungskampagne nach dem Konzept des ART die Lebensbedingungen der hier in der BRD lebenden Flüchtlinge als die überhaupt denkbar schlechtesten darstellen sollte, ohne an die Lebensbedingungen derjenigen zu denken/denken zu lassen, die noch aus ihren Heimatländern hierher flüchten müssen und die unter schlechteren Bedingungen leben. Ausgehend von u.a. dieser Kritik hat die AL den Vorwurf aufgestellt, eine Kampagne, die nur eine Lösung für die hier in der BRD lebenden Flüchtlinge anstrebe, sei eine nationale Lösung. Von einer nationalistischen Lösung - wie (kun), im übrigen in verschiedenen Diskussionen der Hamburger Szene, behauptet - hat die AL nie gesprochen, da der AL (- im Gegensatz zu (kun) offenbar -) der Begriffs- und Bedeutungsunterschied klar ist: Kritikpunkt der AL ist gerade auch an dem Legalisierungskonzept, daß mit Begriffen in der Linken viel zu ungenau umgegangen wird (u.a. mit dem Begriff "Kriminalität"). Dazu paßt es wieder, wenn (kun) in seinem Artikel von einer "Amnestieforderung" spricht, die es zu begründen gelte. Das ist schlicht unverständlich. Niemand stellt eine "Amnestieforderung" auf, weil alle - auch die Konzeptmacher der Legalisierungskampagne - wissen, daß illegale Flüchtlinge keine Straftäter sind. 3. Da (kun) anmahnt, daß die AL ihre Überlegungen zur Legalisierungskampagne nicht weitergeführt hat, soll im folgenden eine neue Stellungnahme zum Verlauf der bisherigen Diskussionstreffen wiedergegeben werden: Bei der Diskussion am 26.7.94 war aufgefordert worden, bis zum nächsten Treffen (26.8.) Diskussionspapiere einzureichen. Hier daher einige Vorschläge zu notwendigen Diskussionspunkten:

a.) Definition "Legalisierung" Hier muß m.E. eine Entscheidung fallen. Bei der Diskussion am 26.7. wurde z.B. vertreten, "Legalisierung bedeutet, den Flüchtlingen einen in unserem Sinne legalen Status zu verschaffen". Als Beispiele dafür wurden genannt: Hilfe in der Illegalität, Aufforderung an Schulen, Krankenhäuser, soziale Dienste, die illegalen Flüchtlinge nicht zu melden und weiterzubetreuen. Dieses Verständnis von Legalisierungsforderung ist ein ganz anderes als die Forderung an den Staat, den illegalen Flüchtlingen durch einen staatlichen Akt einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu verschaffen. Letzteres hatte ich bisher, auch durch den Artikel in Off Limits, als Kern der Kampagne verstanden. Die lediglich allgemeine Forderung an alle, Flüchtlingen einen in unserem Sinne legalen Status zu verschaffen, dürfte Gefahr laufen, auf der sozialarbeiterischen Ebene zu verbleiben. Des weiteren erlaubt diese Definition keine Zuspitzung der Forderung in Aktionen (Adressaten wären ja dann ausschließlich mögliche "Sympathisanten"). Andererseits ist es richtig, wenn gesagt wurde, die Forderung nach einer Legalisierung dürfe keine Illusion bezüglich dessen schüren, wozu staatliche Stellen bereit seien. Ich schlage daher folgendes vor: Wir definieren die Forderung nach Legalisierung als notwendige Präzisierung der Forderung "Offene Grenzen". Letztere bedeutete bisher nur ungenau: Alle Flüchtlinge sollen kommen und hier bleiben können. Dies wäre z.B. auch vorstellbar bei einem staatlichen System, welches nicht nach außen abschotten würde, nach innen jedoch Illegale verfolgen würde. Wir müssen dagegen genauer fordern: Jeder Flüchtling, der kommt, soll einen legalen, gesicherten Aufenthaltsstatus erhalten ohne Hierarchisierung nach Fluchtgründen. Dies wäre die Maximalforderung: Offene Einreise, legaler Status durch staatlichen Akt. ("Anerkannt" würde dabei von uns, daß der Staatsapparat eine gewisse Registrierung der Einreisenden vornimmt: Die Ausländerbehörde würde umgewidmet zur Einreisebehörde, allerdings mit nur "Zur-Kenntnis-nehmenden"-Befugnis sen.) Als Schritt dahin kann verstanden werden die Forderung, bisherige Illegalisierte offiziell zu legalisieren, aber mit Verweis darauf, daß dies im weiteren, da die staatlichen Abschiebe- und Aussonderungsmechanismen abgelehnt werden, für alle, die kommen werden, gelten muß. Beides muß immer gleichzeitig vertreten werden. Als nächstes muß mensch dann sagen, daß die Forderung zwar an den Staat gestellt wird und letztendlich nur von diesem umgesetzt werden kann, daß jedoch ein gewisses Moment des Erzwingens der Umsetzung darin liegt, wenn der geforderte, staatlich-sanktionierte Zustand quasi durch zivilen Ungehorsam vorweggenommen wird: Indem eben dazu aufgefordert wird, daß möglichst viele Menschen bereits jetzt so handeln, als ob die Flüchtlinge, denen sie helfen wollen , nicht illegalisiert wären. Das wäre gleich offensive Nichtbeachtung bzw. Erwehren der staatlichen Verfolgung, aber nicht als "Legalisierung in unserem Sinne", sondern als - propagierte - Maßnahme des zivilen Ungehorsams, um Druck in die Richtung der o.g. Forderung auszuüben, d.h.: legalisieren muß letztendlich der Staat. Offenlassen können wir diese Frage nicht: Du kannst keinem Flüchtling erklären, seine Probleme seien dadurch beendet, daß er von Menschen umgeben sei, die die staatliche Verfolgung ignorierten.

b.) "Legalisieren statt Kriminalisieren"? In der Diskussion hat sich m.E. herausgestellt, daß viele unter "der staatlichen Kriminalisierungskampagne" offenbar Razzien bzgl. v. Verstößen gegen das Ausländerrecht verstehen. Darin jedoch erschöpft sich weder die Kriminalisierung noch die entsprechende Propaganda: Im Moment wird medienmäßig und staatlicherseits im Schwerpunkt nicht mit Verstößen gegen das Ausländerrecht, sondern mit allgemeiner, herkömmlicher Kriminalität Propaganda gemacht. Also Einbruch, Diebstahl, Raub, Drogen. Diese Delikte werden auf Ausländer als "mehr-als-deutsche- Verursacher-" zurückgeführt. Hinzu treten politische Delikte (bes. bei Kurden). Diese Kampagne trifft jedoch alle Ausländer, gerade auch "Legale", siehe z.B. bei den jüngsten Verhaftungen nach den Autobahnblockaden der Kurden. Eine Antwort darauf kann nicht die Legalisierungskampagne sein: Illegalisierte werden nur unter anderen getroffen. Außerdem würden wir dann unterstellen, daß die behaupteten Taten wahr sind und nur von der illegalen Lebensweise der Illegalen verursacht seien, weswegen man sie legalisieren müsse. Ich schlage daher vor, die Begründung "Legalisierungskampagne ist aktuelle Reaktion auf staatliche Kriminalisierungskampagne" vollkommen rauszunehmen und stattdessen die Frage der Kriminalisierung im Tribunal mitzubehandeln, in ihrer gesamten Bandbreite. Bessere Begründung für die Legalisierungsforderung in obiger Definition ist der Verweis auf die - offensichtliche - Zunahme von Kriegen, wirtschaftlicher Not und Spannungsgebieten in Osteuropa, Asien und Afrika.

3.) Vorgehensweise Ich nehme an, die Legalisierungskampagne soll als bundesweit vorgeschlagene - ggfs. koordinierte - Kampagne verstanden werden. Dazu würde es eines überarbeiteten Begründungspapieres bedürfen, mit anschl. bundesweiter Diskussion (früher wurde das "Ratschlag" genannt). Ich schlage vor, daß dies hier von Hamburg aus offensiv mit Terminvorschlag auch so vorbereitet und vorgeschlagen wird, damit es einen Zeitpunkt gibt, auf den hingearbeitet werden kann. (Anf. Winter?) Zur Arbeit in Hamburg: Die Hamburger "Zweiteilung" in Kampagne- und Tribunalsvorbereitung ist problematisch und wird wohl auf Dauer personell von den verschiedenen Gruppen nicht durchzuhalten sein. Warum können wir nicht das Vorhaben des Tribunals als Umsetzung der oben definierten Legalisierungsforderung verstehen (Aufforderung an alle, die im Tribunal angeklagten staatlichen Vorgehensweisen mit Flüchtlingen fortan nicht mehr hinzunehmen, staatliche Verdikte etc. zu unterlaufen)? Mithin würde sich ein gemeinsamer Vorbereitungstermin für beides (Disk. der Ziele der Kampagne und Vorbereitung Tribunal) anbieten mit einer inhaltlichen Zweiteilung pro Abend. Dies setzt allerdings voraus, daß "Technisches" in Arbeitsgruppen verbindlich erledigt würde. FRANK (AL Hamburg)

Aus dem Inhalt dieser Ausgabe:

Broschüre BRD-RAF beschlagnahmt Schlappe für Neonazis Kurdenverfolgung und Widerstand Zu Paul Dessau Beuys' ARENA in der Kunsthalle Brüder, zur Sonne, zur Freiheit Fotokopierdiplom als Abschluß? Die Hamburger Assistenzgenossenschaft stellt sich vor Nochmal zur Legalisierungskampagne

Strafanzeige gegen

Polizeibeamte

und Hackmann

Mit der nachfolgend abgedruckten Presseerklärung teilt Rechtsanwalt Johannes Santen mit, daß gegen Polizeibeamte und Innensenator Hackmann wegen des Polizeieinsatzes bei der "Haider-Veranstaltung" auf dem Gänsemarkt am 30.5.94 Strafanzeige erstattet wurde.

Acht Betroffene und zwei weitere Personen haben am 9.8. wegen des rechtswidrigen Polizeieinsatzes am 30.5.94 auf dem Gänsemarkt anläßlich des Auftrittes des Rechtsextremisten Jörg Haider Strafanzeige erstattet. Sie gründet sich insbesondere auf den Einsatz einer Vielzahl von ZivilpolizistInnen, die massiv und wahllos Demonstrantinnen und Demonstranten mit Reizgas angriffen. Im weiteren Verlauf kam es zu ungerechtfertigten Festnahmen und zu Mißhandlungen, auch durch uniformierte Beamte. Die ZivilpolizistInnen, die zunächst nicht als solche erkennbar waren, hatten sich unter die auf dem Gänsemarkt versammelten Menschen gemischt, die gegen den Haider-Auftritt protestieren wollten. Das koordinierte gewalttätige Vorgehen der Polizei begründet den dringenden Verdacht des Landfriedensbruchs (im besonders schweren Fall) und der Körperverletzung im Amt. Weiter besteht der Verdacht der Freiheitsberaubung und der Verfolgung Unschuldiger, der Verleitung Untergebener zu Straftaten und der unterlassenen Hilfeleistung gegenüber Verletzten. Die Strafanzeige richtet sich gegen die bisher weitgehend nicht namentlich bekannten auf dem Gänsemarkt eingesetzten PolizistInnen und die Einsatzleitung, u.a. den Leiter der Polizeidir. Mitte, Leitender Polizeidirektor Peters. Gegen den Senator für Inneres, Werner Hackmann, besteht der Verdacht, Straftaten durch Unterlassung begangen zu haben, weil er das grob rechtswidrige Geschehen vom "Block House" aus beobachtete, es aber nicht unterband, obwohl er dazu als rechtlich Verantwortlicher verpflichtet gewesen wäre. Die offizielle Begründung für den massiven Einsatz von sich nicht zu erkennen gebenden ZivilpolizistInnen lautet, man habe nicht durch sichtbare Präsenz von uniformierter Polizei den Eindruck erwecken wollen, die Hamburger Polizei schütze eine Veranstaltung von Rechtsextremisten. Ziel war es dagegen offenbar, den antirassistischen und antifaschistischen Protest durch Provokationen und Eingriffe in demokratische Freiheitsrechte, wie das Recht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das allgemeine Freiheitsrecht, zu verhindern. Damit zeigt die Hamburger Polizei eine erschreckende Kontinuität in der Mißachtung bürgerlicher Grundrechte. Der Einsatz vom 30.5.94 steht in einer Reihe mit Aktionen wie dem "Hamburger Kessel" auf dem Heiligengeistfeld oder dem Zutrittsverbot für den Flughafen anläßlich der Überführung der Opfer des Möllner Mordan schlages. Mehrfache Verurteilungen durch das Hamburger Verwaltungs- und das Landgericht vermögen anscheinend die Hamburger Polizei nicht von solchem rechtswidrigen Handeln abzubringen. Auch wegen der Vorfälle auf dem Gänsemarkt ist eine Klage zum Verwaltungsgericht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes in Vor bereitung. Angesichts der beschriebenen Kontinuität der wiederholten groben Mißachtung demokratischer Rechte stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen dem politischen Willen des Hamburger Senats entspricht.

Die Polizei begründet die Auflage: () Für einen wirksamen Schutz dieses Rechts ist zu verlangen, daß dem einzelnen zur freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit ein "Innenraum" verbleibt, in dem er "sich selbst besitzt" und in den er sich "zurückziehen kann", zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat, in dem er in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt Dies bedeutet, daß die unmittelbare Umgebung einer Privatwohnung daher von Veranstaltungen freizuhalten ist, die auf Grund ihrer Anlage geeignet sind, einen mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz nicht in Einklang zu bringenden psychischen Druck in Form einer Belagerungssituation zu erzeugen Mit der Durchführung der Versammlung in der angemeldeten Form würde ein psychischer Druck auf Herrn Rechtsanwalt Rieger ausgeübt, der ihn in dem oben beschriebenen unantastbaren Individualbereich berühren und damit sein grundrechtlich geschütztes Persönlichkeitsrecht verletzen würde. ()

Aus der Beschwerde gegen den Auflagenbescheid: () Es ist festzustellen, daß die auferlegte Marschroute einem Verbot der Demonstration in nichts nachsteht. Sinn der Demonstration in Blankense ist der Gang zum Bürohaus des Rechtsanwalts Rieger , um den interessierten Bürgern und den Teilnehmern der Demonstration aufzuzeigen, daß die Gefahr von rechts, die Hetze gegen Ausländer, die Leugnung des unendlichen Leidens der Juden während des Nationalsozialismus in Deutschland, die Diskriminierung von Behinderten u.a.m gerade angesichts der wieder zu erwartenden Aufmärsche uniformierter und rechtsradikale Parolen brüllender Nazis in den Tagen um den 17. August 1994 nicht anonym ist, sondern Namen und Adresse besitzt. () Rechtsanwalt Rieger zeichnet sich dadurch aus, daß er mit seiner nazistischen Propaganda und seiner (öffentlichen) Tätigkeit für nazistische und faschistische Organisationen die Grundlage für Übergriffe auf Mitbürger dieses Staates setzt. Vor einem solchen Mann muß in einer Form gewarnt werden können, die geeignet ist, die Öffentlichkeit aufmerken zu lassen Das Recht des Herrn Rieger auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wird dadurch nicht in nennenswertem Maße beeinträchtigt. Selbst wenn die Kundgebung vor seinem Bürohaus eine halbe Stunde dauern sollte, ist dies von ihm angesichts der von ihm entwickelten Aktivitäten hinzunehmen und kann schon gar nicht mit einem "Belagerungszustand" verglichen werden. ()

Beuys' ARENA in der Kunsthalle

Wenn Kunst zum Mittel der Kritik an herrschenden Zuständen wird, dann gelingt dies nicht unmittelbar. Form und Inhalt müssen dialektisch vermittelt sein, ein sozialistischer Realismus reicht nicht aus, weil er die formalen, also form-ästhetischen und gestalterischen Aspekte der Kunst zu wenig berücksichtigt. Reine formorientierte Kunst hingegen, die es auf bloßen ästhetischen Reiz und Schock anlegt, verliert ihre inhaltliche Dimension, die politische Bedeutung wird schließlich austauschbar. Solche Formreduzierung ist an der Gegenwartskunst etwa im Übergang zu Design und Reklame zu beobachten. Eine Dialektik von Form und Inhalt in der Kunst zu finden, verlangt nicht nur Auseinandersetzung mit der Gegenwart, sondern auch mit der künstlerischen Situation, die von der Gegenwart so wenig losgelöst betrachtet werden kann wie von der Kunstgeschichte. Joseph Beuys (1921-1986) hat solche doppelte Kritikbestimmung der Kunst mit seinen Arbeiten versucht. Seine Arbeiten zeigen aber ebenso die Schwierigkeit dieses Prozesses: Kunst hat zur Bedingung die gegenwärtige kapitalistische Gesellschaft. Ihre Orte sind weiterhin die Universität, Akademie, Museum und Galerie, also Orte, die nicht für die Arbeiterklasse gedacht, sondern dem Bürgertum vorbehalten sind. Bildungschancen und nötige Zeit für die Kunstbeschäftigung sind der Luxus des Bürgertums. Bei Beuys zeigt sich, wie er mit seinen revolutionärsten Forderungen nur die Situation der Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft verhärtet hat, aber nicht durchbrach. Das gilt für den Satz "Jeder ist Künstler": Beuys wollte damit zum Ausdruck bringen, daß jeder das Zeug und die Kreativität zum Künstler hat, daß man für die Kunst nicht studiert haben muß, daß mit einfachsten Mitteln Kunst geschehen kann. Solche Forderung ist aber in unserer Gesellschaft nicht einlösbar, denn sie verlangt die Aufhebung der Arbeitsteilung. Solange die Verhältnisse so sind, wie sie sind, schlagen dieserlei Forderungen dahin um, sie zur Originalität des Künstlers zu zählen und ihn zum Star zu mystifizieren. Beuys hatte erkannt, daß die Kunst sich im Zustand der Isolation befindet, und wollte sie daraus befreien. Befreit hat er höchstens seine isolierte Stellung als Künstler. Es ist mithin auch Aufgabe der kritischen Betrachtung von Kunst, sie ihrem bürgerlichen Bezugsrahmen zu entreißen und für unsere Zwekke dienstbar zu machen. In der Hamburger Kunsthalle ist jetzt eine Beuysarbeit zu sehen: ARENA, 1970 bis 1972 entstanden; Fotos, zum Teil mit Fett, Säure etc. nachbehandelt, sind in 97 Metallrahmen angeordnet. Zwei weitere Rahmen enthalten blaues Glas, ein Rahmen gelbes. Die Arbeit ist im Kuppelrund der Kunsthalle zu sehen, kreisförmig angeordnet; übrige Rahmen sind an der Wand gestapelt. In der Mitte des Raumes liegen Wachs- und Metallplatten nebst Ölkännchen. Kann diese Arbeit kritisch verstanden werden? Die Fotos sind unfertig, zeigen nur Ausschnitte, also einen unabgeschlossenen Arbeitsvorgang: Kunst ist für Beuys weniger das Resultat als die Produktion der Kunst. Der Raum ist von dem Werk kaum ausgefüllt - Arena, das ist auch die Leerfläche, in der sich Gruppen zur Diskussion einfinden sollen. Die Arbeiten hängen dort, wo in einer Arena die Zuschauer sitzen: die Kunst wird zum Betrachter des Ausstellungsbesuchers - sie kritisiert den, der in den Werken mehr als die Aufforderung sehen will, sie durch eigene Kreativität und Vorstellung zu vervollständigen. Die gestapelten Arbeiten wie auch die Platten in der Mitte des Raumes versteht Beuys als Batterie, als gespeicherte, aber ständig freisetzbare Energie. Die Arbeit ist dabei nur ein Modell für die gespeicherte Energie des Besuchers, die er mitbringt, um sich mit Beuys auseinanderzusetzen. Im Gespräch über die Kunst soll kollektive Erinnerung freigesetzt werden. Und doch ist diese Kunst viel zu sehr gefangen in dem Museumsrahmen. (Dieses Gefängnis ist auch durch die derben Metallrahmen angedeutet!) So radikal das Anliegen der Beuysschen Arbeiten auch war: der bürgerliche Kunstbetrieb hat sich ihrer bemächtigt, und nun dienen sie zum Schmuck des Kunstkenners. Innerhalb dieses Betriebes schlägt Beuys' Botschaft nach hinten um; sie heißt: Die gesellschaftlichen Zustände braucht man nicht verändern, solange die Kunst Spielwiese für Veränderungen ist - hier kann sich der Revolutionär austoben. Kunst muß aber ein Experimentierfeld für Veränderungen sein, die dann gesellschaftlich durchgesetzt werden. -(rob)

Lokalberichte HamburgNr. 17/1994, 18.August 1994 Herausgeberkreis: Alternative Liste, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik (AGG), Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Arbeitskreis Azania, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Hochschul-Antifa, Mitglieder der PDS/Linken Liste Hamburg, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Redaktionstreffen und Redaktionsschluß: Donnerstag, 25.August, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-, für Leute mit wenig Geld 26,-), zu zahlen auf das Konto GNN- Verlag, HASPA, BLZ 20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH