Reiches Armburg

stand auf einem selbstgemalten, riesigen Transparent einer der ungewöhnlichsten Demonstrationen, die Hamburg, die reichste Region in der Europäischen Union, je gesehen hatte: In der Innenstadt, rund um den Gänsemarkt, direkt vor dem Gebäude der Finanzbehörde, hatten sich Tausende Eltern, Schüler, Lehrer, Hochschulangehörige, Sozialinitiative, Kindergärten und Schauspieler zum Protest gegen Bildungs- und Sozialabbau versammelt. Vorher waren Percussion-Groups von Schulen, Attrappen von Sparschweinen, Kinder mit Protestluftballons, "Spar-Lotterie-Los-Verkäufer", Sänftenträger, die die Bildung, "unser kostbarstes Gut", durch die Innenstadt trugen, im Feierabendverkehr den Nachmittag über durch die belebten Straßen gezogen. Gegen die Beschlüsse des Hamburger Senats, den Sozial-, Bildungs-, Hochschul- und Kulturetat drastisch zusammenzustreichen, hatte sich ein politisch ungewöhnliches Bündnis zusammengefunden: alle Hamburger Elternorganisationen (sowohl die SPD- wie die CDU-nahen), die SchülerInnenkammer (die Vertretung aller Schülerräte), das Aktionskomitee "Armes Hamburg" mit zahlreichen ambulanten Sozial- und Pflegestationen, der Universitätspräsident, der Deutsche Lehrerverband und die GEW und das Ensemble des "Thalia-Theaters", in dem gerade Bert Brechts Dreigroschenoper gegeben wird, um - analog zu Brecht - Szenen, Texte, aktualisierte und auf die Haushaltskürzungen des Senats bezogene Beiträge als witzigen Protest öffentlich darzubieten. Es war eindrucksvoll, Kindergartenkinder und bekannte Schauspieler neben- und nacheinander auf der Bühne zu erleben. Zwei Tage vorher hatte der Senat, scheinbar unbeeindruckt von den Protesten, die aktuellen Haushaltskürzungen für den Bildungsetat 1995-97 beschlossen: Alle Lehrer sollen 1 Stunde länger arbeiten, rund 1000 Lehrerstellen werden gestrichen, ganze Bildungsgänge (Aufbaugymnasium, Handelsschule u.ä.) werden eingestellt, Schulbau- und Lehr- und Lernmittel drastisch gekürzt. "Wut gegen Sparwut" kommentierte das ein Transparent. Die Abschlußrede hielt der ehemalige Präsident des Kinderschutzbundes, der Sozialdemokrat Prof. Walter Bärsch:

Rede am 30.6.1994 von Prof. Dr. Walter Bärsch Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, liebe Kinder und Jugendliche! 1. "Die einen stehen im Dunkeln, die anderen im Licht." Ja, so ist es! Was ist das für eine Gesellschaft? - Wir sind auf dem Wege zu einer Zweiklassengesellschaft. Die Reichen werden immer reicher, und die Armen - das sind vor allem die Familien mit Kindern - werden immer ärmer. Ohne Zweifel ist die Armut seit den 80er Jahren zu einem sozialpolitischen Problem erster Ordnung geworden. In unserer Gesellschaft - die man zwar etwas einseitig, aber nicht ganz falsch eine Wohlstandsgesellschaft nennt - erlebt ein wachsender Teil der Bevölkerung eine erhebliche Behinderung in den Bereichen Arbeit, Einkommen, Bildung, Wohnen und Teilhabe an der Kultur. Dies ist eine Herausforderung an die Gesellschaft insgesamt und an jeden einzelnen von uns. - Der Staat behauptet, er sei arm und müsse deshalb die Ausgaben kürzen, und tut das ganz besonders im Sozial- und Bildungsbereich, ausgerechnet in einem Bereich, in dem eine soziale Zeitbombe schon seit langem tickt und schon jetzt erkennbar ist, daß die Behebung der sozialen Schäden ein Vielfaches von dem kosten wird, was jetzt eingespart wird. Was ist das für eine Politik?! - Sicher sind die Kassen des Staates nicht besonders voll. Aber - so müssen wir fragen: Wird dieses Geld nach den richtigen Prioritäten ausgegeben? Wir meinen: Nein! Da wird viel zu viel Geld für eine völlig überzogene Verwaltung unseres Staates ausgegeben. Da werden Subventionen nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Hohe Priorität haben die Wirtschaft und die äußere und die innere Sicherheit, und viele Politiker meinen, nur über eine intakte Wirtschaft könne unser Sozialleben gesichert werden. Dies ist richtig und falsch zugleich. Brecht sagte: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral." Für die sog. soziale Marktwirtschaft könnte man den Spruch umformulieren: "Erst kommt der Profit, dann kommt das Soziale." - wenn es nicht weh tut. Bei dieser Praxis bleiben viele Menschen mit ihren Bedürfnissen auf der Strecke. Ohne Übertreibung kann man sagen: Das Auto hat in der Politik einen viel größeren Stellenwert als die Familien mit ihren Kindern. Damit finden wir uns nicht ab. 2. Sprechen wir nun von den Verhältnissen in Hamburg. In den 80er und 90er Jahren hat sich die Zahl der Millionäre verdoppelt, während sich die Zahl der Sozialhilfempfänger verdreifacht hat. Besonders hart hat es die Familien mit ihren Kindern getroffen. 21% aller Kinder unter 7 Jahren sind Sozialhilfeempfänger, 16% aller im Alter von 7 bis unter 18 und immer noch 12,6% der von 18- bis 25jährigen. In einigen Gebieten sieht es besonders schlimm aus. So lebt z.B. im Bezirkskerngebiet Mitte (ohne St. Pauli) jedes zweite Kind und jeder zweite Jugendliche in einem Sozialhilfehaushalt. Die sozialen Probleme für Kinder und Jugendliche und auch durch sie werden immer größer. Schon jetzt kann die Jugendhilfe nicht das Notwendige tun. Und nun riskiert es der Senat, in diesem Bereich - und auch im Bildungsbereich - die Mittel zu kürzen. Das verstehe, wer will! Im Bildungsbereich sollen über 1000 Stellen eingespart werden. Betroffen ist auch der Raum- und Sachmitteletat. Die Universität soll über 30 Millionen einsparen, und die Zahl der Studienanfänger muß um 15% gesenkt werden. Éhnlich sieht es auch im Jugendhilfebereich aus. Das ist nicht nur eine quantitative Veränderung der Arbeit, das ist auch ein qualitativer Umbau des Bildungs- und Jugendhilfesystems in Hamburg. 3. Die Hauptleidtragenden dieser Kürzungen sind die Kinder und Jugendlichen mit ihren Familien. Die Kinder haben kein politisches Mandat. Deshalb müssen wir uns für sie zu Wort melden. Wir können es nicht hinnehmen, wenn man sie vornehmlich als lästigen Kostenfaktor behandelt und in ihrem Lebensbereich Kürzungen verfügt. 4. Die Kinder und Jugendlichen mit ihren Belangen gehören in die erste Prioritätsstufe. Sie stehen am Anfang ihres Lebens und sind auf die Unterstützung durch die Erwachsenen und auch durch den Staat angewiesen. Wenn ihre Lebens-, Bildungs- und Berufsperspektiven schon von Anfang an durch materielle Not, emotionale Vernachlässigung, zu geringe Hilfe, mangelhafte Bildung eingeschränkt werden, fehlt ihnen die Grundlage für die Bewältigung ihres persönlichen Lebens. Sie werden auch nicht in der Lage sein, die auf uns alle lastenden, sehr schweren Probleme unserer Gesellschaft mit lösen zu helfen. Für die erfolgreiche Bewältigung unserer gesellschaftlichen Zukunft haben wir keine bessere Ressource als unsere Kinder und Jugendlichen. Sie sind im besten Sinne des Wortes die Garanten unserer Zukunft. Dies ist keine abgegriffene Formel, dies ist die Wahrheit. 5. Diese Einsicht muß auch unsere Politik bestimmen. Die Not unserer Kinder und Jugendlichen ist schon groß genug, und die negativen Folgen sind bereits für jedermann erkennbar. Viele Kinder sind gesundheitlich angeschlagen. Die chronischen Erkrankungen nehmen zu. Mindestens jedes fünfte Kind leidet an psychischen Störungen, und das destruktive Verhalten vieler Jugendlicher beunruhigt die Gesellschaft. Dazu gehört auch der Drogenkonsum. Das sind Alarmzeichen. Die Kinder dürfen nicht nur in Fest- und Sonntagsreden, auf Wahlplakaten und in Deklarationen erwähnt werden. Sie müssen ganz praktisch in der Politik vorkommen. Wir erwarten, daß die Politiker für sie handeln und nicht gegen sie. Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich sind das Gegenteil von dem, was not tut. Wir Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt fordern zum Wohle unserer Kinder und Jugendlichen die eindeutige Priorität für die Bildungs-, Jugend- und Sozialpolitik. 6. Es gibt keine bessere Investition als die in unsere Kinder und Jugendlichen - und es gibt keine größere Attacke gegen das Herzstück unserer Gesellschaft als Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich. 7. Um der Menschen in unserer Gesellschaft willen und im Interesse der Zukunft unserer Gesellschaft fordern wir: Der Bildungs- und Sozialbereich darf nicht zum Steinbruch dafür werden, Mittel für die Lösung von Haushaltsproblemen zu bekommen. Ganz im Gegenteil: weiterer Ausbau ist dringend nötig. Noch ist viel zu tun, ehe wir zum Wohle der Kinder und Jugendlichen und zum besten der gesamten Gesellschaft eine wirklich soziale und damit auch humane Gesellschaft werden. 8. Herr Voscherau: Nehmen Sie die Kinder nicht nur auf Wahlplakaten an die Hand. Tun Sie das ganz konkret durch Ihre Politik! Fördern Sie die Lebenschancen der Kinder, verkürzen Sie diese Chancen nicht!

Politisch beachtlich, daß sich immer mehr Sozialdemokraten gegen den unsozialen Kürzungskurs des Senats, der im November noch vom Landesparlament beschlossen werden muß, mehren, daß sich die unmittelbar Betroffenen immer konsequenter weigern, zwischen zwei Kürzungsvarianten zu entscheiden, daß sich die in Hamburg starken Grünen ambivalent verhalten (so enthielt sich die GAL-Fraktion in der Schuldeputation, einem Hamburg-spezifischen parlamentarischen Kontrollorgan für die Schulbehörde, bei der Verabschiedung eines Kürzungshaushaltes für 1995 der Stimme!) und daß sich neue, ungewöhnliche Bündnisse über die Zusammenarbeit in der Sache finden. So hatten sowohl der CDU-nahe Elternbund wie die PDS/LL, der Sozialdemokrat Jürgen Flimm (Intendant des Thalia-Theaters) wie der GAL-nahe "Verband Hamburger Spielplatzinitiativen" zu der Aktion aufgerufen. Weitere Aktivitäten werden folgen - und folgen müssen, um den Umbau der Hamburger Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik zu stoppen. Horst Bethge, Bildungspolitischer Sprecher der PDS/LL

Presseerklärung

Der 15jährige Kurde Ayhan Eser wurde

von deutschem Polizisten erschossen

Am frühen Morgen des 1. Juli, um 00.30 Uhr, wurde im Stadtzentrum Hannovers der fünfzehnjährige Kurde Ayhan Eser durch einen Zivilpolizisten kaltblütig erschossen. Zeugen berichten, daß der Beamte seine Waffe ohne Vorwarnung und aus etwa zehn Metern Entfernung gegen den Jungen eingesetzt habe. Die Zeugen sagen weiter aus, daß Ayhan Eser von den Zivilpolizisten zuvor beim Ankleben von Plakaten der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans ERNK beobachtet wurde. Nachdem ein Streifenwagen den Ort passiert hatte, versuchten die Jugendlichen zu flüchten. Einem der Zivilpolizisten gelang es, Ayhan Eser festzuhalten. Ayhan entwand sich dem Griff und lief weg. Der Beamte schoß auf den Flüchtenden. Ayhan Eser starb wenig später an den Folgen des Schusses in den Brustkorb. Ayhan Eser stammte aus Bingöl. Er war erst wenige Wochen in Deutschland. Er hoffte, hier dem mörderischen Krieg des türkischen Staates gegen sein Volk zu entgehen - eine Hoffnung, die bitter enttäuscht wurde. Es kann keinen Grund für die Erschießung eines fünfzehnjährigen Jungen geben. Seit wann steht in Deutschland für das Ankleben von Plakaten die standrechtliche Erschießung? Führt jetzt auch die deutsche Polizei einen Krieg gegen die Kurden? Quasi als Rechtfertigung führte die Polizei gegenüber dpa an, daß die ERNK als militanter Arm der in Deutschland verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans gelte. Nach dieser Logik handelten bisher die Todesschwadronen in der Türkei, wenn es gegen Kurden ging. Die bisherigen Erklärungen der Polizei zeigen eindeutig, daß hier versucht wird, die Wahrheit zu verschweigen. Automatisch wird der Beamte als leidtragendes, unter Schock stehendes Opfer dargestellt. Die Erschießung eines fünfzehnjährigen Jungen kann nicht anders als eine Provokation aufgefaßt werden. Die Schuld an dem Vorfall liegt eindeutig bei der Poli zei. Es stellt sich die Frage, ob das Verbot der kurdischen Organisationen und Vereine in der Bundesrepublik jetzt mit standrechtlichen Erschießungen und anderen extralegalen Mitteln durchgesetzt werden soll. Wie sonst ist das Verhalten des Beamten zu erklären, der als Angehöriger einer Zivilstreife die Situation eigentlich einschätzen konnte? Was ist mit dieser Provokation beabsichtigt? Ganz offensichtlich erreicht mit dieser Tat die Repression gegen die in Deutschland lebenden Kurden einen neuen Höhepunkt. Der Tod von Ayhan Eser ist eine logische Folge der bisherigen Politik der systematischen Diffamierung und Kriminalisierung der Kurden. Kurdische Menschen wurden und werden von Medien, Politikern und "Sicherheitskräften" in der BRD immer wieder als Zielscheibe und Feind dargestellt. Die demokratische Öffentlichkeit der Bundesrepublik ist aufgefordert, dafür zu sorgen, daß die Verantwortlichen für diese Politik und die konkrete Tat zur Rechenschaft gezogen werden. Kurdistan-Informationsbüro, 1.7.94

Demonstration in Hamburg Am Abend des 1. Juli gegen 23.00 Uhr trafen sich ca. 100 Menschen - hauptsächlich Deutsche, aber auch Kurden - zu einer Spontandemonstration durch das Schanzenviertel, um gegen die Erschießung des kurdischen Jugendlichen zu protestieren. Nach und nach wuchs der Demonstrationszug auf 300 bis 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die lautstark immer wieder Parolen riefen, an. Im Verlauf gingen einige Scheiben von Banken und Polizeiwagen zu Bruch bzw. wurden mit Farbbeuteln beworfen, bis der Zug an der Universität anlangte. Auf einem Fest des AStA wurde der Vorfall in Hannover bekanntgegeben, allerdings war die Reaktion darauf enttäuschend verhalten. Anschließend zog die Demonstration auf dem Rückweg durch das Karolinenviertel - dort schlossen sich noch einmal weitere Leute an - und löste sich an der Flora gegen 1.00 Uhr auf. (nach einem telefonischen Kurzbericht)

Gericht entschied, nicht zu entscheiden

Irmgard Möller weiter in Haft

Fast drei Stunden stand Irmgard Möller der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lübeck in einer "Anhörung zur Aussetzung der Reststrafe" am 22.6.1994 Rede und Antwort. Sie wurde dennoch nicht freigelassen. Es fehlt ein psychiatrisches Gutachten, das der beauftragte Gutachter anfangs anhand der Aktenlage zu erstellen bereit war, dann aber meinte, doch auf eine "psychiatrische Exploration" der Gefangenen selbst nicht verzichten zu können. Irmgard Möller sitzt am 8. Juli seit unfaßbaren zweiundzwanzig Jahren unter permanenten Sonderhaftbedingungen im Knast. Sie weigert sich - wie alle übrigen Gefangenen aus der RAF auch -, eine "psychiatrische Exploration" an sich vollziehen zu lassen. Als sie 1992 einen "Antrag auf Aussetzung der Reststrafe" gestellt hat, gab es noch nicht die Bundesgerichtshofentscheidung vom 7. April 1993, wonach ein psychiatrisches Gutachten in einem derartigen Verfahren auf jeden Fall erstellt werden muß. Es hätte bis dahin irgendein Gutachter/Wissenschaftler sein können. Bei einer Pressekonferenz am 23.6. in Hamburg erklärte die Rechtsanwältin von Irmgard, Anke Brenneke-Eggers, daß das Gericht bezüglich der sogenannten Sozialprognose in allen Punkten eine mögliche Freilassung bejaht hat, daß die Gefangene sich aber auch weiterhin weigern werde, die "psychiatrische Exploration" an sich vornehmen zu lassen, weil dadurch versucht wird, alle diejenigen, "die fundamentalen Widerstand leisten, für verrückt zu erklären". Darüber hinaus ist eine "Exploration" für den Staatsschutz ein Mittel, um die Wirkung der Haftbedingungen zu erforschen. Die Gefangene sei von seiten des Gerichtes "mit Respekt behandelt" worden - was keineswegs normal sei. Der psychiatrische Gutachter ist vom Gericht nochmals aufgefordert worden, ein Gutachten anhand der umfangreichen Unterlagen, die sich im Laufe von zweiundzwanzig Jahren und lückenloser Überwachung angesammelt haben, anzufertigen. Darüber hinaus soll er Personen, die in den letzten zehn Jahren zu Irmgard Kontakt gehabt haben, befragen. Er habe, so Anke Brenneke- Eggers, jedoch bereits angedeutet, daß seines Erachtens bei einem solchen Vorgehen ein "sicheres Beweisergebnis nicht möglich" sei. Das Gericht erwäge, weitere Gutachten, z.B. von Sozialwissenschaftlern, hinzuziehen. Da auf ein psychiatrisches Gutachten aber nicht verzichtet werden kann, wird es immer wieder an der "Sachverständigenfrage" scheitern. Letztendlich, so Anke Brenneke-Eggers, ist das "eine Ablehnung auf Raten Die Freilassung von Irmgard Möller ist blockiert, scheinbar an der Verfahrensfrage der Gutachtererstattung. Genau dies ist beabsichtigt. Der Beschluß des Bundesgerichtshofs, psychiatrische Gutachten zur Voraussetzung für eine Entlassung nach @57a StGB zu machen, soll die politische Entscheidung über eine Freilassung als Verfahrensfrage erscheinen lassen." Norman Paech, Hamburger Hochschullehrer, der seit viereinhalb Jahren mit einer Gruppe Besuche im Lübecker Knast macht, bekräftigte bei der Pressekonferenz die Haltung der Gefangenen: "Diese Gefangenen sind keine psychiatrischen Fälle." Die Besuchergruppe habe mehrfach vorgeschlagen, z.B. einen Kriminologen als Gutachter zu akzeptieren, das sei jedoch immer abgelehnt worden. "Das Verfahren dreht sich im Zirkel" und: "Das Ganze ist eine katastrophale Entscheidungslage!" Gabriele Rollnik, die als politische Gefangene selbst fünfzehn Jahre, davon drei mit Irmgard in Lübeck, im Knast gewesen ist, betonte bei der Pressekonferenz nochmals, daß es sich bei der Frage nach Freilassung um eine rein politische Entscheidung handelt, die durch die Verfahrensfrage "verhüllt" werde. Es ginge darum, daß endlich der Sonderhaftstatus anerkannt wird. In Haft sei eine gesundheitliche Rekonstruktion der Gefangenen nicht möglich. Das gelte keineswegs nur für Irmgard, bei der sowohl der Gefängnisarzt als auch ein Arzt ihrer Wahl schwerwiegende gesundheitliche Schäden feststellte. Außer Eva Haule, die "erst" seit acht Jahren inhaftiert ist, und Birgit Hogefeld sitzen alle übrigen Gefangenen aus der RAF inzwischen seit über fünfzehn bzw. achtzehn Jahren im Knast und haben alle mit gesundheitlichen Folgeschäden der (Sonder-)Haftbedingungen zu kämpfen. Irmgard nimmt seit ca. zehn Jahren Kreislaufmedikamente, leidet unter einer Schilddrüsenerkrankung, einem schweren Gesichtsexzem, das besonders die Augen betrifft, und unter einer Störung des Immunsystems aufgrund des jahrelangen Stresses. Sie leidet oft unter Infektionen und Fieber und an einer Störung des Fettstoffwechsels. Mit Irmgard sollen Maßstäbe gesetzt werden, die für alle übrigen Gefangenen aus der RAF von Bedeutung sind. Vor Augen muß mensch sich dabei führen, daß Irmgard "nur" einmal lebenslänglich plus fünfzehn Jahre hat - während Christian Klar z.B. inzwischen siebenmal zu lebenslänglich verurteilt wurde. (A.F., Quelle: Angehörigen Info 148)

Freispruch für Redakteurin des "Angehörigen Infos" So etwas habe ich noch nie vorher erlebt: Da erhebt der Staatsanwalt erst Anklage wegen @90a, weil "Deutschland beleidigt" worden sei, setzt sich, hört mehr oder weniger gelangweilt der ausführlichen Erklärung der Angeklagten Jeannette Hülbig zu - und steht dann wieder auf, um Freispruch zu verlangen. Der Richter, der den Freispruch bereits "im Raume schweben gesehen" haben will, ist äußerst ungehalten darüber, daß der Rechtsanwalt der Angeklagten, Dieter Magsam, dennoch ein paar Ausführungen macht, weil für diesen die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit nämlich nicht erst im Falle einer Verurteilung, sondern bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben ist. 16 Verfahren gegen das Angehörigen Info seit dessen Ersterscheinen als Hungerstreik Info 1989 - die meisten "eingestellt". So etwas hinterläßt Spuren in den Köpfen derer, die für Veröffentlichungen verantwortlich zeichnen. Das permanente Damoklesschwert einer Verurteilung über dem Kopf verformt sich zur "Schere im Kopf". () Auf Drängen der Bundesanwaltschaft, genauer des Herrn Morre, hatte die Hamburger Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Im Angehörigen Info 124 hatten die Angehörigen geschrieben: "Die Ermordung von Wolfgang ist Teil des gleichen staatlichen Programms, das seit jetzt dreiundzwanzig Jahren auch gegen die politischen Gefangenen durchgeführt wird." "Das Ziel des Staates ist die Vernichtung der Gefangenen: entweder sie sind bereit zu kapitulieren, oder sie sollen nie wieder frei sein." Der Hamburger Staatsanwalt plädierte dann auf Freispruch, weil die Angeklagte in ihrer Erklärung klargemacht habe, daß mit "Vernichtung" ja nicht die "physische Vernichtung" () gemeint war. Vernichtungshaft als "psychische Vernichtung" anzuprangern, das sei im Rahmen des Grundgesetzes noch erlaubt () Der Richter wollte aber offensichtlich den Steuerzahler nicht ganz "umsonst" diesen Prozeß finanziert haben lassen. Als er das Urteil verkünden wollte und vier ZuschauerInnen ihm partout keinen Respekt durch Aufstehen zollen wollten, löste er Alarm aus und ließ sie von einem überdimensionalen uniformierten Aufgebot im Flur festnehmen. Als er sie nach Ende des Prozesses in einem Raum unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu mindestens einem Tag Ordnungshaft verdonnern wollte, war er jedoch wieder zur Freisprechung gezwungen, weil das "Vorführen" und die Verkündung der Ordnungsstrafe außerhalb der Hauptverhandlung nämlich unrechtmäßig sind. () (A.F., Quelle: Angehörigen Info 148)

FreizeitkickerInnen-Turnier

in Eimsbüttel mit Überraschungen

Es gibt nicht mehr so viele links-alternative Fußballaktivitäten in diesem Lande. Das "FreizeitkickerInnen-Turnier" in Eimsbüttel gehört zu dem, was geblieben ist, und das ist durchaus eindrucksvoll. 30 Mannschaften (das 12. Turnier in Folge) sowie 5 Frauschaften (auch bereits das 12. Turnier in Folge) trafen am 18. Juni aufeinander. Schon die Pokale für die SiegerInnen zeichnen sich gegenüber "normalen" Turnieren aus. Bei den Männern geht es um den "August-Postler-Wanderpokal". Benannt nach einem Hamburger Fußballer, der zweimal Deutscher Fußballmeister des Arbeitersports mit Lorbeer Rothenburgsort (u.a. mit Erwin Seeler) wurde. August Postler ging als Kommunist 1933 in den Widerstand, wurde von Faschisten verhaftet und ermordet. Die Frauen spielen um den "Gretel-Bergmann-Wanderpokal", benannt nach einer jüdischen Hochspringerin, der vom Deutschen Leichtathletik Verband im Jahre 1936 die Teilnahme an den Olympischen Spielen verwehrt wurde. Diese beiden Pokale stellte die taz Hamburg zur Verfügung. Sieger bei den Männern wurde in diesem Jahr zum ersten Mal Caramba Hamburg. Nachdem das Endspiel gegen die Vorjahressieger vom FC Über-Ich torlos geblieben war, setzten sich die Carambas im anschließenden Elfmeterschießen knapp durch. Überraschung bei den Frauen. Bei der SiegerInnenehrung im Clubheim des FC St. Pauli am Millerntor konnten die Frauen von Kunterbunt Lübeck als Siegerinnen ausgerufen werden, die sonst eher unter ferner liefen anzutreffen waren. Die Vorjahressiegerinnen vom SV Solidarität Kreuzberg erhielten diesmal zwar den Fairneß-Pokal, bildeten aber ansonsten das Schlußlicht. Apropos Schlußlicht: Hier gibt es bei den Männer eine weitere Besonderheit. Die Turnierletzten (das Team auf Platz 30) erhalten ebenfalls einen eindrucksvollen Wanderpokal. Der "Hans-Hubert-Vogts-Wanderpokal", gestiftet von der PDS/Linke Liste Hamburg. Fast hätten die Mannen vom SR-A-Nord aus Schenefeld diese Trophäe verteidigt, mußten sich diesmal aber mit dem undankbaren 29. Platz begnügen. Gudrun Zimdahl überreichte für die PDS/Linke Liste den Pokal mit den Worten: "Es gibt Leute, die nicht wissen, wer Hans Hubert Vogts war oder ist. Denen wollen wir es auch nicht verraten. Bis heute kannte auch niemand aus dem Turnier den Namen der AG Ausgleichssport. Zum ersten Mal dabei, dann gleich auf Platz 30 und damit Gewinner des "Hans-Hubert-Vogts-Wanderpokals" ist die AG Ausgleichssport. Herzlichen Glückwunsch!" Was folgte waren Sprechchöre mit dem Namen der Glücklichen, die das eigentlich gar nicht fassen konnten. Nicht unbewußt hatte die Turnierleitung die SiegerInnenehrung an das Millerntor gelegt. Gingen von dort doch Anstöße aus, die zunächst das B-Länderspiel gegen England an Hitlers Geburtstag stornierten und in der weiteren Entwicklung dann auch das A-Länderspiel zu diesem Zeitpunkt verhinderten. Große Teile der St. Pauli Fans sind eben eindeutig dem linken antifaschistischen Spektrum zuzuordnen. Und auf noch eins wurde von der Turnierleitung hingewiesen: Am 22. Juni ist der 20. Jahrestag, wo auf einem anderen Hamburger Fußballplatz eine DDR-Auswahl die Mannschaft des DFB mit 1:0 besiegte. Die Turnierleitung wollte den damaligen DDR-Trainer Dr. Georg Buschner für die SiegerInnenehrung verpflichten. Das war leider nicht möglich, und so mußten die Pokale mit eigenen Händen überreicht werden. Dies tat der Stimmung aber keinen Abbruch. Gerald Kemski/Kuno Klötzer

Veranstaltungsreihe zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

Deregulierung am Zweiten Arbeitsmarkt:

Zwischen ökonomischem Zwang

zur Arbeit und staatlicher Arbeitspflicht

In allen OECD-Ländern wird die ökonomische Krise als Krise der Produktivität diskutiert, die über eine Verbilligung der Ware Arbeitskraft und eine Verschärfung des ökonomischen Zwangs zur Arbeit gelöst werden soll. Mit der Parole von der "Sicherung des Standortes Deutschland" werden Löhne gesenkt, die Arbeit flexibilisiert und Sozialeinkommen und Soziallöhne abgebaut. Während Vollbeschäftigung im Sinne unbefristeter Arbeit mit existenzsichernden Erwerbseinkommen und zu einigermaßen akzeptablen Arbeitsbedingungen der Vergangenheit angehört, steigt gleichzeitig die Zahl ungesicherter und niedrigentlohnter Beschäftigungsverhältnisse. Die Deregulierung, Segmentierung und Hierarchisierung am 1. Arbeitsmarkt wird dabei begleitet von einer ähnlichen Umstrukturierung des sogenannten 2. Arbeitsmarktes: Auch hier werden Arbeitsverhältnisse entrechtet und Löhne drastisch gesenkt. Die Löhne für ABM und kommunale Beschäftigungsgesellschaften liegen ohnehin schon unter den entsprechenden Tarifen des 1. Arbeitsmarktes, und die zusätzliche Übernahme von Billiglohn-Maßnahmen auch in den westlichen Bundesländern setzt das Prinzip der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit außer Kraft. Das Lohnabstandsgebot bei der Sozialhilfe wird auf für Einrichtungen des 2. Arbeitsmarktes erweitert: Die Löhne dort sollen deutlich unter denen der ungesicherten Segmente des 1. Arbeitsmarktes liegen. Der ökonomische Druck, auch die schlechtesten und sinnlosesten Arbeiten annehmen zu müssen, wird über den staatlich organisierten, substandardisierten Beschäftigungssektor verschärft. Aber die Umgestaltung des 2. Arbeitsmarktes trägt darüber hinaus zunehmend Züge eines autoritär-repressiven Disziplinierungsinstruments. Unabhängig vom konkreten Sinn der verschiedenen Beschäftigungsmaßnahmen wird eine allgemeine Verpflichtung zur Arbeit ideologisch und praktisch festgeschrieben. Wer staatliche Transferleistungen erhält, soll gefälligst dafür arbeiten. Der SPD-Slogan "Arbeit, Arbeit, Arbeit" entpuppt sich am 2. Arbeitsmarkt als allgemeine Arbeitspflicht, auch für diejenigen, deren Arbeitskraft unter den Produktivitäts- und Leistungsanforderungen des 1. Arbeitsmarktes schlicht nicht mehr verwertbar sind. Bewerbungszwang auf den Sozialämtern, Verschärfung der gemeinnützigen Arbeit für SozialhilfeempfängerInnen, die Wiedereinführung der Gemeinschaftsarbeit für ArbeitslosenhilfebezieherInnen und die Mißbrauchskampagne mit den Meldekontrollen der Arbeitsämter sind Elemente des verschärften, staatlich vermittelten Arbeitszwangs. Für die Gewerkschaften und auch für die meisten Betriebs- und GewerkschaftsaktivistInnen ist der 2. Arbeitsmarkt weitgehend ein blinder Fleck. Die Bedeutung und die Funktion des 2. Arbeitsmarktes auch in seinen Rückwirkungen auf den 1. Arbeitsmarkt sind kaum Thema gewerkschaftlicher Diskussion. In der Regel begnügen sich die Gewerkschaften damit, die Deregulierungsprozesse mit einer inhaltsleeren Fixierung auf "Tarife" tariflich "mitzugestalten". Damit ergeben sich etliche Fragen, die wir auf der Veranstaltung diskutieren wollen: Welche Funktion hat der 2. Arbeitsmarkt in einem allgemeinen marktradikalen Deregulierungsszenario überhaupt noch? Steht ein verallgemeinerter Arbeitsdienst- oder Zwangsarbeitsbereich vor der Tür? Und: Welche Perspektiven oder Orientierung von Gegenwehr und Widerstand müssen entwickelt werden? Läßt sich über die Forderung nach radikaler Arbeitszeitverkürzung ein Bündnis zwischen Erwerbslosen und Gewerkschaften/Beschäftigten herstellen? Muß die Frage der materiellen Existenzsicherung (Lohnforderungen und Existenzgeld) in den Vordergrund gestellt werden? Oder hat eine Kampagne gegen Zwangsarbeit und Zwangsarbeitselemente oberste Priorität? Als Referenten haben wir Michael Bättig aus Oldenburg von der Arbeitsloseninitiative ALSO und der Erwerbslosenzeitschrift "Siesta" eingeladen. Darüber hinaus haben wir ein kleines Thesenpapier verfaßt und werden einen Reader zum Thema zusammenstellen. Beides kann nach telefonischer Absprache unter der Nummer 3681-2271 vorab bei uns bestellt werden. Stoff zum Streiten gibt es also genug. Wir freuen uns drauf. Gruppe Blauer Montag/Arbeitsgruppe Staatlicher Arbeitsmarkt

Di, 12.7.1994, 19.00 Uhr GWA St. Pauli-Süd/Kölibri, Hein-Köllisch-Platz

Flugblattaktion vor der FAP-Bundeszentrale in Halstenbek/Krupunder Wie schon einige Male in den vergangenen Wochen zuvor fand am Dienstag, den 21.6.94, eine Flugblatt-Aktion vor der FAP-Bundeszentrale in der Seestraße 165 statt. Jeden Dienstag treffen sich dort ca. 10 bis 20 FAP-Mitglieder und jugendliche Sympathisanten zu einem "Kameradschaftsabend". Diese Versammlungen fungieren unter anderem zur Planung und Durchführung des rassistischen und faschistischen Straßenterrors der FAP in Halstenbek. Im Hintergrund dieses Terrors stehen - mit Beteiligung der FAP - auch die Aktivitäten der "Anti-Antifa". Dies darf nicht einfach so hingenommen werden. Mit den Flugblättern wurde auf dieses Treffen aufmerksam gemacht und über die FAP und die Bundeszentrale informiert. Gegen 17.30 Uhr versammelten sich ca. 50-60 Personen in der Seestraße 165 vor der Wohnung im dritten Stock, die der Sitz der Bundesgeschäftsstelle ist. Es wurden Flugblätter an die Passanten verteilt, und zweimal tauchten Neonazis auf, denen es jedoch aufgrund unserer Anwesenheit unmöglich war, in die Geschäftsstelle zu gelangen. Aus der Wohnung wurden von Glenn (Goertz - d.Red.) und einer weiteren weiblichen Person ständig Fotos gemacht. (Doch sie wird nur viele Gesichter mit Sonnenbrillen auf den Fotos wiederfinden.) Außer einer kleinen Auseinandersetzung mit der Polizei, die einen unschuldigen Demonstranten, dessen Personalien sie feststellen wollte, mit Gewalt und gegen den Willen der anderen Demonstranten in ein Auto bugsierte und schließlich auf die Wache brachte, gab es keine Zwischenfälle. Gegen 19.30 Uhr löste sich die Veranstaltung auf. Auch diesmal waren wir nicht genug. Achtet auf eine weitere Mobilisierung vor der FAP-Zentrale und beteiligt Euch an der nächsten Aktion. Antifa Walddörfer (Quelle: CL-Netz Hamburg)

Kundgebung gegen die FAP Heute, am Dienstag, den 28.6.94, fand wie an den vergangenen Dienstagen auch eine Kundgebung gegen die Bundesgeschäftsstelle der FAP in Halstenbek bei Hamburg statt. An dieser Aktion beteiligten sich ca. 50 AntifaschistInnen, die durch das Verteilen von Flugblättern und durch Lautsprecherdurchsagen auf die rechtsextreme FAP aufmerksam machten. Begonnen hatte die Kundgebung um 17.30 Uhr im S-Bahnhof Krupunder, in dem die TeilnehmerInnen für eine Viertelstunde von der Polizei aufgehalten wurden, da diese einige Auflagen für den Ablauf der Kundgebung stellen wollte. So wurde gefordert, daß die Kundgebung nur vor dem Haus und nur ohne Vermummung, d.h. ohne Haßkappen und Tücher, stattfinden sollte. Der zweite Punkt war für keinen der TeilnehmerInnen tragbar, da die FAP sich an der bundesweiten "Anti-Antifa"-Kampagne beteiligt und bisher an jedem Dienstag gefilmt und fotografiert hatte. Als alles geklärt worden war, begann die Kundgebung vor dem Haus. Die heutige Aktion gegen den Kameradschaftsabend verlief trotz der Provokation durch die filmende und fotografierende FAP ohne weitere Zwischenfälle. Um 19.30 Uhr beendeten die restlichen AntifaschistInnen die Blockade. Beteiligt Euch an Aktionen gegen die FAP, achtet auf die Ankündigungen zu den Kundgebungen. Antifa Walddörfer (Quelle: CL-Netz Hamburg)

TERMINE

Do, 7.7.Kreisverband Wandsbek der PDS/Linke Liste, 19.30 Uhr, BRAKULA, Bramfelder Chaussee 265.

Do, 7.7.Vorbereitungstreffen für eine Sandwich-Demonstration zum 1. September, zu dem das Hamburger Forum einlädt. 19.30 Uhr, Curio-Haus, Rothenbaumchaussee 15, Hinterhaus.

Fr, 8.7.Bad Kleinen - Ist die Selbstmordthese noch zu halten? Ein Forum der jungen Welt an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik, mit Rechtsanwalt Thomas Kieseritzky, von-Melle-Park 9, 19.30 Uhr.

Di, 12.7.Videofilm Mir zeynen do von Ingrid Strobl über den Ghettoaufstand und die PartisanInnen von Bialystok. Karo-Ini, Olga Brenario-Prestes-Raum, Karolinenstr. 21 Haus 2, 19.00 Uhr und 21.00 Uhr.

Do, 14.7.Forsetzung der am 26. Mai begonnenen Vortragsreihe von acht Abenden zum Thema Antifaschismus in Theorie und Praxis - ein historischer und aktueller Querschnitt: Sichtung der Erfahrungen. 19.30 Uhr, Haus für Alle, Amandastr. 58, 1. Stock, Raum 13.

Sa, 23.7."Solidarität mit Kuba! Schluß mit der Blokkade durch USA, EU und BRD". Die Außenstelle der Botschaft der Republik Kuba in Berlin sowie Initiativen und Organisationen der Kuba-Solidarität aus Berlin laden alle FreundInnen und Freunde Kubas ein zur traditionellen Fiesta de Solidaridad auf kubanischem Territorium im 36. Jahr der Revolution. Informationen, Gesprächsrunden mit Gästen aus Kuba, Kinderfest, Salsa, Versteigerung original kubanischer Artikel, Bier, Mojito, Havanna Club, Essen u.v.m. Ab 14.00 Uhr im Garten der Außenstelle der Botschaft, Kuckhoffstr. 69, 13156 Berlin-Pankow. Weitere Informationen unter Tel.: (030) 28409455.

Sa, 30.7.Offene Grenzen - Bleiberecht für Alle. 1. Band-Festival im Haus für Alle u.a. mit der Reggae- Band "Growing Flower" und den "Rebelling Souls". Haus für Alle, Amandastr. 58, 15.00 Uhr.

23.7.-6.8.Internationales Camp in Neuengamme zum gemeinsamen Lernen aus der unterschiedlichen Geschichte mit Menschen aus vier Nationen. Anmeldung sofort bei: DGB-Jugend, Petra Heese, Besenbinderhof 60, 20097 HH, Tel.: 2858256.

Do, 18.8.Thälmann- Breitscheid-Kundgebungen in Berlin und Buchenwald. Am diesjährigen 18. August werden 50 Jahre vergangen sein seit dem Mord an den Vorsitzenden der KPD, Bürgerschafts- und Reichstagsabgeordneten Ernst Thälmann durch ein SS-Kommando im Konzentrationslager Buchenwald. Bei einem Luftangriff auf Industrieanlagen in der Nähe der Lagerbaracken des KZ Buchenwald kam am 24. August 1944 Rudolf Breitscheid, Reichstagsabgeordneter der SPD und Mitglied ihres Parteivorstandes, ums Leben. Aus Anlaß des 50. Todestages von Thälmann und Breitscheid wird am Donnerstag, den 18. August 1994, in Berlin im Thälmann-Park vor dem Thälmann-Denkmal Dimitroff-Straße, Ecke Greifswalder Straße von 17.00-18.30 Uhr eine Kundgebung stattfinden. Ab 10.00 Uhr: Blumenniederlegung und Informationsstände etc. Alle, die an der Bus-Fahrt zur Kundgebung nach Berlin teilnehmen möchten, sollten sich bitte bis Freitag, 15. Juli 1994, unter der Rufnummer des Kuratoriums "Gedenkstätte Ernst Thälmann" e.V., Tel.: (040) 474184, anmelden. Busabfahrt am 18. August, 11.00 Uhr am ZOB mit "Elite-Reisen". Rückankunft in Hamburg gegen 23.00 Uhr. Fahrpreis: 40,- DM pro Person.

Mi, 31.8.Kreisverband der PDS/Linke Liste Wandsbek, 19.30 Uhr, BRAKULA, Wandsbeker Chaussee 265.

"Eimsbütteler Facetten"

100 Jahre Stadtteilgeschichte

Unter diesem Titel hat die Galerie Morgenland eine reich illustrierte Aufsatzreihe von Sielke Salomon herausgegeben. Am 1. Juli 1894 wurde mit dem "Gesetz, betreffend die Vereinigung der Vorstadt St.Pauli, der Vororte u.w.d.a. mit der Stadt" Eimsbüttel endgültig zum Hamburger Stadtteil, nachdem es bereits seit 1871 schrittweise der Hamburger Verwaltung unterstellt worden war. Im Laufe der Ausdehnung der Hansestadt war aus dem Dorf, das 1810 noch 364 Seelen zählte, zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vorstadt von gut 50000 Einwohnern geworden. Das Anwachsen der Hamburger Bevölkerung von einer guten Viertelmillion 1866 bis zum Überschreiten der Millionengrenze kurz vor dem ersten Weltkrieg führte zu einem spekulativen Bauboom auf dem ehemaligen Wiesen- und Weideland, in dessen Verlauf sich das ehemalige Dorf zum bevölkerungsreichsten Stadtteil entwickelte. In Aufsätzen zu den Themen Wohnen in Eimsbüttel Geschichte des öffentlichen Grüns in Eimsbüttel Schulen in Eimsbüttel Spuren jüdischen Lebens in Eimsbüttel vor 1933 Zur antisemitischen Tradition in Eimsbüttel werden lebendige Einblicke in die sozialen und politischen Auseinandersetzungen um Wohnen, Naherholung, Schulwesen von der "Gründerzeit" über die Weimarer Republik, die Zeit des Faschismus, die Nachkriegszeit bis in die jüngste Vergangenheit gegeben. Aus der bisherigen Forschungsarbeit der Galerie Morgenland wurden die jüdische Geschichte im Stadtteil und die antisemitischen Traditionen mit einbezogen. Die besondere Anschaulichkeit erhalten die Beiträge durch die Verbindung der Auswertung offizieller Quellen und Akten mit den Erinnerungen von Zeitzeugen, die zum großen Teil in der bisherigen Arbeit der Galerie zur Stadtteilgeschichte "von unten" zusammengetragen worden sind. -(ulj)

Spitzelberichte aus Eimsbütteler Kneipen aus Gesprächen von Bauarbeitern 1908/9: "In Eimsbüttel kriecht die Baupolizei immer umher, sonst waren die Herren nie zu sehen, aber jetzt sind sich die Bauunternehmer nie sicher, an einem Bau in der Lutterothstr. Beim Meister >Blitz< hat die Polizei die sämtlichen Balkongitter nicht abgenommen. Das Gitter war aber auch so lose eingesetzt, daß eventl. beim Anlehnen das Gitter nicht standgehalten hätte. Die Baupolizei müßte man wissen, daß sie mit den Fußböden immer so angeschissen wird. Wenn bei diesen Bauten, die von Baulöwen aufgebaut werden, mal die Fußböden aufgerissen würden, dann würden sie finden, daß die ganzen Bauten nicht cementiert (?) sind. Eben dadurch, daß diese Leute diese versteckten Sachen nicht vorschriftsmäßig ausführen, kommen die Kerls zu Geld."

Da es nur ums schnelle Geld beim Weiterverkauf ging, wurde weder auf die Stabilität der Bauten noch Sicherheit am Arbeitsplatz geachtet. ()

"So gehts aber bei uns in Hamburg auf den Bauten auch; denn wenn man betrachtet, was auf die Gerüste heraufgeschleppt wird, so stehen einem die Haare zu Berge; denn das muß der Laie sehen, daß ein Gerüst solche Lasten nicht tragen kann und darunter zusammenbrechen muß. () Da heißt es aber immer vorwärts, der Baulöwe treibt den Polier und der Polier den Maurer, und sagst du etwas, um dein Leben zu sichern, dann kannst du ja man einpacken."

Bericht des Schutzmanns Lüneburg vom 21. Nov. 1898: "Einige unterhielten sich über die vielen Bauten in Eimsbüttel sowie über die schönen Villen am Eimsbütteler Park, wodurch leider den Bewohnern ihr schöner Aufenthaltsort immer mehr beschränkt wird Auch ist den Kindern durch die Einfriedung des Parkes der letzte Spielplatz genommen, wo sie ungestört umher tummeln konnten. Andere Vororte besitzen noch extra kleine Spielplätze, aber (dem) stark bewohnten Eimsbüttel nimmt man noch den einzigsten und letzten Platz, um ihn zu Bauplätzen zu verwandeln. Es ist zu verwundern, daß hier durch den starken Straßenbahn- und Wagenverkehr noch nicht mehr Unglücksfälle vorkommen, da die Kinder doch angewiesen sind, den ganzen Tag auf der Straße umherzugen."

(Zitate und Abbildungen aus: Sielke Salomon, Eimsbütteler Facetten 1894-1994, Hrsg. von der Galerie Morgenland, 112 Seiten, 15,- DM)

Kandidatinnen

vorstellung der

PDS/LL-Landesliste

Auf der Offenen Landesliste der PDS/ Linke Liste Hamburg kandidierte auch Lilo Lottermoser, Mitglied der VSP, aktiv im Seniorenkreis Walddörfer und VVN/BdA. Wir dokumentieren ihre Kandidatinnenvorstellung.

Vorstellung von Lilo Lottermoser Liebe Genossinnen und Genossen, da ich zu einer Delegiertenkonferenz muß, kann ich leider an Eurer Sitzung nicht teilnehmen. Horst schlug vor, stattdessen eine kleine schriftliche Vorstellung zu geben, was ich mangels vorliegender Fragen gar nicht einfach finde. Ich bin auf den Vorschlag, mich zur KandidatInnenwahl zu stellen, gern eingegangen, weil ich es für außerordentlich wichtig halte, daß die PDS wieder in den Bundestag kommt und ich, falls gewählt, etwas mehr dazu beitragen könnte als durch allgemeinere Unterstützung durch meine kleine Partei, die VSP. Besonderheiten habe ich keine zu bieten. Ich bin siebenundsechzig Jahre alt und Rentnerin und wurde praktisch in die KPD hineingeboren, was mich von Grund auf gegen den Nationalsozialismus immunisiert und von der Notwendigkeit internationaler Solidarität überzeugt hat. In England, wo ich ein paar Jahre gearbeitet habe, konnte ich mit Hilfe vor allem ehemals britisch-indischer und südafrikanischer GenossInnen viel von dem aufholen, was faschistische Propaganda und Schule uns vorenthalten bzw. verfälscht hatten, habe aber keine Organisationskontakte gehalten, weil ich mich aus Arbeitszeitgründen kaum organisieren konnte. Gleichwohl war es, glaube ich, in meinen damaligen Zusammenhängen einfacher, Stalin zu verarbeiten als hier. Als ich zurückkam, war die KPD verboten und '68 noch weit. Auf der Universität habe ich mich zum SDS gehalten, aber nicht zu nahe; ich fand ihn politisch eher eng und auch zu männerbündisch. Durch die Suffragetten, von denen ich am Gymnasium und in der Ausbildung fast ausschließlich unterrichtet worden war, hatte ich meinen Gleichberechtigungsanspruch längst verinnerlicht. Ich blieb freischwebende Linke, bis ich auf die GIM (Gruppe internationale Marxisten) traf, die sich 1986 mit der KPD/ML zur VSP vereinigte. Aus zunächst Arbeits-, dann Krankheitsgründen bin ich allerdings erst spät Mitglied geworden. Für mich ist die VSP (mit deren Irrungen und Wirrungen ich Euch hier verschone) deshalb wichtig, weil sie - als Partei - konsequent für revolutionären Marxismus, d.h. auch Internationalismus, undogmatische Haltung, d.h. auch innerparteiliche Demokratie, Feminismus sowieso, kritische Solidarität gegenüber anderen Linken und gegen Spaltungen und Sektierertum steht. Allerdings haben wir einen angemessenen Horror gegenüber sozialdemokratischen Tendenzen. Bleibt noch nachzutragen, daß ich aufgrund meines Alters und entsprechender (sozusagen historischer) Erfahrungen und Herkunft sicher für die VSP nicht repräsentativ bin. Daß ich Gewerkschaftsmitglied bin, versteht sich von selbst. Ich hatte keine "Funktion", war aber ein paar Jahre im Personalrat (GEW). (Und jetzt haben wir Schulte!) Zum Schluß noch eins: Angesichts der Diskussion unter vielen durchaus gescheiterten Linken, ob es überhaupt sinnvoll sei zu wählen bei diesem gräßlichen Parlament, kann ich nur dringend raten, Gregor Gysis Argumente zu parlamentarischer und außerparlamentarischer Opposition und der Nutzung der Medien nachzulesen oder sich anzuhören. Ihnen ist nichts hinzuzufügen außer vielleicht einer persönlichen Bemerkung: Mein Großvater hat sich abgerakkert, um in der Steuerklasse zu bleiben, die ihm die Wahlberechtigung gab; und meine Mutter hat bei ihrem ersten Gang zur Wahlurne die gleiche glückliche Bestätigung ihrer Person empfunden wie die schwarzen SüdafrikanerInnen, die vor kurzem zum ersten Mal in ihrem oft langen Leben wählen durften. Dieses von Generationen schwer erkämpfte Recht darf nicht verschenkt werden. Ich hoffe, nun reicht es. Mit freundlichen und solidarischen Grüßen, Lilo Lottermoser

Kriegsdienst

verweigerer in Haft

Die Situation für türkische Kriegsdienstverweigerer ist extrem schlecht. Für zwei von vielen bitten wir Euch um Eure Hilfe. Arif Hikmet Iyidogan und Gökhan Demirkiran. Zur Situation von Gökhan Demirkiran: Gökhan hat am 17.5.1994 in Istanbul zusammen mit einigen anderen jungen Männern öffentlich seine Kriegsdienstverweigerung erklärt. Kurz danach wurde er mit drei weiteren Organisatoren dieser Aktion von einer Antiterroreinheit festgenommen. Bei seiner Festnahme wurde er brutal geschlagen. Die Anklage gegen ihn lautet, daß er versucht habe, "das Volk vom Militär zu distanzieren". Die zu erwartende Höchststrafe für den Verstoß gegen diesen @155 des türkischen Strafgesetzbuches beträgt drei Jahre. Die Anklage gegen Gökhan wurde vor einigen Tagen erweitert. Ihm wird "Widerstand gegen die Staatsgewalt" vorgeworfen, weil er sich bei der Festnahme verprügeln lassen mußte. Gökhan wurde in der Haft geschlagen. Seit nunmehr vierzehn Tagen hat er keinen Kontakt zu FreundInnen und Anwälten mehr gehabt. Sein Zustand ist ungewiß. Gökhan braucht jetzt Deine Hilfe. Zur Situation von Arif Hikmet Iyidogan: Arif hat ebenfalls am 17.5.1994 seine Verweigerung erklärt. Er wurde zusammen mit Gökhan inhaftiert. Später wurden sie in der Haft getrennt. Während gegen Gökhan als Zivilist vor einem Militärgericht verhandelt werden soll, wurde Arif am 6.6.1994 nach einer kurzen Verhandlung vorläufig auf freien Fuß gesetzt. Die Verhandlung ergab, daß sämtliche Vorwürfe gegen Arif und die anderen Angeklagten haltlos sind. Vielmehr ergaben sich aus den Akten Beweise, daß die Polizei schon Stunden vor der Aktion beschlossen hatte, die Organisatoren zu verhaften. Gegen Arif läuft ein weiteres Verfahren wegen des Verstoßes gegen den @155. Er hatte in einem Ende 1993 veröffentlichten Interview seine Sympathie für die Kriegsdienstverweigerung ausgedrückt und angedeutet, daß er den Kriegsdienst ebenfalls verweigern würde. Gegen Arif wird am 28. Juni in Istanbul verhandelt, weil er seine Meinung gesagt hat. Arif braucht jetzt Deine Hilfe. Wie kann Deine Hilfe aussehen? Schreibe noch heute einen Brief an den türkischen Botschafter in der BRD. Drücke höflich, aber bestimmt Deinen Protest gegen die Behandlung von Arif und Gökhan aus. Fordere die Freilassung von Gökhan und die Einstellung der Prozesse gegen ihn und Arif. Fordere die türkische Regierung dazu auf, die Menschenrechte in der Türkei zu gewährleisten. Deute an, daß Deine Konsequenz aus der Situation der türkischen Kriegsdienstverweigerer ist, daß Du die Türkei nicht als Tourist besuchen wirst. Schicke ein Telegramm an Gökhan. Die Unterstützungsarbeit für die anderen Inhaftierten hat gezeigt, daß die Telegramme die Empfänger im Gefängnis erreichten und ihre Situation erheblich verbesserten. Die Prozesse kosten die Betroffenen hohe Summen. Auch die Solidaritätsarbeit hier und vor allem in der Türkei zu organisieren, ist sehr teuer. Darum spende bitte einen Betrag auf das Konto der DFG-VK Hamburg, Konto-Nr. 449740209 bei der Postbank Hamburg, BLZ 20010020. Wir garantieren, daß die Spenden ohne Abzug der Arbeit in der Türkei zugute kommen.

Adresse für ein Telegramm ins Gefängnis: Gökhan Demirkiran, Sagmalcilar Cezaevi, Özeltip C-Blok, Bayrampasa, Istanbul, Türkiye. Textvorschlag: Lieber Gökhan, wir hoffen, daß es Dir gut geht. Wir sind bei Dir. Wir fordern, daß auch Du freigelassen wirst. Solidarität und Freiheit. (Name des Absenders) Übersetzung ins Türkische: Sevgili Gökhan! Sagliginin yerinde oldugunu umut ediyor, dayanisma selamimizi iletiyoruz. Serbest birakilman icin caba sarfediyoruz. Yasasin dayanisma. (Name des Absenders) Den Protestbrief könnt Ihr an die türkische Botschaft in der BRD schicken (Utestr. 47, 53179 Bonn) oder aber direkt an die Ministerpräsidentin der Türkei, Tansu Ciller, faxen: 0090-312-4170476. Fax-Nr. der türkischen Botschaft: (0228) 348877. (Kopie davon bitte an die DFG-VK schicken.) DFG-VK HH, Amandastr.58, 20357 Hamburg

Spendenaufruf Wir, die "AG Junge GenossInnen in Thüringen" e.V., sind ein freier Träger der Jugendhilfe und Mitglied im Landesjugendring Thüringen e.V. In diesem Jahr führen wir zum 4. Mal Ferienlager im "Ferienpark Feuerkuppe Straußberg, Kreis Sondershausen, durch. Es sind erstmalig in der Zeit vom 30.7.-13.8.94 30 Kinder aus Krasnaja Gora, Rußland, Region Tschernobyl (drittschwerste Zone) mit dabei. Die Gesamtkosten für diese Tschernobyl-Kinder belaufen sich auf 16546,70 DM (inklusive An-, Abreise, Unterkunft, Verpflegung und Programm). Wir haben versucht, über das Landesjugendamt Thüringen Fördermittel zu bekommen. Von den beantragten 8160 DM bekommen wir 2399 DM. Uns fehlen jetzt noch (einige Spenden sind schon da) 12000 DM, um den Ferienaufenthalt der Tschernobyl-Kinder zu gewährleisten. Wenn wir das Geld nicht zusammenbekommen, müssen wir diesen Kindern absagen, doch das ist das letzte, was wir wollen. Deshalb bitten wir Euch, dieses Projekt zu unterstützen. Wir freuen uns über jede Mark, da sie uns ein Stückchen weiterhilft.

Für die Einzahlung von Spenden steht folgendes Konto bei der Sparkasse Erfurt zur Verfügung: "AG Junge GenossInnen in Thüringen" e.V. 33835820 82054222 Danke! "AG Junge GenossInnen in Thüringen" e.V., Eislebener Str.1, 99086 Erfurt, Tel.: (0361) 7360116

Bericht einer Hamburger Gruppe

aus Chiapas in Mexiko

Redaktionelle Vorbemerkung: Seit Anfang Juni befindet sich eine siebenköpfige Gruppe Hamburger in Mexiko. Das Hauptziel der Reise besteht in der Erstellung eines Dokumentarfilmes über den Aufstand in der indigenen Bevölkerung, über den in der BRD bislang fast nichts berichtet wurde. Vor wenigen Tagen erreichte uns ein erster Bericht aus dem Zentrum der befreiten Gebiete in Chiapas/Mexiko. Am Neujahrstag diesen Jahres hat sich die indigene Bevölkerung Mexikos, der Ureinwohner des mittelamerikanischen Staates, gegen ihre elende Lebenssituation erhoben. Dieser Tag symbolisiert für die Unterdrückten Mexikos einen weiteren Schritt in die völlige Verelendung zugunsten der herrschenden Klassen. Am 1.1.1994 trat das Freihandelsabkommen NAFTA zwischen den USA, Kanada und Mexiko in Kraft. Dieses Abkommen verschärft eine Situation, die drastischer schon zuvor kaum sein konnte. Jahrelange Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank hatten die Kluft zwischen Armen und Reichen immer größer werden lassen, die sog. Modernisierungspolitik der Regierungspartei PRI trieb immer mehr Menschen unter und an die Armutsgrenze. Das Freihandelsabkommen wird nun z.B. dazu führen, daß die industriell produzierenden Großfarmen in den USA und Kanada die Kleinbauern Mexikos, die sich ohnehin nur mit den kargen Böden begnügen müssen, die ihnen die Großgrundbesitzer gelassen haben, weit unterbieten werden. Zu den demnächst anstehenden Wahlen hat die EZLN große Störungen angekündigt, internationale Wahlbeobachter wurden von der PRI nicht zugelassen, und es gilt als sicher, daß, wie schon bei den letzten Wahlen, massiv Wahlfälschung betrieben wird. EZLN erklärt Verhandlungen für gescheitert "Zapata vive, la lucha sigue": "Zapata lebt, der Kampf geht weiter" und "Viva EZLN, Viva Subcommandante Marcos". Das sind die Parolen, die heute überall in Mexiko zu hören sind. Wir sind erst einige Tage hier, aber schon jetzt können wir sagen, daß es unheimlich viel Sympathie und eine starke Mobilisierung für den EZLN gibt. So fand am 10.6.94 in Mexiko Stadt eine weitere große Demonstration für die Zapatistas statt. Es kamen ca. 30-40000 Menschen, Indigenas und Mestizen, Campesinos/as, ArbeiterInnen und StudentInnen, es kamen die Armen aus den Slums von Mexico City. Es erschienen die linken Gruppen und Parteien bis hin zur Oppositionspartei PRD. "Viva Zapata", schallte es durch die Straßen. Mit Abschluß der Demonstration setzte sich eine Karawane in Richtung Chiapas in Bewegung. Diese Karawane, mit der auch wir unterwegs sind, besteht aus etwa 30 Fahrzeugen (LKW, PKW, Busse). Ziel der Karawane sind die von der EZLN kontrollierten Gebiete (insgesamt etwa doppelt so groß wie El Salvador). Um dieses Gebiet herum übt die Armee eine Art von Belagerungszustand aus, indem sie jede/n kontrolliert, der/die rein oder raus will. Materielles Ziel der Karawane ist es, etwa 180 Tonnen Lebensmittel und Medikamente - gespendet vom mexikanischen Volk - in die kontrollierten Gebiete zu bringen für die Zapatistas und die indigene Bevölkerung. Politisches Ziel der Karawane ist es, die von der mexikanischen Regierung verhängte Blockade zu durchbrechen und den Zapatistas die Solidarität des mexikanischen Volkes zu übermitteln. An der Karawane nehmen etwa 400 Menschen teil, VertreterInnen aus ca. 180 "Nicht-Regierungs-Organisationen", zum Großteil handelt es sich dabei um linke Gruppen, aber auch kirchliche und humanitäre Gruppen sind vertreten. Weiterhin sind zahlreiche JournalistInnen dabei. Als wir in der Provinzhauptstadt von Chiapas, in Tuxtla Gutierrez, ankommen, erreicht uns folgende Nachricht: Der EZLN hat mit einem Kommunique vom 10.6.94 die Verhandlungen mit der Regierung für gescheitert erklärt. Der EZLN hat das unkonkrete und scheinheilige Friedensangebot der Regierung abgelehnt. Der EZLN ruft jetzt alle progressiven Kräfte Mexikos zur Bildung eines nationalen demokratischen Bündnisses auf. Das Bündnis soll die Ziele des mexikanischen Volkes verwirklichen. Der EZLN fordert den Rücktritt der mexikanischen Regierung. Es soll aus dem Bündnis heraus eine Übergangsregierung gebildet werden, bis freie, demokratische Wahlen garantiert sind. Der EZLN verkündet die einseitige Verlängerung des Waffenstillstands. Die Entscheidung, die Verhandlungen mit der Regierung abzubrechen, wurde mit 98% zu 2% unter den indigenen Gemeinden in den kontrollierten Gebieten getroffen. Von der EZLN-Erklärung sind alle überrascht. Viele hatten die Fortsetzung der Verhandlungen seitens der EZLN erwartet. Trotzdem wird die Erklärung mit Zustimmung, teilweise mit Begeisterung aufgenommen. Viele fragen sich, ob die Regierung sofort militärisch antworten wird. Wird die Karawane durchkommen? Wir setzen die Fahrt fort und bleiben die Nacht in San Cristobal de las Casas. Jene Stadt mit 100000 EinwohnerInnen, die der EZLN im Januar '94 eingenommen hatte und in der Anfang März '94 unter Vermittlung von Bischof Samuel Ruiz die Friedensgespräche geführt worden waren. Auf dem Weg nach San Cristobal passieren wir zwei Militärkontrollen, die aber eher oberflächlich ablaufen. Am selben Tag findet eine Demo für den EZLN in Tuxtla statt mit 5000 Leuten. Am nächsten Morgen, 13.6.94, gibt Bischof Ruiz am Treffpunkt der Karawane eine Presseerklärung ab und hält eine Predigt. Er betont, daß der EZLN weiterhin den Dialog mit der demokratischen, zivilen Gesellschaft Mexikos suche. Insofern seien die Verhandlungen nicht gescheitert, nur der Rahmen habe sich verändert. Ebenfalls am 13.6. gibt Regierungspräsident Salinas eine Presseerklärung ab: Die Regierung sei nach wie vor zu einer politischen Lösung bereit, es bleibe beim Waffenstillstand. Die Kontrollen der Armee würden fortgesetzt, um jeden Waffenhandel zu verhindern. Die Karawane setzt sich in Bewegung. Fünf Kilometer hinter San Cristobal Militärkontrolle: Eine 200 Kilometer lange Sperre, etwa 100 Soldaten sind sichtbar, um die Sperre herum sind Schützengräben ausgehoben. Die Durchsuchung ist relativ oberflächlich, allerdings werden alle Fahrzeuge und Fahrer notiert, es wird beiderseitig wie wild gefilmt und fotografiert. Nach etwa zehn Kilometern kommt die nächste Kontrolle, sie läuft ähnlich ab. Sie befindet sich beim Militärstützpunkt Rancho Nuevo, der am 1.1.94 durch den EZLN angegriffen wurde. Damals sind von 750 Soldaten 280 desertiert und haben sich der Guerilla angeschlossen. Sie nahmen so viel an Waffen mit, wie sie tragen konnten. Vielleicht erklärt das auch die Freundlichkeit der Soldaten an der Kontrollstelle, unter ihnen viele Indigenas. Bei Ocosingo erreichen wir das Ende des von der Regierung beherrschten Gebietes Mexikos. Hier müssen wir uns der letzten und intensivsten Militärkontrolle unterziehen. Alles - jede Lebensmittelkiste - wird mit Metalldetektoren, das Untere der Fahrzeuge mit Hohlspiegeln untersucht. Alle Personen werden namentlich erfaßt. Wir fahren weiter und befinden uns jetzt in der neutralen, sogenannten "Grauen Zone". Seit Tuxtla beobachten wir, daß die Reaktion der Menschen am Straßenrand auf unser Erscheinen immer intensiver und freundlicher wird. War es am Anfang ein eher verhaltenes Lächeln, ab und zu ein Winken, werden wir jetzt überall freundlich begrüßt. Die Menschen winken uns zu, teilweise die Fäuste hoch, das Victory-Zeichen, "Viva Zapata"-Rufe. Du kriegst so ein Gefühl, hier entsteht eine neue Kraft, die gehören zusammen, die ArbeiterInnen, BäuerInnen, StudentInnen, Intellektuellen und die politisch organisierten Leute aus der Karawane. Und du merkst langsam, die Indigenas stehen voll hinter dem EZLN. Sie selbst sind die Guerilla. Wir passieren San Miguel, einen kleinen Ort an der Grenze der von dem EZLN kontrollierten Gebiete. Nach einigen Kilometern kommt die erste Kontrollstelle der Zapatisten. Sie tragen dunkle Kleidung und sind mit roten Halstüchern oder Masken vermummt. Sie sind mit Gewehren oder Maschinenpistolen bewaffnet. Wir erhalten die Anweisung, nicht zu filmen oder zu fotografieren und werden nicht kontrolliert. Wir fahren weiter, einige Stunden, es wird dunkel. Schließlich kommen wir an eine weitere Kontrollstelle. Der Subcommandante Marcos persönlich läßt sich die Ausweise zeigen und begrüßt jede/n per Handschlag. Wir sind jetzt etwa 20 Kilometer im vom EZLN kontrollierten Gebiet. Das Dorf liegt in einer wunderschönen Landschaft. Pferde, Rinder, Schweine und Hühner laufen frei herum, die Menschen haben früh mit der Arbeit begonnen. Einige stehen herum und schauen uns zu, darunter vermummte Zapatistas. Wir sollen im Dorf bleiben, können uns aber frei bewegen. Lebensmittel und Medikamente werden kollektiv ausgeladen, sortiert und in den Häusern verstaut. Immer wieder werden Parolen gerufen. In einer Art Volksküche gibt es ein gemeinsames Essen aus Riesentöpfen - Bohnen und Tortilla, dazu Zitronentee. Einige von uns, denen unterwegs die Verpflegung ausgegangen war, hatten schon Angst, kein Essen zu bekommen, denn "der Hunger und der Durst gehen hier bis nach Guatemala" (Subcommandante Marcos). Und dann kommen sie plötzlich, etwa 100 Frauen und Männer des EZLN unter der Leitung von Marcos; in Reih und Glied, zweimal durchs ganze Dorf, exerzieren sie vor uns, eben eine Guerilla- Armee. Sie werden von den Menschen im Dorf begeistert empfangen: "Viva EZLN". Sie stellen sich auf dem Dorfplatz auf, die Indigenas aus dem Dorf kommen hinzu, die Leute aus der Karawane hängen die Transparente rund um den Dorfplatz herum auf, wieder Sprechchöre und Parolen. Die EZLN-SoldatInnen singen die mexikanische Nationalhymne und anschließend die Hymne des EZLN - jetzt singen alle mit. Danach findet nach kurzer Pause eine Versammlung unter allen Leuten statt, Indigenas, bewaffnete KämpferInnen und die Karawane. 62 Organisationen stellen sich vor, übermitteln solidarische Grüße, geben teilweise kurze politische Einschätzungen ab. Nahezu alle begrüßen die Erklärungen der EZLN und halten die Entscheidung für richtig, die Verhandlungen mit der Regierung abzubrechen. Immer wieder wird die "Unidad", die Einheit der zukünftigen Kämpfe betont und zur Bildung der demokratischen Konvention aufgerufen. Sub Marcos hält eine längere Rede: "Wir haben unsere Toten gefragt, wofür sie gestorben sind. Nicht dafür, daß die Regierung jetzt ein Krankenhaus, eine Schule oder eine Straße baut und damit ist alles erledigt. Das Leben muß sich insgesamt grundlegend ändern, es darf nicht umsonst so viele Tote gegeben haben, haben sie uns geantwortet." Die indigenen Gemeinden haben sich daher gegen das "Friedensabkommen" mit der Regierung ausgesprochen. Ermuntert wurden sie dabei von dem Widerstand und der Solidarität der mexikanischen Zivilbevölkerung in den Städten. "Es ist wichtig und notwendig", so Marcos, "die Zusammenarbeit und Einheit zwischen EZLN und progressiver mexikanischer Zivilbevölkerung zu entwikkeln. Das Angebot der Regierung war pressewirksam, aber unkonkret und nichtssagend. Wir wissen noch nicht genau, wie die zukünftige Gesellschaft aussehen soll. Aber wir wissen, was wir nicht wollen: Diese Regierung." Marcos ruft zur Bildung einer nationalen demokratischen Konvention auf und schlägt ein erstes Treffen Mitte Juli in den kontrollierten Gebieten vor. Der Vorschlag wird allseits mit Zustimmung und Begeisterung aufgenommen. In den folgenden Tagen haben wir Gelegenheit, ein wenig vom Alltagsleben des Dorfes im indigenen Widerstand mitzubekommen. Viva Zapata! Viva EZLN! No estan solos! Hasta la victoria siempre! Viva la revolucion!

Hamburg und Europa: Ostexpansion,

Deregulierung und Sozialabbau

Auch wenn es nicht gelungen ist, bei den Europawahlen mit den Kandidaten der PDS Vertreter der sozialistischen Opposition in Deutschland ins europäische Parlament zu entsenden, wird die Beschäftigung mit Themen der Europapolitik weiter eine ständige Notwendigkeit bleiben. Im folgenden soll an einigen Beispielen gezeigt werden, wie auch in Hamburg "Europa" als Hebel zur Durchsetzung von Konzerninteressen gebraucht wird, sei es in wirtschaftlichen, sozialen oder anderen politischen Bereichen. Die Bedeutung dieser Fragen wird mit dem Vorantreiben des Integrationsprozesses weiter zunehmen.

Im Mai 1992 kündigte die Handelskammer eine Informationswoche zum EG- Binnenmarkt an mit dem Ziel, " Impulse für die Entwicklung einer Europastrategie Hamburgs zu geben. Die Wirtschaft bereitet sich auf den Binnenmarkt vor, doch noch ist nicht recht erkennbar, wie sich die Politik die wirtschaftliche Ausrichtung in einem veränderten Europa vorstellt. Die Konkurrenz der Regionen wird in Europa wachsen, und es ist an der Zeit, die Position Hamburgs zu beschreiben." (Hamb. Wirtschaft (HW) 5/92, S.44f) Zu den zentralen politischen Themen dieser Informationswoche gehörten u.a. "EG-Außenwirtschaftspolitik gegenüber den östlichen Reformstaaten", "Neue Wege der Infrastrukturfinanzierung" und "Fordert die Transportlogistik im Europäischen Binnenmarkt die Einrichtung von Güterverkehrszentren?", womit Denkanstöße gegeben werden sollten "für Konzepte, wie Hamburg seine neue geopolitische Lage ungehindert nutzen kann" (HW 8/92, S.10). Die angesprochenen Politiker zeigten sich lernfähig: so erklärte der Vorsitzende der SPD-Bürgerschaftsfraktion Elste am 12. Oktober '92 auf einer Veranstaltung im Rathaus zum EG-Binnenmarkt, von besonderer Bedeutung seien dabei z.B. "- die Entwicklung einer leistungsfähigen überregionalen Verkehrsanbindung zu den industriellen Schwerpunkträumen in den neuen Bundesländern und den osteuropäischen Staaten in Konkurrenz zu den Rheinmündungshäfen, - der Ausbau einer modernen Telekommunikation im Logistikzentrum Hamburg, - Ausbau und Modernisierung des Hafens und des Flughafens, - ausreichende Flächenbereitstellung " usw. In der Kooperationsvereinbarung mit der STATT- Partei, die nach dem Abwenden der rot- grünen Koalition durch die SPD-Rechten unter Führung Voscheraus abgeschlossen wurde, heißt es: "Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes und die Perspektive einer Europäischen Union eröffnen unserer Stadt zusätzliche Chancen Mit Blick auf die sich abzeichnende Erweiterung der EU muß die Zusammenarbeit Hamburgs mit den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) weiter intensiviert werden. In der interregionalen Kooperation richten sich Hamburgs Interessen besonders auf den Ostseeraum einschließlich der baltischen Staaten und St. Petersburgs sowie auf die Regionen im Einzugsbereich der Elbe einschließlich Prags." Für die Durchsetzung der von den Kapitalisten für essentiell gehaltenen Infrastrukturprojekte - wie z.B. des Güterverkehrszentrums im Rahmen der Hafenerweiterung Altenwerder - gegen ihre Gefährdung durch eine eventuelle rot-grüne Koalition hat Handelskammerpräses Asche dem Bürgermeister auf der "Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmannes" Sylvester ausdrücklich gedankt.

"Wettbewerbsfähigkeit" und Freihandel über alles Die SPD-Europa-Abgeordnete Christa Randzio-Plath schwärmte auf der schon erwähnten Veranstaltung 1992 von der Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die sich durch den Binnenmarkt ergebe. "Eine Zersplitterung Europas in kleine Märkte behindert die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen innerhalb der Triade. Unternehmenskooperationen sind nötig in der Automobil- und Luftfahrtindustrie sowie im Bereich der Zukunftstechnologien " Durch das Airbus-Konsortium "konnte erstmalig die Monopolstellung der USA auf dem Gebiet der Luftfahrzeuge gebrochen werden". Als unbefriedigende Ergebnisse des "Binnenmarktprozesses" bezeichnete sie damals das Fehlen der "sozialen Dimension" und die großen ökonomischen und sozialen Unterschiede in den Regionen der Gemeinschaft. "Das europäische Parlament fordert die soziale Dimension des Binnenmarktes ein und wendet sich gegen jegliche Aushöhlung von sozialen Standards, damit die noch unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und Lohnunterschiede nicht zum Sozialdumping führen." Die Notwendigkeit von sozialen Mindeststandards wird hier bereits nicht von den Interessen der betroffenen Arbeiter und Angestellten definiert, sondern mit dem Begriff Sozialdumping als Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs der Kapitale.

Bahn frei für Lohnsenkung und Sozialabbau Dies sah schon damals die Handelskammer ganz anders: "Die Chance der schwach entwickelten Regionen im Binnenmarkt ohne Grenzen liegt in den komparativen Kostenvorteilen bei wesentlichen Standortfaktoren. Sie als Anreiz für Investitionskapital zu nutzen muß in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten und ihrer Regionen bleiben." (HW 8/92, S.17) Zu deutsch: Die Regionen sollen mit "Kostenvorteilen" wie Niedriglöhnen um die Investitionen der großen, international agierenden Konzerne konkurrieren. Auch Frau Randzio-Plath hat inzwischen vor dem Hintergrund dieser Interessen ihre Position revidiert. So muß die EU ihrer Meinung nach "dafür Sorge tragen, daß Sozial- und Umweltklauseln nicht zu protektionistischen Instrumenten mißbraucht werden. Schließlich hat der betroffene Länderkreis häufig mit großen Standortnachteilen zu kämpfen, die kompensiert werden müssen Niedrigere Lohnkosten sind nach dem GATT ein zulässiger komparativer Vorteil. Sie betrachtet deshalb auch die gegenwärtige Diskussion über Sozialdumping als nicht ungefährlich, weil eine enge Auslegung dieser Begriffe leicht zu einem Handelshemmnis werden könnte." (HW 5/94, S.25) Und der Freihandel steht allemal über dem Interesse an Sozial- und Umweltstandards! Wer die Position der Anhebung und Angleichung der sozialen Standards an das höhere Niveau im Interesse der Menschen aufgibt, kann auch dem Zurückwirken der niedrigen Standards auf die "Hochlohnländer", wie es von den Konzernen durch die "Standortdebatte" derzeit auf breiter Front betrieben wird, nichts entgegensetzen. Der Europäische Rat hat in seinen "Schlußfolgerungen des Rates vom 10./11.12.93 bereits einen "Aktionsplan" aufgestellt, der unter der Flagge der "Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" "vor allem darauf ab(zielt), daß die europäische Wirtschaft in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird", wobei er zu den Voraussetzungen neben Inflationsbekämpfung und offenem Welthandel eine "solidarische Wirtschaft" zählt: "Solidarität ist zunächst gefordert zwischen den Menschen, die Arbeit haben, und jenen, die keine haben, diese Solidarität kann z.B. darin bestehen, daß ein Teil der Gewinne aus dem Produktivitätszuwachs vorrangig für Investitionen und für die Schaffung von Arbeitsplätzen aufgewandt wird, insbesondere über eine Politik der Lohnmäßigung." Auf einzelstaatlicher Ebene fordert der Rat u.a. die "Verbesserung der Flexibilität innerhalb der Unternehmen und auf dem Arbeitsmarkt durch Beseitigung allzu starrer Vorschriften und durch verstärkte Mobilität; - Untersuchung wirtschaftlich sinnvoller neuer Formen der Arbeitsorganisation in den Unternehmen, diese Maßnahmen sollen nicht auf eine allgemeine Umverteilung der Arbeit, sondern auf innerbetriebliche Anpassung abstellen, die mit der Produktivitätssteigerung vereinbar sind; - gezielte Senkung der Lohnnebenkosten (gesetzlich vorgeschriebene Abgaben) Die Mindereinnahmen bei den Sozialabgaben könnten, im allgemeinen Kontext einer Stabilisierung der gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben und der Verminderung der Steuerlast durch steuerliche Maßnahmen kompensiert werden." (Europa-Archiv 1/94, S.D18/19) Dieser Katalog von Lohnverzicht, Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt und im Betrieb sowie Abgaben- und Steuerentlastung der Kapitalisten (eventuell kompensiert durch höhere Verbrauchssteuern) liest sich wie aus den Programmen der Unternehmer verbände. Auf der Bezirkskonferenz der IG Metall Bezirk Küste am 8. Juni hat Bürgermeister Voscherau sich in seinem Grußwort dagegen ausgesprochen, die Entwicklung der Löhne allein für die Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen. Das Lohnniveau " ist nicht beliebige Verfügungsmasse zur Verbesserung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit. Davor sind erstens die Wechselkurse ". - Sollte er vergessen haben, daß dieser relative Schutz für die Arbeitseinkommen mit der Währungsunion gerade beiseite geräumt wird? Voscherau hat sich weiter für eine "gerechtere Verteilung der Arbeit" ausgesprochen. Aber: "Verteilung von Arbeit wegen zunehmender Produktivität wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze: ja. Verteilung von Arbeit wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit: auf die Dauer nichts als eine schöne Illusion." Das ehrenwerte Eintreten für Arbeitszeitverkürzung und gegen Lohnsenkung bleibt so lange zahnlos (und unglaubwürdig), wie es diese Ziele immer wieder den entgegengesetzten Zielen der Kapitalisten, nämlich in der Konkurrenzschlacht auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig (also auch: billiger) zu sein, unterordnet. Die angestrebte Senkung des Lohnniveaus wird die in der Großstadt konzentrierten sozialen Probleme unweigerlich verschärfen. Zugleich werden durch die angestrebte Entlastung der Unternehmen von Sozialabgaben und Steuern die Mittel vermindert, die etwa den Kommunen zur Linderung der sozialen Probleme zur Verfügung stehen. Die Gewerbesteuer, die von der Bundesregierung in dieser Richtung ins Visier genommen worden ist, machte 1991 immerhin 17,5 Prozent der Hamburg verbleibenden Steuern aus.

Privatisierung und Deregulierung In der vergangenen Woche wurde bekannt, daß auf Betreiben des Wirtschaftssenators Rittershaus (von der STATT- Partei nominiert) im Sinne einer bevorstehenden EU-Richtlinie zur Liberalisierung der bisherigen Flughafenmonopole ein Konzept zur Zerschlagung der Flughafen Hamburg GmbH vorgelegt wurde, das nach Ansicht der ÖTV einen massiven "Angriff auf Arbeitsplätze, öffentliche Unternehmen, Arbeits- und Tarifbedingungen" darstellt. 200 bis 400 Arbeitsplätze sollen abgebaut, die Löhne um 20% gekürzt werden. In Brüssel sind gegen den Hamburger Flughafen Beschwerdeverfahren anhängig, die von der Kommission nach Konsultation des Eur. Parlaments entschieden werden sollen. CDU- MdEP Jarzembowski, Berichterstatter des EP in dieser Frage, erwartet eine Übergangsfrist bis 1996. Ein weiteres Projekt in dieser Richtung ist die Regionalisierung des Öffentlichen Personennahverkehrs, gemäß der EG- Verordnung 1893/91, die am 1. Januar 1995 in Kraft treten soll. Nach dem Willen der Handelskammer soll der HVV aufgelöst werden, und die öffentlichen Auftraggeber sollen Verkehrsleistungen ausschreiben, wobei freier Marktzugang für Anbieter von Verkehrsleistungen bestehen soll. (HW 7/93) Am 25. April hat die Konferenz der norddeutschen Regierungschefs ein gemeinsames Konzept zur Reorganisation und Regionalisierung des ÖPNV in Auftrag gegeben. Nach den bisherigen Erfahrungen wird dabei vor allem die staatliche HHA - wie bereits anläßlich der Tariferhöhungen beim HVV - erneut ins Fadenkreuz der Privatisierer und Deregulierer geraten.

Hafenlobby: Gegen europäische Hafenpolitik In seinen Beschlüssen vom 11./12. Dezember '93 hat der Rat im Zusammenhang der Transeuropäischen Netze im Bereich Verkehr und Energie beschlossen, Leitschemata, wie sie schon für die Hochgeschwindigkeitszüge, den kombinierten Verkehr, die Straßen und Wasserwege existieren, auch für die Entwicklung der klassischen Eisenbahninfrastruktur, der Flughafeninfrastruktur, der Hafeninfrastruktur, Elektrizität und Gas bis zum 1. Juli '94 zu erstellen. (vgl. Europa-Archiv 1/94, S.D20f) Eine "Europäische Hafenpolitik", von der sich vor allem die Häfen in Südeuropa Subventionen erhoffen, wird von den Hamburger Hafenkapitalisten abgelehnt. Jarzembowski: Daß in den Häfen der südlichen Mitgliedsstaaten nicht so effizient gearbeitet werde wie in den großen nordwesteuropäischen Seehäfen, sei noch kein Grund für die Gemeinschaft, im Süden unterstützend tätig zu werden. "Wettbewerbsverzerrungen" müßten auf jeden Fall vermieden werden. Zugleich lehnt er Bestrebungen ab, staatliche Investitionen in die Hafeninfrastruktur als "unzulässige Beihilfen" zu betrachten. Die Kosten für die Hafenerweiterung, die die Hamburger Wettbewerbsposition verbessern soll, sollen nicht den Hafennutzern aufgebürdet werden. (HW 5/94) Die Folgen von weiteren "Wettbewerbserfolgen" der nordwesteuropäischen Häfen liegen auf der Hand: Die regionalen Probleme in den Mittelmeerländern werden weiter wachsen, und zugleich wird die Zentralisation der Überseehäfen im Nordwesten ein weiter erhöhtes Transit-Verkehrsaufkommen von Nord- nach Südeuropa mit den bekannten ökologischen Folgen bewirken. Die hamburgische Politik, die allerdings auch Jarzembowski nur für bedingt durchsetzbar hält, ist also sowohl gegen die Interessen der Menschen hier gerichtet (s. Infrastrukturpolitik und Haushaltspolitische Folgen) als auch gegen die Interessen der Menschen in Südeuropa und der vom wachsenden Transitverkehr betroffenen "dazwischen". -(ulj)

In dieser Ausgabe:

15jähriger Kurde in Hannover von Polizei erschossen Gericht entschied, nicht zu entscheiden: Irmgard Möller weiter in Haft Freispruch für Redakteurin des "Angehörigen Infos" Bericht einer Hamburger Gruppe aus Chiapas in Mexiko Hamburg und Europa: Ostexpanision, Deregulierung und Sozialabbau

Demonstration Protest gegen die Erschießung des 15jährigen Kurden, Halim Dener, durch die Polizei in Hannover

Aufhebung des Verbots der PKK, ERNK und der kurdischen Vereine und Institutionen

Einstellung jeglicher Hilfe an die Türkische Republik durch die Bundesrepublik

Für die politische Lösung der kurdischen Frage

Donnerstag, 7.7.1994 17.00 Uhr Moorweide/Dammtor Freunde des kurdischen Volkes

Lokalberichte HamburgNr. 14/1994, 7.Juli 1994 Herausgeberkreis: Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik (AGG), Arbeitskreis Azania, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), Hochschul-Antifa, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Die Lokalberichte erscheinen in enger Zusammenarbeit mit dem Info der PDS/LL. Redaktionstreffen und Redaktionsschluß: Montag, 18.Juli, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH