DPG kämpft für die Wahrung

der Besitzstände nach der Privatisierung

Die Beratungen um die Umwandlung der drei Postunternehmen Postbank, Postdienst und Telekom in Aktiengesellschaften gehen in die letzte Phase. Am 29. Juni wird die zweite und dritte Lesung im Bundestag stattfinden. Der Bundesrat wird dann Anfang Juli darüber entscheiden. Zwischen der Regierungskoalition von CDU/CSU/FDP und der SPD besteht weitgehend Einigkeit über die Privatisierung der Postunternehmen. Bei den über 400 Gesetzesänderungen inklusive GG-Énderungen ist bis auf die soziale und finanzielle Absicherung der Beschäftigten bei den Postunternehmen alles geregelt. Und diese Absicherung will die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) in Tarifverträgen geregelt haben. Ende Mai führte die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) eine Aktionswoche zur Postreform mit öffentlichen Aktionen wie symbolischen Postamtsbesetzungen, Informationsveranstaltungen und -ständen sowie einer Großkundgebung in der Dortmunder Westfalenhalle mit 15000 PostgewerkschafterInnen durch. Auf die Forderung der DPG an die drei Unternehmensvorstände, Tarifverhandlungen über die soziale Absicherung der 670000 Postbeschäftigten aufzunehmen, boten diese lediglich ein Gespräch an. Die DPG reagierte auf diese Hinhaltetaktik prompt: Anfang Juni wurden daraufhin Warnstreiks ausgerufen, um die Vorstände an den Verhandlungstisch zu bekommen. Die Postmanager erkannten die Signale und erklärten sich bereit, über einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln. Am Dienstag, den 6. Juni, begannen die Verhandlungen. Die DPG legte einen Tarifvertragsentwurf über die Sicherung der Sozialleistungen nach der Privatisierung für die Beschäftigten vor. Das geforderte Paket, abgesehen von einigen Kleinigkeiten wie Kaltgetränk oder Kranzgeld, über die in den Medien gegen die DPG und den geforderten Tarifvertrag polemisiert wurde, umfaßt zum Teil existentielle Regelungen. Insgesamt davon betroffen sind die Krankenversicherung, neun betriebliche Sozialeinrichtungen, sechzehn betriebliche Sozialangelegenheiten, vier Selbsthilfeeinrichtungen sowie die Wohnungsfürsorge, die einen Bestand von ungefähr 100000 Wohnungen um faßt. In den Medien wurden diese Sozialleistungen als überzogen dargestellt. Wenn man aber bedenkt, daß ca. 80% der 670000 Beschäftigten im einfachen und mittleren Dienst arbeiten und bekanntermaßen nicht viel verdienen, dann ist die Summe von 700 Mio DM. - etwa 1000 DM pro Beschäftigten - für die Sozialleistungen als geringfügige Anhebung des Lohnes zu betrachten und für die Beschäftigten einfach unverzichtbar. Im übrigen sind viele dieser Sozialleistungen auch in anderen Unternehmen üblich. Es handelt sich also keineswegs um irgendwelche Privilegien der Postbeschäftigten. Die Postmanager wollen mit der Privatisierung die Chance nutzen, Sozialleistungen einzuschränken bzw. abzuschaffen, und die Personalausgaben spürbar mindern. Dementsprechend war das Angebot und die Verhandlungstaktik der Postmanager angelegt. Das Angebot sah eine Absicherung von acht der über zwanzig Sozialleistungen vor, wobei diese acht dann durch die neuen Aktiengesellschaften nach Gutsherrenart jederzeit gekürzt bzw. abgeschafft werden könnten. Bei den Verhandlungen bewegten sich die Arbeitgeber überhaupt nicht, und nach 34 Verhandlungsstunden mit zweimaliger Vertagung brach die DPG diese ab und setzte den Managern eine Frist zur Unterbreitung eines verhandelbaren Angebotes. Diese Frist verstrich am Do., den 9. Juni, ohne daß eine Reaktion aus Bonn kam. Die DPG setzte daraufhin bundesweit Warnstreiks in allen drei Unternehemn an. Durch die massiven Warnstreiks - bis zu 10000 Beschäftigte - und der Vermittlung von Postminister Bötsch wurden die Verhandlungen auf Sonntag angesetzt. Begleitet von Warnstreiks mit bis zu 18000 Beschäftigten wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Am Mittwoch konnte die DPG dann das erste Teilergebnis erzielen - der Abschluß eines Tarifvertrages über die Sicherung der Eingruppierung. In diesem Vertrag, befristet bis zum 31.12.96, ist für die Angestellten und Arbeiter festgeschrieben, daß infolge von Bewertungsänderungen für beamtenbewertete Dienstposten, die einseitig von den neuen Unternehmen geändert werden können und auf die die jetzigen Tarifverträge der Angestellten und Arbeiter bei der DBP aufgebaut sind, keine Énderungskündigungen ausgesprochen werden dürfen. Der Tarifvertrag ist befristet, so daß Énderungen in den Eingruppierungen nach dem 30. Juni 1996 für Beschäftigte mit einer Postdienstzeit unter 2 Jahren, nach dem 30.9. mit einer Postdienstzeit von 2 bis 5 Jahren und nach dem 31.12.96 für alle, die über 5 Postdienstjahre haben, ausgesprochen werden können. Die DPG hat damit für die überwiegende Zahl der Beschäftigten eine Lohnsicherung bis zum 31.12.96 durchgesetzt und Zeit geschaffen, in den nächsten beiden Jahren einen Tarifvertrag mit einem völlig neuen Bewertungs- und Bezahlungsystems auszuhandeln. Unabhängig von dieser Einigung setzte die DPG die Warnstreiks fort, und am Freitag, den 17. Juni, konnte ein Abschluß zum Tarifgebiet Ost abgeschlossen werden, in dem nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Kündigungsschutz sowie die Altersversorgung abgesichert sind. Die Postunternehmen beantragten zwischenzeitlich bei mehreren Arbeitsgerichten einstweilige Verfügungen gegen die DPG, die "keinen normalen Arbeitskampf" führe, sondern mit den "politischen Streiks" die Postreform verhindern wolle. Die Arbeitsgerichte lehnten einstweilige Verfügungen ab, und setzten Verhandlungstermine an. Die DPG sprach in der Angelegenheit von einer "Nullnummer". Nach den beiden Teilabschlüssen stehen für die DPG noch drei Abschlüsse für das Gesamtpaket an. Zum einen der oben schon angeführte Sozialtarifvertrag, ein Insolvenztarifvertrag sowie ein Mitbestimmungstarifvertrag. In dem Insolvenztarifvertrag sollen erarbeitete Ansprüche wie z.B. die Betriebsrente gesichert werden, falls das Unternehmen nach der Privatisierung Pleite geht. In dem Mitbestimmungstarifvertrag sollen die Interessenvertretung und Freistellungsanteile für die Betriebsräte über das Betriebsverfassungsgesetz hinaus festgeschrieben werden. Die letzten Wochen haben gezeigt, daß die Arbeitgeber nur verhandlungsfähige Angebote machten, wenn die Verhandlungen von Warnstreiks begleitet waren. Daher ist davon auszugehen, daß die Verhandlungen, bis das Gesamtpaket unterzeichnet ist, von Warnstreiks begleitet werden müssen. -(sie, Quelle: Elmshorner GegenSätze 7/94)

PDS/Linke Liste:

Landesliste gewählt

Auf einer Landesversammlung am 18. Juni 1994 wählte die PDS/Linke Liste Hamburg ihre offene Landesliste zur Bundestagswahl am 16. Oktober 1994. Auf den ersten 3 Plätzen kandidieren ausschließlich Frauen. Alle drei sind in der Frauenbewegung aktiv, stehen für feministische Positionen und sind doch in ganz unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen aktiv. Dabei legte insbesondere die Spitzenkandidatin Gudrun Aßmann wert auf eine sehr ausführliche Darstellung ihrer politischen Positionen, die sie insbesondere an feministischen und antirassistischen Fragen aufwarf (wie werden darüber im nächsten Info/Lokalberichte berichten). Auf Platz vier folgt dann mit Bernt Kamin (Betriebsrat im Hamburger Hafen und Mitglied und vorgeschlagen durch die DKP) ein anerkannter linker Gewerkschafter. Und so lautet die komplette KandidatInnenliste: 1. Gudrun Aßmann, 40 Jahre alt, Erzieherin, Mitarbeit AG LISA, Frauenstreik- Komitee, Kontakt zur Initiative zur Freilassung Irmgard Möllers/politische Gefangene; 2. Stephanie Schrader, 20 Jahre alt, Studentin der Erziehungswissenschaft und Backgehilfin, aktiv in der SchülerInnenbewegung, Vorschlag einer Schüler- und Jungwählerinitiative, Mitarbeit "Projekt Aufklärung", parteilos; 3. Liselotte Lottermoser, 67 Jahre alt, pensionierte Lehrerin, Mitarbeit in der VVN/Bund der Antifaschisten, Mitarbeit im Seniorenkreis Alstertal/Walddörfer, Mitglied der Vereinigten Sozialistischen Partei (VSP); 4. Bernt Kamin, 36 Jahre alt, Hafenarbeiter, Betriebsratsmitglied in einem Hafenbetrieb, Sprecher der ÖTV-Vertrauensleute, Direktkandidat in Hamburg- Mitte, Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei, Mitarbeit in der AG Betrieb & Gewerkschaft; 5. Horst Bethge, 58 Jahre alt, Lehrer, Mitglied des Personalrats und des GEW- Landesvorstands, Initiative PädagogInnen für den Frieden, Miktarbeit in der Bewegung gegen Berufsverbote, Bildungspolitischer Sprecher der PDS, Mitarbeit in der AG Bildungspolitik und der AG Frieden und Antimilitarismus, Landessprecher; 6. Gert Corfei, 39 Jahre alt, Anästhesist, ehemals Charite-Rüdersdorf, Mitarbeit in der Bürgerinitiative Geesthacht gegen das AKW Krümmel; 7. Kirsten Radüge, 32 Jahre alt, Studentin der Romanistik und Sekretärin, Linke Liste an der Uni, Mitarbeit in der Basisgruppe Hamburg-Ost, Kandidatin im Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel, Landessprecherin; 8. Markus Gunkel, 31 Jahre alt, Student der Geschichte, Linke Liste an der Uni, Mitarbeit in der Koordinierung linker StudentInnen in der BRD sowie in der AG Frieden und Antimilitarismus, Kandidat im Wahlkreis Hamburg-Nord, Vorstandsmitglied im Hamburger Forum; 9. Christiane Schneider, 45 Jahre alt, Schriftsetzerin, Mitarbeit an verschiedenen Zeitungen (Lokalberichte HH, Politische Berichte), Mitarbeit in der ARGE Konkrete Demokratie & soziale Befreiung bei der PDS Thüringen und bei der Linken Sommer-/Winterschule in Schnepfenthal/Thüringen; 10. Jan Pieter Schulz, 23 Jahre alt, Student der Volkswirtschaftslehre, Linke Liste und WiWi-Aktionsgruppe an der Uni Hamburg, Mitglied im Studiedenparlament, Streik- und Aktionsrat Uni Hamburg, Direktkandidat im Wahlkreis Bergedorf. 11. Rainer Tichy, 50 Jahre alt, Personalratsmitglied im AK St. Georg und im Gesamtpersonalrat des Landesbetriebs Krankenhäuser, Mitglied der ÖTV-Vertrauenskörperleitung, Mitarbeit im Offenen Kanal Hamburg und Beiratsmitglied der Anstalt für neue Medien, Mitarbeit in verschiedenen Bürgerinitiativen gegen Rassismus und in der Friedensbewegung, AG Stadtteilkultur.

Europawahlen: Riesenschlappe für SPD

Grüne und PDS legen zu

Das Wahlergebnis für die Europawahlen folgt auch in Hamburg im wesentlichen dem Bundestrend: Während die SPD, die sich in den letzten Monaten (insbesondere seit Scharping) darum bemüht, sich als eine Art "CDU-light" zu präsentieren, gewaltige Stimmeneinbußen erhält, die CDU sich im wesentlichen stabilisiert, können GRÜNE und PDS prozentuale Gewinne verbuchen (die FDP fällt unter die 5 Prozent). Ebenfalls dem Bundestrend folgend, aber in Hamburg besonders ausgeprägt: nur noch rund 50 Prozent der Wahlberechtigten haben sich überhaupt beteiligt, im Stadtteil St. Pauli gar nur noch 20,5%. Faschistische, populistische und rassistische Gruppierungen gehen geschwächt aus der Wahl, erhalten aber - zusammengerechnet für Hamburg - immer noch mehr wie 5 Prozent der abgegebenen Stimmen. Politisch hat das Wahlergebnis vor allem dreierlei zum Ergebnis. Da ist zum einen der gewaltige Stimmenzuwachs für die PDS. Zustandegekommen im wesentlichen im Gebiet der ehemaligen DDR. In fast sämtlichen Großstädten wurde die PDS dort zur stärksten politischen Kraft, in fast sämtlichen Stadtbezirken Ostberlins erhält sie mehr als 40 Prozent der abgegebenen Stimmen. Sie hat ihr Ergebnis (im Vergleich zur Bundestagswahl 1990) in sämtlichen Regionen Ostdeutschlands fast verdoppelt. Dem Einzug in den Bundestag steht nunmehr kaum noch etwas entgegen, denn die Gewinnung von mindestens 3 Direktmandaten wird die 5-Prozent- Hürde außer Kraft setzen. Und besondere RechenkünstlerInnen haben sogleich ausgerechnet, daß eine Übertragung des jetzigen Wahlergebnisses auf die Bundestagswahlen im Oktober heißen würde, daß die PDS mit rund 30 AbgeordnetInnen ins Bonner Parlament einziehen kann. Entsprechend gereizt reagieren die herrschende politische Öffentlichkeit und die etablierten Parteien. Da bildet der Fraktionsvorsitzende der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus Lewandowsky nur die Spitze des Eisberges, wenn er in einer feurigen Rede sofort die "Einstellung" jegliche Finanztransfer an den Osten forderte, um die "roten Socken" nicht auch noch in dieser Weise zu unterstützen. Dieser erdrutschartige Wahlerfolg der PDS, der parallel auch bei den entsprechenden Kommunalwahlen zu verzeichnen ist, beschert den Herrschenden schon auf der arithmetischen Ebene bedeutende Schwierigkeiten: In zahlreichen Kommunen Ostdeutschlands - tendenziell aber auch in zahlreichen Landesparlamente - ist eine Regierung gegen die PDS nur noch um den Preis einer großen Koalition zu haben. Für die bevorhenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt beantwortet die PDS dies damit, daß sie anfängt, laut über Tolerierungsangebote nachzudenken, ohne dabei - und im Unterschied zu den gewendeten Grünen - den Grundsatz, Oppositionspartei bleiben zu wollen, auch nur ansatzweise in Frage stellt. Dieser Wahlsieg verunsichert aber auch im Westen, denn jahrzehntelang genutzte Klischees des Antikommunismus - der ja Staatsdoktrin war - geraten ins Wanken. Damit ist zusätzlicher Raum für eine notwendige Opposition und für politischen Widerstand auch bei uns mit gegeben. Trotzdem bleibt der Tatbestand, daß die wahlpolitischen Probleme der Linken für Westdeutschland und auch für Hamburg im wesentlichen ungelöst bleiben, denn den gewaltige Stimmenzuwächsen im Osten stehen weiterhin magere 0,6 Prozent im Westen gegenüber, in Bremen und Hamburg mit 2,1 und 1,4 Prozent zwar höhere - aber keinesfalls überzeugende Er gebnisse. Das, was die PDS im Osten ist, sind - gemessen an den Stimmenergebnissen zwar im bescheideneren Umfang - im Westen nach wie vor die GRÜNEN. Fast in allen westdeutschen Bundesländern Zuwächse um 6 oder 7 Prozent. Den Highlight bildet Hamburg. Die GAL konnte hier - gegenüber den Bundestagswahlen - fast 13 Prozent hinzugewinnen und erzielt ein Rekordergebnis von 18,5 Prozent. Die Stimmenzuwächse resultieren insbesondere aus Verlusten der SPD. Ist der Druck im Osten in Richtung Opposition und Widerstand mit dem PDS-Wahlergebnis das entscheidende Resultat, so ist im Westen nach wie vor ein zunehmender Druck auf rotgrün und eine damit verbundene Reformhoffnung in sämtlichen Bundesländern als entscheidendes Wahlmotiv bei typisch linken WählerInnen nachzuweisen - und eben in Hamburg besonders stark ausgeprägt. Umgekehrt: Die politische Linke - und bei diesen Wahlen eben in Gestalt der PDS- Listen - erzielt aber genau dort kleine Achtungserfolge (so eben in Hamburg 1,4%, in Frankfurt 1,8%, in Bremen 2,1%, in Hannover und Oldenburg zum Beispiel 1,5 bzw. 1,6 Prozent) in diesen Hochburgen "rot-grüner" Reformhoffnungen ("-illusionen"). Dies fordert zu einer genaueren Diskussion um die weiteren wahlpolitischen Probleme der Linken sowohl auf kommunaler, wie auf landes- und bundespolitischer Ebene deutlich heraus. Ein drittes Resultat dieser Wahlen besteht darin, daß es nunmehr - zumindest die Kommentatoren in der FAZ gehen davon aus - fast sicher scheint, daß die CDU und Kohl bei der Bundestagswahl erneut das Rennen machen. Die Linke muß sich auch darauf einstellen, ihre Politik, inklusive ihrer Wahlpolitik, entsprechend zuspitzen und präzisieren, die Frage noch genauer diskutieren, in welche Richtung die politischen Entwicklungen im Bereich der Sozialpolitik wie auch der Außen- und Innenpolitik gehen werden und wie hier wirksamer Widerstand zu organisieren ist. Eine besondere Frage, die in diesem Zusammenhang gerade für Hamburg ansteht, ist die erneute Diskussion um die Verbindung parlamentarischer wie außerparlamentarische Aktionsformen politischen Widerstands. Es fällt auf, daß gerade in Hamburg die absolute Anzahl der WählerInnenstimmen für die PDS, ins Verhältnis gesetzt zu 1990, gesunken ist. Dies mag insbesondere mit der in Hamburg extrem niedrigen Wahlbeteiligung zu tun haben. Es muß jedoch präzisierend hinzugefügt werden, daß eine genauere Untersuchung der Wahlergebnisse in einzelnen Stadtteilen zeigt, daß dieser Stimmenrückgang insbesondere auf die Stadtviertel zurückzuführen ist, in denen die linke politische Szene besonders präsent ist (z.B. St. Pauli, Karo-Viertel u.a.). Die Skepsis gegenüber parlamentarischen Wahlen, besonders natürlich dann noch Europawahlen, ist hier bekanntlich besonders hoch, ein Zusammenhang zu bestimmten Debatten um Nationalismus und andere Fragen, wie sie z.B. in der konkret geführt werden, ist zwar nicht nachzuweisen, aber doch zu vermuten. Und auch die gut 800 Stimmen für die "Unregierbaren/Auli" haben, zumindest aus der Sicht der Bündelung wahlpolitischer Kräfte von links, gefehlt. -(ag)

Werden die Krankenhäuser

des LBK privatisiert?

Was fordert die ÖTV?

Im März hat die Geschäftsführung des Landesbetriebes Krankenhäuser (LBK) den Entwurf eines "Anstaltserrichtungsgesetzes" vorgelegt. Die kommunalen Krankenhäuser sollen zu einer "Anstalt Öffentlichen Rechts" werden. SPD und Statt-Partei hatten das bereits in ihre Kooperationsvereinbarung aufgenommen, und die Gesundheitssenatorin Fischer-Menzel hat als Termin dafür den 1.1.95 genannt. Diese sog. "Weiterentwicklung" soll angeblich das Überleben der kommunalen Hamburger Krankenhäuser sichern, z.B. durch mehr Spielraum für das Management unter den Bedingungen des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG). Das GSG begünstigt aber gerade nicht den Erhalt des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern fördert dessen Abbau unter Kostengesichtspunkten. Die Ablösung der solidarischen Daseinsvorsorge durch einen "Markt", auf dem nur derjenige Gesundheitsleistungen erhält, der auch Geld einbringt, ist das Ziel. Die Krankenhäuser konkurrieren verstärkt um Patienten mit sog. "lutiven Krankheiten", die mit einem möglichst geringen Risiko möglichst viel Geld einbringen, oder um Selbstzahler, die jede Rechnung bezahlen können. Nur wer Geld hat, kann sich auf dem medizinischen Zwei-Klassen- "Markt" frei bedienen, und es bewahrheitet sich wieder das geflügelte Wort: "Wenn Du arm bist, mußt Du früher sterben." Diese Entwicklung wird um so schneller greifen, je weniger demokratische Kontrolle und Mitbestimmung durch die Betroffenen gegen die brutalen Auswirkungen geltend gemacht werden können. Inzwischen haben in den Krankenhäusern Personalversammlungen stattgefunden, auf denen die Beschäftigten mit der Geschäftsführung und der ÖTV über die "Anstalt" und entscheidende Kritikpunkte diskutierten, so z.B. über die offenbar beabsichtigte Privatisierung von Teilbereichen. Im Entwurf, den die Geschäftsführung für ein Anstaltserrichtungsgesetz von einer Unternehmensberatungsfirma erstellen ließ, heißt es nämlich unter @2 Aufgaben und Beteiligungen: "(3) Der LBK Hamburg kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen und weitere Unternehmen gründen oder sich an fremden Unternehmen beteiligen " Die erste "Bedienung Dritter" (nämlich mit Pflegesatzgeldern) ist im Bereich der Wäscheversorgung geplant. Der Landesbetrieb Wäschereien soll nicht Teil der Anstalt werden. Hier fände die Zentralisierung der Krankenhauswäschereien dann ihren Schlußpunkt. Auch der letzte Teil soll nach Vorenthaltung von Investitionen und Inkaufnahme von Organisationsmängeln privatisiert werden, wegen mangelnder Konkurrenzfähigkeit mit Betrieben, auf die zwar kein Verlaß ist, aber in denen die Frauen für 560 Mark schaffen. Die ÖTV will die Aufnahme der Wäscherei in die Anstalt und verlangt "Binnenmodernisierung statt Ausgliederung". Kolleginnen und Kollegen fragten auf den Versammlungen, ob sie nun arbeitslos würden, wenn sie das Pech haben, in einer Abteilung zu arbeiten, die keinen Profit abwerfen kann. Die Geschäftsführung hielt sich hier bedeckt nach dem Motto "wir wollen doch nur das Beste, nämlich mit mehr Effektivität die Arbeitsplätze retten". Die unterschwellige Drohung mit der großen Pleite machte vielen klar, wo es langgeht. Alle nur denkbaren Bereiche, die ausgegliedert angeblich billiger sind, z.B. der Reinigungsdienst, der gesamte Handwerkerbereich, Krankentransportdienste, Labore und Apotheken, könnte die "Anstalt" nämlich abstoßen, ohne daß im Gesetz eine wirksame Mitbestimmung oder das sog. "Rückkehrrecht" verankert sind. Während die Beschäftigten der Hamburger Stadtreinigung - die kürzlich in eine "Anstalt öffentlichen Rechts" umgewandelt wurde - im Falle einer Privatisierung in den Öffentlichen Dienst zurückkehren können, soll dieses Rückkehrrecht den Krankenhausbeschäftigten verweigert werden. Dort soll die Privatisierung offenbar gegen den Willen der Beschäftigten und ohne große Folgekosten machbar sein. Das gleiche gilt für das sog. "Bleiberecht". Die Beschäftigten bei der Stadtreinigung können sich binnen drei Monaten nach Anstaltsgründung entscheiden, ob sie im Öffentlichen Dienst bleiben oder in der Anstalt arbeiten wollen. Für die Krankenhausbeschäftigten soll auch dies nicht gelten. Offenbar sollen die bestehenden Tarif- und Sozialstandards gedrückt werden, ohne daß die 15000 Beschäftigten verlangen könnten, im Öffentlichen Dienst zu bleiben. Die Unterordnung medizinischer Notwendigkeiten unter betriebswirtschaftliches Kalkül wurde auf den Versammlungen abgelehnt. Wer unter der Überschrift "Aufgaben und Beteiligungen" (@2) nachliest und gesundheitspolitische Kernaussagen und Ansatzpunkte demokratischer Einflußnahme erwartet, wird enttäuscht. Hier geht es nur ums Geld! "(1) Der LBK Hamburg erfüllt den ihm nach dem Krankenhausplan der Freien und Hansestadt Hamburg übertragenen Auftrag der Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen hoher Qualität. Er ist den Grundsätzen eines sparsam und eigenverantwortlich wirtschaftenden sowie leistungsfähigen Krankenhauses gemäß @@1 und 4 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz - vom 29. Juni 1972, zuletzt geändert am 21. Dezember 1992, in der jeweils geltenden Form verpflichtet. (2) Dem LBK Hamburg können von der Freien und Hansestadt Hamburg auch andere, mit der Krankenhausversorgung in Zusammenhang stehende Aufgaben übertragen werden. Die Kosten werden dem LBK Hamburg durch Zuweisungen aus dem Haushalt der Freien und Hanststadt Hamburg erstattet, soweit sie nicht durch zu erhebende Entgelte gedeckt sind." Nach Auffassung der ÖTV geht es nicht ohne die folgenden Festlegungen im Gesetz: "Die Krankenhäuser des LBK müssen eine patientenorientierte medizinische und pflegerische Versorgung leisten, die sich ausschließlich nach dem Bedarf und nicht nach den Prinzipien der Gewinnmaximierung richtet. Das Leistungsangebot muß sowohl die Grund- und Regelversorgung als auch hochspezialisierte Medizin und Maximalversorgung umfassen. Die Qualitätssicherung der medizinischen und pflegerischen Versorgung ist ständige Aufgabe. Die Stadtteilorientierung der Versorgung wird beibehalten. Die Krankenhäuser des LBK müssen kooperativ zusammenarbeiten und gegenseitige Finanzausgleiche leisten." In den Krankenhäusern soll weiterhin das Hamburgische Personalvertretungsgesetz gelten. Auf Unternehmensebene sieht der Entwurf des LBK allerdings einen drittelparitätischen Katzentisch für die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat vor und macht den sog. "Tendenzschutz" geltend, eine Einschränkung der Mitbestimmung in Unternehmen, die unmittelbar und überwiegend z.B. politischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, künstlerischen Zielen dienen. In der Begründung lassen sie nach 26 Seiten "Betriebswirtschaftslehre" diese plötzlich fallen und drücken auf die Tränendrüsen: "Der LBK Hamburg fällt unter das Kriterium der karitativen Zweckbestimmung, da er sich zur Aufgabe gesetzt hat, körperlich, geistig oder seelisch leidenden Menschen in ihren inneren oder äußeren Nöten heilend, lindernd oder vorbeugend zu helfen." Die ÖTV fordert einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat und ein Vetorecht der Arbeitnehmervertreter bei Ausgliederung und Privatisierung von Teilbe reichen. Wenn auf den Versammlungen nach Möglichkeiten der gesundheitspolitischen Einflußnahme auf den neuen Krankenhauskonzern gefragt wurde, verweigerte die Geschäftsführung die Auskunft mit dem schalen Hinweis, hierfür sei "die Politik" zuständig. Deshalb wurde die Gesundheitssenatorin eingeladen. Bislang ist ihre Bereitschaft, mit den Beschäftigten zu diskutieren, nicht erkennbar! Ihre Behörde hat allerdings auf die Diskussionen reagiert, indem sie ihrerseits einen Gesetzentwurf zur Anstaltserrichtung vorlegte. Er unterscheidet sich aber nur dadurch vom LBK- Entwurf, daß er weniger Spielraum für das Management und eine paritätische Besetzung des Aufsichtsrates vorsieht. Für die ÖTV stehen die Forderungen nach Rückkehr- und Bleiberecht, nach gesundheitspolitischen Festlegungen und der Wahrung, wenn möglich Verbesserung der tariflichen und sozialen Standards im Vordergrund. Für die gesundheitspolitische Debatte ist es weiterhin notwendig, Erhebungen über die bisherigen Auswirkungen des GSG durchzuführen. Die Hauptverwaltung der ÖTV hatte Ende '93 bundesweit z.B. einen Trend zur Verzögerung von Operationen und zur Abweisung von Krebs- und Aids-Patienten festgestellt. Die ÖTV Hamburg wird Anfang Juli in den Krankenhäusern Informations- und Aktionstage zur Rechtsformänderung durchführen. Am 11. Juli wird das erste Tarifgespräch geführt werden. -(flm - Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik)

TERMINE

Do, 23.6.Podiumsdiskussion zur aktuellen Situation in Éthiopien, mit Genet Girma, Dr. Mamo Muche, Alem Eshete, Dr. Petros Beyene, Dr. Fisha Tsion Mengistu. Hochschule für Wirtschaft und Politik. 19.00 Uhr.

Fr, 24.6.Vorbereitungstreffen für eine antifaschistische Demonstration anläßlich des 60. Jahrestages der Ermordung Erich Mühsams im KZ Oranienburg am 10. Juli, 14.00 Uhr S-Oranienburg/ Berlin. 19.00 Uhr, Libertäres Zentrum, Lagerstraße 27.

Sa, 25.6.Rundgang des St.Pauli-Archivs: Das Karolinenviertel: 200 Jahre Cityerweiterungsplanung. Treff: Karolinenstraße 21. 14.00 Uhr.

So, 26.6.Workshop der Mitgliederversammlung der Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße. 14.00 Uhr, Kölibri (Hein-Köllisch-Platz). Eßbares soll mitgebracht werden, Getränke gibt es dort. Ein Protokoll des Workshops gibt es gegen Zusendung eines frankierten Rückumschlags bei der Genossenschaft St. Pauli Hafenstraße i.G., Bernhard- Nocht-Str. 24, 20359 Hamburg.

Mo, 27.6.AG Bildungspolitik, PDS-Büro, Palmaille 24. 17.00 Uhr.

Di, 28.6.Vorbereitungstreffen für das diesjährige Schanzenviertel-Stadtteilfest am Samstag, 24. September. 19.00 Uhr, Rote Flora.

Di, 28.6.Einige PDS-Mitglieder aus Harburg sind kürzlich zusammengekommen, um zu beraten, ob und wann die Gründung einer PDS-Gruppe Harburg möglich ist. Wir meinen, daß die personelle Stärke für eine solche Gruppe nun vorhanden ist, möchten die Diskussion aber im größeren Kreis (auch mit Gästen) fortsetzen in einem Diskussionsabend im Rieckhof (Harburg, Rieckhoffstr.), 1. Stock, 19.30 Uhr.

Do, 30.6.AG Frieden und Antimilitarismus, PDS-Büro, Palmaille 24. 17.30 Uhr.

Do, 30.6.Diskussionsveranstaltung der MASCH: Pariser Meditationen zu einer Ésthetik der Befreiung (Buchlesung). Uni (Pferdestall), Raum 109. 19.00 Uhr.

Do, 30.6.AG Frieden und Antimilitarismus der PDS/ Linke Liste zu: 1. Aktivitäten der Friedensbewegung in Hamburg im Herbst; 2. Vorstellungen der Grünen für Friedenspolitik im Wahlprogramm. 17.30 Uhr, PDS-Büro, Palmaille 24.

Fr, 1.7.Diskussions- und Informationsveranstaltung des Deutschen Freidenker-Verbandes - Ortsverband Hamburg - und des AStA der HWP zum Thema Gegen Krieg, Rassismus, Nationalismus und religiösen Fundamentalismus. 19.00 Uhr, HWP, von-Melle-Park 9, Raum 136 (Aufgang B).

So, 3.7.Emil Carlebach diskutiert und liest aus dem Buch Hitler war kein Betriebsunfall. 15.00 Uhr. Hochschule für Wirtschaft und Politik, großer Hörsaal.

Mo, 4.7.Harburger Bündnis gegen Rassismus. Volkshochschule Rieckhoffstr., 20.00 Uhr.

23.7.-6.8.Internationales Camp in Neuengamme zum gemeinsamen Lernen aus der unterschiedlichen Geschichte mit Menschen aus vier Nanen. Anmeldung sofort bei: DGB- Jugend, Petra Heese, Besenbinderhof 60, 20097 HH, Tel.: 2858256.

Kino im Cafe Knallhart Do, 23.6., 20.00 UhrDas schreckliche Mädchen. Verhoevens satirischer Spielfilm beleuchtet die deutsche Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit anhand der Geschichte des Mädchens Sonja: Sonja lebt als Tochter aus angesehenem Elternhaus in einer niederbayerischen Stadt, als sie als "beste Deutsche" einen europäischen Aufsatzwettbewerb gewinnt. Von diesem Erfolg angespornt beschließt sie, einen weiteren Aufsatz zu dem Thema "Meine Heimatstadt im Dritten Reich" zu schreiben. Mit der Absicht, etwas über den antifaschistischen Widerstand ihrer MitbürgerInnen zu erfahren, beginnt sie ihre Recherche. Deren Ergebnisse sind allerdings anders als erwartet Do, 30.6., 20.00 UhrDer gewöhnliche Faschismus. In Romms Dokumentarfilm werden nationalsozialistische Filmdokumente in origineller Weise dazu benutzt, die braune Propaganda zu entlarven. Gleichzeitig versucht der Film eine Annäherung an das Phänomen des Faschismus, indem er wesentliche Aspekte der faschistischen Ideologie und Praxis in Bild und Kommentar aufzeigt. Besonders eindringlich ist die Darstellung der in der "Volksgemeinschaft" aufgehenden Massen und ihre gefährliche Kraft. Eintritt jeweils 3 DM. Cafe Knallhart, Hochschule für Wirtschaft und Politik, Uni-Campus, von-Melle-Park 9.

Wer hat Interesse an der jüngsten Geschichte? Das Kuratorium "Gedenkstätte Ernst Thälmann" in Hamburg sucht dringend Menschen, die sich mit der jüngsten Geschichte, speziell natürlich mit der Geschichte der Arbeiterbewegung, beschäftigen - sei es nun im Studium, im Beruf oder als Hobby. Es gibt viele Begungsfelder: Es gilt, die Bibliothek und das Archiv zu pflegen oder Führungen zu veranstalten. Vor allem muß in der nächsten Zeit die ständige Ausstellung überarbeitet werden. Die Mitglieder des Kuratoriums sind dabei offen für eine tabulose Diskussion gerade auch der besonders kritischen Phasen der kommunistischen Bewegung. Wer Interesse hat, melde sich bitte bei der Gedenkstätte Ernst Thälmann, Tarbekstr. 66, 20251 Hamburg, Tel.: 474184.

Friedenspolitische Texte In der Reihe "Friedenspolitische Texte" ist jetzt die Nummer 2 erschienen mit dem Titel Diskussionsbeiträge aus der Hamburger Friedensbewegung. Auf fast 80 Seiten wird in 15 Beiträgen aus unterschiedlicher Sicht von verschiedenen Gruppen und Personen der Hamburger Friedensbewegung zu Problemen der Friedenspolitik und der Friedensbewegung Stellung genommen. Der Reader kann gegen 10 DM für Kopier- und Portokosten - durch Einsenden von Briefmarken oder Überweisung auf das Konto des Hamburger Forums, Konto-Nr. 429217-203, Postbank Hamburg, BLZ 20010020 - bestellt werden bei: Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V., c/o Renate Kirstein, Vielohweg 124b, 22455 Hamburg.

Aufruf zur Demonstration am 25.6. in Frankfurt

Für eine politische und demokratische Lösung der kurdischen Frage!

Der schreckliche Krieg in Kurdistan wird zum Auftakt der Auslöschung. Die gesamte kurdische Bevölkerung wird unter dem Vorwand der "Terroristenbekämpfung" vom türkischen Staat bedroht. 20000 Menschen verloren in den 10 Jahren des Krieges ihr Leben. Die allermeisten als Zivilisten. Über 1000 Dörfer und auch Städte wurden gewaltsam entvölkert und zerstört. Noch im Mai 1994 wurden 74 Orte dem Erdboden gleichgemacht. Über 2 Millionen Menschen, vorwiegend aus der Landbevölkerung, befinden sich auf der Flucht im eigenen Land. Zuletzt flohen 35000 Flüchtlinge nach Südkurdistan (Irakisch-Kurdistan). Die türkische Regierung verlegte noch im März 1994 zusätzlich 150000 Soldaten in das Kriegsgebiet. Damit sind es insgesamt 500000 Militärs, die zu einer erklärten Gegenoffensive gegen die Kurdinnen und Kurden antreten. Mit dieser Politik ereignet sich die blutige Fortsetzung der Vernichtungsmaßnahmen des osmanischen Reiches, die 1905 mit dem Massaker an 1,5 Millionen Griechen und 1915 an 3 Millionen Armeniern grausame Wirklichkeit wurden. Es handelt sich, damals wie heute, um Völkermord, der geleugnet und verschwiegen wird. Auch für die Türkei sind die Konsequenzen jedenfalls im politischen und wirtschaftlichen Bereich unabsehbar negativ: Die Inflation beträgt nunmehr 130%, die Preise für Nahrungsmittel sind innerhalb eines Jahres um das Dreifache gestiegen, und 1/3 des Staatshaushaltes muß aufgewendet werden, um die Vernichtung der Kurden zu finanzieren. Diese Politik der verbrannten Erde wird maßgeblich von westlichen Staaten geduldet und gefördert. Ganz wesentlich ist dabei die Hilfe der Bundesregierung. Ohne diese gesamte Unterstützung könnte der türkische Staat seinen Krieg nicht fortsetzen. Doch besonders die Bundesregierung ergreift neben der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Hilfe für den türkischen Staat, die Beihilfe zum Völkermord bedeutet, obendrein Maßnahmen gegen die in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden. Deren Kriminalisierung und Stigmatisierung soll verhindern, daß sie ihre eigene Kultur ausüben und ihre Identität finden. Und die BRD schreckt nicht davor zurück, die Rechte auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit einzuschränken, die Presse- und Meinungsfreiheit zu begrenzen - und damit einen schweren Schlag selbst gegen die eigene Demokratie zu führen. Die BRD ist blind genug darin, nicht erkennen zu wollen, daß alle diese Mittel nichts an der Unterstützung der KurdInnen für ihre Befreiungsbewegung ändern werden. Nicht einmal die geplanten Auslieferungen der Abgeschobenen an den türkischen Staat, die wir dennoch verhindern müssen. Trotz aller Vernichtung und Unterdrückung haben die Kurdinnen und Kurden den festen Glauben an die Möglichkeit von Frieden, Freiheit und ihren Widerstandskampf nicht verloren. Diesen festen Willen zu einer demokratischen und politischen Lösung ihrer Sache haben die Kurden und ihre legitimen Vertreter oftmals auf Veranstaltungen in der Bundesrepublik und zuletzt auch auf der Internationalen Nordwestkurdi- stan-Konferenz in Brüssel (12./13. März 1994) bekundet. Die kurdische Frage, die internationale Bedeutung gewonnen hat, braucht gerade jetzt diese Orientierung an einer zivildemokratischen Lösung. Die westlichen Staaten, vor allem die Bundesrepublik, sind wegen ihrer Verantwortung für die Ereignisse gerade aufgefordert, jetzt ihren ganzen Einfluß innerhalb der NATO, der KSZE und der UN einzusetzen, um die Türkei zur sofortigen Achtung der Menschenrechte, zur unverzüglichen Außerkraftsetzung aller Notstands- und Sondergesetze, zur Anerkennung der kurdischen Identität und zum Dialog mit den verantwortlichen Vertretern der Kurden zu veranlassen. Wir rufen die demokratische Öffentlichkeit der Bundesrepublik auf, sich an der Demonstration für eine demokratisch- politische Lösung in Kurdistan zu beteiligen.

Wir fordern: Die Verurteilung der Kriegs- und Menschenrechtsverletzungen durch den türkischen Staat in Kurdistan; den sofortigen Stopp der deutschen Rüstungslieferungen an die Türkei; keine Abschiebung von Kurdinnen und Kurden in die Türkei; Aufhebung des Verbots gegen kurdische Organisationen und Vereine in Deutschland; die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes.

Großdemonstration in Frankfurt a.M. 25.6.1994, 11.00 Uhr, Rebstockgelände

Abfahrt der Busse aus Hamburg: Nachts vom 24. auf den 25.6. um 1.00 Uhr Altona: Bahnhof Hauptbahnhof: ZOB Harburg: Wallgraben

Zur Demonstration rufen auf: AK gegen den Kurdenprozeß Frankfurt, Antifa Karlsruhe, AStA der Geschwister Scholl-Universität München, AStA FH Frankfurt, Bund demokratischer Wissenschaftler, BWK, Deutsch-kurdischer Freundschaftsverein Köln, Deutsch-kurdischer Freundschaftsverein Mainz, DKP Gießen, Deutscher Gewerkschaftsbund Heidelberg, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Freundinnen und Freunde des kurdischen Volkes Gießen, Gesellschaft Schweiz-Kurdistan, Infozentrum freie Völker Köln, Jugend gegen Rassismus in Europa, Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ), Kurdistan-Info Zürich, Kurdistan Komitee Karlsruhe, Kurdistan-Solidarität Hannover, Kurdistan-Solidaritätskomitee München, Kurdistan-Solidarität Nürnberg/Erlangen, medico international, Münchner Bündnis gegen Rassismus, PDS/Linke Liste Hamburg, Schweizer Kurdistandelegation, Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend LV Baden-Württemberg und OG Karlsruhe, Steffi Karlsruhe, Verein Partnerschaft 3. Welt Gießen e.V., Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg.

"Aktiver Pazifismus gegen den neuen Militarismus" Am 24./25. September 1994 führen die Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden mit Unterstützung der GEW Hamburg den 6. PädagogInnen-Friedenskongreß unter dem Motto "Aktiver Pazifismus gegen den neuen Militarismus" in Hamburg (Curio-Haus) durch. Schülerprojekte, z.B. das "Mahnmal gegen Krieg und Intoleranz", werden vorgestellt, aktuelle Fragen und Probleme der Friedensbewegung und Friedenspädagogik werden diskutiert. Prof. W.D. Narr (Berlin) und Prof. W. Popp (Siegen) sind Hauptreferenten. Workshops über Jugoslawien, Kurdistan, Palästina, internationale Organisationen, Antirassismus, wachsende Armut, Alternativen zu deutscher Militärpolitik, strukturelle Gewalt in den Medien, Rüstungsexporte und Kriegs- Flüchtlingskinder bieten Information, Analysen und Handlungsalternativen. Unter den Referenten und Mitwirkenden sind u.a. Dr. H.P. de Lorent (GEW-Vorsitzender), Christian Burmeister (ehem. SchülerInnenkammer), L. Knorr (VVN/BdA), H. Klingenburg (IFSH), Hans P. Hubert (Berlin), V. Borchardt (Forschungsstelle Kriegsursachen Uni HH), Thomas Schalski (GEW), Uli Podszuweit (FHS HH), Dr. R. Hein (PDS-MdL), Pastor W. Grell, Dr. Brigitte Reich (GEW Berlin), Uli Cremer (GAL HH), Prof. H. Treidel (Potsdam), Dr. W. Reischock (Berlin), Erika Baus (GGG), Bernhard Nolz (Siegen), Eckhart Spoo (Hannover), Prof. Ursula Neumann (Uni HH), Dr. Adam (Uni-Klinik HH). Ein Parteienforum am Sonntagmorgen mit VertreterInnen von CDU, SPD, FDP (K. Marschner), PDS/LL (Andrea Lederer) unter der Moderation von Dr. Silke Jendrowiak (NDR) und Horst Bethge schließt den Kongreß ab. Information, detailliertes Programm und Anmeldung: Hartmut Ring, Gellertstr. 29, 22301 Hamburg, Tel.: (040) 2792353.

Vor 50 Jahren wurden zehn Antifaschisten mit dem Fallbeil hingerichtet Vor 50 Jahren, am 26. Juni 1944, wurden im Untersuchungsgefängnis im Holstenglacis zehn Antifaschisten aus dem Arbeiterwiderstand mit dem Fallbeil hingerichtet. Erich Heins, *1907, Schlosser bei Blohm & Voss Karl Kock, *1908, Gummifacharbeiter bei Phönix Hans Köpke, *1911, Maschinenschlosser bei Klöckner Otto Mende, *1907, Metallarbeiter auf der Kiehn-Werft Ernst Mittelbach, *1903, Gewerbeoberlehrer Werkschule Klöckner Walter Reber, *1891, Kupferschmied bei Blohm & Voss Wilhelm Stein, *1895, Ingenieur Harburger Eisen- und Bronzewerke Paul Thürey, *1903, Maschinenschlosser Conz-Werke Kurt Vorpahl, *1905, Schlosser bei Blohm & Voss Oskar Voss, *1907, Maschinenschlosser Howald-Werke Der im Strafjustizgebäude am Sievekingplatz tagende Volksgerichtshof, 2. Senat unter Vorsitz von Volksgerichtsrat Dr. Löhmann, hatte sie im Mai in den "Hamburger Kommunistenprozessen" zum Tode verurteilt. Die zehn hatten der illegalen Organisation um Bästlein, Jacob und Abshagen angehört, aus der insgesamt 70 Männer und Frauen ermordet wurden, die meisten von ihnen im Jahre 1944. Die VVN-Bund der Antifaschisten Hamburtg lädt ein zu einer

Gedenkveranstaltung für die Kämpfer der Widerstandsorganisation um Bästlein, Jacob, Abshagen im Museum für Hamburgische Geschichte, Kleiner Hörsaal, am Sonntag, den 26. Juni um 10.30 Uhr. Programm: - Begrüßung durch Helmut Stein, VVN- Bund der Antifaschisten - Lesungen aus letzten Briefen und Flugblättern - Musikalische Umrahmung - Anschließend werden an der provisorischen Gedenktafel der Justizbehörde am Sievekingsplatz Blumen zur Ehrung der 1933- 1945 in Hamburg hingerichteten Antifaschisten niedergelegt.

Wir fordern: - Die Errichtung des von der Kulturbehörde 1991 angekündigten Mahnmals an Stelle der provisorischen Informationstafel am Sievekingplatz - Die Verwirklichung unseres Ersuchens vom 5.4.89 an die Kulturbehörde, im Rahmen des "Weißen Tafelprogramms" zwei weitere Gedenktafeln an der UG-Außenmauer in den Wallanlagen anzubringen. (Die erste Gedenktafel soll der zehn am 26.6.1944 ermordeten Antifaschisten gedenken, die zweite dem Gedächtnis an vier Lübecker Geistliche gewidmet sein, die am 10. November 1943 im UG hingerichtet wurden: Hermann Lange, *1912, Kaplan in der Herz-Jesu-Kirche Eduard Müller, *1911, Adjunkt bei der katholischen Pfarrkirche Johannes Prassek, *1911, Kaplan der Herz-Jesu-Kirche Karl Friedrich Stellbrink, *1894, Pastor an der Lutherkirche) Quelle: Pressemitteilung der VVN-BdA vom 6.6.94 und Anlage

11 Thesen zu den Ergebnissen

der Wahlen am 12.6.94

Die nachfolgenden Thesen von Horst Bethge, die sich mit den Ergebnissen der Europawahlen beschäftigen, sind im Zusammenhang mit der letzten Landesversammlung der PDS/Linke Liste Hamburg entstanden. (red)

Da die wesentlichen Wahlergebnisse als bekannt vorausgesetzt werden und detaillierte Zahlenangaben den zur Verfügung stehenden Rahmen sprengen würden, wird hier auf die Zitierung weitgehend verzichtet. Eine kleinsäumige Analyse muß natürlich noch folgen und kann hier nicht ersetzt werden.

Die Wähler sind nicht so dumm, wie viele - auch manchmal von uns - oft denken. Das Wählerspektrum differenziert sich weiter aus, und es kommt auch vermehrt zu Polarisierungen: - Der halb künstlich erzeugte Aufschwung - uns groß publizistisch begleitet - hat diejenigen, die in letzter Zeit von der Politik profitiert haben, beflügelt, zur Wahl zu gehen. Die Industrie und Großkonzerne haben in den letzten Wochen verstärkt wieder auf Kohl gesetzt und ihm durch bewußte Investitionsentscheidungen geholfen. Da Kohls Definition und Richtung des Aufschwungs nur von der PDS thematisiert wurde, blieb der Eindruck, daß die Konjunktur wieder anspringt, im Raum stehen. - Auch die Arbeitslosen und sozial Benachteiligten haben ihren Interessen entsprechend reagiert: Sie haben zumeist nicht gewählt. Ebenso die Jungwähler, die von der politisch herrschenden Klasse nichts erwarten (nur 46% gingen überhaupt zur Wahl). - In den "besseren Quartieren" wurde CDU wegen "weiter so" oder grün wegen des "weiter so, aber mit Reform" gewählt (siehe Wahlergebnisse in den Hamburger Walddörfern und in Alstertal). - Oppositionelle Stimmen wurden im Osten von der PDS, z.T. von der SPD und im Westen z.T. von den Grünen gebündelt. Aber das gelang im Westen nur unzureichend. - Die Wahlbeteiligung sank weiter: Betrug die Zahl der Nichtwähler noch 1983 12,2%, so stieg sie 1987 auf 17,9%, 1990 auf 24,3% im Westen, auf 26% im Osten und war jetzt rund 40%.

Der CDU-Kurs wurde stabilisiert. Das Umbaukonzept der CDU wurde breiter getragen, als viele denken. Mit Blick auf die Bundestagswahlen im Oktober 1994 wird deshalb an die Tatsache erinnert, daß es seit 1949 nur einmal (1979) gelang, durch die Wahlergebnisse eine Bundesregierung auszuwechseln. Sonst erfolgte er immer in der Mitte der Wahlperioden und z.T. nach Wahlsiegen der herrschenden Partei. Auch die CSU in Bayern ist trotz "Amigo"-Affären stabilisiert, auch in München, wo die rot-grüne Stadtratsmehrheit verlorenging. So ist es verständlich, daß Bundesregierung und Bundeskanzler Kohl propagieren "weiter so".

Der Scharping-Kurs der SPD war objektiv für die SPD nicht erfolgreich. Sich als "CDU-light" zu präsentieren, hat dazu geführt, daß 600000 SPD-Wähler zu den Grünen und 200000 zur PDS abwanderten, während andere dann lieber gleich das Original wählten. Man kann sich - das bewahrheitet sich immer wieder - nicht zur Regierungsmacht hinschleichen. Der Satz Gregor Gysis, "wer SPD wählt, wählt CDU direkt", ist leider eine zutreffende Beschreibung des Scharping- Kurses der SPD, zumal wenn man seine Éußerungen nach der Wahl nimmt. Diese SPD steuert auf die große Koalition zu, obwohl die Mehrheit der Wähler eine Reformpolitik gegen Kohl befürwortet. Es ist jetzt schon klar, daß es zur Ablösung Kohls nur kommen kann, wenn es die SPD auch wirklich will. Danach sieht es nicht aus, auch wenn man die Situation in den neuen Bundesländern ansieht, in denen die SPD lieber eine große Koalition (z.B. in Sachsen- Anhalt) befürwortet als ein Reformbündnis. Das bestätigt unsere Hamburger Erfahrungen, daß die SPD 1927, 1980, 1993 ein Reformbündnis, das möglich gewesen wäre, zugunsten rechter Koalitionen verschmähte. Teilweise sind die Verluste dramatisch, wie z.B. in Mainz (minus 10%) oder in Saarbrücken, wo sie die absolute Mehrheit verlor. Es darf bezweifelt werden, daß sich der linke Flügel durchsetzt mit seiner Forderung nach einer rot-grünen Option (MdB Horst Peters).

Vorerst entpuppt sich das liberale Motiv als erstes politisches Hauptopfer des von der CDU forcierten marktradikalen Umbaukonzepts. Der Kinkel-Kurs der FDP stärkte die CDU. 400000 FDP-Stimmen wanderten zur CDU. Ich warne allerdings davor, diesen Vorgang einfach auf die kommende Bundestagswahl zu übertragen: Die FDP könnte sich in eine Zweitstimmen- Kampagne retten und die CDU Leihstimmen propagieren. Jedenfalls sind diejenigen, die demokratisch, rechtsstaatlich denken, die sozialliberale Traditionen hochhalten, bei der FDP heimatlos geworden.

Den Grünen/Bündnis 90 gelang es, Reformerwartungen und -hoffnungen zu bündeln. Ihre Rechtsverschiebung zahlte sich in Stimmen aus, allerdings um den Preis politischer Kompromisse (Verfassungs-, sozialpolitische Fragen und Militärpolitik). Die Stimmergebnisse schwanken zwischen St. Pauli (über 40%) und Kreuzberg (34%) bis 1,7% in Kaiserslautern (Kommunalwahl). In Hamburg wurden sie z.T. in Alstertal/in den Walddörfern vor der SPD und nach der CDU zweitstärkste Partei. Es wird den Grünen schwerfallen, die Reformerwartungen zu erfüllen, zumal die Scharping-SPD sie permanent zurückweist und die Grünen durch noch mehr Rechtsanpassung reagieren.

Linke Opposition beginnt sich zu stabilisieren. Die PDS hat ihre Stimmen fast verdoppelt und unter Beweis gestellt, daß sie wohl doch kein Auslaufmodell darstellt. 100000 Stimmen haben ihr gefehlt, um auf 5% zu kommen. Das Europa-Wahlergebnis auf die Bundestagswahlen übertragen - und im Osten waren (bis auf Brandenburg und Berlin) überall gleichzeitig Kommunalwahlen, die die Wahlbeteiligung hochtrieb -, dann hätte die PDS neun Direktmandate (Frankfurt/Oder, Potsdam, Neubrandenburg, Schwerin und alle Ostberliner Wahlkreise) und insgesamt 38 Abgeordnete, davon 2 aus dem Westen. Die PDS gewann z.B. in Ostberlin 29000 Stimmen hinzu, erhielt insgesamt 1,7 Mio. Stimmen, davon 150000 von den Bonner Regierungsparteien. In Hoyerswerda erhielt der Bürgermeister-Kandidat 42%. In vielen Städten Thüringens, Sachsens, Sachsen-Anhalts und Mecklenburg-Vorpommerns kamen PDS-Kandidaten in die erforderliche Stichwahl. Die FAZ führte diese Stimmengewinne auf die Öffnung der Listen zurück. Der Landeswahlleiter in Berlin machte darauf aufmerksam, daß die PDS ihr Reservoir noch nicht ausgeschöpft hätte, z.B. bei den arbeitslosen Frauen. Der Jungen Welt ist recht zu geben, wenn sie feststellt, daß der PDS ein Spagat zwischen Oppositionsrolle und Mitverantwortung in den Kommunen noch bevorsteht. Jedenfalls muß festgehalten werden, daß die fehlenden Stimmen in Brandenburg und den westlichen Bundesländern sitzen - und erreichbar sind. Vor allem Westlinken muß gesagt werden, daß erstmals seit 1949 die Bundestagsbühne in einer normalen Wahl erreichbar ist. Es geht eben um mehr als um nichts, nicht, weil man im Bundestag mit einer kleinen Fraktion so viel ausrichten könnte, sondern weil linke Opposition eben auch in Deutschland massenwirksam und möglich ist. Und das wäre nachgewiesen! Im Westen, darauf muß hier hingewiesen werden, ist viel zu tun: Immerhin konnten die Republikaner in Hamburg und Bremen doppelt so viele Stimmen wie die PDS erringen, in SH und Niedersachsen dreimal, in Hessen und NRW fünfmal und in Bayern achtzehnmal so viele!

Das rechtsradikale Potential wurde von der CDU und z.T. auch von der SPD wieder gebunden. Der Europakurs der CSU, der mit der Standortdebatte losgetretene Wirtschaftschauvinismus und der neue deutsche Großmachtanspruch taten ihre Wirkung. Es sieht so aus, als werde der in den Marktradikalismus und den Großmachtanspruch eingebundene Neofaschismus akzeptabel, wie in Italien. Der Vergleich ist nicht herbeigeholt - immerhin hat der 1. Staatsbesuch Berlusconis bei Kohl dies Konzept nachhaltig unterstrichen. Ich warne vor einer Verharmlosung, denn damit ist das neofaschistische Gedankengut nicht verschwunden.

Die Frage der zukünftigen Entwicklung ist, ob der durch die Wähler in fast allen Staaten der EG ausgedrückte Veränderungswille erfüllt, ob die Reformhoffnungen gestillt werden von der herrschenden politischen Klasse. Es sieht nicht danach aus - also müssen die Hunde zum Jagen getragen werden.

Die Verdoppelung der Stimmen für die PDS in den westlichen Bundesländern, was je 1 Abgeordnete(n) aus NRW und Baden-Württemberg ausmachen würde, reicht dazu nicht. Auch Stimmergebnisse von 2,3% (Bremen-Stadt), 1,9% (Hamburg-Mitte), 1,8% (Frankfurt/Main), 1,6% Oldenburg oder Heidelberg und 1,5% Kiel, 1% Tübingen, 1,3% Marburg, 1,4% Kassel, 1,1% Lüneburg, 1% Wuppertal. Das für die westlichen Länder entwickelte Wahlkampfkonzept mit den Schwerpunkten: "Arbeitsplätze und Sozialstaatlichkeit, humanistische Orientierung, ökologischer Umbau, Bildung, Kultur und Wissenschaft für alle, friedliche und solidarische Entwicklung" hat sich bewährt und hält für die Zukunft stand. Allerdings wurde es nur in Ansätzen herübergebracht, z.T. diffus und breit gefächert, sieht man sich die Materialien an. Zwischentöne bei uns in Hamburg (Artikel "Wahlen sind Scheiße" bis Éußerungen "das europäische Parlament bewegt doch nichts") waren kontraproduktiv und verwirrend. Wir müssen uns endlich darauf verständigen, daß Wahlen in der kapitalistisch-bürgerlichen Gesellschaft bei uns nur zu einer Auswahl des Personals aus der politischen Klasse führen, Akzente über die Verteilung von der Hälfte des Bruttosozialprodukts und des Einsatzes des staatlichen Apparats setzen können, aber von uns aus politische Alternativen in den Meinungsbildungsprozeß einbringen können. Das ist mehr als nichts und lohnt den Einsatz von vielen, die den manipulativen Massenmedien draußen auf der Straße entgegentreten müssen. Daran aber hapert es noch.

In Hamburg, so das Wahlergebnis, zeigte sich der Reformerwartungsdruck als besonders groß. Er wurde durch die Landespolitik von SPD/STATTpartei diesmal noch gesteigert. Die GAL hat ihn aufgefangen. Andererseits hat sich bei den Autonomen und Radikalen eine Absetzbewegung breitgemacht. So erkläre ich den Verlust von 1437 PDS-Stimmen. Von Oktober 1993 bis April 1994 haben wir unser Wahlkampf-Konzept analog dem im Bund (West) entwickelt und diskutiert. Dem Wahlkampf aber haben wir uns nur knappe zwei Monate gewidmet. Wir haben einen offenen Dialog mit allen Linken proklamiert und Zielgruppen benannt - aber den Dialog nur reduziert und nicht alle Zielgruppen angesprochen. Es gibt nur 2;/2 regionale Wahlaktivs, nur 2 Wählerinitiativen sind entstanden. Detailkonzepte in den Bereichen Frieden und Hochschulen werden entworfen, aber nie gemeinsam diskutiert, geschweige denn realisiert. Das fehlt in den Bereichen Antifa, Frauen, Landespolitik fast ganz und im Bereich Soziales/Gewerkschaften weitgehend. Selbst geplante Veranstaltungen mit Themen soziale Armut, Frauenpolitik, Demokratie/Innere Sicherheit sind ausgefallen. Europakandidaten traten bis auf Hans Modrow in Hamburg nicht auf. Der kontraproduktive Streit um die Kandidatur von Graf Einsiedel und der zwischen Teilen des Bundesparteivorstands und Hamburg führte zur Lähmung, klärte nicht und zerriß innerlich.

Als Perspektive für die nächste Zeit sehe ich sechs Punkte: 1. Oppositionelle Alternativen sollten herausgestellt werden, allein von der PDS und im Bündnis mit anderen. 2. Außerparlamentarische Aktivitäten sollten gestärkt werden. Sie müßten animiert werden, z.B. zum Antikriegstag, zum 1.10. (Tag des Flüchtlings) oder zum 8.10. (Friedensdemo in Bonn) aktiv zu werden, Wahlprüfsteine und Wahlchartas zu entwickeln und Sozialprotest zu zeigen (z.B. am 30.6. im Bildungs- und Sozialbereich). 3. Wählerinitiativen sind entwickelbar, breiter, offener! 4. Wir sollten überlegen, unsere Themenpalette an alternativen Vorstellungen zu konzentrieren. Ich stimme dem CDU-Vordenker Warnfried Dettling (Die Zeit) zu, daß sich die soziale Frage zuspitzt. Wie gehen wir in diese Zuspitzung hinein? Wenn der Zerfall der Gesellschaft rapide voranschreitet, sind dann nicht die Komplexe Demokratiefrage, Bildung, Kultur, Wissenschaft noch wichtiger? Wenn der Rechtsradikalismus und Rassismus in die Mitte eingebettet wird, wie begegnen wir ihm? Das Aufzeigen der Gefahr, das Entlarven reicht da wohl nicht! Und nicht zuletzt: Betten wir Fragen des Friedens und der Abrüstung lokal und global ein? 5. Die Potentiale sind zu erschließen, die ich bei den Anhängern des sozialliberalen Motivs, der SPD-Linken und den Gewerkschaftern, den Nichtwählern (besonders unter der Jugend) und denen sehe, die Reformhoffnungen haben. 6. Nicht zuletzt sollten wir klären, welche politischen Fragen wir wann klären, wie wir die organisatorischen Lücken schließen und wie wir mit unseren Pfunden - der offenen Liste von Heym bis Graf Einsiedel und Zwerenz - wuchern. Das setzt eine breite Anlage des Bundestagswahlkampfes an Hand der Stadtteil-Detail-Wahlergebnisse ebenso voraus, wie eine zahlreichere aktive Beteiligung von mehr Freundinnnen und Freunden. Dabei meine ich nicht nur die Organisation eigener Aktivitäten, sondern auch das zu organisierende Auftreten von uns bei anderen. (Horst Bethge)

Leserbrief zu PDS-Info/Lokalberichte 12/94

Irgendwo zwischen Mitgliederrundbrief

und linker Bündnispublikation

In der letzten Ausgabe des PDS-Info/ Lokalberichte fand sich wie auch in den Ausgaben Nr.7 und Nr.8 neben einem karikierten Aufruf zum Wahlboykott der AG/R ein kritisch distanzierender Kommentar der Redaktion(s-Mehrheit?). Entgegen dem Stilmittel von Polemik und provokativer Symbolik wurde darin der fehlende inhaltliche Gehalt der AG/R-Bildchen kritisiert. Kurz davor in den Chor von der "Versachlichung der Debatte" mit einstimmen zu wollen, kommen mir erste Zweifel. Worin besteht eigentlich der argumentative Gehalt eines dem Wahlzettel entnommenen Lay-out-Schnipsels, welcher mir die Ankreuzübung bei Hans Modrow und Freunden vorexerziert (siehe Nr.11) und als richtiges Lösungswort im Eurorätsel "PDS - Liste 22" angibt? Da in der Wahl der Stilmittel kein Unterschied zwischen der Aussage "PDS - viel gut" und "Wahlen sind Scheiße" besteht und ich bei den regelmäßigen Lesern und Leserinnen der Lokalberichte/PDS-Info davon ausgehe, daß weitere Beispiele direkter Wahlwerbung bekannt sein dürften, will ich zu dem meines Erachtens nach eigentlichen Problem kommen: die Frage nach Ausrichtung und zukünftiger Gestaltung der Hamburger Lokalberichte beziehungsweise des PDS-Info. 1. Ursprünglich als regionale Beilage zu den Politischen Berichten angelegt, wurden vom Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) ab Anfang der 80er Jahre lokale Publikationen herausgegeben. "Für die Organisierung sozialistischer Politik und das Aufgeben früherer Vorstellungen der >Parteirepräsentanz< sozialer und politischer Interessen wurden im BWK zunehmend Grundsätze als wichtig angesehen und so weit als möglich auch in der eigenen Organisation zu realisieren versucht wie: - die Unterstützung des bestehenden politischen und sozialen Widerstandes und seiner Selbstorganisation, - Grundsätze des Dezentralismus, - der Gedanke des selbstbestimmten Zusammenwirkens von >unten< statt >Lenkung< von >oben<, - die Entwicklung einer geeigneten Publizistik unter solchen Organisationsgrundsätzen." (Entwurf einer neuen Satzung des BWK, aus Politische Berichte 11/94) Als Resultat organisierter Diskussionsprozesse beteiligten sich neben verschiedenen Arbeitsgemeinschaften, der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg ab 1987 auch die Freie Arbeiter Union/Rätekommunisten (inzwischen aufgelöst) an der Herausgabe der Hamburger Lokalberichte. Vor vier bzw. zwei Jahren stießen die Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), die Freunde des Kurdischen Volkes Hamburg sowie die Hochschul-Antifa zum erweiterten Herausgeberkreis. Obwohl der Kreis der Leser und Leserinnen sowie das Spektrum der Berichterstattung über die im Herausgeberkreis vertretenen Gruppierungen hinausreicht, ist es bisher nicht gelungen, weitere Gruppen oder Organisationen zur Mitherausgabe zu gewinnen. Während die Lokalberichte für linke Organisationen und Parteien meiner Erfahrung nach oftmals aus dem Grund uninteressant zu sein scheinen, weil sie wenig zur widerspruchsfreien Selbstdarstellung und Mitgliederwerbung nützen, herrscht unter unabhängigen Initiativen das Mißtrauen gegen parteipolitische Vereinnahmung und ideologische Dominanz vor. Auch wenn das Redaktionsstatut allen Herausgebern die gleichen Rechte einräumt, birgt das Nebeneinander von Partei, Organisation und Initiative einen gewissen Konflikt in sich. 2. Das Zusammenwirken unterschiedlicher Richtungen und Kräfte setzt voraus, daß andere Auffassungen nicht nur schlechterdings toleriert, sondern auch als Chance zur kontroversen Diskussion begriffen und aufgegriffen werden. Die eingangs erwähnten Karikaturen sollten wohl im zuletzt genannten Sinn provozieren. Sie richten sich direkt gegen zuvor veröffentlichte Beiträge, ohne jedoch argumentativ dagegen Stellung zu beziehen. Damit wird letztendlich die Unterstützung der PDS als naiv und nicht diskussionswürdig vom Tisch gewischt. Im Unterschied zu irgendwelchen Gemeindeblättern linker Zirkel, die durch Abgrenzung eigenes Profil und Klientel zu gewinnen suchen, sollten sich demgegenüber Kontroversen im "Bündniszusammenhang" Lokalberichte auf einer sachlicheren und auf Verständigung gerichteten Ebene bewegen. 3. Seit ungefähr eineinhalb Jahren finden sich Artikel aus dem PDS-Info in den Lokalberichten und umgekehrt. Seit Anfang dieses Jahres erscheinen Lokalberichte/PDS-Info im Versuchsstadium druckgleich nur mit unterschiedlichem Zeitungskopf. Erkennbar ist die Bereicherung durch Beiträge aus dem PDS/ Linke Liste-Spektrum u.a. an neu hinzugekommenen Themen wie der Bildungspolitik. Demgegenüber halte ich die Form massiver Wahlwerbung, die einigen Ausgaben den Charakter einer verkappten Wahlkampfzeitung für die Linke Alternative oder die PDS verlieh, für problematisch. Natürlich gehören Diskussionsbeiträge und Berichte über Aktivitäten im Wahlkampf als Bestandteil politischer Praxis in die Berichterstattung rein. Dem Parteiverständnis entsprechend, welches auf Selbstorganisation und auf eine "Zusammenarbeit der Linken" setzt, würde hier aber der PDS/Linken Liste eine gewisse Zurückhaltung besser stehen. Ein Ausscheiden der PDS/Linken Liste bzw. ihrer Mitglieder aus der gemeinsamen Veröffentlichungstätigkeit würde ich als Leser der Lokalberichte nicht nur bedauern, sondern es wäre meines Erachtens nach auch ein Rückschritt im pluralistischen Organisationsverständnis der PDS/Linken Liste selbst. Ebensowenig wie die jeweils einzelnen Gruppen aus dem Kreis der Lokalberichte wäre auch die PDS/Linke Liste nicht annähernd in der Lage, die Vielzahl der in Hamburg zu beackernden Themen und Debatten auch nur annähernd in einer eigenen Veröffentlichung wider zuspiegeln. 4. Die Lokalberichte sind meines Wissens nach die einzige regelmäßig erscheinende Publikation in Hamburg, die mit einer Berichterstattung aus der Praxis für die Praxis auf eine Verständigung verschiedener sozialer und politischer Interessen wert legt. Immer wieder gehörte Einwände, daß die Lokalberichte dem einen zu unbedeutend, der anderen zu langweilig, dem dritten zu reformistisch und der vierten zu radikal seien, resultieren aus der schrittweisen Entwicklung der Lokalberichte hin zu einer "Bündnisveröffentlichung". Wem Partei zuviel Partei und Organisation zuviel Organisation ist, sollte sich die Alternative gegenüber der direkten Auseinandersetzung von politisch aktiven Menschen, Initiativen, Organisationen oder Parteien vor Augen halten. Die Alternative wäre ein journalistisches Produkt, bei dem sich zum Selektieren berufen fühlende Schreiber und hauptamtliche Denker die Ereignisse und Standpunkte für die Leser und Leserinnen filtern. Da es zur direkten Auseinandersetzung keine Alternative gibt, sollten wir meiner Meinung nach in der nächsten Zeit unsere Bemühungen verstärken und versuchen, weitere Kräfte für eine Berichterstattung und Mitherausgabe der Lokalberichte zu gewinnen. Als Mitglied der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg könnte ich mir bspw. vorstellen, die im "Bündnis Keinen Fußbreit den Faschisten" vertretenen Gruppen hierauf anzusprechen. Darüber hinaus würde ich es persönlich sehr begrüßen, wenn sich auch die VVN/BdA stärker als bisher an den Lokalberichten beteiligen würde.

Kein Schritt zurück zur Kuschelgruppe! -(kun)

Stellungnahme der AG/R

zum Konflikt in den Lokalberichten

I. Wie weiter mit den Lokalberichten? An unserem Beitrag "Wir basteln uns ein Europaparlament" (LB 12/94) entzündete sich ein heftiger Konflikt, der für uns die Frage aufwirft, ob alle beteiligten Gruppen die Lokalberichte in ihrer jetzigen Form weiter betreiben wollen. Wir - die Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten - wollen das! Was ist geschehen? Zum erstenmal, seit wir diese Zeitung mitherausgeben, wurde versucht, einen unserer Beiträge nicht abzudrucken. Erst nach langer Diskussion war die Redaktion bereit, den oben genannten Beitrag abzudrukken, mit dem darunter stehenden Beitrag von scc "Fragen an die AG/R". Daß wir in einigen Fragen unterschiedliche Standpunkte haben, ist uns völlig klar. Bislang konnten diese Standpunkte auch nebeneinander in den LB erscheinen. Was uns so erschreckt, ist der Versuch, diese einzige Möglichkeit, eine gemeinsame Zeitung trotz unterschiedlicher Auffassungen in einigen Fragen herauszugeben, nicht mehr zuzulassen. Wir hatten mehrere Zeichnungen angefertigt, die dazu aufrufen, bei den Europawahlen ungültig zu stimmen. Es war die Darstellung eines unserer Standpunkte in - wie wir finden - amüsanter Weise, es war keine Begründung dieses Standpunktes. Daß diese unsere Meinung nicht begründet und noch dazu in Comic-Form vorgebracht wurde, war nun der Hauptansatzpunkt zur Kritik: Die Form mache eine Auseinandersetzung mit unserem Standpunkt unmöglich. Das ist schon berechtigt. Aber warum können wir nicht einfach unsere Meinung sagen? Sind denn die vielen PDS-Anzeigen um so vieles besser für eine kontroverse Debatte geeignet als unser Comic? Eigentlich wollten wir uns aus den Europawahlen weitgehend heraushalten. Es ist einfach nicht unser Arbeitsschwerpunkt, und wir können durchaus damit leben, daß in den LB für's PDS- Wählen geworben wird. Die LB 11/94 zwangen uns dann allerdings doch zu einer Stellungnahme: Diese Ausgabe war voll mit PDS-Aufrufen, u.a. auch auf der Titelseite, so daß nicht nur bei uns der Eindruck entstand, hier handele es sich um einen Aufruf der LB zur PDS-Wahl bzw. die LB wären eine PDS-Zeitung. Da wir der PDS aus vielen Gründen fernstehen, und da wir die Wahlbeteiligung für kein entscheidendes Mittel im Kampf um Befreiung halten, greift diese Form der massiven PDS-Werbung unsere politische Identität an. Ferner arbeiten wir mit den LB in einer Szene, die mindestens genausowenig wie wir mit der PDS am Hut hat. Unser "Arbeitsmittel" LB wird eingeschränkt, wenn nur noch die PDS sich offensichtlich artikuliert. Dies führte bei uns zu der Notwendigkeit, dem unsere Meinung entgegenzusetzen. Das ist in einer gemeinsamen Zeitung genauso unser Recht, wie es das Recht von PDS und BWK ist, in den LB für die Wahl der PDS zu werben. Wir würden mit dem Beitrag eine Diskussion nicht voranbringen, hieß es dann. Und: Es entwickele sich immer mehr eine "autonome Seite", die in keinem Zusammenhang mit dem Rest der Zeitung mehr stünde. Was AG/R- Schuld wäre. (Übrigens habt Ihr auch noch nie zu unseren Antifa-Beiträgen Stellung bezogen. Wer diskutiert hier also nicht?) Wir würden schon gerne intensivere Diskussionen in den LB führen. Aber der Gedanke, unsere Zeichnung nicht abzudrucken, befördert die Diskussion zwischen unterschiedlichen Strömungen in der Linken bestimmt nicht, sondern - was uns betrifft - beendet jegliche Möglichkeit darauf, da wir unter solchen Umständen nicht mehr mitmachen könnten. Wir können nicht eine Zeitung die unsere nennen, bei der wir in der Veröffentlichung unserer Standpunkte auf redaktionelles Goodwill angewiesen sind. Eine Zeitung der Linken kann nur existieren, wenn alle Beteiligten sich darüber klar sind, daß es unterschiedliche Standpunkte gibt, die sich in Schrift und Bild äußern dürfen. Klar, daß das u.U. auch mal schwer auszuhalten ist. Aber es muß ausgehalten werden, sonst gibt es wieder nur "Parteizeitung". Wir wissen natürlich, daß die Wahl der PDS Euch sehr wichtig ist, daß darin ein Stück Eurer politischen Identität liegt. Wir können das akzeptieren, auch wenn daraus Beiträge folgen, die uns schon mal gegen den Strich gehen. Allerdings verlangen wir das gleiche auch von Euch! Und: eine radikale Parlamentarismuskritik oder Aufruf zum Boykott von Wahlen waren schon immer ein Teil der Linken. Das Statut der LB ist in einem Geist abgefaßt, der es allen Linken ermöglichen soll, gleichberechtigt an den LB teilzunehmen: "Die Lokalberichte Hamburg wollen antikapitalistische, antiimperialistische, antifaschistische, antimilitaristische und antipatriarchale Politik in Hamburg unterstützen. () Die Lokalberichte Hamburg werden von verschiedenen Herausgeberorganisationen herausgegeben, die gleichberechtigt zusammmenarbeiten. () Für die Regelung eventueller Konfliktfälle bei der Zusammenarbeit gilt: - Die Herausgeberorganisationen bzw. Autoren und Autorinnen aus ihrem Kreis haben Anspruch auf Abdruck ihrer Beiträge. Die Redaktion kann den Abdruck von Beiträgen aus Platzgründen verschieben und nur dann verweigern, wenn sie Gründe geltend machen kann, die sich aus dem folgenden ergeben () - (), daß Tatsachenbehauptungen zutreffen (müssen) (). - () daß persönliche Beleidigungen und verleumderische Éußerungen unterbleiben. - Texte, die einen Rechtsstreit auslösen können, können nur dann abgedruckt werden, wenn alle Herausgeberorganisationen zustimmen." (Lokalberichte Hamburg - Grundsätze, LB 25/89) Diese Bestimmungen sehen wir nach wie vor als brauchbar für eine Zusammenarbeit an. Auf ihrer Grundlage arbeiten wir seit 4;/2 Jahren zusammen, seit der Nummer 25/89. Konflikte ließen sich bislang immer im Geiste dieses Statutes lösen. Aber wir wissen natürlich auch, daß ein Statut Schall und Rauch ist, wenn sich die politischen Intentionen verändern. Insofern ist unser Streit auch kein Statutenstreit, sondern einer um das Wie-weiter mit den LB. Wir sind mit der Entwicklung der LB überwiegend zufrieden. Wir wollen weiter eine Zeitung herausbringen, an der sich alle Linken beteiligen können, wenn sie wollen. Wir hoffen, daß dies auch immer noch der Standpunkt des BWKs ist und derjenigen PDS-GenossInnen, die sich seit einiger Zeit beteiligen. Aber wir sehen uns durch die letztmalige Diskussion gezwungen zu Fragen - und das ist ganz ernst und in keiner Weise polemisch gemeint: Wollt Ihr eine solche pluralistische Zeitung der Linken? Akzeptiert Ihr das Recht, auch abweichende Meinungen in Schrift und Bild darzustellen? (Wenn's zu arg kommt, kann mensch ja immer noch eine eigene Stellungnahme dagegen setzen.) Diese Fragen richten sich natürlich an alle Organisationen, die sich irgendwie für die LB interessieren. Wir hätten außerdem gerne die Meinung der LeserInnen und SchreiberInnen dazu gewußt. Wir hoffen, daß die LB in ihrer jetzigen Form auch weiterhin erscheinen können. Ihr Ableben (und ihre Übernahme als PDS-nahe Zeitung wäre ein Ableben) wäre unserer Meinung nach nicht nur für die Herausgabeorganisationen ein herber Verlust, sondern würde die innerlinke Kommunikation noch weiter schwächen!

2. Platte Bildchen, zu Ende all die platten Bildchen! Im Anschluß an unsere Karikatur waren in den letzten LB "Fragen an die AG/R" von scc zu lesen. Hier also Antworten an scc. - Die Frage nach der Unterscheidung von rechtem und linkem Antiparlamentarismus ließe sich ebensogut umdrehen in die der Unterscheidung von rechter und linker Wahlbeteiligung. Hier wie dort ist das Verhältnis zum Parlamentarismus per se mit keinerlei politischer Aussage verbunden, sondern vielmehr Mittel zum Zweck der Propagierung unterschiedlicher politischer Ziele. So ist das Problem nicht der Antiparlamentarismus als solcher, sondern vielmehr die Ideologie, aus dem er sich ergibt. Diese ist bei den Faschisten im Unterschied zum linken Antiparlamentarismus eben nicht bloß antiparlamentarisch, sondern antidemokratisch. In der Tat hat scc völlig recht, wenn sie feststellt, daß sich die Stoßrichtung der Karikatur, also die angestrebte Alternative zum Parlamentarismus, "einzig aus den Urhebern und aus der Zeitung, in der sie abgedruckt ist" - also einer Gruppe, die das Wort "anarchistisch" im Namen führt und einer Zeitung, deren politische Einordnung eindeutig ist - ergibt. Wir meinen jedoch, daß dies (für eine Karikatur) durchaus ausreicht! Das "sorgfältige Argument", das scc einfordert, scheint spätestens dort zugunsten einer möglichst vernichtenden Kritik einer unliebsamen Position auf der Strekke zu bleiben, wo in Form "schlimmer Assoziationen" unsere Position von scc wider besseren Wissens mit faschistischer Ideologie gleichgesetzt wird. Dies ist eine Frechheit und für uns nicht hinnehmbar! Alle Assoziationen zu diesem Thema verkneifen wir uns! - Betreffend der Frage, wie wir uns den Kampf um "Zustimmung und Verständigung" in der Bevölkerung vorstellen, können wir nur feststellen, daß wir uns "Verständigung" nicht in Form 3minütiger Fernsehspots oder 2 Meter großer Lettern auf Plakatwänden und "Zustimmung" nicht als 4jähriges Kreuzchen auf dem Stimmzettel vorstellen. Wir meinen, daß es im Bemühen um Verständigung unsere Aufgabe ist, linke Positionen jederzeit und unabhängig von Wahlkämpfen, vor allem aber dort, wo wir in reale gesellschaftliche Auseinandersetzungen eingebunden sind (z.B. Antifa, Gewerkschaften, Stadtteilinitiativen) zu propagieren. Die Zustimmung, welche wir anstreben, besteht nicht in der Delegierung politischen Handelns, sondern in dessen Ausübung, also im unmittelbaren Eintreten der Menschen für ihre Interessen. Daß unsere politische Praxis im Rahmen unserer arg beschränkten Möglichkeiten auf die Agitation breiter Bevölkerungsschichten abzielt und wir den Ansatz der "Massenorientierung" auch innerhalb der linken Diskussion vertreten, dürfte sowohl aus unseren Beiträgen für die LB als auch aufgrund mehrjähriger Zusammenarbeit scc hinreichend bekannt sein. Wir können daher diese Frage und besonders den Elitarismusvorwurf nur als vorsätzlichen groben Unfug ansehen! Gänzlich grotesk wird es jedoch, wenn sich diese Diskussion anhand einer Karikatur in einer Publikation entzündet, welche, von Linken für Linke erstellt, gerade ein paar hundert Menschen erreicht, also gerade einer jener "Zirkel und Szenen" ist, über die sich scc hinausgegangen zu sein wähnt. Bedeutet "Massenlinie" also, die LeserInnenschaft der LB mit Wahlkampfparolen zu traktieren, statt auf die eigentliche Voraussetzung gesellschaftlicher Präsenz der Linken, ihre möglichst breite, trotz aller Differenzen solidarische Zusammenarbeit, hinzuarbeiten? - Zur Frage unseres Verhältnisses zur Parlamentsarbeit der PDS: Wir sehen die Wahlerfolge der PDS durchaus positiv, da sie einerseits zeigen, daß sich immer noch eine große Zahl von Menschen zu einem - wie auch immer gearteten - Sozialismus bekennt, und da sie andererseits trotz des Medienboykottes hin und wieder ermöglichen, linke Positionen in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Jedoch ist unser Ansatz ein anderer. 4,7% für die PDS sind eine gute Sache. Eine noch bessere wäre es, wenn diese 4,7%, die ihre "Stimme gegen rechts" abgegeben haben, sie vorerst behalten hätten, um sie in den Straßen ihrer Wohnorte und in den Betrieben, in denen sie arbeiten, lautstark zu erheben! Wir sehen es allerdings weder als unsere Aufgabe noch als aktuell notwendig an, uns über das grundsätzliche Politikverständnis der PDS zu zanken. Die PDS ist, egal ob inner- oder außerhalb der Parlamente, ein Teil der Linken, mit dem wir gerne gemeinsame Positionen vertreten, wo es möglich ist, dem wir aber die unsrigen gegenüberstellen werden, wo es nötig ist. Wir sehen eigentlich keinen Anlaß, die Diskussion über Sinn und Unsinn von Wahlen zu führen. Die ollen Kamellen der anarchistischen Kritik an linker Wahlbeteiligung dürften unter den LeserInnen der LB hinreichend bekannt sein. Mensch sollte annehmen können, daß es momentan wichtigeres zu diskutieren gäbe. Z.B. solidarische Zusammenarbeit unterschiedlicher Organisationen bei der Herausgabe einer gemeinsamen Zeitung! Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AG/R), Hamburg, 17.6.1994

In dieser Ausgabe:

PDS/Ìinke Liste: Landesliste gewählt Zu den Europawahlen Werden die Krankenhäuser des LBL privatisiert? Was fordert die ÖTV? 11 Thesen zu de Wahlergebnissen Leserbrief: Irgendwo zwischen Mitgliederrundbrief und linker Bündnispublikation Stellungnahme der AG/R zum Konflikt in den Lokalberichten

KurdistanZum Weggucken zu spät ein Abgeordneter aus dem türkischen Parlament und der Verleger einer türkischsprachigen Tageszeitung berichten

Yasar Kaya Nizametin Toguc

Do, 23.6., 19.00 Uhr Curio-Haus, Gr. Saal Rothenbaumchaussee 15

Veranstalter: Humanistische Union, Landesverband Hamburg; Kurdistan- Hilfe e.V. Die Veranstaltung wird unterstützt von: GEW, Landesverband Hamburg; IG Medien, Ortsverein Hamburg; HBV, Ortsverein Hamburg; Beauftragter für Flüchtlinge des Diakonischen Werkes des Kirchenkreises Niendorf; GAL Landesverband Hamburg.

Wahlergebnis Europawahlen Hamburg

È ÉParteien®WählerInnen®Prozent®WählerInnen® É ®Hamburg® ®Bund (in %)®

ÉSPD®220514®34,6®32,2® ÉCDU®204616®32,1®32,0® ÉGRÜNE®117407®18,4®10,1® ÉFDP®23391®3,7®4,1® ÉREP®19669®3,1®3,9® ÉPDS®8921®1,4®4,7® ÉÖDP®1814®0,3®0,8® ÉCM®777®0,1®0,2® ÉBP®573®0.1®0,3® ÉSolidarität®192®0,0®0,1® ÉLIGA®241®0,0®0,1® ÉBSA®139®0,0®0,0® ÉAPD®2684®0,4®0,7® ÉBFB®9684®1,5®1,1® ÉDSU®300®0,0®0,2® ÉGraue®7866®1,2®0,8® ÉNaturgesetz®1872®0,3®0,3® ÉUnregierbare/Auli®801®0,1®0,1® ÉCSU®-®6,8® ÉNPD®955®0,1®0,2® ÉForum®871®0,1®0,3® ÉPBC®977®0,2®0,3® ÉPASS®892®0,1®0,4® ÉPlattform Europa®103®0,0®0,0® ÉStatt-Partei®11665®1,8®0,5® ÉWahlberechtigte®1244956®100,0®60420771® ÉWählerInnen®644254®51,7®60,1®

Für die Beschäftigten in den staatlichen Krankenhäusern wird es ein heißer Sommer werden. Nach Auffassung der Krankenkassen und der Geschäftsführung des LBK sind in Hamburg 600 Krankenhausbetten überflüssig. Das ist in etwa ein mittleres Krankenhaus, und mit den Betten sind dann rund 1500 Beschäftigte "überflüssig"! Die wird der LBK nicht über die vielzitierte "natürliche Fluktuation" loswerden! Damit unter diesem Druck nicht sämtliche Arbeitnehmerinteressen unter die Räder kommen, werden ähnliche Aktionen notwendig sein wie die große Pflegedemo von 1989.

Einladung zur Diskussionsrunde:

Sind die Gewerkschaften noch zu retten? Erste Gedanken zur Auswertung des DGB-Bundeskongresses Einleitende Bemerkungen: Rolf Fritsch (ÖTV-Bezirksvorsitzender Hamburg Richard Detje, Redakteur (Zeitschrift Sozialismus)

Mittwoch, 29. Juni, 19.30 Uhr PDS-Büro, Palmaille 24 (S-Bahn Königstraße)

Wer an den Kindern, Jugendlichen und Studierenden spart, spart an unserer Zukunft.

Protestkundgebung gegen Bildungs- und Sozialabbau

auf dem Gänsemarkt, am 30. Juni, 17.00 Uhr

mit Dominique Horwitz und weiteren Mitgliedern des Thalia- Theaters, Lehrern, Schülern, Eltern, Kindergärten, Sozial- und Bildungseinrichtungen.

PDS-Ergebnisse Europa-Wahlen

È ÉLand®Stimmen®Prozent®Steigerung® É ® ® ®in Prozent®

ÉOstdeutschland® ÉOstberlin®190837®40,0® ÉBrandenburg®177682®22,6®11,6+® ÉMecklenburg®230399®27,3®13,1+® ÉSachsen®398150®16,6®7,6+® ÉSachsen-Anhalt®259430®18,9®9,6+® ÉThüringen®230554®16,9®8,7+® ÉOstdeutschland insgesamt®1487052®20,53®

ÉWestberlin®19296®2,3®

ÉWestdeutschland o. Westb.® ÉBaden-Württemberg®23039®0,5®0,2+® ÉBayern®18307®0,4®0,2+® ÉBremen®5495®2,1®1,0+® ÉHamburg®8921®1,4®0,3+® ÉHessen®19756®0,8®0,4+® ÉNiedersachsen®21208®0,7®0,4+® ÉRheinland-Pfalz®7850®0,4®0,2+® ÉSaar®2497®0,4®0,3+® ÉSchleswig-Holstein®7180®0,7®0,3+® ÉNRW®48738®0,6®0,3+® ÉWestdeutschland insgesamt®163036®0.6®0,3+® ÉInsgesamt®1669384®4,7®2,3+®

Lokalberichte HamburgNr. 13/1994, 23.Juni 1994 Herausgeberkreis: Arbeitsgemeinschaft gegen reaktionäre Gesundheitspolitik (AGG), Arbeitskreis Azania, Arbeitsgemeinschaft BWK bei der PDS/LL Hamburg, Freunde des kurdischen Volkes Hamburg, Anarchistische Gruppe/RätekommunistInnen (AG/R), Hochschul-Antifa, Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg. Die Lokalberichte erscheinen in enger Zusammenarbeit mit dem Info der PDS/LL. Redaktionstreffen und Redaktionsschluß: Montag, 4.Juli, 18.00Uhr. Die Lokalberichte erscheinen vierzehntäglich. Jahresabo 39,- DM (Förderabo: 46,80,-), zu zahlen auf das Konto GNN-Verlag, HASPA, BLZ20050550, Kt-Nr. 1330/110055. Red. Lokalberichte, c/o GNN, Palmaille 24, 22767 Hamburg, Tel. 381393, Fax 3898331. V.i.S.d.P.: Christiane Schneider. Verlag, Herstellung, Drucklegung: Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung Schleswig-Holstein/Hamburg mbH