Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Öcalan: "Lösen wir die Probleme auf dem Weg von Verhandlungen"_

_PKK-Generalsekretär zu den angeblichen PKK-Anschlägen in der BRD:_ _"Wir wollen nicht, daß es zu Zwischenfällen kommt"_

Der Generalsekretär der PKK, Abdullah Öcalan, erneuterte seine Verhandlungsangebote und die Forderung nach Stopp der Waffenlieferungen an die Türkei und Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland letzte Woche in einem Aufruf an die Bundesregierung, den wir hier in voller Länge wiedergeben.

"Die Kurdistan-Frage ist mehr als je zuvor ein internationales Problem geworden. Eine politische Lösung dieses Problems steht so gut wie vor der Tür, doch Deutschland und andere Staaten ignorieren das noch immer. Es hatte negative Folgen, daß sie die grenzenlosen schlimmen Methoden der Türkischen Republik, die Vernichtung und Massaker an den KurdInnen, unterstützt haben. Wir erwarten, daß sie dies nicht unterstützen. Das ist die Erwartung des kurdischen Volkes. Das kurdische Volk reagiert mit großer Wut auf die von der türkischen Armee praktizierten Methoden des schmutzigen Krieges, Massaker, Dorfzerstörungen und Vertreibung.

Wir wollten nie, daß es in Europa zu Gewaltakten kommt und wollen es auch heute nicht. Die Unterstützung Deutschlands für die türkische Spezialkriegspolitik hat unter der in Deutschland lebenden kurdischen Bevölkerung Wut ausgelöst. Wir wollen nicht, daß es zu Zwischenfällen kommt, das möchten wir ganz deutlich erklären.

Wir sind davon überzeugt, daß einige Schritte sehr nützlich sein würden, Zwischenfälle zu vermeiden. Einen Stopp der Waffenlieferungen, eine Énderung der Unterstützung einer militärischen Lösung der kurdischen Frage, also eine Unterstützung einer nichtmilitärischen Lösung der kurdischen Frage und die Sicherstellung der Menschenrechte halten wir in diesem Zusammenhang für einen positiven Schritt. Der nächste Schritt wäre, daß Deutschland sich stärker für eine politische Lösung einsetzen muß. Solche Schritte würden dazu führen, daß unser (d. Übers.: in Deutschland lebendes) Volk auch die Gesetze respektiert, sowie späterer großer Unterstützung den Weg öffnen.

Es geht nicht nur darum, daß wir das wollen; auch die Menschenrechte und die Demokratie erfordern diese Art von Schritten, die wir von der deutschen Regierung erwarten. Wir erwarten, daß die kurdischen Nation, die auf eine sehr alte Geschichte im Mittleren Osten zurückblicken kann und den ihr zustehenden Platz in der Welt einnehmen will, genauso behandelt wird, wie die anderen Nationen auch. Wir wollen nichts besonderes für unsere Partei. Wir überlassen es der deutschen Öffentlichkeit und dem deutschen Volk selbst abzuschätzen, was das Recht einer Nation sein muß.

Initiativen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation sind eine Pflicht der Menschlichkeit gegenüber dem einem Völkermord ausgesetzten kurdischen Volk. In Erwägung, daß die deutsche und die gesamte europäische Öffentlichkeit bezüglich Menschenrechten sehr sensibilisiert ist, ist es wichtig, daß die westlichen Regierungen sich für eine politische Lösung einsetzen und größere Schritte dafür unternehmen. Das Bestehen der Prüfung der Demokratie für die KurdInnen bedeutet auch die Lösung einer Reihe von Problemen des Mittleren Ostens.

Unter Berücksichtigung, daß vor allem die Verantwortung der deutschen Regierung besonders schwer wiegt, erwarten wir, daß sie die Vorreiterrolle für eine politische Lösung spielt.

Wenn dies geschieht, kann sie auch mit einer freundschaftlichen Haltung unsererseits rechnen. Wir erwarten die sofortige Aufhebung des Verbots der PKK und ERNK in Deutschland, dann sind auch Gespräche mit uns zur Lösung der Probleme auf dem Weg des politischen Dialogs möglich. Solche Schritte werden auch für die Bundesregierung von Vorteil sein. Vor allem das Vermeiden eines innenpolitischen Durcheinanders und eine erfolgreiche Türkeipolitik, ohne die Interessen der Völker zu schädigen, ist von der Entwicklung unserer gegenseitigen Beziehungen abhängig. Wir sind davon überzeugt, daß ein so großer Staat in der Lage sein muß, die in diesem Bereich bisher unternommenen falschen Schritte wieder gutzumachen und daß es möglich ist, nunmehr ausgeglichene, gesunde Beziehungen durch Gespräche zwischen uns zu entwickeln. Wir erklären noch einmal, daß wir auf dieser Basis bereit sind, unseren Teil dabei zu erfüllen.

Die jüngste Okkupation Südkurdistans durch die türkische Armee bringt nicht nur keine Lösung für die kurdische Frage, sondern verschärft den Krieg noch mehr. Dadurch wurde die Lösung des Problems Südkurdistans unlösbar gemacht. Die jüngste Okkupation und die Politik der Türkei richtet sich auf jeden Fall gegen die gesamte kurdische Nation. Es hat sich jetzt ganz deutlich gezeigt, daß die Militäroperationen keinen Erfolg haben. Es ist an der Zeit, jetzt friedliche und demokratische Lösungsmöglichkeiten anzugehen.

Die Südkurdistan-Operation ist für die türkische Armee ein Mißerfolg. Jetzt, wo diese Operation zuende geht, erwarten wir von der europäischen Öffentlichkeit, den demokratischen Kreisen und den westlichen Regierungen, daß sie auf eine politische Lösung bestehen und Initiativen in diese Richtung weiterbetreiben. Wir haben bei jeder Gelegenheit erklärt, daß wir für eine friedliche, demokratische, politische Lösung offen sind und daß wir immer zu einem beidseitigen Waffenstillstand, einem Referendum, einem offenen Dialog und einer demokratischen Diskussion bereit sind. Wir wiederholen diesen Aufruf noch einmal. Von unserer Seite aus gibt es kein Hindernis und wir sind dazu bereit."

nach: KURD-A, 14.4.95

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Das Kurdische Exilparlament bildete Kabinett_ _und stellte sein Programm vor_

Das aus 65 Abgeordneten bestehende kurdische Exilparlament hat in den vier Tagen nach seiner Gründung am 12. April in Den Haag sein Kabinett und die Vorsitzenden der Kommissionen gewählt sowie ein 31-Punkte-Programm seiner künftigen Aufgaben festgelegt.

Parlamentspräsident ist Yasar Kaya. Im Kabinett vertreten sind Zübeyir Aydar als Kabinettspräsident, Remzi Kartal als sein Stellvertreter, Pitrus Karatay für den Bereich Völker und Glaubensgemeinschaften, Ali Akbaba für Außenpolitik, Aydin Gül für den Bereich Beziehungen zum Volk und Information, Ismet Serif Vanli für Justiz und Information, Helin Ates für Frauen und Jugend, Masallah Öztürk für Bildung und Kultur und Ali Yigit für Finanzen.

Für die Kommissionen wurden gewählt:

_Justiz:_ Vorsitzender Serafettin Kaya, Sprecher Serhat Bucak, Sekretär Zeycan Özden

_Außenpolitik:_ Vorsitzender Mahmut Kilinc, Sprecher Pitrus Karatay, Sekretär Necdet Buldan

_Bildung, Kunst und Kultur:_ Vorsitzender: M. Emin Pencweri, Sprecher, Semdin Buruki, Sekretär Latif Kalifat

_Finanzen:_ Minister Nizamettin Toguc, Sprecher Mamo Acar, Sekretär Mahmut Taskale

_Völker und Glaubensgemeinschaften:_ Vorsitzender Felemez Basboga, Sprecher M. Sait Dündar, Sekretär Dervis Hasan

_Beziehungen zum Volk und Information:_ Vorsitzender Kemal Yüzel, Sprecher Kazim Tirurlenk, Sekretär Güler Tas

_Frauen und Jugend:_ Vorsitzende Helin Ates, Sprecher Mustafa Rohat, Sekretär Mehmet Devran.

Das 31-Punkte-Programm des kurdischen Exilparlaments lautet:

_1._ Das Parlament unterstützt den Präsidenten in jeder Hinsicht, um die Institutionalisierung des Parlaments zu erreichen.

_2._ Es wird daran gearbeitet, einen Nationalkongreß und ein Nationalparlament auf dem Boden eines freien Kurdistans zu versammeln.

_3._ Es arbeitet nach dem Prinzip des Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes und strebt ein freiwilliges Zusammenleben mit den Nachbarvölkern auf der Basis von Gleichheit und Freiheit an.

_4._ Es unterstützt und stärkt den nationalen Befreiungskampf unseres Volkes gegen jede Art von Besatzung in Kurdistan.

_5._ Es regelt die politischen, kulturellen, sozialen und Sicherheits-Angelegenheiten der Völker Kurdistans.

_6._ Es unterhält die zur Vertretung des kurdischen Volkes notwendigen diplomatischen und politischen internationalen Beziehungen auf der Basis der nationalen Interessen unseres Volkes.

_7._ Es unternimmt Aktivitäten für einen beiderseitigen Waffenstillstand unter internationaler Aufsicht und setzt sich, solange der Krieg noch andauert, für die Einhaltung der Genfer Konvention von 1949 und des Zusatzprotokolls von 1977 ein.

_8._ Es setzt sich für die Anerkennung eines internationalen Status Kurdistans ein.

_9._ Es bemüht sich, die Kurdistan-Frage auf die Tagesordnung internationaler Gremien wie UN, OSZE, Europarat und Europaparlament zu bringen und wo es möglich ist, einen Beobachterstatus zu bekommen.

_10._ Es entwickelt Aktivitäten zur Eröffnung offizieller Vertretungen unseres Parlaments in den Ländern, in denen eine Basis dafür vorhanden ist.

_11._ Es bringt den Staatsterror und die Menschenrechtsverletzungen der über Kurdistan herrschenden Kolonialstaaten auf internationaler Ebene breit zur Sprache und verurteilt diese.

_12._ Es entwickelt breite Aktivitäten für die Anwendung internationaler Sanktionen einschließlich eines Waffenembargos und Stopp ökonomischer und politischer Unterstützung der Türkischen Republik.

_13._ Es befaßt sich mit den politischen, sozialen, kulturellen und Bildungsbelangen der im Ausland zu leben gezwungenen KurdInnen.

_14._ Es unternimmt Aktivitäten zur Beseitigung der Hürden, die dem Zusammenkommen aller politischen Parteien, Organisationen, Institutionen und einflußreichen Persönlichkeiten Kurdistans und der Herstellung einer nationalen Einheit im Wege stehen und setzt sich insbesondere für die Beendigung der Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien in Südkurdistan ein.

_15._ Es werden Gesetzesvorlagen für Kurdistan erarbeitet und dem Parlament vorgelegt bezüglich

a. Verfassung, b. Staatsangehörigkeitsgesetz, c. Militärdienstgesetz, d. Familiengesetz, e. Strafgesetz, Exekutivorgane und Strafprozeßordnung, f. Gesetz zum Schutz der Bodenschätze und natürlichen Reichtümer.

_16._ Es regelt die Rechte der auf dem Boden Kurdistans lebenden Völker wie den Asuris (Süryani und Kaldemi) und ergreift geeignete Maßnahmen zu ihrem Schutz sowie Aktivitäten zur Förderung der Annäherung zwischen den Völkern und zur Beseitigung der von den Kolonialisten produzierten Differenzen zwischen den Völkern.

_17._ Es unternimmt Aktivitäten, um die Differenzen zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen und unterschiedlichen Überzeugungen in Kurdistan auf der Basis der Glaubensfreiheit auszuräumen und Toleranz auf der Basis nationaler Einheit zu schaffen.

_18._ Es setzt sich für die Aufhebung des Verbots der kurdischen Sprache ein und schafft Möglichkeiten, die kurdische Sprache weiterzuentwicklen und daß das Volk seine eigene Sprache lernen kann.

_19._ Es unternimmt Aktivitäten zur Gründung einer Nationalbibliothek.

_20._ Es unternimmt Aktivitäten zur Gewährleistung der Beteiligung aller nationalen Institutionen mit verschiedenen Beiträgen zum Ahmede Xani Jahr 1995.

_21._ Es unternimmt Aktivitäten zur Gründung von Schulen und Universitäten, die das Bildungsproblem unseres Volkes lösen.

_22._ Es unternimmt Aktivitäten zur Institutionalisierung des nationalen Theaters, Kinos, der Musik, Folklore und Kunst.

_23._ Es trifft notwendige Regelungen, damit die Jugend Kurdistans nicht in der Massaker-Armee der Türkischen Republik Militärdienst leistet, sondern der Armeebildung unseres eigenen Volkes dient.

_24._ Es fördert die Entwicklung der erzieherischen, sozialen, kulturellen und sportlichen Aktivitäten unserer Jugend.

_25._ Es unternimmt Aktivitäten zur Verhinderung der Entfremdung unserer Jugend von den nationalen Werten und zur Sicherung ihrer Zukunft.

_26._ Es unternimmt Aktivitäten zur Beseitigung der Unterdrückung der Frauen Kurdistans und fördert, daß sie sich in allen Bereichen des nationalen Befreiungskampfes frei organisieren können.

_27._ Es unternimmt Aktivitäten zur Entwicklung der nationalen Presse.

_28._ Es schafft Voraussetzungen, daß unser im Exil lebendes Volk in sein Land zurückkehren kann.

_29._ Es führt verschiedene Veranstaltungen, Versammlungen, Konferenzen, Seminare, Podiumsdiskussionen etc. durch, um unser Volk zu bilden und aufzuklären.

_30._ Für all diese Aktivitäten wird mithilfe befreundeter Kreise ein Budget für die nationalen Institutionen bereitgestellt.

_31._ Es kämpft gegen die Ausplünderung der Bodenschätze und natürlichen Reichtümer, die zum Nutzen und Wohlstand unseres Volkes auf dem Weg seiner Befreiung genutzt werden müssen.

Quelle: _Yeni Politika_, 20.4.95 - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Überfälle in Diyarbakir - ein Toter, ein Verletzter_

In Diyarbakir-Baglar wurde am Morgen des 24. April der 18-jährige Nimet Akut von einem Unbekannten erschossen. Am gleichen Tag wurde M. Kerim Kaya bei einem Messer-Attentat im Viertel 5. Nisan schwer verletzt. Die Hintergründe beider Vorfälle sind bislang unbekannt. _Yeni Politika_, 27.4. - (J)

_"Terrorist" verschwunden?_

Vor dem Hauptpostamt in Diyarbakir-Surici beobachteten Zeugen im November vergangenen Jahres die Festnahme von Ender Togcu durch Zivilpolizisten. Trotz intensiver Nachforschungen der Angehörigen ist er seitdem "verschwunden". Zuletzt wandte sich seine Mutter an den Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts. Dort hieß es: "Wenn er von der Polizei festgenommen worden wäre, wüßten wir das. Dein Sohn ist ein Terrorist. Er wird in den Bergen sein." Die Mutter befürchtet, daß Ender Togcu in Polizeihaft ermordet wurde. _Yeni Politika_, 25.4. - (J)

_Dorfschützer ermorden Kind_

Dorfschützer aus Meraba bei Uludere haben den zweijährigen Erol Öztunc und seine erwachsenen Verwandten Ali Özdemir und Vahit Yüce bei einer Fahrzeugkontrolle erschossen. Die Mutter des Kindes, Kevser Öztunc, erklärte, daß sie mit den drei Ermordeten auf dem Rückweg von einem Verwandtenbesuch in Mersin in ihr Dorf bei Uludere gewesen seien. Ihr Taxi, in dem sich noch zwei andere Frauen und der Fahrer befanden, wurde in Meraba angehalten, die Männer sofort von den Dorfschützern zur Seite beordert. Als Kevser Öztunc merkte, daß diese sie töten wollten, hat sie auf ihren Sohn gezeigt und gebeten, sie um des Kindes willen leben zu lassen. Daraufhin habe ein Dorfschützer sie selbst weggestoßen, den Jungen von ihrem Schoß gerissen und ihn Vahit Yüce zugeworfen. Ein anderer habe unmittelbar darauf das Feuer auf die drei eröffnet. Die Dorfschützer flohen unbehelligt. _Yeni Politika_, 23.4. - (J)

_Konterguerillamord in Adana_

Am 11. April wurde Rüstem Alkan an seinem Arbeitsplatz in einer Tankstelle im Stadtteil 19 Mayis in Yüregir-Adana gegen 16.30 Uhr von der Konterguerilla durch Schüsse ermordet. Der 47-jährige Rüstem Alkan war Mitglied der HADEP und wurde deshalb seit längerer Zeit von der Konterguerilla bedroht. Zu der Beeerdigung am nächsten Tag kamen 2000 Menschen, die gegen den türkischen Staatsterror protestierten. Quelle: _Yeni Politika_, 15.4. - (K.)

_5 Mitglieder der Familie Avsar verschwunden_

Der türkische Staat verfolgt landesweit die Familie Avsar weiter. Letztes Jahr wurde M. Serif Avsar, der Bruder des ehemaligen Herausgebers der Europaausgabe der Tageszeitung _Özgür Ülke_, von "Dorfschützern" des Bucak-Clans, deren Chef im türkischen Parlament sitzt, verschleppt und später von der Konterguerilla ermordet.

Nun sind fünf Menschen der Familie Avsar "verschwunden". Am 7. April wurden Sedat und Hasip Avsar im Touristenort Mugla-Kusadasi festgenommen und an einen unbekannten Ort verschleppt. Am 11. April wurden in Mersin Sait, Ilhan und Ramazan Avsar festgenommen, auch von ihnen fehlt jede Nachricht. Ein Haus der Familie in Diyarbakir ist seit dem 9. April von der Polizei umzingelt, die Polizei wollte Mehmet Ali Avsar verschleppten.

Ebenso fehlt auch von dem am 22. März an der Universität Dicle in Diyarbakir wegen Beteiligung an einer Newroz-Veranstaltung festgenommenen Medizinstudenten Abdullah Altun jede Nachricht. Die Behörden leugnen seine Festnahme. Quelle: _Yeni Politika_, 16.4. (K)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Angelika Graf (SPD-MdB) an das kurdische Exilparlament_

Die Auseinandersetzungen um die Arbeit des neugegründeten Exilparlaments gingen auch in den vergangenen Wochen weiter. Das türkische Regime und ihm nahestehende islamische Verbände organisierten u.a. eine Protestdemonstration am 23. April in Den Haag gegen die niederländische Regierung, der türkische Botschafter wurde aus Den Haag zurückberufen. Auf einer von der Türkei unter Berufung auf Artikel 4 des NATO-Vertrag (wenn "die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist") beantragten Dringlichkeitssitzung des NATO-Rats am 21. April in Brüssel warfen die türkischen Vertreter der niederländischen Regierung sogar vor, mit der Duldung des kurdischen Exilparlaments gegen den NATO-Vertrag verstoßen zu haben.

Auf der anderenn Seite wächst die öffentliche Unterstützung für das Exilparlament. Aus der Fülle der Grußadressen, die das neue Parlament begrüßten und ihm Erfolg bei seiner Arbeit wünschen, dokumentieren wir hier die der bayerischen SPD abgeordneten Angelika Graf. - (rül)

"Liebe Freunde,

ich bedaure sehr, daß ich heute, an diesem großen Tag, nicht bei Euch sein kann.

Leider machen aber nicht nur familiäre Probleme meine Anwesenheit hier in meinem Wahlkreis in Rosenheim notwendig. Die örtliche reaktionäre Monopolpresse verurteilt mein Engagement für die kurdische Sache und viele SPD-Mitglieder und -Wähler verstehen nicht, warum ich mich für die Kurden und ihren Kampf um Autonomie einsetze. In einem Land, wo Herr Beckstein täglich unter öffentlichem Beifall das Recht beugt, und sehenden Auges Kurden in den Tod schickt, ist es nicht einfach, für die gerechte Sache der Kurden zu werben. Umso wichtiger ist es, an manchen Tagen hier vor Ort die Dinge wieder richtigzustellen.

Ich werde meinen bayerischen Freunden erzählen, daß der Kampf des kurdischen Volkes um Freiheit ein bewundernswerter Kampf um diejenigen Rechte ist, die gerade das bayerische Volk auch hoch hält. Das Recht auf die eigene Sprache z.B., das Recht auf die Pflege der eigenen Kultur, das Recht, in einem Freistaat zu leben, der sich auch eigene Gesetze gibt, ist für jeden Bayern selbstverständlich. Und manchem ist auch dies zu wenig. Mancher will eine andere Staatsform: Die Monarchie. Wird man in Bayern deswegen verfolgt, gefoltert und umgebracht? Kann nicht jede Zeitung schreiben, was sie möchte, solange sie nicht gegen das - sehr liberale - Presserecht verstößt? Warum sollen die Kurden nicht auch das Recht auf ihre eigene Kultur und Sprache, ihre eigene Gesetzgebung, ihren eigenen Staat haben und dafür kämpfen?

Dies alles werde ich heute meinen bayerischen Freunden mitteilen. Euch wünsche ich, daß dieses Exilparlament der Anfang ist für ein freies Kurdistan. Die Zeichen - meine ich - stehen gut.

Nur ein einziges Mal in der Geschichte, in Griechenland, wurde vorher eine Demokratie aus dem Krieg geboren. Dies war die erste Demokratie überhaupt: In Athen, das Krieg führte mit den Persern, wollten die Bürger und vor allem die Ruderer der Kriegsschiffe nicht nur die Leidtragenden des Krieges sein, sondern auch über die weiteren Geschicke ihres Volkes selbst entscheiden.

Daraus entstand die erste Demokratie der Geschichte. Sie funktionierte dann übrigens auch in Friedenszeiten recht gut.

Euer heute zusammengetretenes Parlament wird das kurdische Volk bald in den Frieden führen.

Wann immer Ihr auf Eurem Wege meine Hilfe braucht, werde ich Euch - soweit es mir möglich ist - helfen.

In Gedanken bin ich bei Euch

Angelika Graf"

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_18. April: ARGK-Generalkommandatur zur Lage in Südkurdistan_

In einer am 18. April von ihrem Pressebüro verbreiteten Erklärung schilderte die Generalkommandatur der ARGK die Situation in Südkurdistan 30 Tage nach Beginn des türkischen Einmarsches so:

"Der kolonialfaschistische türkische Staat hat bei seiner nun einen Monat lang andauernden Besatzungsoperation in Südkurdistan eine große Niederlage erlitten. Die kolonialfaschistische türkische Armee konnte durch den heldenhaften Widerstand unserer Guerillaeinheiten in viele Gebiete Südkurdistans nicht eindringen und wurde aus allen anderen Gebieten mit Ausnahme von Zaxo und Umgebung vertrieben. Das wurde auch vom Generalstab der faschistischen Armee mit den Worten: 'Das ist ein Sumpf wie in Vietnam, deshalb haben wir uns gerettet, indem wir da nicht reingegangen sind' zugegeben. Die türkische Armee ist mit ihrer Spendenkampgagne: 'Los Türkei, Hand in Hand mit den Mehmetiks (türkischen Soldaten)' auf das Niveau eines Straßenbettlers gesunken.

Die Lage an der Kriegsfront sieht nach den 30 Tagen folgendermaßen aus: Die türkische Armee konnte in dem Gebiet Xankurke, in das sie mit viel Getöse eingedrungen ist, nicht mit einer einzigen unserer Einheiten fertigwerden und wurde gezwungen, den Rückzug anzutreten. In dem breiten Grenzgebiet der Gegend um Awasin und Zap in Südkurdistan konnte die Armee überhaupt nicht durchkommen, sie wurde bei ihren dutzenden Versuchen, dort die Grenze zu überschreiten, immer wieder von unseren Einheiten zurückgeworfen und aufgerieben. In den Gebieten Metina-Kani Masi-Kela Qumriye-Hizor und Zendura-Tal, wo es zu heftigen Gefechten gekommen ist, wurden die türkischen Armeeinheiten bei dem Versuch, sich dort festzusetzen, jeden Tag von unserer Guerilla angegriffen und nun am 30. Tag aus diesen Gebieten vollkommen vertrieben. Derzeit befinden sich die türkischen Armeeinheiten nur noch in den Gebieten Haftanin und Zaxo, wo sie ebenfalls jede Nacht von unseren Guerillaeinheiten geschlagen werden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir sie auch aus Haftanin und Zaxo vertrieben haben. Die Erklärungen der Sprecher der TR: 'Wir ziehen uns nicht aus dem Nordirak zurück' taugen nicht mehr, als diejenigen zu täuschen, die keine Ahnung von Kurdistan haben.

Die Besatzungsoperation des türkischen Staates in Südkurdistan ist allerdings eine Operation des psychologischen Krieges und der Einschüchterung und grausamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung. Es darf nicht vergessen werden, daß dieser Versuch der Okkupation Südkurdistans mit der Explosion einer Autobombe im Stadtzentrum von Zaxo begonnen wurde, bei der ca. 200 Menschen verletzt wurden, und daß er weiterging mit der Ermordung von Hirten und zuletzt mit der Ermordung von acht Menschen, die auf der Landstraße Zaxo-Derkar mit dem Auto unterwegs waren. In den 30 Tagen hat die türkische Armee in Südkurdistan 27 ZivilistInnen ermordet, drei verletzt und dutzende Hirten verhaftet. Hier die Namen einiger südkurdischer Dörfer, die in den letzten 30 Tagen von der türkischen Armee bombardiert und entvölkert worden sind: Dergele, Selaze, Dersis, Ravina, Ormane, Hedina, Herebina, Kerero, Gisika, Mezra Ciya, Hese, Rehulke, Mergate, Baverkekete, Gevre, Beheke, Evinka, Yusufka, Kani Belave, Ismailka, Vaze, Bahaka, Kare, Tirvanis, Sace und Semev.

Jedes Eindringen der türkischen Massakerarmee in den vergangenen 30 Tagen wurde von unseren Guerillakräften mit mehreren hundert heldenhaften Gegenschlägen beantwortet. Der heldenhafte Widerstand unserer Volksbefreiungsarmee hat eine von Tag zu Tag wachsende Unterstützung des südkurdischen Volkes zur Folge. Wie sich an den Beispielen in den Dörfern Eniske und Yekmal gezeigt hat, griffen unsere Guerillaeinheiten auch gemeinsam mit dem Volk die türkische Armee an. Hier die Gesamtbilanz der 30 Tage Widerstand unserer Volksarmee und unseres Volkes in Südkurdistan:

Wir haben insgesamt 190 Aktionen in Form von Hinterhalten, Angriffen, Gefechten, Minenlegen, Beschießen, Infiltration und Attentaten durchgeführt. Bei 55 der Gefechte konnten die Verluste der türkischen Armee festgestellt werden, bei den anderen sind sie nicht bekannt geworden.

Von uns feststellbar hatte die feindliche Armee insgesamt 1047 Tote und mindestens ebensoviele Verletzte. Unter Berücksichtung der hohen Dunkelziffer schätzen wir die Gesamtzahl der Verluste der feindlichen Armee in den 30 Tagen auf das Dreifache.

Von den getöteten feindlichen Kräften, über die uns gesicherte Informationen vorliegen, waren 17 Dorfschützer, einer Bataillionskommandanten, drei Offiziere, ein Unteroffizier und die übrigen ranglose Soldaten. 22 der Soldaten starben, indem sie sich in einen Fluß stürzten.

In den vergangenen 30 Tagen haben wir drei Fahrzeuge der türkischen Armee total zerstört und acht beschädigt, vier Panzer zerstört und vier beschädigt, einen Hubschrauber zerstört und zwei beschädigt.

Bei den am 19. März 1995 begonnenen und immer noch andauernden Gefechten zwischen der türkischen Armee und unseren Einheiten in Südkurdistan haben wir bis zum 17. April 45 gefallene MärtyrerInnen und 42 Verletzte gehabt. Die Verletzten wurden größtenteils nur leicht verletzt und befinden sich bereits wieder in ihren Einheiten.

Sicherlich fehlt in dieser Bilanz vieles über die Verluste der türkischen Armee, doch allein die von uns hier wiedergegebenen gesicherten Zahlen zeigen schon, wie verlogen die Siegesmeldungen des türkischen Staates sind. Die Wahrheit ist, daß wir sie weiterhin so effektiv geschlagen haben wie in den ersten beiden Wochen des Krieges in Südkurdistan und sie große Verluste einstecken mußten. Mit den zunehmenden Verlusten der türkischen Armee begannen ihre Sprecher immer märchenhaftere Nachrichten zu verbreiten, wie viele unserer Kräfte sie geschlagen hätten. Wir empfehlen der Öffentlichkeit, die Sprecher der türkischen Armee, die behaupten, sie würden aus dem Nordirak nicht mehr abziehen wollen, zu fragen, wo sie denn dort überhaupt sind.

Genausowenig wie ihre Grausamkeit und ihre Massaker die Türkische Republik noch retten können, werden auch ihre Lügennachrichten nicht in der Lage sein, die Lebensdauer des Regimes zu verlängern. Die Ciller-Cetin-Regierung ist nur noch ein politischer Leichnam. Es wird nur noch kurze Zeit dauern, bis wir diesen begraben können.

Wir haben die türkische Armee in den 30 Tagen aus Südkurdistan hinausgeworfen. Auch die Bestrebungen der TR, südkurdische Kreise in ihren Dienst zu stellen, sind von Anfang an gescheitert. Selbst wenn ihnen das gelungen wäre, wäre es für uns nicht schwer gewesen, auch sie zu zerschlagen.

Unsere die türkische Armee aus Südkurdistan vertreibenden Guerillaeinheiten können ihre Kontrolle und Macht in Südkurdistan von Tag zu Tag vergrößern. Genauso wie in Südkurdistan ist es auch in Nordkurdistan für unsere Guerillaeinheiten nicht schwer, die türkische Armee zu schlagen und ihre Militäroperationen in ein Fiasko zu verwandeln.

Unsere große Frühjahrsoffensive 1995 bringt uns auf dem Weg unserer historischen Ziele rasch voran. Wir haben uns dem Sieg noch mehr genähert."

(Pressebüro der ARGK-Generalkommandatur, 18. April 1995)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Südkurdistan:_ _Chronologie der Kämpfe gegen die türkische Okkupationsarmee_

_6. April_

Auf der Brücke bei der Zufahrtsstraße nach Zaxo wurde das Fahrzeug des Besitzers des Restaurants "Hewal" gegen 20 Uhr von der türkischen Armee beschossen. Neun Mitglieder der Familie Irfan, darunter auch kleine Kinder, wurden durch die Schüsse ermordet.

Der Gouverneur von Dohuk erklärte, daß die türkische Armee bisher 35 Dörfer in Südkurdistan entvölkert und teilweise zerstört hat. 15000 Menschen sind auf der Flucht.

Örtliche Quellen erklärten, daß die türkische Armee bei ihrem Rückzug Richtung Norden immer massiver gegen die Zivilbevölkerung in Südkurdistan vorgeht. Sie berichteten am 14. April bereits von 50 entvölkerten und zum Teil niedergebrannten Dörfern in den Gebieten Kani Masi und Sersing. 30 Menschen aus diesem Gebiet sind von der türkischen Armee verschleppt worden und seitdem verschwunden. Bei dem Überfall der türkischen Armee auf das Dorf Ciye in Sersing ermordeten Soldaten die Bewohner Ahmed Fettah Hesen, Abdulkadir Izzedxan (60), Serbest Abdulkadir Izzedxan (13), Ismail Hüseyin Mehmed Serif, Zeki Guli und Abdullah Teli Hesen auf dem Dorfplatz durch Schläge mit Gewehrläufen und Tritte. Im Dorf Bafe in Kani Masi folterten die Soldaten die Bewohner auf dem Dorfplatz und ermordeten die Bauern Abdullah Mehmed (40) und Abdullah Süleyman (35) vor den Augen der anderen durch Folter.

Bei mehreren Gefechten zwischen der türkischen Armee und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans in Südkurdistan wurden insgesamt 55 Soldaten getötet.

_7. April_

Die sich auf dem Kani Masi-Hügel stationierten türkischen Soldaten wurden von der ARGK angegriffen. 25 Soldaten wurden getötet. Die Guerilla konnte große Mengen Waffen erbeuten. Als die ARGK-Kräfte auf dem Rückzug waren, wurde das Gebiet von der türkischen Armee mit Cobra-Hubschraubern bombardiert. Durch das Bombardement sind zwei Guerillakämpfer gefallen.

_8. April_

Die türkischen Truppen wurden in der Basya-Schlucht im Gebiet Amediye zwei Mal von der ARGK angegriffen.

Bei Kani Masi in dem Gebiet zwischen Habur und dem Zap-Fluß kam es zu einem Gefecht zwischen der Guerilla und der türkischen Armee, bei dem der Armee hohe Verluste beigebracht worden sein sollen.

Der Flugplatz Sifreza der Brigade Cukurca wurde von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans mit Raketen angegriffen.

In Xankurke wurde die türkische Armee an vier Punkten von der ARGK angegriffen. Sieben Soldaten wurden getötet, viele verletzt. Vier Guerilleros wurden verletzt, zwei von ihnen wurden in starkem Schneefall abgeschnitten, ihnen erfroren die Füße.

Die türkische Armee überfiel alle Dörfer im Gebiet Lelkan und nahm den Bauern die Waffen weg. Ein Bauer namens Ahmet wurde von den Soldaten verschleppt, über sein Schicksal wurde nichts bekannt.

_9. April_

Nach einem Überfall der türkischen Armee auf die BewohnerInnen der Dörfer Yekmal und Hesen, wo sie mehrere Häuser niederbrannten, wurden die türkischen Soldaten in der Nähe des Dorfes Yekmal von der ARGK von vier Seiten angegriffen. 15 Soldaten wurden getötet. Die zur Verstärkung gerufenen türkischen Staatskräfte wurden ebenfalls angegriffen. Die Guerilla konnte große Mengen deutscher G-3 Gewehre und anderer Waffen erbeuten.

_10. April_

Bei einem Gefecht zwischen der TR-Armee und der ARGK bei Kani Masi wurde ein Soldat getötet. Fünf Soldaten, die sich der Guerilla ergeben wollten, wurden von anderen Soldaten durch Schüsse ermordet.

Bei einem Gefecht zwischen den Okkupationstruppen und der ARGK in der Basya-Schlucht im Gebiet Behdinan wurden drei Soldaten getötet und zwei verletzt.

Das Dorf Sewi wurde von der türkischen Armee überfallen. Sie zündete Häuser an und bedrohte die BewohnerInnen. Die ARGK kam zu dem Überfall, vertrieb die türkische Armee aus dem Dorf und brachte ihr hohe Verluste bei.

In Sehrazor wurde die "Demokratische Einheitsplattform" verschiedener Organisationen gegen die türkische Okkupation gegründet. Nach der Gründung gab es eine Demonstration. Auch in den Städten Renya und Kaladiz kamen 3000 Menschen zu einer Demonstration gegen die Okkupation türkischer Truppen in Südkurdistan. Die KDP wollte die Demonstrationen verhindern, jedoch ohne Erfolg.

_15. April_

Die auf einem Hügel bei Geliye Pusawa in Haftanin stationierten türkischen Soldaten wurden von der ARGK angegriffen. Bei dem Gefecht wurden 20 Soldaten getötet und 30 verletzt. Ein ARGK-Kämpfer ist bei dem Gefecht gefallen. Die Guerilla konnte große Mengen Waffen und Munition erbeuten.

_16. April_

Hubschrauber, die Soldaten von Haftanin nach Nordkurdistan zurücktransportierten, von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans mit Raketen beschossen. Ein mit Soldaten vollbesetzter Hubschrauber wurde abgeschossen.

_20. April_

Die türkischen Truppen verminen bei ihrem Rückzug in Xankurke strategisch wichtige Hügel und sprengen Brücken. Das Gebiet rechts des Ufers des Zap wurde von der türkischen Luftwaffe bombardiert.

In Haftanin wurden die türkischen Armeekräfte auf dem Hügel Sinek von zwei Seiten aus von der ARGK angegriffen. Es kam zu einem heftigen Gefecht.

_21. April_

Die türkischen Truppen versuchten, sich Richtung Grenze zurückzuziehen, wurden dabei an mehreren Punkten von der ARGK angegriffen. Gefechte gab es in auch in dem Gebiete Seranis in Haftanin. Die türkische Armee wollte sich auf den Berg Xartura zurückziehen und wurde von der ARGK angegriffen. Bei dem vierstündigen Gefecht wurden 19 Soldaten getötet.

_22. April_

Die türkischen Armeekräfte wurden auf dem Rückzug Richtung Grenze im Gebiet Bircella und Avasin an mehreren Stellen von der ARGK angegriffen.

Quellen: KURD-A, 8. bis 22. April - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Griechische Abgeordnete fordern Türkeiboykott_

Am 10. April verabschiedeten 87 Abgeordnete der PASOK, der Partei des politischen Frühlings, der Griechischen Kommunistischen Partei und der Neuen Demokratie Partei einen Aufruf an die griechische Regierung, wegen den massiven Menschenrechtsverletzungen und den Einmarsch türkischer Truppen in Südkurdistan erneut ihr Veto gegen den EU-Beitritt der Türkei einzulegen und die Türkei zu boykottieren.

KURD-A, 13.4. - (K.)

_ERNK warnt Österreich vor Aktivitäten des MIT_

Die ERNK-Vertretung in Wien erklärte zu dem Anschlag auf ein Büro der Türkisch Airlines in Wien am 15. April: "Die Behauptungen, die PKK habe etwas mit dem Anschlag zu tun, zielen darauf ab, das friedliche Klima zwischen den KurdInnen und dem österreichischen Volk zu zerstören. Wir werden das nicht zulassen und empfehlen der österreichischen Presse und Öffentlichkeit, wachsam zu sein."

Die ERNK vermutet hinter dem Anschlag den türkischen Geheimdienst MIT, weil der türkische Staat die Eröffnung der offiziellen ERNK-Vertretung in Österreich nicht verwinden könne.

Quelle: KURD-A, 17.4. - (K.)

_Arabische Staaten gegen türkische Invasion_

Die Union der Arabischen Staaten verurteilten zum zweiten Mal die Besatzung Südkurdistans durch die Türkei. Ihr Generalsekretär Ismet Abdul Mecit übergab der türkischen Botschaft in Kairo eine Protestnote, in der die Verletzung der territorialen Integrität des Iraks kritisiert und der sofortige Rückzug gefordert wurde. Der Irak ist eines der 22 Mitglieder der Union der Arabischen Staaten. Die Türkei antwortete auf die Note, daß sie nicht lange bleiben wolle, aber es noch kein konkretes Rückzugsdatum gebe.

Quelle: KURD-A, 18.4. - (K.)

_"Griechenland singt für Kurdistan"_

Am 8. April fand im "Friedens- und Freundschaftsstadion" in Athen eine Großveranstaltung unter dem Titel "Griechenland singt für Kurdistan" statt. Zu dem Konzert, das von zehn Kommunen, griechischen Jugendorganisationen, den vier großen griechischen Parteien und dem ENOSI (Verein für die Solidarität mit den unterdrückten Völkern) gemeinsam veranstaltet wurde, kamen ca. 16000 Menschen. Das Stadion war mit ERNK-Fahnen geschmückt, es wurde eine Grußbotschaft des Vorsitzende der PKK, A. Öcalan, verlesen, und Zübeyir Aydar hielt eine Rede im Namen des kurdischen Exilparlaments.

Quelle: KURD-A, 9.4. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Bericht zu "Morde unbekannter Täter" erschienen_

Nach einer ausführlichen Untersuchung von über 900 mysteriösen Todesfällen - darunter die Morde an dem kurdischen Schriftsteller Musa Anter, dem DEP-Abgeordneten Mehmet Sincar und dem Unternehmer Savas Buldan - ist eine von der Großen (Türkischen) Nationalversammlung eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Schluß gekommen, daß die meisten dieser Morde direkt oder indirekt auf das Konto des Staates gehen. Erwähnt werden u.a. von Polizei und Präfekt geförderte Trainingslager der Hizbullah in Batman-Gercüs, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Organen und sog. Abschwörern, die unmittelbar vor seinem Tod erfolgte Entführung von Savas Buldan u.a. durch Zivilpolizisten in Istanbul. Durchgängig ist von "politischen Morden" die Rede. Bei der Regierungspartei DYP ist der Bericht zurückgewiesen worden. Er sei nicht loyal und entspreche nicht der Wahrheit. Parteivorstandsmitglied Ismail Köse, der an der Kommission beteiligt war, behauptet, in der Türkei gebe es keine von der Regierung beauftragten Mordtruppen, insbesondere keine Konterguerilla. Die 11 anderen Kommissionsmitglieder würden die Unwahrheit sagen.

Quelle: _Yeni Politika_, 23.4. - (J)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_YEK-KOM contra TRT-INT:_ _"Schluß mit Rassenhetze und Kriegsverherrlichung"_

Der Protest gegen die andauernde Verherrlichung der Feldzüge des türkischen Militärs gegen die kurdische Bevölkerung in dem türkischen regimetreuen Fernsehprogramm "TRT International", der auch in bundesdeutsche Fernsehkanäle eingespeist wird, nimmt zu. Vor Monaten hatten wir bereits über erste Proteste in Berlin berichtet, die damals noch an der Medienanstalt Berlin-Brandenburg scheiterten, die keinen Grund sah, bei Spendenaufrufen für das türkische Militär einzuschreiten. Der kurdische Dachverband YEK-KOM hat jetzt beschlossen, mit einer Strafanzeige gegen die neuerliche Kriegshetze des Senders vorzugehen. Die "Medienagentur für Menschenrechte" hat bei der niedersächsischen Landesmedienanstalt beantragt, TRT-INT die Lizenz zu entziehen. In anderen Bundesländern werden Klagen gegen den Sender überlegt. Wir dokumentieren den Beschluß von YEK-KOM und die Klage der Medienagentur. - (rül)

_Der Aufruf von YEK-KOM_

"Der staatliche türkische Fernsehsender TRT-INT wird bundesweit ins Kabelnetz eingespeist. Dieser Sender fällt seit Jahren durch seine rassistische und insbesondere kurdenfeindliche Programmgestaltung auf. Seit dem Beginn der militärischen Offensive der türkischen Armee gegen die Kurden in Südkurdistan verbreitet TRT-INT Spendenaufrufe zur Finanzierung des Krieges. Am 17. April hat TRT-INT eine auf die Dauer von 36 Stunden angelegte Sendung gestartet, in der Soldaten, Schüler, Richter, Generäle, Parlamentsabgeordnete, Gewerkschafter etc. als beispielhafte Geldgeber präsentiert werden und die Zuschauer zu Spenden aufrufen. Ganz offen werden alle Türken aufgefordert, diesen 'glorreichen Feldzug' zu unterstützen. Während der Sendung werden Spendenkonten und Kontakttelefonnummern eingeblendet. Seit Tagen werden die verstümmelten Leichen von Kurden als Siegestrophäen den Fernsehzuschauern präsentiert.

Dies ist ein beispielloser Skandal. Im Kabelnetz wird Rasssenhaß und Kriegsverherrlichung betrieben. TRT-INT mobilisiert die Türken in Deutschland gegen die Kurden. Wir, die Unterzeichner dieses Aufrufs, fordern die Verantwortlichen auf, TRT-INT sofort aus dem Kabelnetz zu entfernen und gegen TRT-INT rechtlich vorzugehen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Freundinnen und Freunde,

wir, die Föderation kurdischer Vereine in Deutschland (YEK-KOM), sind empört über die rassistischen, kriegsverherrlichenden und kurdenfeindlichen Sendungen von TRT-INT. Wir rufen alle demokratischen Organisationen auf, unseren Aufruf zu unterstützen und weiterzuverbreiten. Redaktionsschluß für die Unterzeichnung dieses Aufrufs ist der 27.4.95.

Mit freundlichen Grüßen

Yüksel Koc

YEK-KOM, Von-Gall-Str. 2, 44807 Bochum, Tel. 0234-541118, Fax: 0234-541194

_Der Antrag der Medienagentur_

mfm medienagentur für menschenrechte, Postfach 1841, 27738 Delmenhorst, Tel.:04221/53948, Fax: 04221/54639, Autoruf: 0172-429 6289

Delmenhorst, 17. April 1995

An die Landesmedienanstalt Niedersachsen Seelhorststrasse 18 30175 Hannover

Betr.: Antrag auf Einleitung eines Beanstandungsverfahrens gegen den türkischen Sender TRT INT mit dem Ziel des Entzugs der Erlaubnis auf Einspeisung in das niedersächsische Kabelnetz.

Sehr geehrte Damen und Herren,

die "medienagentur für menschenrechte (mfm)" stellt den Antrag auf Einleitung eines Beanstandungsverfahrens gegen den türkischen Fernsehsenders TRT INT. Ziel des Verfahrens ist der Entzug der Zulassung auf Einspeisung des Senders in das niedersächsische Kabelnetz nach 15, 18 (2,3,4,6), 23 (2), 51 (2) des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes. Ausführliche Materialien (Videoaufzeichnungen) sowie eine rechtliche Würdigung werden nachgereicht. Wegen der Dringlichkeit ist der Weg des Sofortvollzugs geboten.

_Begründung_

Seit Beginn der militärischen Offensive der türkischen Armee in der UN-Schutzzone des Nordirak am 19. März 1995 verbreitet der türkische Fernsehsender TRT INT in unregelmässigen Abständen Aufrufe, in denen zur Sammlung von Geld zur Finanzierung des Militäreinsatzes aufgerufen wird. In den Sendungen wird durch Wortbeiträge kenntlich gemacht, daß die gesammelten Gelder ausschließlich zur Finanzierung von Kriegshandlungen verwendet werden.

Am Montag, 17. April, hat der Fernsehsender TRT INT., der in das niedersächsische Kabelnetz eingespeist wird, eine auf 36 Stunden Dauer angelegte Sendung gestartet, mit der das gleiche Ziel verfolgt wird. Zu Wort kamen Schülerinnen und Schüler, Richter, Generäle, Parlamentsabgeordnete, Gewerkschafter etc., die beispielhaft als Geldgeber präsentiert wurden, und die die Zuschauer zu Geldspenden aufforderten, mit denen die Kriegshandlungen im Nordirak finanziert werden sollen. Die Sendung wurde zu einer Tageszeit ausgestrahlt, die auch Kindern und Jugendlichen zugänglich war. Während der Sendung wurden Bankkonten eingeblendet, auf die das Geld überwiesen werden sollte. (Beweismittel: Videokassetten 1,2).

Damit wird der Tatbestand des Verstoßes gegen 23 des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes erfüllt, der in Absatz 1 ein Verbot zur Aufstachelung zum Rassenhaß und in Absatz 2 ein Verbot der Kriegsverherrlichung enthält. Auch Absatz 4 wird berührt, weil die Sendungen geeignet sein koennen, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden.

_Zum Hintergrund:_

Der Einmarsch der türkischen Armee in die UN-Sicherheitszone des Nordirak ist von der Bundesrepublik Deutschland sowie von den Außenministern der Europäischen Union verurteilt worden. Die Türkei wurde zum Rückzug ihrer Truppen aufgefordert.

Nach Einschätzung namhafter Völkerrechtler, unter ihnen der Hamburger Völkerrechtler Professor Norman Paech, stellt die militärische Aktion einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar (s. Anlage ...). Die Invasion sei eine widerrechtliche Okkupation, die das Einschreiten des UN-Sicherheitsrates und der NATO-Führung erforderlich mache.

Die türkische Armee operiert seit 1984 im Südosten der Türkei (Kurdistan) gegen die PKK. Den Kriegshandlungen sind bisher nach Angaben des türkischen Menschenrechtsministers Azimet Koeylüoglu mehr als 15000 Zivilisten zum Opfer gefallen, staatlich organisierter Mord und Folter sind an der Tagesordnung (Beweismittel: Interview mit dem Menschenrechtsminister von Oktober 1994, Veröffentlichungen medico international).

Jüngste Veröffentlichungen über die Auswirkungen der militärischen Operationen der türkischen Armee im Nordirak auf die Zivilbevölkerung in den dortigen Flüchtlingslagern (ARD: D. Sauter, ZDF: M. Bainczyk) legen den begründeten Verdacht nahe, daß die türkische Armee auch in der UN-Sicherheitszone laufend Menschenrechtsverletzungen begeht.

Ein Fernsehsender, der zur Finanzierung und Fortsetzung dieser Praxis auffordert, erfüllt u.E. nicht die Bestimmungen des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes. Seine Einspeisung in das Kabelnetz ist daher zu überprüfen und die Genehmigung dafür zurückzuziehen.

Hilfsweise behält sich die "medienagentur für menschenrechte" vor, Strafanzeige wegen Verstoß gegen Artikel 26 des Grundgesetzes (Verbot eines Angriffskrieges, Werbung dafür) zu erstatten. Wir gehen davon aus, daß die Landesmedienstalt von sich aus tätig werden wird, um ihrer Aufsichtspflicht zu genügen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Vogel, Redaktionsleiter

Nachzuliefernde Materialien: 2 Videokassetten der 36 Spendenaktion von TRT INT. bei Bedarf: 14 Videokassetten TRT Medienbeobachtung; Interview türkischer Menschenrechtsminister kurdistan aktuell (Herausgeber: medico international)

Rechtliche Begründung: Anlage: _Depeschen_ Nr. 2/3, Interview Norman Paech. Juristische Vertretung: RA Torsten Rückoldt, Brake

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Die süddeutsche Kurdistan-Delegation berichtet von ihren Erfahrungen_

Eine süddeutsche Kurdistan-Delegation ist am Dienstag, den 18.4. 1995 zurückgekommen. Über die Umstände ihre Verhaftung veröffentlichen wir einen (kurz vor ihrer Ausreise fertiggestellten) Bericht aus Ingolstadt. - (wob)

Beim Versuch, etwas über den Verbleib der 80, vom türkischen Militär verschleppten Bewohner des Dorfes Heskermergi (türk.: Kurucuyir Köy) zu erfahren, wurden die 11 Delegationsteilnehmerlnnen verhaftet. Nach 24 Stunden Inhaftierung wurden sie dem Haftrichter vorgeführt, der die sofortige Abschiebung veranlaßte.

Die südbayerischen DelegationsteilnehmerInnen aus München, Ingolstadt, Taufkirchen und Landshut flogen bereits am Sonntag, 9. April, nach Adana/ Türkei. Ziel der Delegation, der JournalistInnen, VertreterInnen humanitärer Organisationen, Mitglieder aus Kurdistansolidaritätsgruppen sowie die Abgeordnete des deutschen Bundestags, Eva Bulling-Schröter angehören, war es, so weit wie möglich in das Operationsgebiet der türkischen Armee vorzudringen und dort mit Zivilisten und Flüchtlingen in Kontakt zu treten. "Es scheint uns dies die einzige Möglichkeit zu sein, gesicherte Informationen aus dem Aufmarschgebiet des Nato-Partners zu erhalten", so die Teilnehmer.

An der Grenzstation Habur wurde der Delegation allerdings die Einreise nach Süd-Kurdistan (Nord-Irak) verweigert. Genehmigungen für den Grenzübertritt werden nach Aussagen der deutschen Botschaft lediglich an wenige humanitäre Organisationen sowie JoumalistInnen mit Sondergenehmigung des türkischen Außenministeriums erteilt. Die deutsche Botschaft unternahm keinerlei Anstrengungen, für die Delegation eine solche Genehmigung zu erwirken, und offenbarte damit ihr Einverständnis mit der Politik des türkischen Regimes: Augenzeugen unerwünscht!

Von diesem Zeitpunkt an wurde die Überwachung der Delegation durch die "Sicherheitskräfte" derart intensiviert (u.a. Panzerfahrzeug BRT 20 als "Begleitschutz"), daß jegliche Kontaktaufnahme und Gespräche mit der Bevölkerung zunächst unmöglich waren. Am folgenden Freitag, 14. April, wurden 4 Mitglieder der Darmstädter Beobachterdelegation während des Aufenthaltes in vom Militär zerstörten Dörfern in der Nähe Diyarbakirs festgenommen.

Erst nach mehrstündigem Verhör kamen sie wieder frei. Die Pässe wurden ihnen erst am darauffolgenden Tag wieder ausgehändigt. Das beschlagnahmte Filmmaterial wurde von der Polizei entwickelt, um Gesprächspartner der Delegation zu identifizieren. Diesen Menschen drohen nun massive Repressalien des Staates.

Trotz ständiger Oberwachung und Einschüchterung durch paramilitärische und Polizeikräfte hatte die Beobachterdelegation am Samstag, 15. April, Gelegenheit, in das Dorf Heskermergi (türkisch: Kurucuyir Köy) zu gelangen, das tags zuvor vom Militär mit Panzern und Helikoptern attackiert wurde. Sämtliche Frauen und Kinder des Ortes wurden mehrere Stunden im Klassenzimmer der Dorfschule zusammengepfercht und einige von ihnen auf barbarische Weise gedemütigt und gefoltert. Eine Dorfbewohnerin, die von Soldaten mit einer brennenden Flüssigkeit übergossen worden war, wurde unter den Augen der Delegation von Bauern mit einem Traktor Richtung Krankenhaus abtransportiert.

Vier Dorfbewohner und eine Dorfbewohnerin mußten sich vor aller Augen nackt ausziehen und wurden dann von den Militärs durch den Schmutz geschleift, wobei diese drohten, die Kinder des Dorfes zu ermorden. Außerdem wurden sie von dem diensthabenden Offizier gezwungen, sich als Mitglieder der PKK zu bezeichnen und diese als verantwortlich für den Überfall zu erklären. Dabei wurden ca. 80 Männer mißhandelt und anschließend in der nahegelegenen Stadt Silvan inhaftiert.

Um etwas über den Verbleib der 80 verschleppten Männer zu erfahren, fuhr die Delegation am Sonntag, 16. April, nach Silvan.

Die Kontaktaufnahne zu den Inhaftierten wurde vom Militär verhindert. Der Protest der Delegationsteilnehmer-Innen wurde schließlich mit deren Verhaftung beantwortet. Die Behauptungen des Auswärtigen Amtes, die Verhaftung sei wegen einer verbotenen Demonstration erfolgt, sind offensichtlich falsch.

Nach 24-stündiger Inhaftierung wurden sie dem Haftrichter vorgeführt, der ihre sofortige Abschiebung veranlaßte. Während der gesamten Haft durften die Gefangenen weder Kontakt zur deutschen Botschaft noch mit Rechtsanwälten aufnehmen.

Die DelegationsteilnehmerInnen wurden am Abend des Montag, 17. April, nach Istanbul geflogen. Mittlerweile befinden sie sich in einem Hotel in Istanbul und versuchen für Dienstag eine Pressekonferenz zu organisieren.

Die Strategie des türkischen Regimes ist klar: mit solch massiver Bedrohung wird eine Einschüchterungspolitik gegenüber Beobachterdelegationen betrieben. Augenzeugen vor Ort stellen ein zu grosses Risiko dar!

Die DelegationsteilnehmerInnen können allerdings die Türkei wieder verlassen. Die kurdische Bevölkerung bleibt weiter den Morden und Folterungen des Militärs ausgesetzt!

Es ist mehr nötig, als nur Betroffenheit! Die KurdInnen benötigen unsere Solidarität und tatkräftige Unterstützung!

(aus: _Lokalberichte München_)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_betrifft: KIB-Verbot, Halim Dener, Kani Yilmaz ..._

"Als Vertreter des KIB haben wir bereits im März das Vereinsverbot angefochten, weil seine Begründung unschlüssig, rechtlich unhaltbar ist und gegen wichtige Grundrechte verstößt und politisch darauf hinausläuft, die Bemühungen um eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts weiter zu erschweren ...

Am 4. Mai beginnt das Hearing zum Auslieferungsersuchen vor dem zuständigen Londoner Gericht, in dem ich als sachverständiger Zeuge aussagen soll, warum Kani Yilmaz bei einer Auslieferung nach Deutschland die Gefahr der Schlechterbehandlung aus politischen Gründen besteht. Als sein Verteidiger in dem Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Rädelsführerschaft in einer "terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK und der Mittäterschaft an schweren Brandstiftungen" habe ich soeben Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, weil mein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger abgelehnt wurde ...

Während der Osterferien ging uns der Beschluß der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover zu, wonach eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Landeskriminalamtes Niedersachsen eingeholt werden soll. U.a. zur Frage, ob der Einschußwinkel unter Berücksichtigung der Schußentfernung (etwa 10 cm) usw. mit den Angaben des Angeschuldigten vereinbar ist - wie berichtet soll es sich um ein Versehen handeln ...

Das Verwaltungsgericht Bremen (8. Kammer) hat soeben ausführlich begründet: Die Teilnahme an den Wahlen zum kurdischen Nationalparlament gefährde die innere Sicherheit Deutschlands nicht, die Wahlen müßten "auf dem Hintergrund des Bestrebens der Kurden, ein völkerrechtlich anerkanntes Selbstbestimmungsrecht zu erlangen, gesehen werden ... Unter diesem Blickwinkel können die Wahlenvergleichbar etwa mit früheren Exilparlamenten des ANC in Südafrika oder der Palästinenser - als politische Willensbildung im Vorfeld völkerrechtlicher Autonomiebestrebungen gewertet oder auch nur als eine von Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckte demonstrativ symbolisch angelegte Handlung der politischen Meinungsäußerung gedeutet werden." ...

(RA H.-Eberhard Schultz, Bremen, 21.4.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Niederlande: Demonstration gegen türkische Aggression_

Am Samstag, den 15. April, kamen in Groningen (Niederlande) 200 KurdInnen und HolländerInnen zur Demonstration gegen die türkische Invasion in Südkurdistan, für die Einstellung aller Wirtschafts- und Militärhilfe an das türkische Regime und für das Selbstbestimmungsrecht des kurdischen Volkes. Diese Demonstration wurde unterstützt von 41 Gruppen, darunter mehrere Gewerkschaften von LehrerInnen, Beamten und christlichen Arbeitern, Asylantenorganisationen, Frauengruppierungen, Organisationen von Ausländern, das Komitee von SozialhilfeempfängerInnen und einige linke Parteien.

Die Groninger Polizei hatte erstmals Beschwerden gegen die Demonstration, weil sie (Wortlaut) wegen telefonischer Drohungen die Sicherheit der KurdInnen nicht garantieren konnte. Die holländischen TeilnehmerInnen haben daraufhin die kurdischen GenossInnen und FreundInnen "eingeschlossen", um sie zu schützen, und so die Demonstration weitergeführt ...

(Koerdistan Platform Groningen, Postbus 2107, 9704 CC Groningen, NL)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_betr.: MED-TV Empfangsmöglichkeiten_

In der letzten Ausgabe hatten wir über die Aufnahme des Sendebetriebs des kurdischen Fernsehsenders "MED-TV" berichtet. Danach erhielten wir Anfragen, wie der Sender zu empfangen ist. Hier eine Auskunft (ohne Gewähr) dazu von einem CL-Netz-Nutzer:

"Der neue kurdische Fernsehkanal Med-TV zeigt zeitweise Spielfilme mit deutschen Untertiteln. Med-TV sendet mit britischer Lizenz täglich von 18 bis 21 Uhr über Eutelsat II-F2 (10 Grad Ost) auf 11.575 GHz horiz. Polarisation." Quelle: cl-Netz - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Sofort Repressionen gegen "Yeni Politika"_

Die staatliche Repression gegen die neue Zeitung hat schon vor ihrem ersten Erscheinen erneut begonnen. Am 2. April wurden die beiden Diyarbakir-Korrespondenten Emin Aslanoglu und Mevlüt Bozkur, die mit zwei ausländischen Journalisten unterwegs waren, bei der Militärstation Kagitli festgenommen. Beschäftigte des Staatskrankenhauses Diyarbakir erklärten, daß sie die beiden immer noch in Haft befindlichen Korrespondenten am 7. April in sehr schlechtem Gesundheitszustand im Krankenhaus gesehen haben.

Am Mittag des 7. April wurden die Zentrale von _Yeni Politika_ in Istanbul von der politischen Polizei überfallen. Alle Anwesenden wurden zur "Abteilung für Terrorismusbekämpfung" verschleppt. Nach längeren Verhören wurde gegen Özgül Tasci Haftbefehl erlassen, er wurde ins Gefängnis Bayrampasa gebracht, die anderen Festgenommenen wurden wieder freigelassen.

Quelle: KURD-A, 8.4., _Yeni Politika_, 14. und 15.4. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Guerillaaktionen in Nordkurdistan im Zeitraum 5. bis 22. April_

_5. April_

In der Nähe des Dorfes Sex Cuma bei Kulp wurde eine Guerillagruppe aufgrund einer Denunziation von der türkischen Armee mit Panzern angegriffen. Das Gefecht verlagerte sich in die Kirixund Kember-Berge und dauerte zwei Tage. Ein massives Militäraufgebot kam zu Verstärkung. Elf verletzte GuerillakämpferInnen, die sich in eine Höhle zurückgezogen hatten, wurden zunächst beschossen und dann durch Einsatz von Giftgas ermordet.

Die Landstraße Batman-Kurtalan wurde von der ARGK kontrolliert. 100 Fahrzeuge wurden angehalten, die Reisenden überprüft und agitiert. Zwei vorbeifahrende Panzer wurden von der Guerilla mit Raketen beschossen.

Auf der Landstraße Erzurum-Yayladere wurde das Militär von der ARGK angegriffen. Zwei Soldaten wurden getötet und zwei verletzt. Zwei zur Verstärkung gerufene Militärfahrzeuge wurden ebenfalls beschossen, dabei wurde eins völlig zerstört.

_6. April_

Im Dreieck Hani-Lice-Genc wurde eine Einheit der türkischen Armee auf der nördlich von Lice gelegenen Sehitler-Alm von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans an vier Punkten gleichzeitig angegriffen. Bei dem den ganzen Tag lang andauernden Gefecht hatte die Guerilla keine Verluste. Die Staatskräfte, deren Verluste nach Guerillaquellen sehr hoch sein sollen, verheimlichten ihre Verluste.

Die Landstraße Batman-Diyarbakir wurde von der ARGK kontrolliert. Im Verlauf der Kontrollen wurde ein Polizeifahrzeug von der Guerilla beschossen.

_7. April_

In Dersim wurde die 8. Armee, die einen Tag zuvor eine Militäroperation in dem Gebiet begonnen hatte, von der ARGK angegriffen. Bei dem ersten Gefecht wurde ein Soldat schwer verletzt. Danach wurden zwei Hügel, auf denen sich die Armeekräfte stationiert hatten, von der Guerilla angegriffen. Die Soldaten auf dem einen Hügel ergriffen die Flucht. Auf dem zweiten Hügel wurden die Zelte beschossen. Bei einem weiteren Angriff im gleichen Gebiet wurden vier Soldaten getötet. Am nächsten Morgen lief diese Einheit in einen Hinterhalt der ARGK. Die Vorhut wurde getötet, woraufhin der Rest der Truppe die Flucht ergriff.

_8. April_

Bei einem Angriff der ARGK auf die 8. Armee in Dersim bei Zingok wurden zwei Soldaten getötet und zwei verletzt. Der Rest der Truppe ergriff die Flucht.

Später wurde diese Gegend durch die türkische Armee massiv mit Artillerie beschossen. Ein Befreiungskämpfer ist durch die Geschosse gefallen.

In Bingöl-Kigi wurde eine 40-köpfige Armeeinheit, die den Ort zu Fuß betreten wollte, von der ARGK angegriffen. Bei dem Gefecht wurden zehn Soldaten getötet und ein Guerillero verletzt.

_9. April_

In Erzurum-Yedisu wurden Soldaten der Militärstation Agmas auf dem Weg zu einer Operation von der ARGK angegriffen. Sechs Soldaten wurden getötet, zwei Militärtransporter beschossen. Nach dem Angriff gaben die Soldaten die geplante Operation auf und traten geschlagen den Rückzug an.

Im Dreieck Lice-Genc-Hani wurde eine türkische Armeeinheit auf dem Weg zu einer Operation von der Guerilla angegriffen, 12 Soldaten wurden getötet.

In den Cudi-Bergen wurden die türkischen Staatskräfte von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans von zwei Seiten angegriffen und traten daraufhin den Rückzug an.

Bei einem Gefecht bei Ciyaye Lore im Gabar-Berg wurde ein Offizier getötet.

Bei Angriffen der ARGK auf die Militärstationen Golika und Gowendi in Sason wurden 13 Soldaten getötet.

_12. April_

Bei einem Gefecht im "Dorfschützer"-Dorf Ciyak bei Kulp wurden zwei "Dorfschützer" getötet und zwei verletzt. Die türkische Armee, die mit einem Panzer eingreifen wollte, wurde ebenfalls von der ARGK angegriffen und mit Raketen beschossen.

In Mardin kam es in den Dörfern Sili (Kreis Idil) und Herben (Kreis Kerboran) zu Gefechten zwischen "Dorfschützern" und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans. Dabei wurden ein "Dorfschützer"-Chef und fünf "Dorfschützer" getötet und Vieh von der Guerilla beschlagnahmt.

In der Militärstation Eruh legten kurdische Soldaten eine Mine neben ihren Kommandanten. Durch die Detonation der Mine wurden dem Kommandanten die Beine abgerissen, drei Soldaten wurden verletzt.

In Botan kam es in dem Gebiet Bestler zu einem heftigen Gefecht zwischen der türkischen Armee und der Guerilla.

In Dersim-Simko wurden türkische Truppen von der Guerilla angegriffen. Von den zwei Einheiten, die auf dem Mam-Resa-Hügel stationiert waren, wurde eine völlig zerschlagen, von der anderen wurden zwei Offiziere und 14 Soldaten getötet.

Bei einem Gefecht zwischen der Volksbefreiungsarmee Kurdistans und "Dorfschützern" im Dorf Seli bei Lice wurden ein Guerillero und drei "Dorfschützer" getötet und zwei "Dorfschützer" verletzt.

In Iskenderun (Türkei) kam es zu einem Gefecht zwischen der ARGK und den Staatskräften. Die Guerilla hatte keine Verluste, die Staatskräfte verschweigen ihre Verluste.

_14. April_

In Sason kam es bei Helkiz zu einem Gefecht zwischen der Guerilla und Staatskräften. Nachdem sieben "Dorfschützer" getötet wurden, kam Militär zur Verstärkung, das in einen Hinterhalt der ARGK geriet. Bei dem Gefecht wurden neun Soldaten und vier Befreiungskämpfer getötet.

_15. April_

Am Gabar-Berg legte die ARGK zwischen Ciyaye Bizina und Misare einen Hinterhalt gegen eine Militärpatrouille. Bei dem vierstündigen Gefecht hatte die Guerilla keine Verluste, die Staatskräfte verheimlichten ihre Verluste.

In der Gegen Misare wurden bei einem Gefecht bei Sina zwei Soldaten und zwei Guerilleros getötet.

In dem "Dorfschützer"-Dorf Gülnak in Tatvan wurden bei einem Gefecht zwischen der ARGK und den "Dorfschützern" sechs "Dorfschützer" und ein Guerillero getötet.

_16. April_

In Yüksekova wurde die auf dem Hügel Vargenima stationierte Armeeeinheit von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Die Guerilla eroberte den Hügel. Bei dem Gefecht wurden 15 Soldaten und drei ARGK-KämpferInnen getötet.

In der Nähe von Güclükonak beschlagnahmte die Volksbefreiungsarmee Kurdistans 500 Schafe des Großgrundbesitzers Baho. Die Guerilla wurde zwei Mal von "Dorfschützern" angegriffen. Bei den Gefechten zwischen der Guerilla und den "Dorfschützern" wurden einmal acht und das zweite Mal neun "Dorfschützer" getötet.

Bei einem Angriff der Guerilla auf Soldaten der türkischen Armee am Cudi-Berg wurden 12 Soldaten getötet.

Bei Gefechten zwischen der Volksbefreiungsarmee Kurdistans und "Dorfschützern" in Kozluk-Sason wurden 16 "Dorfschützer" und vier Befreiungskämpfer getötet.

_17. April_

Die Guerilla sprengt eine Erdölleitung in der Nähe von Silopi. Es entstand großer Sachschaden.

Im Stadtzentrum von Siirt wurde eine Militärunterkunft von der ARGK mit Raketen angegriffen. Das Gebäude wurde durch neun Raketen getroffen und stark zerstört.

In Sirnak wurden bei einem Hinterhalt der ARGK gegen türkische Soldaten vier Soldaten getötet und zwei verletzt. Bei einem Angriff der Volksbefreiungsarmee Kurdistans auf eine Panzerbrigade in Sirnak wurden 12 Soldaten getötet.

_19. April_

Am Abend drang die Guerilla von vier Seiten in die Stadt Sirnak ein. Sie griff Polizeiunterkünfte und einen von "Dorfschützern" bewohnten Stadtteil mit B-7 und BCK Raketen an. Es kam zu mehreren kleinen Gefechten, bei denen die Guerilla keine Verluste hatte.

In der Nähe der Stadt Nazimiye wurde ein Polizeipanzer von der Guerilla mit Raketen beschossen, alle Insassen wurden getötet. Bei der anschließenden Operation der Staatskräfte kam es zu einem Gefecht, bei der ein Befreiungskämpfer verletzt wurde.

_20. April_

Die türkische Armee, die zuerst den Eri-Hügel in Sirnak-Cizre aus der Luft bombardiert hatte und dann zu einer Bodenoperation aufbrach, wurde von der Guerilla angegriffen. Zwei Soldaten wurden getötet und viele verletzt.

Im Stadtzentrum von Yüksekova wurde durch eine von der Stadtguerilla gelegten Bombe in einem staatlichen Gebäude großer Sachschaden angerichtet.

In Kigi geriet ein Militärkonvoi bei Geri Adakli in einen Hinterhalt der Guerilla. Dabei wurde ein Fahrzeug total zerstört und ie anderen wurden beschädigt. Es kam zu einem bis zum Abend andauernden Gefecht, das die Armee zum Rückzug zwang. Die auf dem Rückzug befindlichen Soldaten wurden erneut von der Guerilla angegriffen. In Kigi kam es an diesem Tag auch noch zu einem weiteren Gefecht.

In Nazimiye wurde die Militärstation Dereova von der Guerilla angegriffen. Bei dem Gefecht wurden drei Soldaten getötet. Die ARGK eroberte viel Militärmaterial.

_22. April_

Auf der Landstraße Sirnak-Cizre wurde ein Militärkonvoi von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Ein Mannschaftstransporter wurde total zerstört und die Insassen vermutlich alle getötet, ein Militärbus wurde durch die Schüsse beschädigt.

Die Militärstation Sivgedik in Kigi wurde von der ARGK mit Raketen angegriffen. Acht Soldaten wurden getötet und viele verletzt, es entstand großer Sachschaden.

Quelle: KURD-A, 9.4. bis 24.4. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_In eigener Sache ..._

Die Staatsanwaltschaft Köln hat beantragt, gegen den presserechtlich verantwortlichen Redakteur des _Kurdistan-Rundbriefs_ ein Verfahren vor der Staatsschutzkammer des Kölner Landgerichts zu eröffnen. Ihr Vorwurf: In der Rubrik "Kontaktadressen der Kurdistan-Solidarität" würden die früheren Anschriften des seit November 1993 verbotenen Kurdistan-Komitees und des Verbands "Feyka Kurdistan" genannt. Da es sich dabei um Anschriften, Telefon- und Fax-Nummern von verbotenen, aber nach Meinung dieses Staatsanwalts dennoch "noch existenten" Vereinigungen handele, sei die weitere Veröffentlichung dieser Anschriften eine mit Strafe bedrohte "Werbung", Beihilfe usw. für verbotene Vereinigungen.

Bereits vor etwa einem Jahr hatte ein anderer Kölner Staatsanwalt in einem Ermittlungsverfahren wissen wollen, warum wir im Impressum weiter die verbotenen Vereinigungen als "zur Zeit verboten" führen. Unsere Antwort: Weil sie Herausgeber waren, das Verbot ihnen dies zur Zeit nicht erlaubt, sie gegen die Verbote klagen und wir hoffen, daß sie nach erfolgreicher Klage wieder Herausgeber werden können. Das stellte damals den Staatsanwalt zufrieden, er stellte die Ermittlungen ein. Jetzt hat uns dasselbe Verfahren wieder ereilt, gleiche Staatsanwaltschaft, aber eine andere ermittelnde Person. Der stuft jetzt unsere Erklärung zum Impressum als bloße "Schutzbehauptung" ein. Sein "Argument": Die wahre staatsgefährdende Absicht sehe man an der weiteren Nennung der alten Kontaktadressensiehe oben.

Der beschuldigte Redakteur kontrollierte verdutzt: Das Kurdistan-Komitee verboten, aber Postanschrift, Telefon- und Fax-Nummer "noch existent"? Sollte das von Kanther verhängte Verbot etwa von der Deutschen Bundespost oder der Telekom in staatsgefährdender Absicht unterlaufen werden? Ein Anruf bei der unter "Kontaktadressen" genannten Telefonnummer des früheren "Kurdistan-Komitees" brachte zutage: "Kein Anschluß unter dieser Nummer!"

Ein Rechtsanwalt ist eingeschaltet und wird versuchen, die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Aber: Die Staatsanwaltschaften sollen zentrale Weisung haben, einmal aufgenommene Ermittlungsverfahren wegen "Fortsetzung verbotener Vereinigungen" oder ähnlichen Delikten auf keinen Fall einzustellen, sondern stets zu einer gerichtlichen Entscheidung zu treiben. Also wird womöglich die Staatsschutzkammer beim Kölner Landgericht das Verfahren tatsächlich eröffnen, die vermeintlich staatsgefährdende Tat prüfen und womöglich noch einmal beim früheren "KurdistanKomitee" anrufen müssen - der Wahrheitsfindung wegen. - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Betr. Spendensammlung_

Im November 1994 hatten wir erstmals zu Spenden aufgerufen: 16000 DM sind nötig, um die Zeitung ein weiteres Jahr zu finanzieren. Über den Spendeneingang haben wir seitdem regelmäßig berichtet. Eine erfreuliche Ergänzung: die "Arbeitsgemeinschaften BWK" in und bei der PDS haben auf ihrer Frühjahrstagung im März vereinbart, daß sie sich bemühen werden, insgesamt 12.000 DM Spenden zu mobilisieren. Ca. 500 DM sind seitdem bereits eingegangen. Damit und mit den bisher von anderen Leserinnen und Lesern eingegangenen Einzelspenden ist die finanzielle Sicherung des "Kurdistan-Rundbriefs" einen großen Schritt weiter, zumal auch bei den Abos eine zwar leichte Zunahme zu berichten ist. Jetzt fehlen bis Ende des Jahres noch ca. 2.000 DM Spenden! Hier der letzte Stand: Bis zum 21.4. gingen auf dem Konto _3.110 DM_ Spenden ein.

Spendenkonto: GNN-Verlag Berlin (Kontoinhaber) Postbank Berlin Konto-Nr. 415031-105 BLZ 10010010 Stichwort: Spende Kurdistan-Rundbrief.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Presseschau_

_Türkei über Europa enttäuscht_

... Die Gründung eines kurdischen Exilparlaments in Den Haag hat eine Natokrise heraufbeschworden. Als ungewöhnliches Zeichen scharfen Protestes gegen die Niederlande berief die Türkei gestern eine Sondersitzung des Natobotschafterrates ein, wie aus Kreisen des Bündnisses verlautete. ... (_Badische Neueste Nachrichten_, 21.4.95)

_Türkei stoppt Waffenkauf aus den Niederlanden_

Die Türkei hat die Niederlande auf eine "Rote Liste" der Länder gesetzt, die für den Natostaat "keine vertrauenswürdigen Partner" sind. Ein Sprecher des Außenministeriums, Ferhat Ataman, sagte gestern in Ankara, nach der am Vortag getroffenen Entscheidung würden von den Niederlanden keine Waffen und militärisches Gerät gekauft. (_Badische Neueste Nachrichten_, 27.4.95)

_Frist bis Juni_

Die parlamentarische Versammlung des Europarates droht der Türkei mit Ausschluß aus der Staatenorganisation, falls keine wesentlichen Fortschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte und der friedlichen Regelung des Kurdenkonflikts erreicht werden.

Die 239 Parlamentarier aus 34 Europaratsländern verlangen in der am Dienstag in Straßburg vorgelegten Resolution von der Regierung in Ankara einen Rückzug der Truppen aus dem Nordirak und einen exakten Zeitplan für die zugesagten Verfassungsänderungen, um den demokratischen Grundsätzen der Staatenorganisation zu entsprechen. ... (_Handelsblatt_, 26.4.95)

_Europarat schwächt ... ab_

... In dem geänderten Resolutionsentwurf wird nicht mehr auf dem sofortigen Rückzug der türkischen Truppen aus dem Irak bestanden ... Nicht zuletzt auf Betreiben christlich-demokratischer Abgeordneter aus Deutschland wurde in dem Resolutionsentwurf die Verurteilung des Terrors der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) aufgenommen sowie das Recht der Türkei bestätigt, "in den Grenzen des Völkerrechts" den Terrorismus zu bekämpfen. ... (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 26.4.95)

_Türken beenden Mitarbeit in Europarat-Versammlung_

Die zwölf türkischen Europarats-Parlamentarier haben am Donnerstag aus Protest gegen den drohenden Ausschluß der Türkei ihre Mitarbeit in der parlamentarischen Versammlung der 34 Staaten eingestellt. Der stellvertretende Ministerpräsident Hikmet Cetin kritisierte in Ankara heftig die Ausschlußdrohung des Europarates vom Vortag. Der Europarat hatte ultimativ Verfassungsreformen in der Türkei und den sofortigen Abzug der türkischen Truppen aus dem Nordirak angemahnt; andernfalls solle Ankara aus der Staatenorganisation ausgeschlossen werden. (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 28.4.95)

_IG-Metall tritt für Kurden ein_

Die Kurdenpolitik der Türken muß nach Ansicht des IG Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel international verurteilt werden. Zwickel forderte die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, daß die Europäische Union den Anfang März unterschriebenen Zollunionvertrag mit der Türkei nicht ratifiziert. Wer Menschen- und Völkerrechte verletzte, habe in Europa nichts verloren, sagte Zwickel am Montag auf der 4. Ausländerkonferenz der IG im nordrhein-westfälischen Sprockhövel. ... (_Frankfurter Rundschau_, 25.4.95)

_Stuttgart verweist auf Garantien aus Ankara_

Der baden-württembergische Innenminister Frieder Birzele (SPD) hat nach eigenen Angaben von der türkischen Regierung weitere Rechtsgarantien für die überwachte Abschiebung abgelehnter kurdischer Asylbewerber zugesagt bekommen. Birzele teilte am Montag in Stuttgart mit, er habe in der Türkei zudem "entscheidende Fortschritte" in der Frage erreicht, wie diese Garantien in die Praxis umgesetzt werden können.

Birzele sagte, Innenminister Mentese habe ihm zugesichert, daß die zunächst auf straffällig gewordene Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) begrenzten Verfahrensgarantien auf "alle rückkehrpflichtigen Türken" erweitert würden. Die türkische Anwaltsvereinigung habe ihm überdies zugesagt, für Verfahren gegen Zwangs-Heimkehrer die "Schirmherrschaft" zu übernehmen. ... (_Frankfurter Rundschau_, 25.4.95)

_Kurden in Schleswig-Holstein ... asylberechtigt_

Kurden aus den türkischen Gebieten, für die Kriegsrecht gilt, sollen nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Oberverwaltungsgerichts grundsätzlich als Asylberechtigte anerkannt werden. Ein Gerichtssprecher in Schleswig sagte, das Oberverwaltungsgericht habe als erstes OVG eine inländische Fluchtalternative für Kurden verneint. Der Vierte Senat des Gerichts entschied, daß Kurden aus den betroffenen zehn Provinzen der Türkei allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit verfolgt würden und im Land keine Fluchtmöglichkeit haben. Nach Ansicht der Richter werden in den östlichen Provinzen Kurden als Gruppe verfolgt ...

Das türkische Militär, das den Terror der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) bekämpfe, mache dabei keinen Unterschied zwischen PKK-Mitgliedern und zwischen Zivilbevölkerung, erklärte Richter Peter Nissen. Aus mehreren Gutachten sei außerdem deutlich geworden, daß Kurden, die in den westlichen Großstädten der Türkei Schutz vor Verfolgung suchen, auch dort keine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung fänden. ...Revision gegen das Urteil ließ das Oberverwaltungsgericht nicht zu. ... (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 28.4.95)

_IG Medien kritisiert ... TRT_

Die Ausstrahlung von "Kriegspropaganda" durch den türkischen Fernsehsender TRT in Deutschland hat die IG Medien scharf kritisiert. Der Sender hatte zu einer Spendenaktion für den türkischen Militäreinsatz im Irak aufgerufen. Dies müsse sofort abgestellt werden, forderte die IG Medien. (_Handelsblatt_, 21.4.95)

_USA für Autonomie ..._

Die USA haben sich am Montag für eine Autonomie der Kurden in den vier Staaten ausgesprochen, in denen die Volksgruppe siedelt. Die US-Regierung sei zwar weiter gegen die Einrichtung eines souveränen kurdischen Staates, sie befürworte aber die Möglichkeit einer Selbstverwaltung der in der Türkei, Irak, Iran und Syrien lebenden Kurden ... (_Frankfurter Rundschau_, 11.4.95)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Öcalan: "Lösen wir die Probleme auf dem Weg von Verhandlungen"_

_PKK-Generalsekretär zu den angeblichen PKK-Anschlägen in der BRD:_ _"Wir wollen nicht, daß es zu Zwischenfällen kommt"_

Der Generalsekretär der PKK, Abdullah Öcalan, erneuterte seine Verhandlungsangebote und die Forderung nach Stopp der Waffenlieferungen an die Türkei und Aufhebung des PKK-Verbots in Deutschland letzte Woche in einem Aufruf an die Bundesregierung, den wir hier in voller Länge wiedergeben.

"Die Kurdistan-Frage ist mehr als je zuvor ein internationales Problem geworden. Eine politische Lösung dieses Problems steht so gut wie vor der Tür, doch Deutschland und andere Staaten ignorieren das noch immer. Es hatte negative Folgen, daß sie die grenzenlosen schlimmen Methoden der Türkischen Republik, die Vernichtung und Massaker an den KurdInnen, unterstützt haben. Wir erwarten, daß sie dies nicht unterstützen. Das ist die Erwartung des kurdischen Volkes. Das kurdische Volk reagiert mit großer Wut auf die von der türkischen Armee praktizierten Methoden des schmutzigen Krieges, Massaker, Dorfzerstörungen und Vertreibung.

Wir wollten nie, daß es in Europa zu Gewaltakten kommt und wollen es auch heute nicht. Die Unterstützung Deutschlands für die türkische Spezialkriegspolitik hat unter der in Deutschland lebenden kurdischen Bevölkerung Wut ausgelöst. Wir wollen nicht, daß es zu Zwischenfällen kommt, das möchten wir ganz deutlich erklären.

Wir sind davon überzeugt, daß einige Schritte sehr nützlich sein würden, Zwischenfälle zu vermeiden. Einen Stopp der Waffenlieferungen, eine Énderung der Unterstützung einer militärischen Lösung der kurdischen Frage, also eine Unterstützung einer nichtmilitärischen Lösung der kurdischen Frage und die Sicherstellung der Menschenrechte halten wir in diesem Zusammenhang für einen positiven Schritt. Der nächste Schritt wäre, daß Deutschland sich stärker für eine politische Lösung einsetzen muß. Solche Schritte würden dazu führen, daß unser (d. Übers.: in Deutschland lebendes) Volk auch die Gesetze respektiert, sowie späterer großer Unterstützung den Weg öffnen.

Es geht nicht nur darum, daß wir das wollen; auch die Menschenrechte und die Demokratie erfordern diese Art von Schritten, die wir von der deutschen Regierung erwarten. Wir erwarten, daß die kurdischen Nation, die auf eine sehr alte Geschichte im Mittleren Osten zurückblicken kann und den ihr zustehenden Platz in der Welt einnehmen will, genauso behandelt wird, wie die anderen Nationen auch. Wir wollen nichts besonderes für unsere Partei. Wir überlassen es der deutschen Öffentlichkeit und dem deutschen Volk selbst abzuschätzen, was das Recht einer Nation sein muß.

Initiativen zur Verbesserung der Menschenrechtssituation sind eine Pflicht der Menschlichkeit gegenüber dem einem Völkermord ausgesetzten kurdischen Volk. In Erwägung, daß die deutsche und die gesamte europäische Öffentlichkeit bezüglich Menschenrechten sehr sensibilisiert ist, ist es wichtig, daß die westlichen Regierungen sich für eine politische Lösung einsetzen und größere Schritte dafür unternehmen. Das Bestehen der Prüfung der Demokratie für die KurdInnen bedeutet auch die Lösung einer Reihe von Problemen des Mittleren Ostens.

Unter Berücksichtigung, daß vor allem die Verantwortung der deutschen Regierung besonders schwer wiegt, erwarten wir, daß sie die Vorreiterrolle für eine politische Lösung spielt.

Wenn dies geschieht, kann sie auch mit einer freundschaftlichen Haltung unsererseits rechnen. Wir erwarten die sofortige Aufhebung des Verbots der PKK und ERNK in Deutschland, dann sind auch Gespräche mit uns zur Lösung der Probleme auf dem Weg des politischen Dialogs möglich. Solche Schritte werden auch für die Bundesregierung von Vorteil sein. Vor allem das Vermeiden eines innenpolitischen Durcheinanders und eine erfolgreiche Türkeipolitik, ohne die Interessen der Völker zu schädigen, ist von der Entwicklung unserer gegenseitigen Beziehungen abhängig. Wir sind davon überzeugt, daß ein so großer Staat in der Lage sein muß, die in diesem Bereich bisher unternommenen falschen Schritte wieder gutzumachen und daß es möglich ist, nunmehr ausgeglichene, gesunde Beziehungen durch Gespräche zwischen uns zu entwickeln. Wir erklären noch einmal, daß wir auf dieser Basis bereit sind, unseren Teil dabei zu erfüllen.

Die jüngste Okkupation Südkurdistans durch die türkische Armee bringt nicht nur keine Lösung für die kurdische Frage, sondern verschärft den Krieg noch mehr. Dadurch wurde die Lösung des Problems Südkurdistans unlösbar gemacht. Die jüngste Okkupation und die Politik der Türkei richtet sich auf jeden Fall gegen die gesamte kurdische Nation. Es hat sich jetzt ganz deutlich gezeigt, daß die Militäroperationen keinen Erfolg haben. Es ist an der Zeit, jetzt friedliche und demokratische Lösungsmöglichkeiten anzugehen.

Die Südkurdistan-Operation ist für die türkische Armee ein Mißerfolg. Jetzt, wo diese Operation zuende geht, erwarten wir von der europäischen Öffentlichkeit, den demokratischen Kreisen und den westlichen Regierungen, daß sie auf eine politische Lösung bestehen und Initiativen in diese Richtung weiterbetreiben. Wir haben bei jeder Gelegenheit erklärt, daß wir für eine friedliche, demokratische, politische Lösung offen sind und daß wir immer zu einem beidseitigen Waffenstillstand, einem Referendum, einem offenen Dialog und einer demokratischen Diskussion bereit sind. Wir wiederholen diesen Aufruf noch einmal. Von unserer Seite aus gibt es kein Hindernis und wir sind dazu bereit."

nach: KURD-A, 14.4.95

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Die süddeutsche Kurdistan-Delegation berichtet von ihren Erfahrungen_

Eine süddeutsche Kurdistan-Delegation ist am Dienstag, den 18.4. 1995 zurückgekommen. Über die Umstände ihre Verhaftung veröffentlichen wir einen (kurz vor ihrer Ausreise fertiggestellten) Bericht aus Ingolstadt. - (wob)

Beim Versuch, etwas über den Verbleib der 80, vom türkischen Militär verschleppten Bewohner des Dorfes Heskermergi (türk.: Kurucuyir Köy) zu erfahren, wurden die 11 Delegationsteilnehmerlnnen verhaftet. Nach 24 Stunden Inhaftierung wurden sie dem Haftrichter vorgeführt, der die sofortige Abschiebung veranlaßte.

Die südbayerischen DelegationsteilnehmerInnen aus München, Ingolstadt, Taufkirchen und Landshut flogen bereits am Sonntag, 9. April, nach Adana/ Türkei. Ziel der Delegation, der JournalistInnen, VertreterInnen humanitärer Organisationen, Mitglieder aus Kurdistansolidaritätsgruppen sowie die Abgeordnete des deutschen Bundestags, Eva Bulling-Schröter angehören, war es, so weit wie möglich in das Operationsgebiet der türkischen Armee vorzudringen und dort mit Zivilisten und Flüchtlingen in Kontakt zu treten. "Es scheint uns dies die einzige Möglichkeit zu sein, gesicherte Informationen aus dem Aufmarschgebiet des Nato-Partners zu erhalten", so die Teilnehmer.

An der Grenzstation Habur wurde der Delegation allerdings die Einreise nach Süd-Kurdistan (Nord-Irak) verweigert. Genehmigungen für den Grenzübertritt werden nach Aussagen der deutschen Botschaft lediglich an wenige humanitäre Organisationen sowie JoumalistInnen mit Sondergenehmigung des türkischen Außenministeriums erteilt. Die deutsche Botschaft unternahm keinerlei Anstrengungen, für die Delegation eine solche Genehmigung zu erwirken, und offenbarte damit ihr Einverständnis mit der Politik des türkischen Regimes: Augenzeugen unerwünscht!

Von diesem Zeitpunkt an wurde die Überwachung der Delegation durch die "Sicherheitskräfte" derart intensiviert (u.a. Panzerfahrzeug BRT 20 als "Begleitschutz"), daß jegliche Kontaktaufnahme und Gespräche mit der Bevölkerung zunächst unmöglich waren. Am folgenden Freitag, 14. April, wurden 4 Mitglieder der Darmstädter Beobachterdelegation während des Aufenthaltes in vom Militär zerstörten Dörfern in der Nähe Diyarbakirs festgenommen.

Erst nach mehrstündigem Verhör kamen sie wieder frei. Die Pässe wurden ihnen erst am darauffolgenden Tag wieder ausgehändigt. Das beschlagnahmte Filmmaterial wurde von der Polizei entwickelt, um Gesprächspartner der Delegation zu identifizieren. Diesen Menschen drohen nun massive Repressalien des Staates.

Trotz ständiger Oberwachung und Einschüchterung durch paramilitärische und Polizeikräfte hatte die Beobachterdelegation am Samstag, 15. April, Gelegenheit, in das Dorf Heskermergi (türkisch: Kurucuyir Köy) zu gelangen, das tags zuvor vom Militär mit Panzern und Helikoptern attackiert wurde. Sämtliche Frauen und Kinder des Ortes wurden mehrere Stunden im Klassenzimmer der Dorfschule zusammengepfercht und einige von ihnen auf barbarische Weise gedemütigt und gefoltert. Eine Dorfbewohnerin, die von Soldaten mit einer brennenden Flüssigkeit übergossen worden war, wurde unter den Augen der Delegation von Bauern mit einem Traktor Richtung Krankenhaus abtransportiert.

Vier Dorfbewohner und eine Dorfbewohnerin mußten sich vor aller Augen nackt ausziehen und wurden dann von den Militärs durch den Schmutz geschleift, wobei diese drohten, die Kinder des Dorfes zu ermorden. Außerdem wurden sie von dem diensthabenden Offizier gezwungen, sich als Mitglieder der PKK zu bezeichnen und diese als verantwortlich für den Überfall zu erklären. Dabei wurden ca. 80 Männer mißhandelt und anschließend in der nahegelegenen Stadt Silvan inhaftiert.

Um etwas über den Verbleib der 80 verschleppten Männer zu erfahren, fuhr die Delegation am Sonntag, 16. April, nach Silvan.

Die Kontaktaufnahne zu den Inhaftierten wurde vom Militär verhindert. Der Protest der Delegationsteilnehmer-Innen wurde schließlich mit deren Verhaftung beantwortet. Die Behauptungen des Auswärtigen Amtes, die Verhaftung sei wegen einer verbotenen Demonstration erfolgt, sind offensichtlich falsch.

Nach 24-stündiger Inhaftierung wurden sie dem Haftrichter vorgeführt, der ihre sofortige Abschiebung veranlaßte. Während der gesamten Haft durften die Gefangenen weder Kontakt zur deutschen Botschaft noch mit Rechtsanwälten aufnehmen.

Die DelegationsteilnehmerInnen wurden am Abend des Montag, 17. April, nach Istanbul geflogen. Mittlerweile befinden sie sich in einem Hotel in Istanbul und versuchen für Dienstag eine Pressekonferenz zu organisieren.

Die Strategie des türkischen Regimes ist klar: mit solch massiver Bedrohung wird eine Einschüchterungspolitik gegenüber Beobachterdelegationen betrieben. Augenzeugen vor Ort stellen ein zu grosses Risiko dar!

Die DelegationsteilnehmerInnen können allerdings die Türkei wieder verlassen. Die kurdische Bevölkerung bleibt weiter den Morden und Folterungen des Militärs ausgesetzt!

Es ist mehr nötig, als nur Betroffenheit! Die KurdInnen benötigen unsere Solidarität und tatkräftige Unterstützung!

(aus: _Lokalberichte München_)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_betrifft: KIB-Verbot, Halim Dener, Kani Yilmaz ..._

"Als Vertreter des KIB haben wir bereits im März das Vereinsverbot angefochten, weil seine Begründung unschlüssig, rechtlich unhaltbar ist und gegen wichtige Grundrechte verstößt und politisch darauf hinausläuft, die Bemühungen um eine politische Lösung des Kurdistan-Konflikts weiter zu erschweren ...

Am 4. Mai beginnt das Hearing zum Auslieferungsersuchen vor dem zuständigen Londoner Gericht, in dem ich als sachverständiger Zeuge aussagen soll, warum Kani Yilmaz bei einer Auslieferung nach Deutschland die Gefahr der Schlechterbehandlung aus politischen Gründen besteht. Als sein Verteidiger in dem Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Rädelsführerschaft in einer "terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK und der Mittäterschaft an schweren Brandstiftungen" habe ich soeben Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt, weil mein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger abgelehnt wurde ...

Während der Osterferien ging uns der Beschluß der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover zu, wonach eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Landeskriminalamtes Niedersachsen eingeholt werden soll. U.a. zur Frage, ob der Einschußwinkel unter Berücksichtigung der Schußentfernung (etwa 10 cm) usw. mit den Angaben des Angeschuldigten vereinbar ist - wie berichtet soll es sich um ein Versehen handeln ...

Das Verwaltungsgericht Bremen (8. Kammer) hat soeben ausführlich begründet: Die Teilnahme an den Wahlen zum kurdischen Nationalparlament gefährde die innere Sicherheit Deutschlands nicht, die Wahlen müßten "auf dem Hintergrund des Bestrebens der Kurden, ein völkerrechtlich anerkanntes Selbstbestimmungsrecht zu erlangen, gesehen werden ... Unter diesem Blickwinkel können die Wahlenvergleichbar etwa mit früheren Exilparlamenten des ANC in Südafrika oder der Palästinenser - als politische Willensbildung im Vorfeld völkerrechtlicher Autonomiebestrebungen gewertet oder auch nur als eine von Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckte demonstrativ symbolisch angelegte Handlung der politischen Meinungsäußerung gedeutet werden." ...

(RA H.-Eberhard Schultz, Bremen, 21.4.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_18. April: ARGK-Generalkommandatur zur Lage in Südkurdistan_

In einer am 18. April von ihrem Pressebüro verbreiteten Erklärung schilderte die Generalkommandatur der ARGK die Situation in Südkurdistan 30 Tage nach Beginn des türkischen Einmarsches so:

"Der kolonialfaschistische türkische Staat hat bei seiner nun einen Monat lang andauernden Besatzungsoperation in Südkurdistan eine große Niederlage erlitten. Die kolonialfaschistische türkische Armee konnte durch den heldenhaften Widerstand unserer Guerillaeinheiten in viele Gebiete Südkurdistans nicht eindringen und wurde aus allen anderen Gebieten mit Ausnahme von Zaxo und Umgebung vertrieben. Das wurde auch vom Generalstab der faschistischen Armee mit den Worten: 'Das ist ein Sumpf wie in Vietnam, deshalb haben wir uns gerettet, indem wir da nicht reingegangen sind' zugegeben. Die türkische Armee ist mit ihrer Spendenkampgagne: 'Los Türkei, Hand in Hand mit den Mehmetiks (türkischen Soldaten)' auf das Niveau eines Straßenbettlers gesunken.

Die Lage an der Kriegsfront sieht nach den 30 Tagen folgendermaßen aus: Die türkische Armee konnte in dem Gebiet Xankurke, in das sie mit viel Getöse eingedrungen ist, nicht mit einer einzigen unserer Einheiten fertigwerden und wurde gezwungen, den Rückzug anzutreten. In dem breiten Grenzgebiet der Gegend um Awasin und Zap in Südkurdistan konnte die Armee überhaupt nicht durchkommen, sie wurde bei ihren dutzenden Versuchen, dort die Grenze zu überschreiten, immer wieder von unseren Einheiten zurückgeworfen und aufgerieben. In den Gebieten Metina-Kani Masi-Kela Qumriye-Hizor und Zendura-Tal, wo es zu heftigen Gefechten gekommen ist, wurden die türkischen Armeeinheiten bei dem Versuch, sich dort festzusetzen, jeden Tag von unserer Guerilla angegriffen und nun am 30. Tag aus diesen Gebieten vollkommen vertrieben. Derzeit befinden sich die türkischen Armeeinheiten nur noch in den Gebieten Haftanin und Zaxo, wo sie ebenfalls jede Nacht von unseren Guerillaeinheiten geschlagen werden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir sie auch aus Haftanin und Zaxo vertrieben haben. Die Erklärungen der Sprecher der TR: 'Wir ziehen uns nicht aus dem Nordirak zurück' taugen nicht mehr, als diejenigen zu täuschen, die keine Ahnung von Kurdistan haben.

Die Besatzungsoperation des türkischen Staates in Südkurdistan ist allerdings eine Operation des psychologischen Krieges und der Einschüchterung und grausamen Unterdrückung der Zivilbevölkerung. Es darf nicht vergessen werden, daß dieser Versuch der Okkupation Südkurdistans mit der Explosion einer Autobombe im Stadtzentrum von Zaxo begonnen wurde, bei der ca. 200 Menschen verletzt wurden, und daß er weiterging mit der Ermordung von Hirten und zuletzt mit der Ermordung von acht Menschen, die auf der Landstraße Zaxo-Derkar mit dem Auto unterwegs waren. In den 30 Tagen hat die türkische Armee in Südkurdistan 27 ZivilistInnen ermordet, drei verletzt und dutzende Hirten verhaftet. Hier die Namen einiger südkurdischer Dörfer, die in den letzten 30 Tagen von der türkischen Armee bombardiert und entvölkert worden sind: Dergele, Selaze, Dersis, Ravina, Ormane, Hedina, Herebina, Kerero, Gisika, Mezra Ciya, Hese, Rehulke, Mergate, Baverkekete, Gevre, Beheke, Evinka, Yusufka, Kani Belave, Ismailka, Vaze, Bahaka, Kare, Tirvanis, Sace und Semev.

Jedes Eindringen der türkischen Massakerarmee in den vergangenen 30 Tagen wurde von unseren Guerillakräften mit mehreren hundert heldenhaften Gegenschlägen beantwortet. Der heldenhafte Widerstand unserer Volksbefreiungsarmee hat eine von Tag zu Tag wachsende Unterstützung des südkurdischen Volkes zur Folge. Wie sich an den Beispielen in den Dörfern Eniske und Yekmal gezeigt hat, griffen unsere Guerillaeinheiten auch gemeinsam mit dem Volk die türkische Armee an. Hier die Gesamtbilanz der 30 Tage Widerstand unserer Volksarmee und unseres Volkes in Südkurdistan:

Wir haben insgesamt 190 Aktionen in Form von Hinterhalten, Angriffen, Gefechten, Minenlegen, Beschießen, Infiltration und Attentaten durchgeführt. Bei 55 der Gefechte konnten die Verluste der türkischen Armee festgestellt werden, bei den anderen sind sie nicht bekannt geworden.

Von uns feststellbar hatte die feindliche Armee insgesamt 1047 Tote und mindestens ebensoviele Verletzte. Unter Berücksichtung der hohen Dunkelziffer schätzen wir die Gesamtzahl der Verluste der feindlichen Armee in den 30 Tagen auf das Dreifache.

Von den getöteten feindlichen Kräften, über die uns gesicherte Informationen vorliegen, waren 17 Dorfschützer, einer Bataillionskommandanten, drei Offiziere, ein Unteroffizier und die übrigen ranglose Soldaten. 22 der Soldaten starben, indem sie sich in einen Fluß stürzten.

In den vergangenen 30 Tagen haben wir drei Fahrzeuge der türkischen Armee total zerstört und acht beschädigt, vier Panzer zerstört und vier beschädigt, einen Hubschrauber zerstört und zwei beschädigt.

Bei den am 19. März 1995 begonnenen und immer noch andauernden Gefechten zwischen der türkischen Armee und unseren Einheiten in Südkurdistan haben wir bis zum 17. April 45 gefallene MärtyrerInnen und 42 Verletzte gehabt. Die Verletzten wurden größtenteils nur leicht verletzt und befinden sich bereits wieder in ihren Einheiten.

Sicherlich fehlt in dieser Bilanz vieles über die Verluste der türkischen Armee, doch allein die von uns hier wiedergegebenen gesicherten Zahlen zeigen schon, wie verlogen die Siegesmeldungen des türkischen Staates sind. Die Wahrheit ist, daß wir sie weiterhin so effektiv geschlagen haben wie in den ersten beiden Wochen des Krieges in Südkurdistan und sie große Verluste einstecken mußten. Mit den zunehmenden Verlusten der türkischen Armee begannen ihre Sprecher immer märchenhaftere Nachrichten zu verbreiten, wie viele unserer Kräfte sie geschlagen hätten. Wir empfehlen der Öffentlichkeit, die Sprecher der türkischen Armee, die behaupten, sie würden aus dem Nordirak nicht mehr abziehen wollen, zu fragen, wo sie denn dort überhaupt sind.

Genausowenig wie ihre Grausamkeit und ihre Massaker die Türkische Republik noch retten können, werden auch ihre Lügennachrichten nicht in der Lage sein, die Lebensdauer des Regimes zu verlängern. Die Ciller-Cetin-Regierung ist nur noch ein politischer Leichnam. Es wird nur noch kurze Zeit dauern, bis wir diesen begraben können.

Wir haben die türkische Armee in den 30 Tagen aus Südkurdistan hinausgeworfen. Auch die Bestrebungen der TR, südkurdische Kreise in ihren Dienst zu stellen, sind von Anfang an gescheitert. Selbst wenn ihnen das gelungen wäre, wäre es für uns nicht schwer gewesen, auch sie zu zerschlagen.

Unsere die türkische Armee aus Südkurdistan vertreibenden Guerillaeinheiten können ihre Kontrolle und Macht in Südkurdistan von Tag zu Tag vergrößern. Genauso wie in Südkurdistan ist es auch in Nordkurdistan für unsere Guerillaeinheiten nicht schwer, die türkische Armee zu schlagen und ihre Militäroperationen in ein Fiasko zu verwandeln.

Unsere große Frühjahrsoffensive 1995 bringt uns auf dem Weg unserer historischen Ziele rasch voran. Wir haben uns dem Sieg noch mehr genähert."

(Pressebüro der ARGK-Generalkommandatur, 18. April 1995)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Südkurdistan:_ _Chronologie der Kämpfe gegen die türkische Okkupationsarmee_

_6. April_

Auf der Brücke bei der Zufahrtsstraße nach Zaxo wurde das Fahrzeug des Besitzers des Restaurants "Hewal" gegen 20 Uhr von der türkischen Armee beschossen. Neun Mitglieder der Familie Irfan, darunter auch kleine Kinder, wurden durch die Schüsse ermordet.

Der Gouverneur von Dohuk erklärte, daß die türkische Armee bisher 35 Dörfer in Südkurdistan entvölkert und teilweise zerstört hat. 15000 Menschen sind auf der Flucht.

Örtliche Quellen erklärten, daß die türkische Armee bei ihrem Rückzug Richtung Norden immer massiver gegen die Zivilbevölkerung in Südkurdistan vorgeht. Sie berichteten am 14. April bereits von 50 entvölkerten und zum Teil niedergebrannten Dörfern in den Gebieten Kani Masi und Sersing. 30 Menschen aus diesem Gebiet sind von der türkischen Armee verschleppt worden und seitdem verschwunden. Bei dem Überfall der türkischen Armee auf das Dorf Ciye in Sersing ermordeten Soldaten die Bewohner Ahmed Fettah Hesen, Abdulkadir Izzedxan (60), Serbest Abdulkadir Izzedxan (13), Ismail Hüseyin Mehmed Serif, Zeki Guli und Abdullah Teli Hesen auf dem Dorfplatz durch Schläge mit Gewehrläufen und Tritte. Im Dorf Bafe in Kani Masi folterten die Soldaten die Bewohner auf dem Dorfplatz und ermordeten die Bauern Abdullah Mehmed (40) und Abdullah Süleyman (35) vor den Augen der anderen durch Folter.

Bei mehreren Gefechten zwischen der türkischen Armee und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans in Südkurdistan wurden insgesamt 55 Soldaten getötet.

_7. April_

Die sich auf dem Kani Masi-Hügel stationierten türkischen Soldaten wurden von der ARGK angegriffen. 25 Soldaten wurden getötet. Die Guerilla konnte große Mengen Waffen erbeuten. Als die ARGK-Kräfte auf dem Rückzug waren, wurde das Gebiet von der türkischen Armee mit Cobra-Hubschraubern bombardiert. Durch das Bombardement sind zwei Guerillakämpfer gefallen.

_8. April_

Die türkischen Truppen wurden in der Basya-Schlucht im Gebiet Amediye zwei Mal von der ARGK angegriffen.

Bei Kani Masi in dem Gebiet zwischen Habur und dem Zap-Fluß kam es zu einem Gefecht zwischen der Guerilla und der türkischen Armee, bei dem der Armee hohe Verluste beigebracht worden sein sollen.

Der Flugplatz Sifreza der Brigade Cukurca wurde von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans mit Raketen angegriffen.

In Xankurke wurde die türkische Armee an vier Punkten von der ARGK angegriffen. Sieben Soldaten wurden getötet, viele verletzt. Vier Guerilleros wurden verletzt, zwei von ihnen wurden in starkem Schneefall abgeschnitten, ihnen erfroren die Füße.

Die türkische Armee überfiel alle Dörfer im Gebiet Lelkan und nahm den Bauern die Waffen weg. Ein Bauer namens Ahmet wurde von den Soldaten verschleppt, über sein Schicksal wurde nichts bekannt.

_9. April_

Nach einem Überfall der türkischen Armee auf die BewohnerInnen der Dörfer Yekmal und Hesen, wo sie mehrere Häuser niederbrannten, wurden die türkischen Soldaten in der Nähe des Dorfes Yekmal von der ARGK von vier Seiten angegriffen. 15 Soldaten wurden getötet. Die zur Verstärkung gerufenen türkischen Staatskräfte wurden ebenfalls angegriffen. Die Guerilla konnte große Mengen deutscher G-3 Gewehre und anderer Waffen erbeuten.

_10. April_

Bei einem Gefecht zwischen der TR-Armee und der ARGK bei Kani Masi wurde ein Soldat getötet. Fünf Soldaten, die sich der Guerilla ergeben wollten, wurden von anderen Soldaten durch Schüsse ermordet.

Bei einem Gefecht zwischen den Okkupationstruppen und der ARGK in der Basya-Schlucht im Gebiet Behdinan wurden drei Soldaten getötet und zwei verletzt.

Das Dorf Sewi wurde von der türkischen Armee überfallen. Sie zündete Häuser an und bedrohte die BewohnerInnen. Die ARGK kam zu dem Überfall, vertrieb die türkische Armee aus dem Dorf und brachte ihr hohe Verluste bei.

In Sehrazor wurde die "Demokratische Einheitsplattform" verschiedener Organisationen gegen die türkische Okkupation gegründet. Nach der Gründung gab es eine Demonstration. Auch in den Städten Renya und Kaladiz kamen 3000 Menschen zu einer Demonstration gegen die Okkupation türkischer Truppen in Südkurdistan. Die KDP wollte die Demonstrationen verhindern, jedoch ohne Erfolg.

_15. April_

Die auf einem Hügel bei Geliye Pusawa in Haftanin stationierten türkischen Soldaten wurden von der ARGK angegriffen. Bei dem Gefecht wurden 20 Soldaten getötet und 30 verletzt. Ein ARGK-Kämpfer ist bei dem Gefecht gefallen. Die Guerilla konnte große Mengen Waffen und Munition erbeuten.

_16. April_

Hubschrauber, die Soldaten von Haftanin nach Nordkurdistan zurücktransportierten, von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans mit Raketen beschossen. Ein mit Soldaten vollbesetzter Hubschrauber wurde abgeschossen.

_20. April_

Die türkischen Truppen verminen bei ihrem Rückzug in Xankurke strategisch wichtige Hügel und sprengen Brücken. Das Gebiet rechts des Ufers des Zap wurde von der türkischen Luftwaffe bombardiert.

In Haftanin wurden die türkischen Armeekräfte auf dem Hügel Sinek von zwei Seiten aus von der ARGK angegriffen. Es kam zu einem heftigen Gefecht.

_21. April_

Die türkischen Truppen versuchten, sich Richtung Grenze zurückzuziehen, wurden dabei an mehreren Punkten von der ARGK angegriffen. Gefechte gab es in auch in dem Gebiete Seranis in Haftanin. Die türkische Armee wollte sich auf den Berg Xartura zurückziehen und wurde von der ARGK angegriffen. Bei dem vierstündigen Gefecht wurden 19 Soldaten getötet.

_22. April_

Die türkischen Armeekräfte wurden auf dem Rückzug Richtung Grenze im Gebiet Bircella und Avasin an mehreren Stellen von der ARGK angegriffen.

Quellen: KURD-A, 8. bis 22. April - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Bericht zu "Morde unbekannter Täter" erschienen_

Nach einer ausführlichen Untersuchung von über 900 mysteriösen Todesfällen - darunter die Morde an dem kurdischen Schriftsteller Musa Anter, dem DEP-Abgeordneten Mehmet Sincar und dem Unternehmer Savas Buldan - ist eine von der Großen (Türkischen) Nationalversammlung eingesetzte Untersuchungskommission zu dem Schluß gekommen, daß die meisten dieser Morde direkt oder indirekt auf das Konto des Staates gehen. Erwähnt werden u.a. von Polizei und Präfekt geförderte Trainingslager der Hizbullah in Batman-Gercüs, die Zusammenarbeit zwischen staatlichen Organen und sog. Abschwörern, die unmittelbar vor seinem Tod erfolgte Entführung von Savas Buldan u.a. durch Zivilpolizisten in Istanbul. Durchgängig ist von "politischen Morden" die Rede. Bei der Regierungspartei DYP ist der Bericht zurückgewiesen worden. Er sei nicht loyal und entspreche nicht der Wahrheit. Parteivorstandsmitglied Ismail Köse, der an der Kommission beteiligt war, behauptet, in der Türkei gebe es keine von der Regierung beauftragten Mordtruppen, insbesondere keine Konterguerilla. Die 11 anderen Kommissionsmitglieder würden die Unwahrheit sagen.

Quelle: _Yeni Politika_, 23.4. - (J)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_Sofort Repressionen gegen "Yeni Politika"_

Die staatliche Repression gegen die neue Zeitung hat schon vor ihrem ersten Erscheinen erneut begonnen. Am 2. April wurden die beiden Diyarbakir-Korrespondenten Emin Aslanoglu und Mevlüt Bozkur, die mit zwei ausländischen Journalisten unterwegs waren, bei der Militärstation Kagitli festgenommen. Beschäftigte des Staatskrankenhauses Diyarbakir erklärten, daß sie die beiden immer noch in Haft befindlichen Korrespondenten am 7. April in sehr schlechtem Gesundheitszustand im Krankenhaus gesehen haben.

Am Mittag des 7. April wurden die Zentrale von _Yeni Politika_ in Istanbul von der politischen Polizei überfallen. Alle Anwesenden wurden zur "Abteilung für Terrorismusbekämpfung" verschleppt. Nach längeren Verhören wurde gegen Özgül Tasci Haftbefehl erlassen, er wurde ins Gefängnis Bayrampasa gebracht, die anderen Festgenommenen wurden wieder freigelassen.

Quelle: KURD-A, 8.4., _Yeni Politika_, 14. und 15.4. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 9, Jg. 8, 4.5.1995

_In eigener Sache ..._

Die Staatsanwaltschaft Köln hat beantragt, gegen den presserechtlich verantwortlichen Redakteur des _Kurdistan-Rundbriefs_ ein Verfahren vor der Staatsschutzkammer des Kölner Landgerichts zu eröffnen. Ihr Vorwurf: In der Rubrik "Kontaktadressen der Kurdistan-Solidarität" würden die früheren Anschriften des seit November 1993 verbotenen Kurdistan-Komitees und des Verbands "Feyka Kurdistan" genannt. Da es sich dabei um Anschriften, Telefon- und Fax-Nummern von verbotenen, aber nach Meinung dieses Staatsanwalts dennoch "noch existenten" Vereinigungen handele, sei die weitere Veröffentlichung dieser Anschriften eine mit Strafe bedrohte "Werbung", Beihilfe usw. für verbotene Vereinigungen.

Bereits vor etwa einem Jahr hatte ein anderer Kölner Staatsanwalt in einem Ermittlungsverfahren wissen wollen, warum wir im Impressum weiter die verbotenen Vereinigungen als "zur Zeit verboten" führen. Unsere Antwort: Weil sie Herausgeber waren, das Verbot ihnen dies zur Zeit nicht erlaubt, sie gegen die Verbote klagen und wir hoffen, daß sie nach erfolgreicher Klage wieder Herausgeber werden können. Das stellte damals den Staatsanwalt zufrieden, er stellte die Ermittlungen ein. Jetzt hat uns dasselbe Verfahren wieder ereilt, gleiche Staatsanwaltschaft, aber eine andere ermittelnde Person. Der stuft jetzt unsere Erklärung zum Impressum als bloße "Schutzbehauptung" ein. Sein "Argument": Die wahre staatsgefährdende Absicht sehe man an der weiteren Nennung der alten Kontaktadressensiehe oben.

Der beschuldigte Redakteur kontrollierte verdutzt: Das Kurdistan-Komitee verboten, aber Postanschrift, Telefon- und Fax-Nummer "noch existent"? Sollte das von Kanther verhängte Verbot etwa von der Deutschen Bundespost oder der Telekom in staatsgefährdender Absicht unterlaufen werden? Ein Anruf bei der unter "Kontaktadressen" genannten Telefonnummer des früheren "Kurdistan-Komitees" brachte zutage: "Kein Anschluß unter dieser Nummer!"

Ein Rechtsanwalt ist eingeschaltet und wird versuchen, die Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Aber: Die Staatsanwaltschaften sollen zentrale Weisung haben, einmal aufgenommene Ermittlungsverfahren wegen "Fortsetzung verbotener Vereinigungen" oder ähnlichen Delikten auf keinen Fall einzustellen, sondern stets zu einer gerichtlichen Entscheidung zu treiben. Also wird womöglich die Staatsschutzkammer beim Kölner Landgericht das Verfahren tatsächlich eröffnen, die vermeintlich staatsgefährdende Tat prüfen und womöglich noch einmal beim früheren "KurdistanKomitee" anrufen müssen - der Wahrheitsfindung wegen. - (rül)