Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Gemeinsamer Protest kurdischer Organisationen_ _gegen die türkische Aggression in Südkurdistan_

Die Plattform kurdischer Organisationen, die unter anderem von der PKK, der PSK, KAWA und PIK getragen wird, hat bezüglich der jüngsten militärischen Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan folgende Presseerklärung veröffentlicht.

"In der Nacht vom 19. auf den 20. März hat die türkische Armee mit mehreren zehntausend Soldaten und schwerster Kriegsartillerie sowie Panzern, Kanonen und Tankfahrzeugen die Grenze über Habur überschritten.

Nachdem die nächstliegende Stadt Zaxo belagert wurde, bewegte sich das Militär 380 km entlang der Grenze und ist 40 km in das Landesinnere eingedrungen. Die Grenzdörfer Darkar und Hiziva wurden besetzt und die männlichen Bewohner verhaftet. Ferner wurde über der Stadt Zaxo eine Ausgangssperre verhängt und zahlreiche Personen festgenommen.

Laut Angaben des Flüchtlingskommissariats der UNO in Genf wurden im Gebiet Ertus bei Zaxo über 700 Kriegsflüchtlinge aus Nord-Kurdistan, die sich in den Flüchtlingscamps der UNO aufhielten, verhaftet und mit Militärfahrzeugen zu einem unbekannten Ort verschleppt.

Die türkische Armee hatte in der letzten Zeit in Süd-Kurdistan ähnliche Angriffe durchgeführt. Seit einiger Zeit waren wir im Besitz der Nachricht, daß die türkische Armee eine militärische Großoffensive starten wolle.

Die türkische Regierung und der Generalstab werden, wie auch bei den früheren Angriffen, versuchen, die Weltöffentlichkeit mit Lügen zu täuschen, daß die Angriffe sich gegen die Guerilla der PKK richten, die sich in diesem Gebiet aufhalten sollen. In diesem Gebiet wurden seit 1992 keine PKK-Stellungen geortet.

Die Dorfbewohner, die die türkische Armee nach der Besetzung festnimmt - besser gesagt als Geiseln nimmt - sind keine geringeren als die Zivilbevölkerung. Die Behauptung der türkischen Regierung, in diesem Gebiet Stellungen der PKK ausfindig gemacht zu haben, zeigt ihre Doppelzüngigkeit. Die Regierung versucht, ihre Großoffensive durch solche Täuschungsmanöver als einen gerechtfertigten Angriff darzustellen.

Der Angriff der türkischen Armee in Süd-Kurdistan ist nichts anderes als eine Besatzungsinvasion. Es ist eine Invasion, die alle internationalen Rechte mit Füßen zertritt, die Souveränität der südkurdischen Konföderation mißachtet und das Ziel hat, die patriotischen Kräfte anzugreifen. Seine Aussage ist eine offizielle Unterstützung des Saddam-Regimes. Nach Informationen aus dieser Region werden in den besetzten Orten weiterhin systematische Verhaftungen vollzogen. Durch die Angst vor Massakern würde das Volk in die inneren Regionen flüchten. Das Volk ist vom Saddam-Regime, das vom Süden her angreift, und von der türkischen Armee umzingelt.

Seit 1991 führt die Türkei Angriffe in Süd-Kurdistan durch mit dem Vorwand, Stellungen der PKK zu neutralisieren. Die westlichen Staaten und die internationalen Gremien haben mit ihrer Zurückhaltung gegenüber diesen Angriffen die Türkei zu weiteren Angriffen ermutigt.

Wir fordern die Vereinten Nationen und alle anderen Staaten sowie die internationalen Mechanismen auf, den türkischen Einmarsch als Aggression zu verurteilen und dessen Rückzug zu verlangen. Die Flüchtlinge in Kurdistan müssen von den Vereinten Nationen geschützt werden. Ebenso muß der Schutz für die verschleppten Flüchtlinge gewährleistet werden."

Quelle: Kurd-A, 25.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kurdischer Roter Halbmond: Offener Brief an das UNHCR und das IKRK_

In zwei offenen Briefen an den Internationalen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat der kurdische Rote Halbmond die Untaten der türkischen Aggressionsarmee in Süd-Kurdistan beschrieben und um humanitäre Hilfe für die kurdische Bevölkerung gebeten.

HEYVA SOR A KURDISTANE Kurdischer Roter Halbmond In der Stehle 26 53547 Kasbach Ohlenberg Tel. 02644/8891 Fax: 02644/7845

Sparkasse Bochum: Kto. Nr. 4400453 BLZ: 430 500 01

HEYVA SOR A KURDISTANE ist als gemeinnützige und mildtätige Körperschaft anerkannt.

An den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Herrn Dr. Cornelio Sommaruga 19, Avenue de la Plaix CH-1202 Geneve 22. März 1995

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie bereits wissen, hat der türkische Staat am 19.3.1995 eine sehr umfangreiche Militäroperation gegen die militärischen Stützpunkte der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) auf südkurdischem Territorium gestartet.

Diese sei, wie auch die offiziellen Quellen der Türkischen Republik und der Armee berichten, die gewaltigste Militäroperation in der Türkischen Republiksgeschichte.

Wir, als HEYVA SOR A KURDI-STANE, haben seit Beginn dieser Operation erhebliche Befürchtungen, daß die Zivilbevölkerung nicht geschützt ist. Unsere Bedenken, daß diese Offensive nicht nur die PKK, sondern auch die Zivilbevölkerung als Zielscheibe hat, haben sich durch Presseberichte verdichtet.

So haben uns zwei Kurden namens Serhat und Hasan aus dem Angriffsgebiet bei Zaxo am 20. März 1995 um 21.30 Uhr angerufen und damit ihre Hoffnung verbunden, wir könnten als humanitäre Organisation etwas gegen derartige Angriffe gegen die Zivilbevölkerung unternehmen. Sie berichteten von schweren Angriffen gegen die Zivilbevölkerung durch das türkische Militär.

Die beiden Anrufer erklärten: "Im Juni 1994 sind wir mit etwa 3000 anderen Personen aufgrund der Repression des türkischen Staates aus dem Gebiet Hakkari/Cukurca geflohen und beabsichtigten, in den vom UNHCR eingerichteten Lagern in Südkurdistan Schutz zu suchen. Aber diese Lager haben wir nicht erreicht, deshalb mußten wir in Zelten, Höhlen oder, wenn wir Glück hatten, bei Bekannten in grenznahen Dörfern unterkommen. Dort versuchten wir, irgendwie weiterzuleben. Am 20.3.1995 gegen 11.00 Uhr kamen türkische Amreekräften zu unseren Zufluchtsorten: Dies sind die nahe Zaxo gelegenen Dörfer Dalker, Hizava und Grik. Sie führten eine Ausweiskontrolle durch, beschimpften uns auf erniedrigende Art und Weise und folterten sehr viele von uns. Zwei schwangere Frauen haben sie über den Boden geschleift. Dies führte dazu, daß bei den Frauen Unterleibsblutungen auftraten. Danach drohten sie, uns in die Türkei zurückzuholen. Noch einmal wurden einige über den Boden geschleift und geschlagen. Gruppenweise wurden Menschen mit militärischen Fahrzeugen weggebracht. Uns beiden gelang es, zu fliehen und uns zu verstecken. Wir wissen nicht, wohin die Menschen verbracht worden sind. Die meisten von ihnen werden umgebracht werden. Bitte, erzählt das allen."

Danach war die Telefonverbindung unterbrochen.

Allein aufgrund der Aussagen dieser beiden Anrufer kann man darauf schließen, daß die Situation vor Ort für die betroffenen Menschen sehr schrecklich ist.

Der Presse und anderen Informationsquellen zufolge versucht die türkische Armee Flüchtlinge aus den nordkurdischen Gebieten, die seit März 1994 in Südkurdistan Schutz suchen, gewaltsam in die Türkei zurückzuführen. Die jetzige Operation ist nicht eine der seit Jahren immer wieder durchgeführten und bereits zur Routine gewordenen grenzüberschreitenden Operationen des türkischen Militärs und auch nicht einer der unzähligen alltäglichen Verstöße gegen die Menschenrechte in der Türkei und Kurdistan, sondern legt den starken Verdacht nahe, daß diese Operation der Anfang eines Massenmordens ist.

Wenn man bedenkt, daß sogar in Istanbul offen auf die Zivilbevölkerung geschossen wird, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie das türkische Militär im autoritätsfreien Nordirak gegen die wehrlosen Menschen vorgeht.

Wir alle wissen, daß es nicht ausreicht, erst nach dem Vollzug eines Massenmordes zu protestieren. Denn dieser Protest macht Tote nicht wieder lebendig.

Genau deshalb wendet sich der HEYVA SOR A KURDISTANE an das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen und an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, um in Anbetracht der Tragödie noch Schlimmeres zu verhindern und um schnellstens zum Schutz der Zivilbevölkerung und Flüchtlinge einzugreifen.

Hochachtungsvoll

Hasan Dagtekin, Geschäftsführer

_Der 2. Brief_

Unseren Bericht an Sie vom 22. März 1995 ergänzen wir auf der Grundlage weiterer Informationen, die uns telefonisch erreicht haben. Der türkische Staat ist am 20.3.1995 mit großem militärischem Aufgebot in den Nord-Irak eingedrungen. Das Operationsgebiet erstreckt sich auf eine Breite von 320 km und schiebt sich etwa 40 km ins Landesinnere vor. In diesem Gebiet gibt es viele Dörfer und Städte. In diesem Gebiet leben mehrere zehntausend Menschen. Sowohl die türkische Luftwaffe als auch die Artillerie bombardieren täglich Dörfer. Mit Panzern, anderem militärischen Gerät und 35000 Soldaten wurde die Gegend in einen Kriegsschauplatz verwandelt. Wie kann es so möglich sein, daß die Zivilbevölkerung keinen Schaden erleidet. Auch wenn auf die Zivilbevölkerung kein physischer Druck ausgeübt werden sollte, so ist doch der wirtschaftliche und psychische Druck nicht zu übersehen. In solchen Situationen können die Menschen keine natürlichen sozialen Beziehungen aufrechterhalten. Das Erziehungsund Gesundheitswesen kommt zum Erliegen. Die Menschen und vor allen Dingen die Kinder leben in ständiger Angst vor Angriffen. Die Wirtschaft wird zerstört. Der Warenaustausch wurde unterbunden. Die Dorfbewohner sollen ihre Felder nicht bestellen und keine Viehzucht betreiben können. In den Städten sind die Waren bereits ausgegangen. Sämtliche Erwerbsquellen werden zerstört. Es herrscht ein absolutes Embargo.

Aber am allerschlimmsten ist der Angriff auf die Menschen. Es ist nicht glaubwürdig, wenn die türkische Regierung behauptet, die Zivilbevölkerung erleide keinerlei Schaden. Seit dem 20. März erhalten wir Anrufe aus Zaxo. Die Aussagen stehen in totalem Widerspruch zu den Behauptungen der türkischen Regierung. Die Aussagen der letzten beiden Anrufer sprechen für sich. Wir fordern die internationalen Organisationen auf, eine Beobachterdelegation vor Ort zu schicken, um die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Ein sofortiges Handeln der internationalen Staatenwelt zur Beendigung dieser türkischen Militäroperation ist unabdingbar. Am 23. März 1995 um 18.00 Uhr kam aus Zaxo ein Anruf von einem Jiyan Ömer aus dem Dorf Derkari. Er berichtete: "Gestern haben die Soldaten unser Dorf umzingelt. Danach sind sehr viele Soldaten in unser Dorf eingedrungen. Sie haben jedes einzelne Haus durchsucht und die Dorfbewohner auf dem Dorfplatz zusammengetrieben. Auch mich haben sie aus meinem Haus getrieben und mich zum Dorfplatz gezerrt. Währenddessen hörte ich aus anderen Häusern schreckliche Schreie von Frauen. Höchstwahrscheinlich wurde ihnen Schlimmes angetan. Gleich danach sah ich die Häuser von Mele Ahmet, Abdullah Hilal, Ömer Sindi und Sait (?) in Flammen aufgehen. Sie haben die Häuser mit Panzern und Raketen beschossen. Sie wurden dadurch völlig zerstört. Von einem Dorfbewohner namens Isa Cibi wurden 150 Mio. Lira beschlagnahmt. Vielen Frauen wurde ihr Goldschmuck weggenommen. Als die Bevölkerung sich dagegen wehrte, haben sie mit Gewehrkolben auf uns eingeschlagen, uns mit Füßen getreten und uns mit Stöcken traktiert. Durch das entstandene Chaos haben mein Bruder Hisyar und ich uns entfernen können. Wir haben uns im Dorf versteckt. Als es dunkel wurde, sind wir auf geheimen Wegen nach Zaxo gegangen. Wir sind bei unseren Bekannten untergekommen. Während wir noch auf dem Dorfplatz standen, haben sie vor unseren Augen Mehmet Ali, Mehmet, Namet, Ümit, Ömer, Abdullah Mehmet, Süleyman, Sefik, Sadik und Ahmet verschleppt. Sieben dieser Personen waren aus der Türkei hierher geflüchtet. Sie sind im UNHCR-Flüchtlingslager registriert. Als sie mit den Militärfahrzeugen wegfuhren, haben wir gesehen, daß drei von ihnen aufgrund schwerer Kopfverletzungen stark geblutet haben. Ich weiß nicht, was sie mit ihnen anstellen werden. Wenn das so weitergeht, werden sie uns alle vernichten. Bitte, ihr müßt unbedingt etwas tun." Danach brach die Verbindung ab.

Der zweite Anrufer: "Seit den letzten zwei Tagen sind Grik, Dersiv, Derkari und unser Dorf umzingelt. Die türkischen Soldaten sind viel brutaler, in ihren Methoden viel barbarischer als die Soldaten Saddams. Jeden Tag durchsuchen sie unsere Häuser und treiben uns dreimal am Tag zum Zählappell auf dem Dorfplatz zusammen. Auf dem Dorfplatz werden wir auf schlimmste Weise erniedrigt und gefoltert. Besonders schwer sind die Frauen davon betroffen. Ohne die Erlaubnis der Soldaten dürfen wir nicht einmal unseren Wasserbedarf decken. Als gestern sechs Menschen aus unserem Dorf auf ihren Feldern in der Nähe des Dorfes arbeiteten, wurden sie mit der Begründung, sie hätten dafür keine Erlaubnis, gefoltert. Ein christlicher Dorfbewohner namens Töme Merkos wurde schwer zusammengeschlagen, weil er kein Moslem ist. Sie sagten ihm wörtlich: 'Entweder bekehren wir dich, oder wir bringen dich um.' Töme ist im Augenblick schwer krank. Falls sie ihn nicht umgebracht haben, ist er aufgrund seiner schweren Verletzungen bettlägerig. Sie haben für ihre Versorgung auch 23 Schafe und Ziegen mitgenommen, so als ob sie ihnen gehörten. Gestern haben wir es geschafft, aus dem Dorf zu entkommen und im 15 km entfernt gelegenen Zaxo unterzukommen. Vor mir waren schon andere Dorfbewohner dorthin geflüchtet. Aus den uns nahe gelegenen Dörfern Dersiv, Grik und Derkari haben es auch einige Menschen geschafft, sich nach Zaxo zu retten. Wir haben hier die Möglichkeit, miteinander zu reden. In den Dörfern Dersiv und Grik sind die Repressionen wesentlich schlimmer. Die Soldaten übernachten in den Häusern und die Bewohner im Freien. Unsere Kinder sind vor Kälte und Hunger krank geworden. Die Soldaten verbrauchen unsere Vorräte. Auch in der Stadt Zaxo ist die Lage sehr schlecht. Alle Läden sind geschlossen. Auch wenn sie offen wären, es gibt ja nichts mehr zu verkaufen. Es war sehr schwer und gefährlich, diesen Anruf zu machen. Wir glauben, daß sie jeglichen Kontakt zur Außenwelt zu verhindern suchen. Wahrscheinlich wollen sie ein Massaker verüben. Wir verstehen das nicht. Sind sie gekommen, um gegen die PKK zu kämpfen, oder um die Dorfbevölkerung zu unterdrücken? Der, der dies nicht glauben will, soll kommen, um es mit eigenen Augen zu sehen. Wir bitten euch, kommt und seht euch alles an."

HEYVA SOR A KURDISTANE unterstützt diesen Aufruf. Wir fordern alle humanitären Organisationen, das UNHCR, IKRK und politische Parteien auf, zum Schutz der Zivilbevölkerung in diese Situation einzugreifen.

Hasan Dagtekin, Geschäftsführer

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Die Türkei führt in Südkurdistan Krieg gegen die Zivilbevölkerung_

Am 12. März kam es in Cukurca in Nordkurdistan zu Gefechten zwischen Staatskräften und "Dorfschützern", die sich weigerten, an der Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan teilzunehmen. Dabei wurden ein Offizier verletzt und vier Soldaten getötet.

In Semdinli brannten türkische Staatskräfte das Dorf Sikeftan nieder und sammelten in sechs "Dorfschützer"-Dörfern die Waffen ein, weil sich die "Dorfschützer" weigerten, sich an der Invasion zu beteiligen.

Am 18. März kam es um die Stadt Zaxo zu Gefechten zwischen der ARGK und der türkischen Armee. In der Stadt verhafteten die türkischen Soldaten viele Menschen und besetzten zwei in der Nähe gelegene Flüchtlingslager. Flüchtlinge wurden in de Lager gefoltert und teilweise auf türkisches Staatsgebiet verschleppt.

Am 19.3. kam es in dem Gebiet Pat in Haftanin zu einem Gefecht zwischen der Guerilla und den türkischen Truppen. In Ciyaye Res wurden in den ersten vier Tagen 87 Soldaten, vier Offiziere und fünf andere hochrangige Soldaten der türkischen Armee getötet und 150 verletzt.

Südkurdische Quellen erklärten, daß elf ZivilistInnen, darunter drei Kinder, bei den türkischen Angriffen getötet wurden.

Am 20.3. fuhren 450 Militärtransporter in die südlich von Zaxo gelegenen Gebiete Kire und Kesan ein. Sie wurden von der ARGK angegriffen. In der Stadt Derka wurden 45 Menschen von den türkischen Soldaten festgenommen.

ARGK-Quellen erklärten, daß in den ersten zwei Tagen des Einmarsches der türkischen Armee in Südkurdistan 170 Soldaten getötet wurden, die mit Hubschraubern nach Silopi transportiert werden. Ihre eigenen Verluste gab die ARGK am 3. Tag mit dreizehn gefallenen BefreiungskämpferInnen an.

Am 3. Tag fanden im Grenzgebiet in Haftanin in den Gebieten Zawite und Ciya Res heftige Kämpfe zwischen der ARGK und den einmarschierenden türkischen Truppen statt.

Am 20. März hatte die türkischen Truppen in Kesan hohe Verluste und mußten sich zurückziehen, ohne ihre Leichen mitnehmen zu können. In den Gebieten Sanat und Xiror geriet die türkische Armee in einen Hinterhalt der ARGK.

In Sandura wurde das türkische Militär am 21. März von der Guerilla umzingelt, 32 Soldaten wurden getötet.

Am vierten Tag der Invasion wurden bei heftigen Gefechten zwischen türkischen Truppen und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans im Gebiet Metinan 84 Soldaten getötet und zwei Panzer zerstört.

In dem benachbarten Gebiet Pergeli wurden die Dörfer Betini und Cudina von der türkischen Luftwaffe bombardiert und entvölkert. In dem Dorf Xapuske ermordeten türkische Soldaten einen Bauern. Daraufhin wurden die 20 türkischen Soldaten in dem Dorf von den Bauern gefangen genommen, über ihren Verbleib konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Im Gebiet Sinat legte die Guerilla Minen gegen die türkische Armee. Durch die Detonation dieser Minen wurden acht türkische Soldaten getötet und 19 verletzt.

Die Stadt Saxo wurde von der türkischen Armee umzingelt, sie kontrolliert die Zufahrtsstraßen. Die BewohnerInnen von Zaxo wollen ihre Stadt nicht räumen und der türkischen Armee überlassen.

Die Dörfer Derkare, Sersin, Hizava und Nerve wurden von türkischen Truppen durchsucht. Sie plünderten Waffen und Wertsachen der BewohnerInnen und folterten sie auf dem Dorfplatz. Sieben Bauern wurden von ihnen verschleppt.

In der Führung der türkischen Armee herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie ihre Invasion fortsetzten oder gar dauerhaft bestimmte Punkte in Südkurdistan besetzten, oder ob sie den Rückzug antreten soll, bevor die Verluste noch größer werden.

Die KDP erklärte, daß die türkische Armee in Südkurdistan ZivilistInnen angreift und kleine Ortschaften aus der Luft bombardiert sowie Flüchtlinge über die Grenze auf türkisches Staatsgebiet gewaltsam zurückbringt, was auch vom UN-Flüchtlingskommisariat in Genf kritisiert wurde. Dies alles hindert hochrangige KDP-Kommandanten jedoch nicht, die türkischen Truppen bei ihrer Operation zu unterstützen.

In der Gegend um Halepce sind die Kämpfe zwischen der KDP und der PUK erneut heftig entflammt. Die KDP will immer noch die Stadt Erbil, die sich unter Kontrolle der PUK befindet, zurückerobern.

Während es in Frankreich und den Niederlanden Kritik an dem türkischen Einmarsch in Südkurdistan gab, stimmten die USA den Angriffen in der "Schutzzone" zu und stellten ihre Luftüberwachung ein. Der Krieg wird mit us-amerikanischen und deutschen Waffen geführt. Kurdische Organisationen bezeichneten die BRD als Hauptfinanzier des Angriffs.

Am 7. Tag der türkischen Militärintervention in Südkurdistan wurde ein Militärkonvoi zwischen Amediye und Serpil von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Ein Fahrzeug wurde völlig verbrannt, die anderen stark beschädigt. Bei dem Angriff wurden 83 Soldaten der türkischen Armee getötet und 20 verletzt, während nur ein Befreiungskämpfer gefallen ist.

In Metinan wollte die türkische Armee eine Hubschrauberlandung durchführen, mußte aber angesichts der Angriffe durch die ARGK den Rückzug antreten.

Auch in der ziemlich von der türkischen Armee kontrollierten Stadt Zaxo sind am 7. Tag der Intervention Kräfte der ARGK eingedrungen. Sie griffen an zwei Stellen die türkischen Armee- und Konterguerillakräfte an. Dabei wurde ein Konterguerilla getötet und drei verletzt. Danach setzte die Guerilla ihre Angriffe bis Bisiri fort, wo drei KDP-Leute, die den türkischen Truppen den Weg wiesen, getötet wurden. Bei dem einige Tage zuvor von der türkischen Luftwaffe durchgeführten Bombardements im Gebiet bei Habur wurden fünf ARGK-KämperInnen getötet.

Die türkischen Invasoren haben dem Volk in Südkurdistan 400 Waffen und andere Militärausrüstung abgenommen und diese, nachdem sie für das türkische Fernsehen gefilmt wurden, der KDP übergeben.

Inzwischen sind auch die Gefechte zwischen der KDP und der PUK wieder voll entflammt. Die Stadt Pencewini, die zuvor von der KDP erobert worden war, kam am 26. März wieder under die Kontrolle der PUK. Die KDP versucht Erbil zu erobern, wurde aber von der PUK zurückgeschlagen. Dabei wurden ca. 100 Peschmergas der KDP und vier der PUK getötet.

Das Schweizer Außenministerium forderte die Türkei zum sofortigen Rückzug auf. Es erklärte, "die Schweiz ist bezüglich der Lösung der kurdischen Frage nicht für Gewalt, sondern für einen Dialog und Versöhnung und ruft die Türkei auf, in kürzester Zeit die Operationen zu beenden und das Völkerrecht zu achten ..."

Auch die Niederlande haben die Türkei zur Beendigung der Militärintervention in Südkurdistan aufgefordert.

Der UN-Generalsekretär Butros Gali rief in New York die Türkei auf, ihre Truppen zurückzuziehen und Vorkehrmaßnahmen zum Schutz der ZivilistInnen, insbesondere der Flüchtlinge zu treffen. Das Hohe Flüchtlingskommissariat der UNO erklärte, daß über 3000 Flüchtlinge, darunter Kinder, in Hizava, Derkar und Zaxo unter den Angriffen der türkischen Armee leiden.

In der Erklärung Nr. 1. des ARGK-Militärrats vom 24. März 95 zur türkischen Intervention in Südkurdistan wird erklärt: "... Die feindliche Armee kann sich jetzt nicht mehr bewegen, außer auf dem Luftweg. Unsere Einheiten haben an strategisch wichtigen Punkten versteckte Stellungen errichtet und setzten ihre Aktionen mit der Taktik des beweglichen Guerillakrieges fort. Auf diese Weise haben sie noch größere Effizienz in dem Gebiet erreicht. Bisher sind 17 KämpferInnen unserer Einheiten als MärtyrerInnen gefallen und zehn verletzt worden. Wir können die Zahl der Verluste der Kräfte der Türkischen Republik zwar nicht genau angeben, sie haben aber bisher mindestens 300 Tote und genausoviel Verletzte ..."

Quellen: KURD-A, 20. bis 28.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Weitere Berichte aus Süd-Kurdistan_ (Irak)

_23. März_

_1._ Kurdische Guerilleros haben am 22. März 1995 in der Nähe von Habur eine Einheit der türkischen Armee in einem Hinterhalt angegriffen. Bei den Angriffen der Guerilleros in der Gegend Haftanin und Ciyaye Res sind insgesamt 87 Soldaten, 4 Offiziere, 2 Leutnants und 3 Feldwebel der türkischen Armee ums Leben gekommen. Außerdem sollen in die Stadt Zaho Die Leichname von 63 Soldaten gebracht und von dort aus mit Helikoptern nach Batman und Diyarbakir transportiert worden sein. Nach unbestätigten Angaben sind bei den Luftangriffen der türkischen Luftwaffe auf die Zivilbevölkerung insgesamt 11 Menschen ums Leben gekommen.

_2._ Bei den Gefechten in Senduran sind 32 türkische Soldaten ums Leben gekommen. In der Region Semdinli-Basyan haben sich 20 Soldaten nach einem Angriff kurdischer Guerilleros in den Strom Basyan geworfen. Die Krankenhäuser in Semdinli, Hakkari und Yüksekova sollen nach Angaben der Bevölkerung mit verletzten Soldaten überfüllt sein.

_3._ In der südkurdischen Stadt Dohuk hat die Bevölkerung am 22. März 1995 gegen den Einmarsch un den Angriffen auf die Bevölkerung der türkischen Armee protestiert. Bei Demonstrationen sollen an die 10000 Menschen beteiligt gewesen sein. Die Verbindungsstraße mit Erbil ist auch gestern von der Bevölkerung gesperrt worden. Hier wurde auch gegen den Einmarsch der türkischen Armee protestiert. Nachdem die türkischen Armeeinheiten in dem südkurdischen Dorf Xapiske einen Bewohner ermordet haben, hat die Bevölkerung die Einund Ausgänge der Soldaten mit Menschenketten gesperrt.

_4._ Nach Augenzeugenberichten und türkischen Medien (_Milliyet_) sind erneut deutsche Waffen bei dem Einmarsch in Süd-Kurdistan benutzt worden. Dabei handelt es sich um BTR-60 Panzer, die aus ehemaligen DDR Beständen stammen. Die Zeugen berichteten, daß mehrere BTR-60 Panzer gestern abend den Grenzposten Habur überquert haben.

_24. März_

_1._ Die kurdischen Guerilleros haben am 24.3. die Hügelstellungen der türkischen Armee im südkurdischen Kapiske angegriffen. Bei dem Angriff haben die Soldaten versucht, von den Hügeln herunter zu kommen, dabei haben sich viele verletzt. Bei diesem Angriff soll es über 50 Tote und Verletzte gegeben haben. Zwischen Kamis und Amedia sind zwei Truppenfahrzeuge der türkischen Armee in einen Hinterhalt der Guerilleros zerstört worden. Es soll viele Tote gegeben haben. Die genauen Todesangaben stehen zur Zeit noch nicht fest.

Bei den Gefechten zwischen ARGK-Guerilleros und türkischen Armeeinheiten im südkurdischen Batufa sind über 30 Soldaten ums Leben gekommen. Dabei sind auch 2 Guerilleros getötet worden. Die Gefechte sollen sich seit dem 23. März in der Gegend Kela Kumriye verstärkt haben. In die Region Hakurk werden von der türkischen Armee neue Truppen gebracht.

_2._ Das Haus von Xalid Secho (wohlhabender Kurde) in Zaho wurde von türkischen Armeeinheiten geplündert. Gleichzeitig wurde Xalid Secho von den Sicherheitskräften mitgenommen. Seine Familie berichtete uns, daß sie sich um sein Leben sorgt.

Im südkurdischen Hizava, Tilkeber und Derkare hat die türkische Armee die Waffen von der Bevölkerung mit Gewalt gesammelt. Außerdem gibt es in dieser Region ca. 100 Festnahmen. Die Festgenommenen sind Kurden, die aus Nord-Kurdistan in den Süden geflohen sind. Sieben von diesen Kurden sind bereits nach Nord-Kurdistan abgeschoben worden. Nach Angaben unseres Korrespondenten sind in der Stadt Zaho 700 Familien (aus Nord-Kurdistan) verschwunden. Die türkischen Sicherheitskräfte sollen sie mit Gewalt in Lastwagen wegtransportiert haben. In der Stadt Hizava ist eine ganze Straße von türkischen Armeeinheiten in Brand gesteckt worden. Ob es bei diesem Angriff auf die Bevölkerung Tote und Verletzte gab, ist uns zur Stunde noch nicht bekannt.

In der in der Nähe von Pervari liegenden Gegend Bamerli ist das Dorf Eredinan von türkischen Armee-Einheiten angegriffen worden. Die Sicherheitskräfte, die die Häuser der Bevölkerung plünderten, haben die Bewohner gefoltert und einige Frauen vergewaltigt. Der Hirte des Dorfes ist geschlagen worden. Er liegt zur Zeit im Koma.

_25. März_

_1._ In den um Zaxo liegenden Städten Izava und Derkar werden Häuser von türkischen Armeeinheiten durchsucht und geplündert. In der südkurdischen Stadt Derkar ist das Haus von Muhamed (Familienname ist nicht bekannt) von türkischen Schützenpanzern zerstört worden. Der in der Region als Spitzel bekannte Salman Cindi zeigt in diesen Städten die Häuser von patriotischen Kurden. In Derkar ist das Haus von Salman ... von türkischen Sicherheitskräften geplündert und niedergebrannt worden. Das gleiche mußte auch der in Izava lebende Tatar erleben. Sein Haus wurde auch von türkischen Armeeinheiten niedergebrannt. Außerdem wurde in der Stadt Derkar der Kurde Isa Cepe ausgeraubt. Sein ganzes Habe wurde mit Gewalt von türkischen Sicherheitskräften geraubt. Dem als Sabah bekannten Neffe von Osman Gule wurde das Auto weggenommen und er wurde verhaftet. Der in Derkar lebende Kurde Izettin Sado ist von türkischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Nach Angaben der Bevölkerung wurde er stark gefoltert.

Die auch in der Region liegenden PUK-Stellungen sind von türkischen Armeeinheiten geplündert worden. Alle großen und kleinen Waffen sind mitgenommen worden. In der südkurdischen Stadt Süleymaniye hat die Bevölkerung gegen den Einmarsch der türkischen Armee protestiert. Eine große Menge soll den ganzen Tag über demonstriert haben.

_2._ Auch am 6. Tag gehen die Angriffe der ARGK-Guerilleros auf die türkischen Armee-Einheiten in Süd-Kurdistan weiter. In den Gegenden Xiror und Metina hat die türkische Armee bei den Angriffen der kurdischen Guerilleros über 100 Soldaten verloren. In der Region Haftanin gibt es seit dem 24. März 1995 starke Kämpfe zwischen den Guerilleros und türkischen Armeeinheiten. Bei diesen Kämpfen ist ein Guerillero ums Leben gekommen, über 30 Soldaten sind hier getötet worden. Die ARGK-Guerilleros haben auch in den Regionen Sate, Begalte und Bezalte die türkischen Armeeinheiten angegriffen. Die türkischen Armeeinheiten wurden hier an drei verschiedenen Stellen von kurdischen Guerilleros angegriffen.

_26. März_

_1._ Nach den 6tägigen starken Gefechten in Süd-Kurdistan ist es heute ruhiger geworden. Die türkischen Armee-Einheiten haben sich in verschiedenen Gebieten in Süd-Kurdistan abgelegt. Der Einmarsch der türkischen Armee in Süd-Kurdistan läuft immer noch weiter. In die Region Kela Kurmiye sind neue Soldaten gebracht worden. Diese Einheit ist auf ein Minengebiet, das von Guerilleros gelegt wurde, gestoßen. Über die Toten und Verletzten bei diesem Vorfall gibt es keine genauen Angaben. In der Region Cukurca hat ein Soldat Selbstmord begangen. Nach Angaben unseres Korrespondenten sollen zahlreiche Soldaten wegen andauernder Angriffe der ARGK-Guerilla und wegen der vielen Verluste psychologisch "am Ende" sein.

_2._ Am 22. März 1995 sind in der nordkurdischen Stadt Tercan (bei Erzincan) die türkischen Armeeinheiten in einen Hinterhalt von kurdischen Guerilleros angegriffen worden. 3 Soldaten kamen bei diesem Angriff ums Leben und 2 weitere wurden verletzt.

In Dersim (Tunceli) wurde am 23. März eine Operations-Einheit der türkischen Armee in dem Gebiet Kirmizidag von ARGK-Guerilleros angegriffen. Der Angriff, der sich später zu einem Gefecht entwickelte, dauerte bis in die Abendstunden. Dabei kamen 1 Offizier und 6 Soldaten ums Leben.

_3._ Die von der HADEP (Volks-Demokratie-Partei) für heute organisierte NEWROZ-Veranstaltung in Izmir wurde von türkischen Sicherheitskräften verboten. Die darauf sich vor dem HADEP-Parteigebäude sammelnde Bevölkerung wurde von türkischen Schützenpanzern und Spezialeinheiten umzingelt. Nach Angaben unseres Korrespondenten sollen bis 15 Uhr ca. 3000 Kurden sich vor dem Gebäude aufhalten und die NEWROZ-Feierlichkeiten begonnen haben. Die Menge soll mit Sprechchören gegen das Verbot protestieren.

Quellen: Kurd-A, 24. bis 26.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_PDS-MdB Steffen Tippach_ _zur Situation in Kurdistan und zur Politik Kinkels_

Der sächsische PDS-Bundestagsabgeordnete Steffen Tippach, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der PDS im Bundestag, ist anläßlich des kurdischen Newroz-Festes mit einer Delegation aus der Bundesrepublik (darunter auch Grüne und Rechtsanwälte) in die Türkei gefahren. Wir dokumentieren einen Bericht von ihm aus Van vom 22. März und eine Bewertung der Kurdenpolitik Kinkels vom 27. März.

_Telefonbericht aus Van:_

Seit unserer Ankunft in Van am Mittag des 21.3.95 werden wir ununterbrochen von einem Filmteam beobachtet. Auf Anordnung des örtlichen Polizeichefs, so wurde mir gesagt, solle jeder unserer Schritte dokumentiert werden, sogar das gemeinsame Essen. Damit, so die Auskunft anwesender Polizisten, wolle man für den Fall eines "Terroristenangriffes" Beweismittel sichern.

Unter dem "Auge" der allgegenwärtigen türkischen Staatskontrolle sind Gespräche mit der kurdischen Bevölkerung in Van fast unmöglich. Die polizeiliche Kamera signalisiert mehr als deutlich das angespannte Klima in den kurdischen Gebieten in der Türkei, über die die Zentralregierung den Ausnahmezustand verhängt hat. Ein offizieller Parteivertreter der sozialdemokratischen CHP bezeichnete mir gegenüber alle Berichte über Menschenrechtsverletzungen seitens der türkischen Sicherheitskräfte als Lüge und Propaganda. Hunderte kurdischer Vertriebener in einem großen Zeltlager in Van bezeugen dagegen eine andere Realität.

Die türkischen Verwaltungsbehörden haben uns offen bedeutet, daß wir unerwünscht seien. Einen bereits vereinbarten Termin nahm der Gouverneur von Van aus unbekannten Gründen nicht wahr. Am gestrigen Abend wurde unsere ganze Gruppe unter Hausarrest gestellt. Erklärt wurde uns diese Maßnahme durch eine anonyme Person, die sich als Vertreter des türkischen Innenministeriums bezeichnete, sich aber nicht ausweisen konnte oder wollte.

Die Delegation beabsichtigt, trotz der Kontrolle in die türkisch-irakische Grenzregion weiterzureisen, um sich dort über die Lage der Flüchtlinge nach der türkischen Invasion in den Nordirak zu informieren.

(PDS-Bundestagsgruppe, Pressedienst, 22.3.)

_27.3.: "Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin"_

"Nicht einmal einem Zivilisten soll die Nase bluten" (Klaus Kinkel laut der türkischen Tageszeitung Yeni Yüzyil am 24.3.95)

"Während Außenminister Kinkel flotte Sprüche klopft, führt das türkische Militär eine Operation durch, die jedem Völkerrecht spottet und die instabile Lage im Nahen Osten weiter verschärft. Klaus Kinkel jedoch sieht, hört und weiß von nichts oder besser gesagt: er will nichts sehen, hören, wissen. Der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Ferhat Ataman, erklärte in der türkischen Tageszeitung _Cumhurriyet_ am 25.3.95, bei der Operation im Nordirak würden überhaupt keine Waffen oder Ausrüstung aus Deutschland verwendet, gerade also ob die türkische Armee mit Steinschleudern bei der Arbeit wäre. Und selbst wenn das türkische Staatsfernsehen TRT-1 am 22.3. gleich ein Dutzend BTR-60-Schützenpanzer der Ex-NVA zeigt, die ins Kriegsgebiet rollen, bleibt Kinkel frei von Selbstzweifeln.

Jeder bewaffnete Konflikt trifft auch und gerade die Zivilbevölkerung. Umso mehr, als alles darauf hindeutet, daß die türkische Armee völlig ins Leere gestoßen ist. Höchste Zeit also für Kinkel, um zu handeln. Die einzig richtige Konsequenz wäre: Solange sich die türkische Armee nicht zurückzieht, es keinen Frieden in Kurdistan und keine Einhaltung der Menschenrechte gibt, kann es weder eine Zollunion mit der EU geben noch weitere Militär- und Wirtschaftshilfe an die Türkei. Und wo bleibt der deutsche Protestals Vorsitzende des UN-Embargoausschusses zum Irak - dagegen, daß die türkischen Truppen bei ihrer Operation im Nordirak von AWACS-Flugzeugen der Alliierten "Poised Hammer Force" unterstützt werden, wie in der Zeitung _Cumhurriyet_ am 25.3. zu lesen war?

Das gezielte Wegsehen von Außenminister Kinkel disqualifiziert ihn für verantwortungsvolle, an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik.

Es ist kein Geheimnis, daß die Türkei seit geraumer Zeit die Annäherung an Saddams Regime sucht. Hochrangige Politiker der Türkei wie der ehemalige Ministerpräsident Ecevit und Außenminister Karayalcin fordern inzwischen eine dauerhafte Pufferzone analog dem Südlibanon im Nordirak bzw. die Wiederherstellung des irakischen Einflusses in diesem Gebiet. Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin, in den die Bundesregierung bis zum Hals verwickelt ist und dem letztendlich die Bewohner der Autonomiezone im Nordirak zum Opfer fallen werden. Wie Saddam Hussein sich die Lösung der Kurdenfrage vorstellt, ist spätestens seit den Anfal-Operationen mit 100000 Toten und den Giftgaseinsätzen in Halabja bekannt. Wenn die Bundesregierung mit ihrer ungebrochenen Rückendeckung für die türkische Armee die Destabilisierung der autonomen kurdischen Zone weiter vorantreibt, spielt sie den Türöffner für Saddam Hussein und wird auch die blutigen Folgen mit verantworten müssen."

Quelle: Pressemitteilung der PDS-Bundestagsgruppe, 27.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Erklärung der ERNK zu den Gefechten in Süd-Kurdistan, 22. März_

Der Europavertreter der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), Ali Garzan, gab am 22. März 1995 zu den Gefechten nach der Militäroperation der türkischen Armee in Süd-Kurdistan folgende Erklärung ab.

"Wir wußten, daß der türkische Generalstabschef seit einiger Zeit zur Grenze aufrüstete. Daß ein erneuter Angriff gestartet wird, war unserer Seite bekannt. ARGK, Militärkonzil, Kriegsstab und unsere Guerilla-Armee haben sich darauf vorbereitet. Seit drei Tagen gibt es starke Kämpfe. Unsere Guerilleros sind auf die 230 km Länge und ziemlich in die Tiefe verteilt. Die türkische Spezialarmee hat einen Schritt in den Sumpf gemacht. Das Gebiet, auf dem sich unsere Kräfte befinden, hat viele Unebenheiten. Die türkische Armee und ihre Soldaten sind in diesem Gebiet fremd.

Die Guerilla mit ihrer flexiblen Taktik hat stark zurückgeschlagen. Die türkische Armee kommt nicht mehr voran. Mit verschiedenen Angriffen und Aktionen wurde das Militär in eine schwere Situation gebracht. Wie wir von dem ARGK-Militärkonzil erfahren haben, hat die türkische Armee große Verluste erlitten. Deren Zahl beträgt rund 170 gefallene Soldaten, wahrscheinlich sogar noch mehr. Die ARGK hat auch einige Geiseln von der türkischen Armee. Die türkische Armee hat jetzt schon ernsthafte Verluste. Auf unserer Seite sind bis jetzt 11 Guerilleros gefallen.

Die Angriffe, die auf die PKK gemacht wurden, sind gleichzeitig auch Angriffe auf die kurdische Nation und auf das kurdische Volk. Die türkische Armee, die mit schmutzigen und ungerechten Methoden einen Spezialkrieg führt, hat schon früher mehrmals versucht, das Gebiet zu vernichten und zu besetzen. Aber mit diesem Angriff hatten sie keinen Erfolg.

Manche Länder, die den schmutzigen Krieg unterstützen und der Vernichtung des kurdischen Volkes zustimmen, haben für diesen Angriff der türkischen Republik Hilfe geleistet. Die PKK, die kurdische Nation und das kurdische Volk haben mit einem großen Widerstand kämpferisch und politisch Druck gemacht und die Angriffe ins Leere laufen lassen. Heute sind wir stärker und in der Überlegenheit. Wie noch nie zuvor wird unsere Partei, unser Volk und unsere Armee ihre ganze Energie aufbringen und unser Volk wird in jeder Hinsicht in Bewegung sein, um diese Angriffe auf Süd-Kurdistan zunichtezumachen. Diejenigen, die diesen Angriffen der türkischen Republik laut oder leise zustimmen, werden nochmals sehen, daß sie im Irrtum sind, und sie werden es begreifen.

Die türkische Kriegsführung, die diesen schmutzigen Krieg und den Vernichtungskrieg gegen unser Volk führt, wird sehr teuer dafür bezahlen. Wir waren bereit zurückzuschlagen. Wir geben die Antwort mit unserem Volkswiderstand und unserem Kampf. Dieser Angriff auf Süd-Kurdistan ist die größte Aktion in der Geschichte der türkischen Republik. Mit unseren Vorbereitungen, der Erfahrung unserer Guerilleros und dem Widerstand unseres Volkes werden wir mit der Zeit der türkischen Spezialarmee im Krieg die größte Niederlage in der Geschichte der türkischen Republik beibringen. Weder die technische Überlegenheit noch die Natur kann uns Schaden zufügen. Unsere 10jährige Kriegserfahrung überzeugt uns davon.

Ziel dieser Angriffe sind wir, aber unter diesem Vorwand wird der Zivilbevölkerung, die aus dem Norden in den Süden geflüchtet ist, und den Kurden, die im Norden leben, Schaden zugefügt. Die türkische Armee ist in die Gebiete der KDP und der Zivilbevölkerung eingedrungen und hat sich teilweise dort stationiert. Ihr Ziel ist, die jetzige Lage zu ändern und der Saddam-Diktatur Hilfe zu leisten. Denjenigen, die diesem Angriff direkt oder indirekt Hilfe leisten, wird die kurdische Nation, die rund 40 Millionen Menschen umfaßt, nie verzeihen. Diejenigen, die diesen Krieg mit den Augen der türkischen Medien sehen, werden verstehen, daß sie sich irren. Wir werden unsere politische und ideologische Überlegenheit, mit Widerstand und Kampf beweisen."

Quelle: Kurd-A, 17.3.1995

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Newroz-Demonstrationen und -Feiern weltweit - eine kleine Übersicht_

In _Libyen_ kamen 500 Menschen zur Newrozveranstaltung der ERNK in Tripoli.

In der Stadt Cimkent in _Kasachstan_ kamen am 18. März 1000 Menschen zum von der ERNK-Mittelasienvertretung veranstalteten Neworzfest.

In _Bulgarien_ führte die ERNK in Sofia eine Newrozveranstaltung durch, zu der 500 KurdInnen und Gäste kamen.

In _Schweden_ kamen 300 KurdInnen zur Kundgebung mit einem Feuer, in Stockholm 400 und in Göteborg 150 Menschen.

In _Dänemark_ kam es in Kopenhagen zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Trotz der Genehmigung löschte die Polizei das Newrozfeuer und stellte die Musik ab. Nachdem die 300 KurdInnen das Feuer wieder anzündeten, wurden sie von der Polizei mit Knüppeln und Hunden angegriffen. Viele Menschen wurden verletzt. Die DemonstrantInnen blockierten aus Protest gegen den Angriff eine Straße.

In _Griechenland_ feierten in der Stadt Lavrion um Mitternacht am 20. März 300 KurdInnen und Menschen aus der türkischen Linken ein Fest mit einem großen Feuer. Ein ERNK-Vertreter hielt eine Rede, danach gab es Musik bis zum Morgen.

In _Kanada/Vancouver_ fand am 11. März eine Newrozveranstaltung der ERNK statt. Es kamen 300 KurdInnen und Gäste. Neben einer politischen Rede der ERNK gab es verschiedene kulturelle Beiträge, auch von einer griechischen, iranischen und palästinensischen Gruppe. In Montreal führte die ERNK eine Newrozveranstaltung mit 500 KurdInnen durch.

In _Österreich_ gab es in den Städten Wien, Graz, Bregenz und Linz große Newrozdemonstrationen mit Bildern von Abdullah Öcalan, gefallenen MärtyrerInnen des Befreiungskampfs und Fahnen der ERNK und ARGK.

In der _Schweiz_ demonstrierten und feierten am 20. März in den Städten Zürich, Basel, Bern, Lozan, Winterthur, Chur, Luzern, St. Gallen und Frieburg insgesamt 4000 KurdInnen Newroz, zum Teil mit Feuern auf der Straße. Die Polizei griff nicht ein. Am 21. März kamen Vertreter verschiedener NGOs und UN-Botschafter zur Neworzveranstaltung.

In Straßbourg (_Frankreich_) kamen 400 Menschen zur Newrozdemonstration. In Paris kamen 4000 KurdInnen zur Newrozdemonstration mit ERNK-Fahnen.

Am 25. März feierten in Paris 4500 Menschen das Newroz-Fest. In London (_Großbritannien_) feierten 1500 KurdInnen am 20. März mit einem großen Feuer. Am 23. März fand vor der türkischen Botschaft eine Demonstration mit ERNK-Fahnen gegen den Einmarsch der türkischen Armee in Südkurdistan statt. Die Demonstration wurde von zwei englischen Parlamentariern unterstützt. Die KurdInnen verbrannten vor der Botschaft türkische Fahnen.

In den _Niederlanden_ kamen 800 Menschen in Arnheim zur Newrozdemonstration mit einem Feuer.

In _Belgien_ feierten am 25. März in Brüssel 1500 Menschen das Newroz-Fest.

In _Saudi-Arabien_ feierten am gleichen Tag 500 Menschen in Riyad Newroz.

_BRD_: In _Berlin_ kamen am Abend des 20. März 3000 Menschen zur Newrozdemonstration. Die Polizei beschlagnahmte zuerst die Fackeln, gab sie dann aber wieder zurück. Trotz Drohungen und Provokationen durch die Polizei wurden Fahnen der ERNK und Bilder von Abdullah Öcalan getragen.

Am 22. März demonstrierten 200 Menschen, vor allem von deutschen Gruppen, gegen Abschiebungen. Die Kundgebung fand vor dem Abschiebeknast Kruppstraße statt.

In _Mannheim_ kamen 4000 KurdInnen mit ERNK-Fahnen zur Newrozdemonstration. Die Polizei filmte ständig, griff aber nicht ein.

Am 22. März führte die Freie Frauenbewegung Kurdistans TAJK eine Demonstration zum Gedenken an Ronahi und Beriwan durch, die sich ein Jahr zuvor dort aus Protest gegen die deutsche Kurdistanpolitik selbst verbrannten. Die 1500 Demonstrantinnen trugen ERNK-Fahnen und wurden von der Polizei massiv provoziert. Die TAJK will eine Woche lang Kranz- und Blumenniederlegungen und Kundgebungen in Mannheim durchführen.

In _Düsseldorf_ kamen 700 Leute zur Newrozdemonstration.

In _Konstanz_ kamen 350 KurdInnen zu einem Newrozfest. In _Köln_ waren 10000 Menschen bei einem Newrozfest in der Sporthalle.

In _Stuttgart_ demonstrierten 1500 KurdInnen mit ERNK-Fahnen drei Stunden lang in der Stadt, die Polizei griff nicht ein.

In _Freiburg_ gab es eine Newrozdemonstration mit Bildern von Abdullah Öcalan und ERNK-Fahnen.

In _Hamburg_ demonstrierten am 20. März 1000 Menschen mit Fahnen der ERNK. Bereits am 18. März gab es eine Newrozveranstaltung, zu der 10000 Menschen kamen.

In _Osnabrück_ kamen 500 KurdInnen mit ERNK-Fahnen zur Newrozdemonstration.

In _Nürnberg_ kamen am 21. März 150 KurdInnen und einige deutsche FreundInnen zur Newrozdemonstration. Der Demonstrationszug wurde vom Friedrich-Ebert-Platz bis zum Plärrer von einem vielfachen Aufgebot an USK begleitet. Zwar ohne Megafon und ohne Fahnen wurde es doch eine lebendige Demonstration, weil ständig Parolen für den Befreiungskampf und die PKK und gegen die Verbote in der BRD, gegen Türkeihilfe und Abschiebungen gerufen wurden. Auf dem Plärrer tanzten zum Abschluß alle um ein größeres Newrozfeuer zu kurdischer Guerillamusik.

KURD-A 16. bis 22.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Newrozfeiern in Kurdistan und in der Türkei_

Die staatlichen "Newrozfeiern" wurden von der kurdischen Bevölkerung weitgehend boykottiert, nur "Dorfschützer" und türkische Soldaten und Polizisten kamen zu den inszenierten Feiern, die den Inhalt des Newroz verdrehten. Die Schulen in Diyarbakir versuchten die Schüler mit Drohungen, daß sie sonst bei den Prüfungen durchfallen würden, zu der vom Ausnahmezustandsgouverneur organisierten Feier zu zwingen, allerdings mit wenig Erfolg.

Schon Tage vor dem Newrozfest versuchten die türkischen Sicherheitskräfte, durch Massenfestnahmen und Durchsuchungen Newrozfeiern des Volkes zu verhindern. Die von der HADEP angemeldeten Newrozfeiern wurden verboten, außer in _Istanbul_, wo der Staat befürchtete, daß sich erneut größere Proteste auf der Straße entwickeln und deshalb diese lieber in einer Veranstaltung der HADEP im Saal kanalisieren wollten. Zu der Veranstaltung der HADEP in einem Sportsaal kamen 10000 Menschen. Es war ein riesiges Polizeiaufgebot da. In dem Istanbuler Stadtteil Fatih-Sarachane demonstrierten 500 KurdInnen mit ERNK-Fahnen. Sie wurden von der Polizei angegriffen, es gab viele Festnahmen.

In _Izmir_ feierten 35000 KurdInnen in zehn vor allem von KurdInnen bewohnten Stadtteilen mit mehreren kleinen Feuern auf der Straße das Newrozfest.

Am Abend und in der Nacht vom 20. auf den 21. März gab es in den Stadtteilen Baglar, Mardinkapi, Fatihpasa, Istasyon, Benusen, Sehitlik und beim Gefängnis und Fatih Gymnasium Newrozfeiern auf der Straße. Die Polizei versuchte, die Leute abzudrängen, und eröffnete das Feuer. Ein Mensch wurde durch Polizeischüsse schwer verletzt.

In _Elazig_ feierten 1700 Menschen in den Stadtteilen Cakmak und Yildizbaglar auf der Straße bis tief in die Nacht mit Newrozfeuern und riefen "Es lebe die Freundschaft der Völker" und "Kurdistan wird zum Grab des Faschismus werden".

In _Batman_ feierten die Menschen mit mehreren Feuern in verschiedenen Stadtteilen Newroz auf der Straße. Am 21. März fand eine Veranstaltung der HADEP statt, zu der eine deutsche Delegation eingeladen war. Die DelegationsteilnehmerInnen wurden so massiv von Zivilpolizisten umringt, daß es ihnen nicht möglich war, mit den Leuten zu sprechen.

In den anderen kurdischen Städten feierten die Leute vor allem in Häusern mit mehreren Familien zusammen, Feste auf der Straße waren wegen der massiven Repression nicht möglich.

In _Izmir_ wurde das in einer Halle von der HADEP angemeldete Newrozfest am 26. März vom Gouverneur verboten. Der aus Ankara angereiste HADEP-Generalsekretär Murat Bozlak kritisierte das Verbot und betonte, daß Newrozveranstaltungen der HADEP in Adana, Iskenderun und Ankara ungehindert und ohne Zwischenfälle stattgefunden hatten. Er ging zum Gebäude der HADEP in Izmir. Die kurdischen Massen, die ebenfalls zu dem Gebäude wollten, wurden zunächst von einem massiven Polizei- und Spezialteamaufgebot aufgehalten, konnten dann aber durchsetzen, zur HADEP zu gehen. Nach einer Kundgebung von 5000 Menschen vor dem Parteigebäude formierte sich eine spontane Demonstration. Sie folgten nicht den Aufforderungen der Polizei, die Demonstration aufzulösen. Nach der Demonstration registrierte die Polizei jedoch nur die Personalen der TeilnehmerInnen. Die Mitglieder einer aus Istanbul gekommenen Musikgruppe des Mesopotamischen Kulturzentrums, die auf der Veranstaltung auftreten wollte, wurden in Izmir festgenommen.

Quelle: KURD-A, 22.3. und 27.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kurdistan: Zeugen unerwünscht Kopfprämien für abgeschnittene Ohren_

Die süddeutsche Newroz-Delegation schickte uns von ihrem Besuch in der Provinz Dersim (Tunceli) die folgenden Berichte.

Am Samstag, den 18.3., wurden zwischen Oracik und Tunceli 5 Dörfer vom Militär angegriffen und zerstört. Es handelt sich um die Dörfer Bilrenk, Pirtala, Baba Hocali, Suat und Karsilar. Die türkische Presse berichtete, die PKK hätte einen Konvoi attackiert. Bei den Auseinandersetzungen gab es mindestens 15 Tote unter den Soldaten, zahlreiche Verletzte, 10 Tote bei der Guerilla und mindestens 1 verletzte Zivilistin. Ein Augenzeuge berichtete: Die PKK war nicht in unserem Dorf, trotzdem sind 3 oder 4 Hubschrauber gekommen, aus denen das Dorf bombardiert, beschossen und in Brand gesetzt wurde. Die Soldaten haben ihn und seine Familie gezwungen, das Dorf zu verlassen. Wenn er den zurückgelassenen Hausrat holen will, dann weiß er nicht wohin damit, er hat keine Verwandten in Tunceli. In sein Dorf darf er nicht zurück. Seine 3 Kühe mußte er verkaufen. Ziegen konnte er nicht halten, da die ganze Umgebung schon längere Zeit vermint war.

Die leeren Dörfer werden vom Militär abgeriegelt. So wird nach und nach eine menschenleere Provinz geschaffen. Von den 400 Dörfern der Provinz sind weit über 200 Dörfer zerstört worden. Fast jede Woche werden Dörfer zerstört. Am 20.3. um ca. 22 Uhr in der Nähe von Cemisgezek waren es zwei weitere. Bauern berichteten auch von massenweise niedergebrannten Wäldern und abgehackten Obstbäumen sowie von toten Tieren im Wald, die keinerlei Verletzungen hatten, was auf Gifteinsatz schließen läßt. In diesen Gebieten schlagen auch die Bäume nicht mehr aus.

Die Leichen der bei den Auseinandersetzungen getöteten Guerilleros waren während unserer Anwesenheit im Krankenhaus vonm Tunceli für die Bevölkerung zugänglich. Ausländische Zeugen wollten die Behörden nicht zulassen. Ein Augenzeuge berichtete: Es gibt niemals Verletzte unter den Opfern bei der Guerilla, immer nur Tote. Die Leichen seien bestialisch verstümmelt. Bei Frauen seien die Brüste abgeschnitten worden und Gesichter zum Teil unkenntlich gemacht. Den Toten seien in der Regel die Ohren abgeschnitten. Für ein Ohr gäbe es eine Kopfprämie von 50 Mio. TL (ca. 1750 DM, ein Jahresverdienst eines einfachen Arbeiters).

Die systematische Vertreibung der Zivilbevölkerung soll der Durchsetzung eines Staudammprojekts (insg. 7 Staudämme geplant) dienen. Später sollen sogenannte Zentraldörfer (vergleichbar mit Wehrdörfern in Guatemala) errichtet werden.

Die staatlichen Stellen behaupten, die Menschen würden die Dörfer freiwillig und aus ökonomischen Gründen verlassen. Es könnte jeder hingehen, wo er will. Das Militär würde keine Dörfer zerstören. Die PKK würde die Dörfer ausrauben und die Bewohner umbringen. Verlassene Dörfer würden als Schlupfwinkel benützt und dann vom Militär zerstört. Die Panzer, die wir gesehen haben, seien russische.

Die Verlogenheit der staatlichen Stellen ist infam. Die Regierung hat ganze 10 russische BRT 60 gekauft und 300 weitere aus NVA-Beständen zum Schrottpreis geschenkt bekommen. Ungefähr 60% des Staatshaushalts werden für Rüstungsgüter, die Armee und deren Ziele ausgegeben. Die Türkei ist eines der am tiefsten verschuldeten Länder innerhalb der NATO. Sie hat eine offizielle Inflationsrate von 125% (inoffiziell bis zu 170%). Der offensichtlichen und durch systematische Vertreibungsund Vernichtungspolitik verschärften zunehmenden Armut, auch in den Metropolen, setzt der Staat eine Politik entgegen, die sich für fundamentalistisch orientierte Kräfte einsetzt. In Tunceli (95% Aleviten) wurden in den letzten 10 Jahren 3 Moscheen für damals noch 25000 Einwohner mit staatlicher Unterstützung gebaut.

Die Delegation als potentielle Zeugin der Geschehnisse wurde massiv in ihrer Arbeit behindert. Die zerstörten Dörfer durften nicht besichtigt werden. Durch ein übergroßes Polizeiaufgebot (Zivis, polit. Sicherheitspolizei), das uns "zu unserer persönlichen Sicherheit" ständig überwachte und begleitete, wurde es der Bevölkerung beinahe unmöglich gemacht, mit uns in Kontakt zu treten. Gesprächspartner wurden nach einer Kontaktaufnahme verhört und über Gesprächsinhalte befragt. Viele unserer Gesprächspartner äußerten die Vermutung, daß sie nach unserer Abreise mit Repressionen rechnen müßten.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Süddeutsche Newroz-Delegation: Bericht aus Dersim_

Auf der Newroz-Veranstaltung am 25. März in Stuttgart, die von 13000 bis 15000 Menschen besucht wurde, berichtete die Süddeutsche Delegation, die soeben aus Dersim zurückgekehrt war.

Liebe Freundinnen und Freunde,

wir möchten Euch im Namen unserer Kurdistan-Delegation recht herzlich begrüßen, und wir freuen uns, mit Euch Newroz zu feiern. Wir sind heute morgen am Flughafen in Stuttgart angekommen, aber unser Herz und unsere Seele sind noch in Kurdistan. Wir waren als süddeutsche Delegation fünf Tage in Dersim, um die Newrozfeierlichkeiten zu beobachten und um uns über die aktuelle Situation vor Ort zu informieren. Trotz Zusage des Gouverneurs konnten wir uns zu keinem Zeitpunkt frei bewegen. Unsere GesprächspartnerInnen und wir wurden ständig von der Polizei verfolgt, überwacht und gefilmt. Es wurde uns verboten, die Stadt zu verlassen und in die umliegenden Dörfer zu fahren, um die Dorfzerstörungen in der Provinz zu dokumentieren.

In Dersim herrscht seit Jahren der Ausnahmezustand, d.h. die Bevölkerung ist dem Staatsterror schutzlos ausgeliefert. Der türkische Staat betreibt besonders in dieser Region Kurdistans eine Entvölkerungs- und Vernichtungspolitik.

Im letzten Jahr wurden hier bereits 200 Dörfer zerstört und die Bevölkerung vertrieben. Von Augenzeugen wurde uns berichtet, daß während unseres Aufenthaltes mindestens fünf weitere Dörfer der Region Dersim niedergebrannt wurden. Es handelt sich hierbei um die Dörfer _Pilvenk, Pirtala, Baba Hoca, Suat und Karsilar_.

Um die Lebensgrundlagen der Bevölkerung nachhaltig zu vernichten, werden vom Militär die Wälder großflächig verbrannt und das Land vermint. Uns wurde auch berichtet, daß in den Wäldern zahlreiche tote Tiere ohne äußere Verletzungen gefunden wurden, was auf Giftgaseinsatz schließen läßt. Die vertriebenen Menschen müssen in die bereits überfüllten Gecekondus der Großstädte flüchten. In der Region Dersim gibt es kaum Arbeit und Unterkunft sowie kein Hilfsprogramm für die Flüchtlinge.

Die massive Militär- und Polizeipräsenz machte es der kurdischen Bevölkerung unmöglich, ihr Newroz zu feiern. Die Stadt war an diesem Tag verstärkt von Polizei, Militär, Özel-Tims und Panzern belagert. Trotzdem gab es gegen Abend in einem Hinterhof in der Innenstadt ein Newrozfeuer, um das sich Kinder versammelten, übers Feuer sprangen und Parolen riefen: _"Es lebe Newroz", "Wir wollen unsere Rechte"._

Die Menschen freuten sich sichtlich über unsere Anwesenheit und forderten uns auf, daß wir uns in Deutschland verstärkt gegen die Waffenlieferungen an das türkische Regime einsetzen sollten. Die deutsche Unterstützung des Völkermords muß endlich beendet werden.

Wir haben während unseres Aufenthalts in Dersim festgestellt, daß der Terror gegen das kurdische Volk eindeutig vom türkischen Staat ausgeht und nicht von der PKK. Das Verbot der PKK hier und die Kriminalisierung kurdischer Vereine und Menschen unterstützt das türkische Regime in seinem schmutzigen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung.

In Ankara haben wir Angehörige von politischen Gefangenen aus Konya getroffen, die sich nunmehr seit 37 Tagen im Hungerstreik befinden. Unsere Solidarität gilt auch ihrem Kampf um menschenwürdige Haftbedingungen.

Unsere Forderungen nach all unseren Erlebnissen:

_Keine Waffenlieferungen an die Türkei!_

_Keine Abschiebungen in die Türkei!_

Wir werden wieder nach Kurdistan reisen, um die Lügen aufzudecken, die hier über den kurdischen Befreiungskampf verbreitet werden.

Wir rufen die demokratische Öffentlichkeit auf, sich an Delegationen zu beteiligen oder diese zu unterstützen.

_Biji Kurdistan! Biji Newroz!_

Unsere Eindrücke lassen sich am besten durch den Brief ausdrücken, der uns von einer 13jährigen Schülerin zugesteckt wurde. Diesen Brief wollen wir Euch zum Schluß jetzt noch vorlesen.

(aus: _Lokalberichte Stuttgart_)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Brief einer 13-jährigen Schülerin aus Dersim_

Zuerst möchte ich sagen: "Willkommen in Dersim; einer der allerschönsten Städte meines Landes Kurdistan."

Ich würde gerne mit Euch sprechen, aber wie Ihr sehen könnt, ist das jetzt unmöglich, weil die Polizei nicht will, daß irgend jemand Euch was erzählt und sie lassen uns nicht mit Euch sprechen. Außerdem hat mich eines der Polizeiautos fast angefahren, nachdem ich mit Euch geredet und Euch in meine Schule eingeladen habe. Ich hoffe, daß Ihr über den Druck, den die Regierung auf uns ausübt, berichten werdet, nachdem Ihr in Eurer Land zurückgekehrt seit.

Hier ist Kurdistan und wir sind kurdische Menschen. Aber die Regierung läßt uns in unserem eigenen Land nicht in Frieden leben. Und die Tatsache, daß wir Kurden sind, ist der einzige Grund, warum wir von der Regierung getötet oder verhaftet werden. Letzten Sommer haben die Soldaten unsere Wälder niedergebrannt. Ihr könnt sicher sein, daß es ein schreckliches Gefühl ist, brennende Wälder zu sehen und nicht die Möglichkeit zu haben, irgend etwas dagegen zu tun. Dann haben sie dreimal angefangen, unsere Dörfer zu evakuieren. Danach wurden die Häuser vieler Menschen niedergebrannt. Dann mußten die Menschen in die großen Städte gehen, wie Istanbul, Izmir und ... Und die Menschen, die ihre Dörfer nicht verlassen wollten, wurden getötet. Die beiliegende Zeitung berichtet über die getöteten Menschen. Die Soldaten haben sie getötet.

Tatsächlich glaube ich nicht, daß Ihr irgendeine schlechte Tat der Regierung gegen uns gesehen habt, außer die Polizeibeamten um Euch herum. Aber ich bin sicher, wenn Ihr von hier weggeht, wenn Ihr wieder in Euer Land zurückkehrt, daß dann der Druck wieder anfangen wird. Ich würde nur wünschen, daß Ihr mit den Menschen hier sprecht, weil ich sicher bin, daß sie Euch noch mehr Dinge erzählen werden. Aber das ist unmöglich - wenigstens scheint es so. So ist dieser kurze Brief unsere einzige Chance, mit Euch in Kontakt zu treten.

Um nochmal zusammenzufassen, wir können getötet oder verhaftet werden, oder die Regierung kann uns verschwinden lassen: weil wir in die Dörfer gehen, weil wir über den Druck, den die Regierung auf uns ausübt, sprechen, weil wir eine Zeitung, die _Özgür Ülke_ heißt, lesen, weil wir in Gruppen auf den Straßen herumlaufen, weil wir versuchen, mit anderen zu reden, und besonders weil wir Kurdinnen sind. Bitte helft uns, versucht zu verhindern, daß Eure Länder Bomben und Waffen an die Türkei verkaufen.

Bitte versucht, Euch mehr für unser Problem zu interessieren. Danke für alles.

Ich feiere unser traditionelles Newroz-Fest mit den besten Grüßen (wie Ihr gesehen habt, können wir unser Newroz-Fest nicht feiern, wegen den offiziellen Feiern der Regierung).

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Newroz in München: Solidarisch gegen Polizei-Übergriffe_

Eine Abschreckungsmacht von mehr als 2000 Polizisten war am 21. März rund umd den Münchner Marienplatz im Einsatz und hat die NEWROZ-Kundgebung behindert.

Alle Zufahrtsstraßen, U-Bahn- und S-Bahn-Zugänge waren mit Polizeitruppen abgeriegelt. Personen mit dunklen Haaren, aber auch viele Jugendliche wurden kontrolliert und durchsucht. Eine bisher nicht genau feststellbare Zahl von Kurdinnen und Kurden wurde festgenommen - angeblich zur Überprüfung ihrer Identität -, weil sie angeblich PKK-Propagandamaterial bei sich hatten oder als Asylbewerber ihren zuständigen Landkreis verlassen hatten.

Drei Stunden vor der NEWROZ-Kundgebung wurde eine vom Staatsschutz in Stuttgart angeordnete Polizeirazzia im Kurdischen Elternverein München durchgeführt. Dabei wurden 14 Personen verhaftet und Transparente und Plakate für die Kundgebung auf dem Marienplatz beschlagnahmt.

Trotz dieser massiven Polizeieinschüchterung und außerdem noch dichtem Schneetreiben versammelten sich mehr als 1000 Menschen zu der NEW-ROZ-Kundgebung, die wegen der Polizeischikanen mit einer halben Stunde Verspätung begann.

Bürgermeisterin Sabine Csampai begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung und mahnte zu einer gewaltfreien Veranstaltung. "Ich hoffe, meine Worte können auch die anwesenden Sicherheitskräfte erreichen", sagte sie.

Bei der Kundgebung sprachen der kurdische Schriftsteller Haydar Isik, dessen Bücher in der Türkei verboten sind; außerdem Hans-Otto Wiebus (IG Medien), Eva Bulling-Schröter (MdB, PDS) und eine Vertreterin von YEK KOM, der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland. Zivile Einsatzkommandos der Polizei versuchten mehrmals, die Kurdin zu verhaften, hatten aber keinen Erfolg.

Beim Auftriff deutscher Kulturgruppen und der kurdischen Musikgruppe KOMA BERXWEDAN kam schließlich sogar NEWROZ-Feststimmung auf. Es wurde getanzt und immer wieder schallten Sprechchöre "Biji PKK" über den Marienplatz.

In scharfer Form protestierte die Versammlungsleitung gegen die von Innenminister Beckstein angeordnete Polizeistaatspraxis, die beinahe identisch war mit dem Vorgehen des türkischen Staates, nur, daß nicht geschossen wurde. Zurückgewiesen wurden die Versuche der Polizeibehörden, mithilfe von Verbotsdrohungen und politischen Auflagen im Genehmigungsbescheid Zensur auszuüben und die Redefreiheit einzuschränken.

Bereits bei den Verhandlungen hatte die Polizei Auskunft über die politische Einstellung von Kundgebungsrednern und die Texte der Musikbeiträge verlangt. Die Veranstalter sollten sich von verbotenen Organisationen distanzieren. Sie sollten Meinungsäußerungen, die vom bayerischen Innenministerium als Unterstützung der PKK interpretiert werden, unterbinden und notfalls sogar die Lautsprecheranlage abschalten. Der Veranstaltungsleiter erklärte dazu, daß er nicht als Erfüllungsgehilfe der Polizei zur Unterdrückung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zur Verfügung stehe. Die Polizeikräfte forderte er auf, sich nicht als Handlanger des türkischen Folterstaates herzugeben. "Jede Polizeiaktion gegen Kurdinnen und Kurden in Deutschland wird vom türkischen Staat als Ermunterung zur Fortsetzung seines blutigen Vernichtungskrieges gegen das kurdische Volk aufgefaßt. ...Kanther und Beckstein wollen mit ihren Polizeistaatsmethoden jede Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf ersticken. Solidarität mit den Befreiungsbewegungen unterdrückter Völker, ob in Vietnam, in Südafrika oder Lateinamerika, war für uns immer eine Selbstverständlichkeit. Das gilt auch für die Befreiungsbewegung in Kurdistan. Daran wird sich nichts ändern. Auch Verbote werden daran nichts ändern. Darauf sollten Kanther und Beckstein nicht spekulieren. Terroristisch ist nicht die PKK, sondern der türkische Staat, der auf eine militärische Endlösung, auf Völkermord gegen das kurdische Volk setzt."

Nach der Kundgebung zogen noch ca. 500 Menschen mit einer ebenso starken Polizeibegleitung in einem Demonstrationszug zum Kurdischen Elternverein, dessen Räume die Polizei inzwischen wieder verlassen hatte. Sie protestierten in Sprechchören gegen die Polizeirazzia am Nachmittag und forderten die sofortige Freilassung aller Verhafteten.

Bis in die Nacht war die Polizei vor dem Kurdischen Elternverein mit drei Mannschaftswagen präsent. Beim Verlassen des Hauses wurden mindestens noch weitere zwei Menschen verhaftet.

(Presseinformation des Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitees, aus: _Lokalberichte München_)

_Nachtrag:_ Nach verschiedenen Presseberichten, u.a. auch in den "Münchner Lokalberichten", gab es nach der Kundgebung auch noch mehrere Einsätze ziviler Greiftrupps der Polizei, die eine unbekannte Zahl weiterer Personen, zumeist Kurdinnen und Kurden, verhafteten. Eine verhaftete Kurdin wurde inzwischen als "PKK-Funktionärin" eingestuft und von der Bundesanwaltschaft der "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" beschuldigt, ist also mit hoher Sicherheit in Isolationshaft. - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Newroz in Stuttgart_

Am 25. März feierten über 15000 KurdInnen und im Vergleich zu den Vorjahren viele Deutsche in der Stuttgarter Messehalle das Newroz-Fest. Neben kulturellen Beiträgen von einer Gruppe des Mesopotamischen Kulturzentrums Istanbul, Koma Azad, Koma Berxwedan von Hunerkom, einer afrikanischen Trommelgruppe, einer deutschen Musikgruppe, einer kurdischen Theatergruppe u.a. sprachen ein Vertreter der ERNK, der SPD-Landtagsabgeordnete Eberhardt Lorentz, zwei Vertreter der IG-Medien und mehrere Delegationsteilnehmer der BeobachterInnendelegationen, die gerade aus Kurdistan zurückgekehrt waren. Im Saal wurden viele Fahnen der ERNK, PKK und ARGK getragen und Parolen gerufen.

Quelle: KURD-A, 27.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Aus den Mitteilungen des Newroz-Koordinationsbüros Frankfurt_

Das "Newroz-Koordinationsbüro" in Frankfurt (bei medico international) bemühte sich auch in diesem Jahr wieder um eine Koordinierung und Auswertung der Ergebnisse der zahlreichen Delegationen nach Kurdistan. Hier eine Übersicht.

"... Im Vorfeld des Neujahresfestes wurden in Diyarbakir der Vorsitzende der prokurdischen Partei HADEP, Firat Anli, sowie fünf weitere Vorstandsmitglieder der Partei verhaftet. Die Mitarbeiter von medico berichteten, es gebe Zeugen, die ausgesagt hätten, daß Anli im Untersuchungsgefängnis von Diyarbakir mit schweren Gesichtsverletzungen gesehen wurde. Offenbar sie er schwer mißhandelt worden. Allen Verhafteten sei bei der Festnahme ein Tuch über den Kopf gezogen worden, mit dem die Augen verdeckt wurden. In den letzten Tagen wurden im Raum Diyarbakir die Leichen von fünf Kurden gefunden. Die Männer waren noch kurz vorher in Untersuchungshaft gesehen worden ..." _(19.3.95)_

"... In der Stadt Adana wurden nach Angaben einer Delegation aus dem Rhein-Main-Gebiet und Berlin in den letzten Tagen bis zu 1000 KurdInnen verhaftet. Die am Abend des 20. März entzündeten Newrozfeuer wurden vom Militär und Polizei gelöscht, ganze Stadtteile abgeriegelt und die Häuser durchsucht ..." _(21.3.95)_

"... Heute um 17.00 Uhr wurden die Teilnehmerinnen einer süddeutschen Delegation, Marina Meisch aus Schwäbischheim und Susanne Neudert aus Bamberg, von der Polizei in Dersim (türkisch: Tunceli) festgenommen ... Die beiden Frauen wurden von dem Hotel gewaltsam mit auf den Rücken verdrehten Armen und an den Haaren in ein Polizeiauto geschleift. Nach einem zweistündigen Verhör, bei dem ein Polizist mit zwei nagelgespickten Knüppeln im Raum stand, wurden die Frauen entlassen. Der mitreisende Arzt Roland Fink aus Graben-Neudorf stellte bei Martina Meisch eine Schürfwunde und Zerrungen im Oberarm fest ..." _(22.3.95)_

"... Der Journalist Vedat Pencin, der im Büro der neuen Zeitung arbeitet, wurde am 20. März um 10.00 Uhr vormittags gemeinsam mit seiner schwer kranken Mutter in der Nähe von Urfa unter dem Vorwand einer Verkehrsübertretung festgenommen. Die Mutter von Vedat Percin wurde gleich wieder freigelassen, dafür wurde etwa eine Stunde später sein Bruder zu Hause abgeholt. Von beiden ist bisher trotz intensiver Nachforschungen der Verbleib nicht bekannt.

Seit dem Morgen des 21. März stehen ungeniert ständig Zivilpolizisten vor dem Gebäude, in dem sich das Büro befindet und die MitarbeiterInnen der Zeitung, die sich nicht mehr alleine aus dem Gebäude wagen, werden regelmäßig von Zivilpolizisten verfolgt. Insgesamt sechs Mal wurden am 21. März MitarbeiterInnen der Zeitung unabhängig voneinander kurzzeitig festgenommen, zum Teil durchsucht und über die Gründung der Zeitung verhört.

Am Mittag des 21. März gegen 12.30 Uhr haben die Journalistin Serap Aksu und der Mitarbeiter M. Ali Yasa das Büro verlassen, um einen Kollegen der verbotenen Zeitung _Özgür Ülke_ im Gefängnis zu besuchen. Beide sind seither verschwunden und die bisher angestellten Nachforschungen sind ebenso ergebnislos verlaufen wie bei Vedat Percin und seinem Bruder.

Am Nachmittag des 21. März war die Journalistin Necmiye Aslanoglu, die z.Zt. vorübergehend bei der Zeitung _Ögzür Halk_ arbeitet, im Stadtteil Baglar in Diyarbakir unterwegs, um Material für eine Reportage über die Newroz-Aktivitäten zu sammeln. Sie wurde bei ihrer Arbeit festgenommen. Auch bei ihr fehlt bisher jeder Hinweis auf ihren Verbleib. Ebenso wie bei den beiden Journalisten Bülent Sümbül und Metin Dag, der das Büro der neuen Zeitung in Cizre besuchen sollte, und seit dem Nachmittag des 21. März verschwunden ist ..." _(22.3.95)_

"Eine schweizer Gruppe berichtete aus der kurdischen Stadt Mardin, eigens für sie wäre von der Polizei in einem Hotel eine "Feier" organisiert worden. An dieser hätten, außer der Delegation, 15 Personen, ausschließlich Angehörige der "Sicherheitskräfte", teilgenommen. Die Schweizer werteten dieses Szenario als peinlichen Versuch, die internationale Öffentlichkeit zu täuschen. Die kurdische Bevölkerung sei dagegen massiv bedroht und eingeschüchtert worden ..."

Die Newroz-Feiern des Volkes in den kurdischen Vierteln Adanas wurden von der Polizei angegriffen, die Feuer von der Feuerwehr gelöscht. Nach Angaben des örtlichen Menschenrechtsvereins IHD hätte ein Polizist ein 12jähriges Mädchen im Stadtteil Daglioglu in das Feuer geworfen. Das Mädchen hätte schwere Verbrennungen erlitten ..."

"Am 30.3.95 erhielt der Geschäftsführer von medico international, Hans Branscheidt, per Fax eine Mitteilung des Auswärtigen Amtes mit der Bitte um Zusendung des von Albert Gubler auf der zentralen Pressekonferenz der bundesdeutschen Newroz-Delegationen am 29. März in Bonn vorgfelegten Fotomaterials, "das den vertragswidrigen Einsatz von deutschen Waffen und Gerät aus Rüstungshilfeprogrammen in der Türkei beweisen soll. Das Auswärtige Amt bittet um schnellstmögliche Übersendung des Bildmaterials, damit die Bundesregierung diesen Vorwürfen nachgehen kann" (aus der Mitteilung des Auswärtigen Amtes). Hans Branscheidt reagierte mit dem Ersuchen nach einem Gesprächstermin bei Bundesaußenminister Kinkel, auf dem VertreterInnen des Newroz-Koordinationsbüros und der BeobachterInnendelegationen die Fotos und Zeugenaussagen über den Einsatz deutscher Waffen vorlegen können. An dieser Stelle drängt sich für uns die Frage auf: Was möchte die Bundesregierung noch bewiesen haben? Kein unabhängiger internationaler Militärexperte zweifelt mehr an dem Einsatz deutscher Waffen durch die türkische Armee in Kurdistan ..." _(31.3.95)_

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_19. Strafverteidigertag gegen Kurdenverfolgung_

Freiburg. Der 19. Strafverteidigertag in Freiburg hat am vorletzten Wochenende die folgende Entschließung gegen die Kurdenverfolgung und Türkeihilfe der Bundesregierung beschlossen:

"Seit dem Verbot kurdischer Vereine und dem Verbot der Betätigung der PKK im November 1993 werden die Kurdinnen und Kurden in der BRD umfassend kriminalisiert. Gegen Tausende wird ermittelt, mehrere Hundert sitzen in Haft. Die Vorwürfe reichen vom Zeigen kurdischer Fahnen und Symbole über Sitzblockaden bis zu einem dutzend Ermittlungsverfahren wegen Betätigung für eine terroristische Vereinigung nach dem umstrittenen 129a StGB.

Kurdische Gefangene sind teilweise Isolationshaftbedingungen unterworfen. Ihnen wird wie in der Türkei verboten, bei Besuchen kurdisch zu sprechen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung sind sie von Abschiebung bedroht. Gerade politisch aktive Flüchtlinge sollen jetzt wieder in das Land abgeschoben werden, aus dem sie fließen mußten.

Dabei will Bundesinnenminister Kanther, daß man sich ausgerechnet auf die Zusicherung des Verfolgerstaates verläßt, diese Flüchtlinge nicht zu mißhandeln - ein Staat, der soeben eine völkerrechtswidrige Invasion im Nachbarstaat durchführt. Der Einsatz von 35000 Soldaten zeigt, daß es dabei nicht um die Verfolgung von kurdischen "Terroristen" geht. Bei diesem Einsatz werden von Deutschland gelieferte Waffen eingesetzt. Dadurch wird nicht nur die Zivilbevölkerung gemordet, sondern erneut Tausende von Kurdinnen und Kurden ins Exil getrieben, auch nach Deutschland.

Der 19. Strafverteidigertag fordert:

-- Stopp der Waffen- und Wirtschaftshilfe für die Türkei,

-- Keine Abschiebungen von Kurden,

-- Aufhebung des Verbots kurdischer Vereinigungen.

Mit Mitteln des Strafrechts ist eine Lösung des kurdischen Problems nicht zu erreichen." - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_900 bei Demonstration in Mainz am 25. März_

"Für ein freies Newroz! Für ein freies Kurdistan!" war das Motto der Demo am 25.3. in Mainz. Ca. 900 Menschen vor allem aus Mainz, Wiesbaden, aber auch kleinere Gruppen aus Frankfurt und Darmstadt nahmen daran teil. Erfreulich: die Hälfte der Demonstrierenden waren sich solidarisierende Nicht-KurdInnen. Redebeiträge hielten u.a. Thomas Klein (KOMZI, Idstein) und Friedel Grützmacher (Fraktionsvors. B-90/Grüne im Landtag Rheinl.-Pfalz). Die Demo verlief friedlich - trotz des Schwenkens handlicher kleiner ERNK-Fähnchen. Das Nichteingreifen der Polizei ist mit Sicherheit auch auf deren "psychologische Betreuung" durch eine Gruppe neutraler Demo-BeobachterInnen zurückzuführen, die die Veranstalterinnen gewinnen konnten, um einer evtl. Eskalation entgegenzuwirken.

(Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein e.V., Mainz, Freude und Freundinnen des kurdischen Volkes Mainz, Initiativkreis Kurdistan Wiesbaden)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_"Erwischt!"_ (??)

Einen 71-jährigen Grünen Landtagskandidaten hat die politische Polizei NRW am 29. März in Oberhausen "gehaussucht". Begründung: Man wolle, so das Amtsgericht Düsseldorf, "Propagandamaterial der PKK" sicherstellen. Hier die Pressemitteilung der Grünen Oberhausen vom 29.3.:

"Um 6.00 Uhr klingelten heute morgen 5 Polizisten den Grünen Landtagskandidaten Wilhelm von Schmeling aus dem Bett. "Bewaffnet" mit Durchsuchungsbefehl, Video-Kamera usw. begehrten sie Einlaß. Angeblich soll Wilhelm von Schmeling in seiner Funktion als 2. Vorsitzender des Kurdistan-Solidaritäts-Zentrums e.V. die kurdische Organisation PKK unterstützt haben.

Dazu erklärt Wilhelm von Schmeling: Ich engagiere mich im Kurdistan-Solidaritäts-Komitee, um den Menschen, die hier Zuflucht suchen, zu helfen. Praktische Lebenshilfe im Alltag hier - und die politische Forderung nach dem Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes sind die Grundlage meines politischen Handelns. Zur PKK habe ich keine Verbindungen, mir geht es um die Menschen. Bezeichnend aber ist, daß die Durchsuchung meiner Wohnung wegen meiner politischen Tätigkeit in eine Zeit fällt, wo die Türkei brutal und menschenverachtend auf der Jagd nach kurdischen Freiheitskämpfern in den Irak einfällt und dort auch die Zivilbevölkerung nicht schon. Bezeichnend aber ist auch, daß die Bundesregierung nichts unternimmt, um dem völkerrechtswidrigen Handeln der Türkei Einhalt zu gebieten. Stattdessen wird der Versuch unternommen, diejenigen, die sich solidarisch um die Verfolgten kümmern, zu kriminalisieren. Das ist der eigentliche Skandal." - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kurdischer Hungerstreik in Verviers_ (Belgien)

Eine unbekannte Zahl von Kurdinnen und Kurden ist in der belgischen Stadt Verviers seit dem 11. März im Hungerstreik. Die ersten Hungerstreikenden wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Hier ihre Hungerstreikerklärung:

"Wir ... haben einen unbefristeten Hungerstreik begonnen. Wir werden unsere Aktion weiterführen, bis die belgische Regierung unseren Forderungen Rechnung trägt, darunter:

1. Wiederzuerkennung unseres Flüchtlingsstatus.

2. Wir wollen, daß der schmutzige Krieg, der gegen Kurdistan geführt wird, ein Ende findet. Währenddessen fordern wir, daß unsere Probleme noch einmal betrachtet werden, daß uns die Sozialhilfe zugestanden wird, und daß sie den Familien gewährt werden wird, welchen sie entzogen worden war.

3. Wir fordern, daß unsere Familien nicht mehr mit Ausreise bedroht sein sollen und alle polizeilichen Verfolgungen aufhören.

Diese Aktion und diese Forderungen sind einstimmig entschieden worden. Alle Demokraten, Humanisten, Verteidiger der Menschenrechte sind aufgerufen, die Solidarität zu üben und zu verfechten."

_Kontakt:_ Le Comite de greve, Egline Rue du College 80, B-4800 Verviers. - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_60 Tage Haft für "Pflugscharaktion" gegen Türkeihilfe_

Als letzter von 4 Teilnehmern der Aktion "Pflugschar für Kurdistan" im Jahr 1992 trat am 17. März 1995 in der JVA Heidenheim Holger Isabelle Jänicke aus (z.Zt.) Oberschleißheim eine 60-tägige Haftstrafe an. Er schreibt: "Eingehandelt habe ich mir diese Haft durch zwei Aktionen in Bremgarten bei Freiburg. Die dort stationierten Phantom-Flugzeuge wurden im Rahmen der Militärhilfe der Bundesregierung an die Türkei verschenkt. Am 27. September 1992 drang ich mit Eray Eryazici in das Militärgelände ein (sog. Hausfriedensbruch) und versuchte, die Tür zum Hangar aufzubrechen, um eines der Phantomflugzeuge mit Hammer und Blut unbrauchbar zu machen (sog. Sachbeschädigung). Nach zweieinhalb Stunden vergeblicher Mühe an der eisernen Tür wurden wir von Wachsoldaten festgenommen. Am 9. September 1992 kamen wir wieder, zusammen mit Koni Link und Katrin Knobloch. Wir beförderten Schnellzement in die Schlüssellöcher der Türen von zwei Hangars und schrieben auf die großen Tore "Abrüsten für Kurdistan" und "Stoppt das Morden". Das Amtgericht Staufen verurteilte mich zu 60 Tagessätzen ..."

_Kontakt:_ Holger Jaenicke, JVA, Rektor-Klaus-Str. 21, 73525 Schwäbisch Gmünd.

(aus: CL-Netz)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Razzia wegen Transparent gegen Völkermord an Kurden_

Halle. Weil sie ein Transparent mit der Aufschrift "Die Türkei mit deutschen Waffen beim Völkermord! Keine Abschiebung von Kurden!" aufgehängt haben, wird gegen Bewohner und Bewohnerinnen eines besetzten Hauses in Halle/S. wegen Verdachts auf "Verunglimpfung des Staates" ermittelt. Das Transparent hing an der Kellnerstraße 10a, einem selbstverwalteten Wohnund Kulturprojekt. Von diesem Haus gehen in Halle etliche politische Aktionen aus.

Quelle: CL-Netz - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kurdisches Exilparlament in den USA und der GUS_

Ali Yigit und Necdet Buldan vom Vorbereitungskomitee des kurdischen Exilparlements haben in den letzten Wochen mit 40 Politikern in den GUS-Staaten Gespräche geführt. Außerdem wählten die in den GUS-Staaten lebenden KurdInnen jeweils einen Delegierten in Eriwan, Gürcistan, Kirasuadar, Kasakistan und Moskau für das Exilparlament.

Nach mehreren Gesprächen mit PolitikerInnen in den USA führten Ali Yigit, M. Pencewini und Ismet Serif Vanly vom Vorbereitungskomitee des Exilparlaments am 21. März im UN-Gebäude in den USA eine Pressekonferenz durch. Bei der Pressekonferenz, zu der über 60 PressevertreterInnen kamen, kritisierten sie den türkischen Einmarsch in Südkurdistan und daß bei ihm u.a. Waffen aus den USA eingesetzt werden. Anschließend führte das Vorbereitungskomitee noch ein Gespäch mit Raymond Rosenery von den Vereinten Nationen, in dem sie deutlich machten, daß das kurdische Exilparlament einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen will.

Quelle: KURD-A, 23.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Gemeinsamer Aufruf zum Wirtschaftsboykott gegen TR_

Die kurdischen Organisationen PKK, KAWA, KKP, KUK, PDK-Bakur, PIK, PRNK, PSK, TS und TSK verabschiedeten eine gemeinsame Erklärung gegen das "türkische Spezialkriegsregime. Der kolonialistische Staatsterror führt in Kurdistan einen gnadenlosen Krieg, der täglich Millionen Dollar verschlingt. Über die Hälfte des türkischen Staatshaushalts wird für den Krieg ausgegeben. Das Volk in der Türkei und in Kurdistan verarmt deshalb. Das Spezialkriegsregime plündert nicht nur die Quellen im Land aus, sondern versucht auch die Arbeit und den Schweiß der im Ausland lebenden Werktätigen aus der Türkei und Kurdistan durch die Banken und Handelsgesellschaften, die Hand in Hand mit den Konsulaten wie eine Kriegsbehörde arbeiten, auszuplündern." Sie rufen zum Boykott der türkischen Wirtschaft, Banken etc. auf.

Quelle: KURD-A, 20.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_ERNK bei Versammlung der Völker Kleinasiens_

Die ERNK beteiligte sich an einer am 10. März beginnenden dreitägigen Versammlung der Völker Kleinasiens in der zypriotischen Hauptstadt Lefkosia. An der Versammlung nahmen VertreterInnen von 23 Organisationen von Nationen und Minderheiten teil, die unter dem türkischen Staatsterror leiden, sowie WissenschaftlerInnen. Der ERNK-Zypern-Vertreter Yado Roz referierte über die Krise, in der sich die Türkei heute befindet, und rief zur ideeller und materieller Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes und der PKK auf, was von den TeilnehmerInnen der Versammlung mit großem Beifall aufgenommen wurde.

KURD-A, 15.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Prof. Steinbach, Orient Institut:_ _"Gefordert ist eine neue Kurdistan-Politik"_

"Depeschen aus der Türkei und Kurdistan" ist der Titel eines neuen wöchentlichen Informationsdienstes, herausgegeben u.a. von der SPD-Bundestagsabgeordneten Angelika Graf und medico international, der sich vor allem an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft wenden will und für eine neue Kurdistan- und Türkei-Politik wirbt. In der ersten Ausgabe äußerte sich Prof. Steinbach, Leiter des Orient-Instituts in Hamburg, u.a. zu den Verboten kurdischer Vereine und dem Aufbau eines kurdischen Exilparlaments. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der "Depeschen" hier Auszüge aus dem Interview. - (rül)

_Frage:_ Im Herbst 1993 wurden in der Bundesrepublik alle Aktivitäten der PKK verboten. Hat dieses Verbot Auswirkungen auf die Aktivitäten der PKK gehabt?

_Steinbach:_ Ich habe den Eindruck, daß die Situation nach dem Herbst 1993 eher schlechter und schlimmer geworden ist ... Die Dinge, die wir in 1994 erlebt haben, die massive Gewalttätigkeit in Deutschland, die Austragung des kurdisch-deutschen Konflikts auf deutschen Autobahnen, hat man in der Vergangenheit so nicht erlebt ... Sowohl innen- als auch außenpolitisch ist das PKK-Verbot eher kontraproduktiv gewesen.

_Frage:_ Am 21. März findet das kurdische Neujahrsfest statt. Sind Sie besorgt, was die voraussehbaren Konfrontationen in Deutschland betrifft?

_Steinbach:_ Wenn ich das Verbot des Kurdistan-Informationsbüros betrachte, das zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt kommt, dann scheinen mir die deutschen Behörden nicht gerade sensibel im Umgang mit den Kurden zu sein. Wenn man sieht, daß das harte und kompromißlose Vorgehen der Polizei und der deutschen Sicherheitsbehörden immer neue Konfrontationen und Konflikte schafft, dann müßte man bereit sein, größere Behutsamkeit im Umgang mit der PKK ... an den Tag zu legen ... was auch vieles von dem Sprengstoff entladen würde, der sich gerade durch das harte Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden in den letzten Monaten angehäuft hat.

_Frage:_ Seit Wochen wird die Gründung eines kurdischen Exilparlaments vorbereitet. Welche Chancen ergeben sich daraus für den kurdischen Befreiungskampf?

_Steinbach:_ Ich glaube, unter bestimmten Bedingungen kann die Schaffung eines kurdischen Exilparlaments die politischen Entwicklungen erleichtern und verbessern. Wenn es repräsentativ ist, dann denke ich, ist es aus zwei Gründen politisch wichtig: Einmal weil es eine demokratische parlamentarische Repräsentanz der Kurden darstellt und weil es eine parlamentarische Unterfütterung der PKK wäre. Die militante Dimension würde dann in den Hintergrund treten und die politische Dimension würde in den Vordergrund treten. Das Zweite ist: Wenn es zutrifft, was wir alle erhoffen und erwarten, daß es in der Türkei zu Schritten in Richtung auf eine politische Lösung kommt, dann wären im Umfeld des kurdischen Exilparlaments ganz gewiß politische Persönlichkeiten zu finden, mit denen die türkische Regierung in Gespräche über eine solche politische Lösung eintreten könnte.

Die "Depeschen" erscheinen wöchentlich bei der "medienagentur für menschenrechte", Postfach 1841, 27738 Delmenhorst. Tel. 04221-53948, Fax: 54639.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Guerilla-Aktionen in Nordkurdistan vom 12. bis 26. März_

Im oben genannten Zeitraum melden kurdische Quellen allein in Nord-Kurdistan 202 durch Guerilla-Angriffe getötete türkische Soldaten und Offiziere. Auch in türkischen Städten (inkl. Istanbul) nehmen die Aktionen der kurdischen Guerilla zu. Hier wieder unsere Übersicht.

_12. März_

Der stategisch wichtige Ceresa-Hügel in Cizre, auf dem die türkische Armee Stellungen hatte, wurde von der Guerilla von zwei Seiten angegriffen und erobert. Bei dem Gefecht wurden ein Befreiungskämpfer und mindestens fünf Soldaten getötet.

In Batman-Besiri wurden 18 Bohrtürme auf einem Erdölfeld von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen und drei Hochspannungsleitungen zerstört.

In Raman sprengte die Guerilla drei Ölbohrstellen und verminte ihre unmittelbare Umgebung. Ein Militärfahrzeug, das nach dem Angriff eingreifen wollte, fuhr auf eine Mine. Dabei wurde ein Soldat getötet und zwei schwer verletzt.

_17. März_

Nach einer Woche intensiver Vorbereitungen führte die Volksbefreiungsarmee Kurdistans in Dersim-Ovacik bei Geyiksu einen Angriff auf einen aus 50 Mannschaftstransportern bestehenden Militärkonvoi der türkischen Armee durch. Die Fahrzeuge wurden mit Maschinengewehren und Raketen an mehreren Stellen gleichzeitig angegriffen. Bei der Aktion wurden nach Informationen des ARGK-Pressebüros acht BefreiungskämpferInnen und schätzungsweise 100 Soldaten getötet.

Im Stadtteil Bagcilar in Istanbul wurde die Polizeistation Yüzyil von der ARGK-Stadtguerilla mit Maschinengewehren und Raketen beschossen. Es gab keine Toten oder Verletzten, aber das Gebäude wurde stark zerstört. In der gleichen Nacht wurden auch in mehrere Banken und staatliche Stellen Molotowcocktails geworfen.

In Sirnak wurde die Panzerbrigade und eine bei den Kohlebergwerken stationierte Einheit der türkischen Armee von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Ein Panzer wurde zerstört und mindestens fünf Soldaten wurden getötet und viele verletzt.

_18. März_

In Silopi wurden drei Militärfahrzeuge auf dem Weg in das Dorf Cite von der ARGK beschossen. Ein Fahrzeug wurde total zerstört, die anderen beiden wurden stark beschädigt. Bei der Aktion wurden acht Soldaten getötet und viele verletzt.

_19. März_

Eine türkische Militäreinheit wurde am Fuß der Cudi-Berge von der ARGK angegriffen. Bei dem dreistündigen Gefecht wurden 53 Soldaten getötet und mindestens ebensoviele verletzt.

_20. März_

Bei einem Angriff der ARGK auf die Militärstation Besta in Silopi wurden 17 Soldaten der türkischen Armee und ein Befreiungskämpfer getötet.

_21. März_

Bei einem Gefecht nahe der türkischen Staatsgrenze zu Südkurdistan in Cukuca sind vier BefreiungskämpferInnen gefallen.

_22. März_

Die ARGK legte einen Hinterhalt gegen die türkische Armee am Cudi-Berg.

Die Landstraße Nusaybin-Cizre wurde von der ARGK kontrolliert.

_23. März_

In der Nähe von Cukurca wurde die Kaserne der Brigade Pinyanis von der ARGK angegriffen. 13 Soldaten wurden getötet und das Gebäude wurde stark zerstört.

_24. März_

Die Volksbefreiungsarmee griff im Stadtzentrum von Eruh Offiziersunterkünfte mit Raketen an.

_26. März_

In Sirnak wurden die Offiziersunterkünfte der türkischen Armee, Wachtürme der Spezialteams und eine Militärbaustelle von der ARGK angegriffen. Eine zur Verstärkung gekommene Militäreinheit wurde ebenfalls angegriffen. Genaue Zahlen über die Verluste wurden nicht bekannt.

In Uludere gerieten "Dorfschützer" auf dem Weg zu einer Operation in einen Hinterhalt der Volksbefreiungsarmee Kurdistans. Bei dem Gefecht wurden neun "Dorfschützer" getötet.

Quellen: KURD-A 18. bis 28.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Presseschau_

_Truppen im Nordirak verstärkt_

... Eine Woche nach dem Beginn der türkischen Invasion im Nordirak ist der Erfolg der Militäraktion gegen die Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ungewiß. Trotz des Einsatzes von 35000 Soldaten gelang es den türkischen Streitkräften bislang noch nicht, kurdische Freischärler festzunehmen oder zu töten. ...Schon am Sonntag hatte die Arabische Liga den türkischen Einmarsch als Verstoß gegen die Souveränität des Irak und Verstoß gegen die Prinzipien des internationalen Rechts verurteilt. Das türkische Außenministerium eröffnete ... ein Büro in Sacho ...

Nach anderen Vertretern des türkischen Staates sprach sich am Montag auch der Leiter der Militäroperation, General Kundakci, für die Einrichtung einer permanenten "Schutzzone" im Nordirak aus. ...

Die Türkei habe dem deutschen Botschafter in Ankara nochmals versichert, daß keine deutschen Waffen gegen Kurden eingesetzt würden, hieß es. Dagegen teilte eine am Sonntag nach Zürich zurückgekehrte Delegation schweizerischer Menschenrechtler mit, sie hätten bei ihrem Aufenthalt im Nordirak in unmittelbarer Nähe zu Kampfhandlungen "zweifelsfrei deutsches Kriegsgerät" erkennen können. ...Unterdessen wurden die türkischen Truppen im Nordirak abermals verstärkt. Nach Angaben der ... _Türkish Daily News_ vom Montag brachten türkische Militärmaschinen am Sonntag weitere Soldaten und Ausrüstung von Silopi und Cukurca in den Nordirak. In der nordirakischen Stadt Enze bestritt ein Vertreter der PKK türkische Angaben, wonach 25 Lager der kurdischen Rebellen zerstört worden seien. "Die türkischen Truppen werden uns niemals vollständig umzingeln können", sagte der PKK-Vertreter. Nach seinen Angaben befinden sich weiterhin fast 3000 PKK-Kämpfer in der Region um Sacho. ...

Am Montag forderte auch die iranische Führung den Rückzug der türkischen Armee aus dem Nordirak. ... (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 28.3.95)

... _AWACS-Daten_ ...

Die USA unterstützen die Türkei dem WDR-Fernsehmagazin "Monitor" zufolge bei ihrer Militäraktion mit Daten aus Aufklärungsflugzeugen. Das Magazin zitierte den türkischen Verteidigungsminister Mehmet Gölhan ... :"Die westlichen Luftstreitkräfte versorgen die türkische Armee mit Aufklärungsergebnissen für unsere Angriffe auf die PKK." Dem Bericht zufolge erhalten türkische Streitkräfte unter anderem Erkenntnisse von AWACS-Aufklärungsflugzeugen der USA, die für die UNO die Flugverbotszone im Nordirak kontrollieren.

Die türkischen Invasionstruppen schränken die Bewegungsfreiheit der dort stationierten UNO-Beobachter ein, wie ihr Chef, der Däne Poul Dahl, mitteilte. ...Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat am Mittwoch damit begonnen, weitere kurdische Flüchtlinge aus dem türkisch-irakischen Grenzgebiet zu bringen. ... (_Süddeutsche Zeitung_, 30.3.95)

_Der Mächtige im Norden_

Auf dem Höhepunkt der Golfkrise vor vier Jahren tauchten in manchen türkischen Zeitungen ... immer wieder Gerüchte auf, die Türkei werde nach dem Sieg über den Irak territoriale Gewinne zu verzeichnen haben. ...Es hieß, das Militär habe Pläne ausgearbeitet, um den Norden des Irak zu annektieren. ...Was soll aus der Schutzzone werden, welche die Golfkriegs-Allierten nördlich des 36. Breitengrades ausgerufen haben? ...Es könnte sein, daß man in Ankara bald die Problemstellung wie folgt formulieren wird: Die Armee bleibt, solange sie es für nötig hält, oder die Vereinten Nationen denken über eine neue, bessere Lösung im Nordirak nach ... Die Errichtung einer international überwachten Pufferzone direkt an der Grenze könnte den Vorstellungen Ankaras entsprechen. Nicht umsonst wird, auch von den Amerikanern, immer wieder der Südlibanon als Vergleich zur Lage im Nordirak herangezogen, wo die Unifil-Truppen zwischen Israelis und ihren Gegnern Ruhe herstellen soll. ... (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 29.3.95)

_Erdal Inönüs Rückkehr_

Als die Außenminister der "Troika" der Europäischen Gemeinschaft (EU) ... in Ankara waren, wußte man schon, daß ihr türkischer "Kollege" Außenminister Karayalcin sein Amt bald abgeben werde. Das ist nun geschehen. Sein Nachfolger Erdal Inönü ... In der Gestalt ... des früheren Vorsitzenden der Sozialdemokraten hat die Türkei schon den vierten Außenminister innerhalb eines Jahres ... Es hat den Anschein, als werde sich der neue Außenminister Inönü zunächst mit Bonn abgeben müssen. Dort wird noch immer die Frage geprüft, ob die türkische Armee deutsche Waffen im Irak eingesetzt hat oder nicht. (_Frankfurter Allgemeine Zeitung_, 28.3.95)

... _Mykonos-Attentat_ ...

Der berüchtigte iranische Geheimdienst Mois ist offenbar verantwortlich für das Attentat, bei dem am 17. September 1992 vier iranisch-kurdische Oppositionspolitiker in dem Berliner Lokal Mykonos regelrecht hingerichtet wurden. Die unmittelbare Steuerung des Anschlags lag nach Erkenntnissen der "Arbeitsgruppe Iran" des Bundesamtes für Verfassungsschutz bei der Mois-Residentur in der Bonner Botschaft des Iran. In einem bisher geheimen Vermerk des Amtes heißt es wörtlich, die Verhaftung des der Beteiligung am Mykonos-Attentat verdächtigen Kazem Darabi ... am 8. Oktober 1992 habe "erstmals konkrete Spuren" erbracht, die "die vermutete Verwicklung der Residentur in terroristische Aktivitäten bestätigen. Mehrere Berichte einer zuverlässigen ... schutzbedürftigen Quelle lassen den Schluß zu, daß der Kurdenmord unter Federführung der Residentur vorbereitet und durchgeführt worden ist." ... Beim Versuch, den Verdacht zu erhärten, war das Berliner Kammergericht in dem bisher 17 Monate dauernden Verfahren jedoch immer wieder auf eine Bonner Mauer des Schweigens gestoßen. Bundesinnenminister Kanther hatte jegliche Auskünfte verweigert, weil "dem Wohle des Bundes Nachteile bereitet" würden. ... (_Stuttgarter Zeitung_, 25.3.95)

_Strafverteidiger gegen Abschiebung in die Türkei_

Gegen die Abschiebung von Kurden in die Türkei haben sich die Strafverteidigervereinigungen ausgesprochen. In einer auf dem 19. Strafverteidigertag in Freiburg im Breisgau verabschiedeten Resolution fordern sie zugleich die Aufhebung des Verbots kurdischer Vereinigungen und ein Ende der Waffen- und Wirtschaftshilfe für die Türkei. Seit dem Verbot kurdischer Vereine und dem Betätigungsverbot für die PKK im November 1993 würden Kurdinnen und Kurden in der Bundesrepublik "umfassend kriminalisiert", gegen Tausende werde ermittelt, mehrere Hundert seien inhaftiert. (_Frankfurter Rundschau_, 28.3.95)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Betr. Spendensammlung_

Im November 1994 hatten wir erstmals zu Spenden aufgerufen: 16000 DM sind nötig, um die Zeitung ein weiteres Jahr zu finanzieren. Bis zum 23.3. gingen auf dem Konto

2.590 DM

Spenden ein. Spendenkonto:

GNN-Verlag Berlin (Kontoinhaber) Postbank Berlin Konto-Nr. 415031-105 BLZ 10010010, Stichwort: Spende Kurdistan-Rundbrief.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kontaktadressen der Kurdistan-Solidarität_

_Berlin:_ Kurdistan AG, c/o AStA TU, Marchstr. 6, 10587 Berlin, Tel. 030-31421794

_Kiel:_ Kurdistan AG, c/o Karen Wind, Iltisstr. 34, 24143 Kiel

_Hamburg:_ Freunde des kurdischen Volkes, Bergiusstr. 12, 22765 Hamburg, Tel. 040/3902128 und 040/396386

_Bremen:_ Initiative Internationale Solidarität/Kurdistan Solidarität, c/o Sielwallhaus, Sielwall 38, 28203 Bremen

_Oldenburg:_ AK "Keinen Fußbreit den FaschistInnen", c/o Alhambra, Hermannstr. 83, 26135 Oldenburg

_Hannover:_ Kurdistan-Solidarität, Stärkestr. 15, 30451 Hannover

_Marburg:_ Kurdistan-Komitee, C.G. Internationales Studentenwohnheim, Gutenbergstr. 18, 35037 Marburg

_Osnabrück:_ Internationalistischer Arbeitskreis Kurdistan, c/o Montage-Verlag, Wachsbleiche 62, 49088 Osnabrück und Kurdistan-Solidarität, c/o Infoladen, Alte Münze 12, 49074 Osnabrück

_Münster:_ Arbeitskreis Kurdistan, c/o Die Brücke, Wilmergasse 4, 48143 Münster

_Bielefeld:_ Kurdistan Solidaritätskomitee, c/o Kurdistan-Zentrum, Düppelstr. 11a, 33602 Bielefeld, Tel. 0521/176718, Fax 0521/64968

_Bünde:_ Kurdistan-Solidaritätskomitee, c/o Villa Kunterbunt, Winkelstr. 14, 32257 Bünde

_Bochum:_ Kurdistan-Solidarität, c/o Initiative Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

_Essen:_ Solidaritätskomitee Kurdistan-Ruhr, c/o GNN, Postfach 100365, 45003 Essen

_Köln:_ Arbeitskreis Kurdistan-Solidarität, c/o Der andere Buchladen, Zülpicher Str. 197, 50937 Köln, Fax: (0221) 424732, (z. Hd. Antifa-Referat) _und_ Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein e.V., c/o GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221/211658

_Leverkusen:_ Internationales Kurdistan-Solidaritätskomitee, Bürgerbuschweg 30, 51381 Leverkusen

_Bonn:_ Infostelle Kurdistan, Wolfstr. 10 (Hinterhaus), 53111 Bonn, Tel. und Fax: (0228)-659513

_Koblenz:_ Deutsch-Kurdischer Freundeskreis, c/o Infoladen, Rizzastr. 28, 56068 Koblenz

_Darmstadt:_ Solidaritätskomitee Kurdistan e.V., Postfach 110142, 64216 Darmstadt

_Gießen:_ Freunde und Freundinnen des kurdischen Volkes, c/o ESG, Henselstr. 7, 35390 Gießen

_Frankfurt:_ Arbeitskreis gegen den Kurdenprozeß, c/o Arbeitersolidaritätskomitee, Leipziger Str. 32, 60487 Frankfurt

_Wiesbaden:_ Freunde und Freundinnen des kurdischen Volkes Mainz, c/o ESG, Am Gonsenheimer Spieß 1, 55122 Mainz, Fax 06131/612840

_Mannheim:_ Freundeskreis des kurdischen Volkes, c/o GNN-Verlag, Postfach 120722, 68163 Mannheim

_Stuttgart:_ Freundeskreis des kurdischen Volkes, c/o GNN-Verlag, Gutenbergstr. 48, 70176 Stuttgart, Tel. 0711/624701

_Karlsruhe:_ Kurdistan-Komitee, c/o GNN-Verlag, Postfach 2748, 76014 Karlsruhe

_Freiburg:_ Kurdistan-Solidarität, Habsburgerstr. 9, 79104 Freiburg, Tel. 0761/56125

_München:_ Münchner Kurdistan-Solidaritätskomitee, c/o GNN-Verlag, Schwanthaler Str. 139, 80339 München

_Nürnberg/Erlangen:_ Kurdistan-Solidarität, c/o Was Lefft e.V., Postfach 3543, 91052 Erlangen, Fax: 09131/205020

_Kurdische Kontaktadressen:_

_Bonn:_ Feyka Kurdistan, Maxstr. 50-52, 53117 Bonn, Tel. 0228/631519 (zur Zeit verboten)

_Köln:_ Kurdistan-Komitee in der BRD e.V., Hansaring 66, 50670 Köln, Tel. 0221/125264, Fax: 0221/134868 (zur Zeit verboten)

_Spendenkonten:_

Rechtshilfekonto für die Angeklagten in den Kurdenprozessen: Beate Berg (Kontoinhaberin), Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550, Konto Nr. 1042786655

Spenden für den kurdischen Befreiungskampf: Beate Berg (Kontoinhaberin), Hamburger Sparkasse, BLZ 20050550, Konto Nr. 1042802221

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Gemeinsamer Protest kurdischer Organisationen_ _gegen die türkische Aggression in Südkurdistan_

Die Plattform kurdischer Organisationen, die unter anderem von der PKK, der PSK, KAWA und PIK getragen wird, hat bezüglich der jüngsten militärischen Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan folgende Presseerklärung veröffentlicht.

"In der Nacht vom 19. auf den 20. März hat die türkische Armee mit mehreren zehntausend Soldaten und schwerster Kriegsartillerie sowie Panzern, Kanonen und Tankfahrzeugen die Grenze über Habur überschritten.

Nachdem die nächstliegende Stadt Zaxo belagert wurde, bewegte sich das Militär 380 km entlang der Grenze und ist 40 km in das Landesinnere eingedrungen. Die Grenzdörfer Darkar und Hiziva wurden besetzt und die männlichen Bewohner verhaftet. Ferner wurde über der Stadt Zaxo eine Ausgangssperre verhängt und zahlreiche Personen festgenommen.

Laut Angaben des Flüchtlingskommissariats der UNO in Genf wurden im Gebiet Ertus bei Zaxo über 700 Kriegsflüchtlinge aus Nord-Kurdistan, die sich in den Flüchtlingscamps der UNO aufhielten, verhaftet und mit Militärfahrzeugen zu einem unbekannten Ort verschleppt.

Die türkische Armee hatte in der letzten Zeit in Süd-Kurdistan ähnliche Angriffe durchgeführt. Seit einiger Zeit waren wir im Besitz der Nachricht, daß die türkische Armee eine militärische Großoffensive starten wolle.

Die türkische Regierung und der Generalstab werden, wie auch bei den früheren Angriffen, versuchen, die Weltöffentlichkeit mit Lügen zu täuschen, daß die Angriffe sich gegen die Guerilla der PKK richten, die sich in diesem Gebiet aufhalten sollen. In diesem Gebiet wurden seit 1992 keine PKK-Stellungen geortet.

Die Dorfbewohner, die die türkische Armee nach der Besetzung festnimmt - besser gesagt als Geiseln nimmt - sind keine geringeren als die Zivilbevölkerung. Die Behauptung der türkischen Regierung, in diesem Gebiet Stellungen der PKK ausfindig gemacht zu haben, zeigt ihre Doppelzüngigkeit. Die Regierung versucht, ihre Großoffensive durch solche Täuschungsmanöver als einen gerechtfertigten Angriff darzustellen.

Der Angriff der türkischen Armee in Süd-Kurdistan ist nichts anderes als eine Besatzungsinvasion. Es ist eine Invasion, die alle internationalen Rechte mit Füßen zertritt, die Souveränität der südkurdischen Konföderation mißachtet und das Ziel hat, die patriotischen Kräfte anzugreifen. Seine Aussage ist eine offizielle Unterstützung des Saddam-Regimes. Nach Informationen aus dieser Region werden in den besetzten Orten weiterhin systematische Verhaftungen vollzogen. Durch die Angst vor Massakern würde das Volk in die inneren Regionen flüchten. Das Volk ist vom Saddam-Regime, das vom Süden her angreift, und von der türkischen Armee umzingelt.

Seit 1991 führt die Türkei Angriffe in Süd-Kurdistan durch mit dem Vorwand, Stellungen der PKK zu neutralisieren. Die westlichen Staaten und die internationalen Gremien haben mit ihrer Zurückhaltung gegenüber diesen Angriffen die Türkei zu weiteren Angriffen ermutigt.

Wir fordern die Vereinten Nationen und alle anderen Staaten sowie die internationalen Mechanismen auf, den türkischen Einmarsch als Aggression zu verurteilen und dessen Rückzug zu verlangen. Die Flüchtlinge in Kurdistan müssen von den Vereinten Nationen geschützt werden. Ebenso muß der Schutz für die verschleppten Flüchtlinge gewährleistet werden."

Quelle: Kurd-A, 25.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Kurdischer Roter Halbmond: Offener Brief an das UNHCR und das IKRK_

In zwei offenen Briefen an den Internationalen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat der kurdische Rote Halbmond die Untaten der türkischen Aggressionsarmee in Süd-Kurdistan beschrieben und um humanitäre Hilfe für die kurdische Bevölkerung gebeten.

HEYVA SOR A KURDISTANE Kurdischer Roter Halbmond In der Stehle 26 53547 Kasbach Ohlenberg Tel. 02644/8891 Fax: 02644/7845

Sparkasse Bochum: Kto. Nr. 4400453 BLZ: 430 500 01

HEYVA SOR A KURDISTANE ist als gemeinnützige und mildtätige Körperschaft anerkannt.

An den Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Herrn Dr. Cornelio Sommaruga 19, Avenue de la Plaix CH-1202 Geneve 22. März 1995

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie Sie bereits wissen, hat der türkische Staat am 19.3.1995 eine sehr umfangreiche Militäroperation gegen die militärischen Stützpunkte der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) auf südkurdischem Territorium gestartet.

Diese sei, wie auch die offiziellen Quellen der Türkischen Republik und der Armee berichten, die gewaltigste Militäroperation in der Türkischen Republiksgeschichte.

Wir, als HEYVA SOR A KURDI-STANE, haben seit Beginn dieser Operation erhebliche Befürchtungen, daß die Zivilbevölkerung nicht geschützt ist. Unsere Bedenken, daß diese Offensive nicht nur die PKK, sondern auch die Zivilbevölkerung als Zielscheibe hat, haben sich durch Presseberichte verdichtet.

So haben uns zwei Kurden namens Serhat und Hasan aus dem Angriffsgebiet bei Zaxo am 20. März 1995 um 21.30 Uhr angerufen und damit ihre Hoffnung verbunden, wir könnten als humanitäre Organisation etwas gegen derartige Angriffe gegen die Zivilbevölkerung unternehmen. Sie berichteten von schweren Angriffen gegen die Zivilbevölkerung durch das türkische Militär.

Die beiden Anrufer erklärten: "Im Juni 1994 sind wir mit etwa 3000 anderen Personen aufgrund der Repression des türkischen Staates aus dem Gebiet Hakkari/Cukurca geflohen und beabsichtigten, in den vom UNHCR eingerichteten Lagern in Südkurdistan Schutz zu suchen. Aber diese Lager haben wir nicht erreicht, deshalb mußten wir in Zelten, Höhlen oder, wenn wir Glück hatten, bei Bekannten in grenznahen Dörfern unterkommen. Dort versuchten wir, irgendwie weiterzuleben. Am 20.3.1995 gegen 11.00 Uhr kamen türkische Amreekräften zu unseren Zufluchtsorten: Dies sind die nahe Zaxo gelegenen Dörfer Dalker, Hizava und Grik. Sie führten eine Ausweiskontrolle durch, beschimpften uns auf erniedrigende Art und Weise und folterten sehr viele von uns. Zwei schwangere Frauen haben sie über den Boden geschleift. Dies führte dazu, daß bei den Frauen Unterleibsblutungen auftraten. Danach drohten sie, uns in die Türkei zurückzuholen. Noch einmal wurden einige über den Boden geschleift und geschlagen. Gruppenweise wurden Menschen mit militärischen Fahrzeugen weggebracht. Uns beiden gelang es, zu fliehen und uns zu verstecken. Wir wissen nicht, wohin die Menschen verbracht worden sind. Die meisten von ihnen werden umgebracht werden. Bitte, erzählt das allen."

Danach war die Telefonverbindung unterbrochen.

Allein aufgrund der Aussagen dieser beiden Anrufer kann man darauf schließen, daß die Situation vor Ort für die betroffenen Menschen sehr schrecklich ist.

Der Presse und anderen Informationsquellen zufolge versucht die türkische Armee Flüchtlinge aus den nordkurdischen Gebieten, die seit März 1994 in Südkurdistan Schutz suchen, gewaltsam in die Türkei zurückzuführen. Die jetzige Operation ist nicht eine der seit Jahren immer wieder durchgeführten und bereits zur Routine gewordenen grenzüberschreitenden Operationen des türkischen Militärs und auch nicht einer der unzähligen alltäglichen Verstöße gegen die Menschenrechte in der Türkei und Kurdistan, sondern legt den starken Verdacht nahe, daß diese Operation der Anfang eines Massenmordens ist.

Wenn man bedenkt, daß sogar in Istanbul offen auf die Zivilbevölkerung geschossen wird, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie das türkische Militär im autoritätsfreien Nordirak gegen die wehrlosen Menschen vorgeht.

Wir alle wissen, daß es nicht ausreicht, erst nach dem Vollzug eines Massenmordes zu protestieren. Denn dieser Protest macht Tote nicht wieder lebendig.

Genau deshalb wendet sich der HEYVA SOR A KURDISTANE an das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen und an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, um in Anbetracht der Tragödie noch Schlimmeres zu verhindern und um schnellstens zum Schutz der Zivilbevölkerung und Flüchtlinge einzugreifen.

Hochachtungsvoll

Hasan Dagtekin, Geschäftsführer

_Der 2. Brief_

Unseren Bericht an Sie vom 22. März 1995 ergänzen wir auf der Grundlage weiterer Informationen, die uns telefonisch erreicht haben. Der türkische Staat ist am 20.3.1995 mit großem militärischem Aufgebot in den Nord-Irak eingedrungen. Das Operationsgebiet erstreckt sich auf eine Breite von 320 km und schiebt sich etwa 40 km ins Landesinnere vor. In diesem Gebiet gibt es viele Dörfer und Städte. In diesem Gebiet leben mehrere zehntausend Menschen. Sowohl die türkische Luftwaffe als auch die Artillerie bombardieren täglich Dörfer. Mit Panzern, anderem militärischen Gerät und 35000 Soldaten wurde die Gegend in einen Kriegsschauplatz verwandelt. Wie kann es so möglich sein, daß die Zivilbevölkerung keinen Schaden erleidet. Auch wenn auf die Zivilbevölkerung kein physischer Druck ausgeübt werden sollte, so ist doch der wirtschaftliche und psychische Druck nicht zu übersehen. In solchen Situationen können die Menschen keine natürlichen sozialen Beziehungen aufrechterhalten. Das Erziehungsund Gesundheitswesen kommt zum Erliegen. Die Menschen und vor allen Dingen die Kinder leben in ständiger Angst vor Angriffen. Die Wirtschaft wird zerstört. Der Warenaustausch wurde unterbunden. Die Dorfbewohner sollen ihre Felder nicht bestellen und keine Viehzucht betreiben können. In den Städten sind die Waren bereits ausgegangen. Sämtliche Erwerbsquellen werden zerstört. Es herrscht ein absolutes Embargo.

Aber am allerschlimmsten ist der Angriff auf die Menschen. Es ist nicht glaubwürdig, wenn die türkische Regierung behauptet, die Zivilbevölkerung erleide keinerlei Schaden. Seit dem 20. März erhalten wir Anrufe aus Zaxo. Die Aussagen stehen in totalem Widerspruch zu den Behauptungen der türkischen Regierung. Die Aussagen der letzten beiden Anrufer sprechen für sich. Wir fordern die internationalen Organisationen auf, eine Beobachterdelegation vor Ort zu schicken, um die Angriffe gegen die Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Ein sofortiges Handeln der internationalen Staatenwelt zur Beendigung dieser türkischen Militäroperation ist unabdingbar. Am 23. März 1995 um 18.00 Uhr kam aus Zaxo ein Anruf von einem Jiyan Ömer aus dem Dorf Derkari. Er berichtete: "Gestern haben die Soldaten unser Dorf umzingelt. Danach sind sehr viele Soldaten in unser Dorf eingedrungen. Sie haben jedes einzelne Haus durchsucht und die Dorfbewohner auf dem Dorfplatz zusammengetrieben. Auch mich haben sie aus meinem Haus getrieben und mich zum Dorfplatz gezerrt. Währenddessen hörte ich aus anderen Häusern schreckliche Schreie von Frauen. Höchstwahrscheinlich wurde ihnen Schlimmes angetan. Gleich danach sah ich die Häuser von Mele Ahmet, Abdullah Hilal, Ömer Sindi und Sait (?) in Flammen aufgehen. Sie haben die Häuser mit Panzern und Raketen beschossen. Sie wurden dadurch völlig zerstört. Von einem Dorfbewohner namens Isa Cibi wurden 150 Mio. Lira beschlagnahmt. Vielen Frauen wurde ihr Goldschmuck weggenommen. Als die Bevölkerung sich dagegen wehrte, haben sie mit Gewehrkolben auf uns eingeschlagen, uns mit Füßen getreten und uns mit Stöcken traktiert. Durch das entstandene Chaos haben mein Bruder Hisyar und ich uns entfernen können. Wir haben uns im Dorf versteckt. Als es dunkel wurde, sind wir auf geheimen Wegen nach Zaxo gegangen. Wir sind bei unseren Bekannten untergekommen. Während wir noch auf dem Dorfplatz standen, haben sie vor unseren Augen Mehmet Ali, Mehmet, Namet, Ümit, Ömer, Abdullah Mehmet, Süleyman, Sefik, Sadik und Ahmet verschleppt. Sieben dieser Personen waren aus der Türkei hierher geflüchtet. Sie sind im UNHCR-Flüchtlingslager registriert. Als sie mit den Militärfahrzeugen wegfuhren, haben wir gesehen, daß drei von ihnen aufgrund schwerer Kopfverletzungen stark geblutet haben. Ich weiß nicht, was sie mit ihnen anstellen werden. Wenn das so weitergeht, werden sie uns alle vernichten. Bitte, ihr müßt unbedingt etwas tun." Danach brach die Verbindung ab.

Der zweite Anrufer: "Seit den letzten zwei Tagen sind Grik, Dersiv, Derkari und unser Dorf umzingelt. Die türkischen Soldaten sind viel brutaler, in ihren Methoden viel barbarischer als die Soldaten Saddams. Jeden Tag durchsuchen sie unsere Häuser und treiben uns dreimal am Tag zum Zählappell auf dem Dorfplatz zusammen. Auf dem Dorfplatz werden wir auf schlimmste Weise erniedrigt und gefoltert. Besonders schwer sind die Frauen davon betroffen. Ohne die Erlaubnis der Soldaten dürfen wir nicht einmal unseren Wasserbedarf decken. Als gestern sechs Menschen aus unserem Dorf auf ihren Feldern in der Nähe des Dorfes arbeiteten, wurden sie mit der Begründung, sie hätten dafür keine Erlaubnis, gefoltert. Ein christlicher Dorfbewohner namens Töme Merkos wurde schwer zusammengeschlagen, weil er kein Moslem ist. Sie sagten ihm wörtlich: 'Entweder bekehren wir dich, oder wir bringen dich um.' Töme ist im Augenblick schwer krank. Falls sie ihn nicht umgebracht haben, ist er aufgrund seiner schweren Verletzungen bettlägerig. Sie haben für ihre Versorgung auch 23 Schafe und Ziegen mitgenommen, so als ob sie ihnen gehörten. Gestern haben wir es geschafft, aus dem Dorf zu entkommen und im 15 km entfernt gelegenen Zaxo unterzukommen. Vor mir waren schon andere Dorfbewohner dorthin geflüchtet. Aus den uns nahe gelegenen Dörfern Dersiv, Grik und Derkari haben es auch einige Menschen geschafft, sich nach Zaxo zu retten. Wir haben hier die Möglichkeit, miteinander zu reden. In den Dörfern Dersiv und Grik sind die Repressionen wesentlich schlimmer. Die Soldaten übernachten in den Häusern und die Bewohner im Freien. Unsere Kinder sind vor Kälte und Hunger krank geworden. Die Soldaten verbrauchen unsere Vorräte. Auch in der Stadt Zaxo ist die Lage sehr schlecht. Alle Läden sind geschlossen. Auch wenn sie offen wären, es gibt ja nichts mehr zu verkaufen. Es war sehr schwer und gefährlich, diesen Anruf zu machen. Wir glauben, daß sie jeglichen Kontakt zur Außenwelt zu verhindern suchen. Wahrscheinlich wollen sie ein Massaker verüben. Wir verstehen das nicht. Sind sie gekommen, um gegen die PKK zu kämpfen, oder um die Dorfbevölkerung zu unterdrücken? Der, der dies nicht glauben will, soll kommen, um es mit eigenen Augen zu sehen. Wir bitten euch, kommt und seht euch alles an."

HEYVA SOR A KURDISTANE unterstützt diesen Aufruf. Wir fordern alle humanitären Organisationen, das UNHCR, IKRK und politische Parteien auf, zum Schutz der Zivilbevölkerung in diese Situation einzugreifen.

Hasan Dagtekin, Geschäftsführer

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Die Türkei führt in Südkurdistan Krieg gegen die Zivilbevölkerung_

Am 12. März kam es in Cukurca in Nordkurdistan zu Gefechten zwischen Staatskräften und "Dorfschützern", die sich weigerten, an der Invasion der türkischen Armee in Südkurdistan teilzunehmen. Dabei wurden ein Offizier verletzt und vier Soldaten getötet.

In Semdinli brannten türkische Staatskräfte das Dorf Sikeftan nieder und sammelten in sechs "Dorfschützer"-Dörfern die Waffen ein, weil sich die "Dorfschützer" weigerten, sich an der Invasion zu beteiligen.

Am 18. März kam es um die Stadt Zaxo zu Gefechten zwischen der ARGK und der türkischen Armee. In der Stadt verhafteten die türkischen Soldaten viele Menschen und besetzten zwei in der Nähe gelegene Flüchtlingslager. Flüchtlinge wurden in de Lager gefoltert und teilweise auf türkisches Staatsgebiet verschleppt.

Am 19.3. kam es in dem Gebiet Pat in Haftanin zu einem Gefecht zwischen der Guerilla und den türkischen Truppen. In Ciyaye Res wurden in den ersten vier Tagen 87 Soldaten, vier Offiziere und fünf andere hochrangige Soldaten der türkischen Armee getötet und 150 verletzt.

Südkurdische Quellen erklärten, daß elf ZivilistInnen, darunter drei Kinder, bei den türkischen Angriffen getötet wurden.

Am 20.3. fuhren 450 Militärtransporter in die südlich von Zaxo gelegenen Gebiete Kire und Kesan ein. Sie wurden von der ARGK angegriffen. In der Stadt Derka wurden 45 Menschen von den türkischen Soldaten festgenommen.

ARGK-Quellen erklärten, daß in den ersten zwei Tagen des Einmarsches der türkischen Armee in Südkurdistan 170 Soldaten getötet wurden, die mit Hubschraubern nach Silopi transportiert werden. Ihre eigenen Verluste gab die ARGK am 3. Tag mit dreizehn gefallenen BefreiungskämpferInnen an.

Am 3. Tag fanden im Grenzgebiet in Haftanin in den Gebieten Zawite und Ciya Res heftige Kämpfe zwischen der ARGK und den einmarschierenden türkischen Truppen statt.

Am 20. März hatte die türkischen Truppen in Kesan hohe Verluste und mußten sich zurückziehen, ohne ihre Leichen mitnehmen zu können. In den Gebieten Sanat und Xiror geriet die türkische Armee in einen Hinterhalt der ARGK.

In Sandura wurde das türkische Militär am 21. März von der Guerilla umzingelt, 32 Soldaten wurden getötet.

Am vierten Tag der Invasion wurden bei heftigen Gefechten zwischen türkischen Truppen und der Volksbefreiungsarmee Kurdistans im Gebiet Metinan 84 Soldaten getötet und zwei Panzer zerstört.

In dem benachbarten Gebiet Pergeli wurden die Dörfer Betini und Cudina von der türkischen Luftwaffe bombardiert und entvölkert. In dem Dorf Xapuske ermordeten türkische Soldaten einen Bauern. Daraufhin wurden die 20 türkischen Soldaten in dem Dorf von den Bauern gefangen genommen, über ihren Verbleib konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Im Gebiet Sinat legte die Guerilla Minen gegen die türkische Armee. Durch die Detonation dieser Minen wurden acht türkische Soldaten getötet und 19 verletzt.

Die Stadt Saxo wurde von der türkischen Armee umzingelt, sie kontrolliert die Zufahrtsstraßen. Die BewohnerInnen von Zaxo wollen ihre Stadt nicht räumen und der türkischen Armee überlassen.

Die Dörfer Derkare, Sersin, Hizava und Nerve wurden von türkischen Truppen durchsucht. Sie plünderten Waffen und Wertsachen der BewohnerInnen und folterten sie auf dem Dorfplatz. Sieben Bauern wurden von ihnen verschleppt.

In der Führung der türkischen Armee herrscht Uneinigkeit darüber, ob sie ihre Invasion fortsetzten oder gar dauerhaft bestimmte Punkte in Südkurdistan besetzten, oder ob sie den Rückzug antreten soll, bevor die Verluste noch größer werden.

Die KDP erklärte, daß die türkische Armee in Südkurdistan ZivilistInnen angreift und kleine Ortschaften aus der Luft bombardiert sowie Flüchtlinge über die Grenze auf türkisches Staatsgebiet gewaltsam zurückbringt, was auch vom UN-Flüchtlingskommisariat in Genf kritisiert wurde. Dies alles hindert hochrangige KDP-Kommandanten jedoch nicht, die türkischen Truppen bei ihrer Operation zu unterstützen.

In der Gegend um Halepce sind die Kämpfe zwischen der KDP und der PUK erneut heftig entflammt. Die KDP will immer noch die Stadt Erbil, die sich unter Kontrolle der PUK befindet, zurückerobern.

Während es in Frankreich und den Niederlanden Kritik an dem türkischen Einmarsch in Südkurdistan gab, stimmten die USA den Angriffen in der "Schutzzone" zu und stellten ihre Luftüberwachung ein. Der Krieg wird mit us-amerikanischen und deutschen Waffen geführt. Kurdische Organisationen bezeichneten die BRD als Hauptfinanzier des Angriffs.

Am 7. Tag der türkischen Militärintervention in Südkurdistan wurde ein Militärkonvoi zwischen Amediye und Serpil von der Volksbefreiungsarmee Kurdistans angegriffen. Ein Fahrzeug wurde völlig verbrannt, die anderen stark beschädigt. Bei dem Angriff wurden 83 Soldaten der türkischen Armee getötet und 20 verletzt, während nur ein Befreiungskämpfer gefallen ist.

In Metinan wollte die türkische Armee eine Hubschrauberlandung durchführen, mußte aber angesichts der Angriffe durch die ARGK den Rückzug antreten.

Auch in der ziemlich von der türkischen Armee kontrollierten Stadt Zaxo sind am 7. Tag der Intervention Kräfte der ARGK eingedrungen. Sie griffen an zwei Stellen die türkischen Armee- und Konterguerillakräfte an. Dabei wurde ein Konterguerilla getötet und drei verletzt. Danach setzte die Guerilla ihre Angriffe bis Bisiri fort, wo drei KDP-Leute, die den türkischen Truppen den Weg wiesen, getötet wurden. Bei dem einige Tage zuvor von der türkischen Luftwaffe durchgeführten Bombardements im Gebiet bei Habur wurden fünf ARGK-KämperInnen getötet.

Die türkischen Invasoren haben dem Volk in Südkurdistan 400 Waffen und andere Militärausrüstung abgenommen und diese, nachdem sie für das türkische Fernsehen gefilmt wurden, der KDP übergeben.

Inzwischen sind auch die Gefechte zwischen der KDP und der PUK wieder voll entflammt. Die Stadt Pencewini, die zuvor von der KDP erobert worden war, kam am 26. März wieder under die Kontrolle der PUK. Die KDP versucht Erbil zu erobern, wurde aber von der PUK zurückgeschlagen. Dabei wurden ca. 100 Peschmergas der KDP und vier der PUK getötet.

Das Schweizer Außenministerium forderte die Türkei zum sofortigen Rückzug auf. Es erklärte, "die Schweiz ist bezüglich der Lösung der kurdischen Frage nicht für Gewalt, sondern für einen Dialog und Versöhnung und ruft die Türkei auf, in kürzester Zeit die Operationen zu beenden und das Völkerrecht zu achten ..."

Auch die Niederlande haben die Türkei zur Beendigung der Militärintervention in Südkurdistan aufgefordert.

Der UN-Generalsekretär Butros Gali rief in New York die Türkei auf, ihre Truppen zurückzuziehen und Vorkehrmaßnahmen zum Schutz der ZivilistInnen, insbesondere der Flüchtlinge zu treffen. Das Hohe Flüchtlingskommissariat der UNO erklärte, daß über 3000 Flüchtlinge, darunter Kinder, in Hizava, Derkar und Zaxo unter den Angriffen der türkischen Armee leiden.

In der Erklärung Nr. 1. des ARGK-Militärrats vom 24. März 95 zur türkischen Intervention in Südkurdistan wird erklärt: "... Die feindliche Armee kann sich jetzt nicht mehr bewegen, außer auf dem Luftweg. Unsere Einheiten haben an strategisch wichtigen Punkten versteckte Stellungen errichtet und setzten ihre Aktionen mit der Taktik des beweglichen Guerillakrieges fort. Auf diese Weise haben sie noch größere Effizienz in dem Gebiet erreicht. Bisher sind 17 KämpferInnen unserer Einheiten als MärtyrerInnen gefallen und zehn verletzt worden. Wir können die Zahl der Verluste der Kräfte der Türkischen Republik zwar nicht genau angeben, sie haben aber bisher mindestens 300 Tote und genausoviel Verletzte ..."

Quellen: KURD-A, 20. bis 28.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Weitere Berichte aus Süd-Kurdistan_ (Irak)

_23. März_

_1._ Kurdische Guerilleros haben am 22. März 1995 in der Nähe von Habur eine Einheit der türkischen Armee in einem Hinterhalt angegriffen. Bei den Angriffen der Guerilleros in der Gegend Haftanin und Ciyaye Res sind insgesamt 87 Soldaten, 4 Offiziere, 2 Leutnants und 3 Feldwebel der türkischen Armee ums Leben gekommen. Außerdem sollen in die Stadt Zaho Die Leichname von 63 Soldaten gebracht und von dort aus mit Helikoptern nach Batman und Diyarbakir transportiert worden sein. Nach unbestätigten Angaben sind bei den Luftangriffen der türkischen Luftwaffe auf die Zivilbevölkerung insgesamt 11 Menschen ums Leben gekommen.

_2._ Bei den Gefechten in Senduran sind 32 türkische Soldaten ums Leben gekommen. In der Region Semdinli-Basyan haben sich 20 Soldaten nach einem Angriff kurdischer Guerilleros in den Strom Basyan geworfen. Die Krankenhäuser in Semdinli, Hakkari und Yüksekova sollen nach Angaben der Bevölkerung mit verletzten Soldaten überfüllt sein.

_3._ In der südkurdischen Stadt Dohuk hat die Bevölkerung am 22. März 1995 gegen den Einmarsch un den Angriffen auf die Bevölkerung der türkischen Armee protestiert. Bei Demonstrationen sollen an die 10000 Menschen beteiligt gewesen sein. Die Verbindungsstraße mit Erbil ist auch gestern von der Bevölkerung gesperrt worden. Hier wurde auch gegen den Einmarsch der türkischen Armee protestiert. Nachdem die türkischen Armeeinheiten in dem südkurdischen Dorf Xapiske einen Bewohner ermordet haben, hat die Bevölkerung die Einund Ausgänge der Soldaten mit Menschenketten gesperrt.

_4._ Nach Augenzeugenberichten und türkischen Medien (_Milliyet_) sind erneut deutsche Waffen bei dem Einmarsch in Süd-Kurdistan benutzt worden. Dabei handelt es sich um BTR-60 Panzer, die aus ehemaligen DDR Beständen stammen. Die Zeugen berichteten, daß mehrere BTR-60 Panzer gestern abend den Grenzposten Habur überquert haben.

_24. März_

_1._ Die kurdischen Guerilleros haben am 24.3. die Hügelstellungen der türkischen Armee im südkurdischen Kapiske angegriffen. Bei dem Angriff haben die Soldaten versucht, von den Hügeln herunter zu kommen, dabei haben sich viele verletzt. Bei diesem Angriff soll es über 50 Tote und Verletzte gegeben haben. Zwischen Kamis und Amedia sind zwei Truppenfahrzeuge der türkischen Armee in einen Hinterhalt der Guerilleros zerstört worden. Es soll viele Tote gegeben haben. Die genauen Todesangaben stehen zur Zeit noch nicht fest.

Bei den Gefechten zwischen ARGK-Guerilleros und türkischen Armeeinheiten im südkurdischen Batufa sind über 30 Soldaten ums Leben gekommen. Dabei sind auch 2 Guerilleros getötet worden. Die Gefechte sollen sich seit dem 23. März in der Gegend Kela Kumriye verstärkt haben. In die Region Hakurk werden von der türkischen Armee neue Truppen gebracht.

_2._ Das Haus von Xalid Secho (wohlhabender Kurde) in Zaho wurde von türkischen Armeeinheiten geplündert. Gleichzeitig wurde Xalid Secho von den Sicherheitskräften mitgenommen. Seine Familie berichtete uns, daß sie sich um sein Leben sorgt.

Im südkurdischen Hizava, Tilkeber und Derkare hat die türkische Armee die Waffen von der Bevölkerung mit Gewalt gesammelt. Außerdem gibt es in dieser Region ca. 100 Festnahmen. Die Festgenommenen sind Kurden, die aus Nord-Kurdistan in den Süden geflohen sind. Sieben von diesen Kurden sind bereits nach Nord-Kurdistan abgeschoben worden. Nach Angaben unseres Korrespondenten sind in der Stadt Zaho 700 Familien (aus Nord-Kurdistan) verschwunden. Die türkischen Sicherheitskräfte sollen sie mit Gewalt in Lastwagen wegtransportiert haben. In der Stadt Hizava ist eine ganze Straße von türkischen Armeeinheiten in Brand gesteckt worden. Ob es bei diesem Angriff auf die Bevölkerung Tote und Verletzte gab, ist uns zur Stunde noch nicht bekannt.

In der in der Nähe von Pervari liegenden Gegend Bamerli ist das Dorf Eredinan von türkischen Armee-Einheiten angegriffen worden. Die Sicherheitskräfte, die die Häuser der Bevölkerung plünderten, haben die Bewohner gefoltert und einige Frauen vergewaltigt. Der Hirte des Dorfes ist geschlagen worden. Er liegt zur Zeit im Koma.

_25. März_

_1._ In den um Zaxo liegenden Städten Izava und Derkar werden Häuser von türkischen Armeeinheiten durchsucht und geplündert. In der südkurdischen Stadt Derkar ist das Haus von Muhamed (Familienname ist nicht bekannt) von türkischen Schützenpanzern zerstört worden. Der in der Region als Spitzel bekannte Salman Cindi zeigt in diesen Städten die Häuser von patriotischen Kurden. In Derkar ist das Haus von Salman ... von türkischen Sicherheitskräften geplündert und niedergebrannt worden. Das gleiche mußte auch der in Izava lebende Tatar erleben. Sein Haus wurde auch von türkischen Armeeinheiten niedergebrannt. Außerdem wurde in der Stadt Derkar der Kurde Isa Cepe ausgeraubt. Sein ganzes Habe wurde mit Gewalt von türkischen Sicherheitskräften geraubt. Dem als Sabah bekannten Neffe von Osman Gule wurde das Auto weggenommen und er wurde verhaftet. Der in Derkar lebende Kurde Izettin Sado ist von türkischen Sicherheitskräften festgenommen worden. Nach Angaben der Bevölkerung wurde er stark gefoltert.

Die auch in der Region liegenden PUK-Stellungen sind von türkischen Armeeinheiten geplündert worden. Alle großen und kleinen Waffen sind mitgenommen worden. In der südkurdischen Stadt Süleymaniye hat die Bevölkerung gegen den Einmarsch der türkischen Armee protestiert. Eine große Menge soll den ganzen Tag über demonstriert haben.

_2._ Auch am 6. Tag gehen die Angriffe der ARGK-Guerilleros auf die türkischen Armee-Einheiten in Süd-Kurdistan weiter. In den Gegenden Xiror und Metina hat die türkische Armee bei den Angriffen der kurdischen Guerilleros über 100 Soldaten verloren. In der Region Haftanin gibt es seit dem 24. März 1995 starke Kämpfe zwischen den Guerilleros und türkischen Armeeinheiten. Bei diesen Kämpfen ist ein Guerillero ums Leben gekommen, über 30 Soldaten sind hier getötet worden. Die ARGK-Guerilleros haben auch in den Regionen Sate, Begalte und Bezalte die türkischen Armeeinheiten angegriffen. Die türkischen Armeeinheiten wurden hier an drei verschiedenen Stellen von kurdischen Guerilleros angegriffen.

_26. März_

_1._ Nach den 6tägigen starken Gefechten in Süd-Kurdistan ist es heute ruhiger geworden. Die türkischen Armee-Einheiten haben sich in verschiedenen Gebieten in Süd-Kurdistan abgelegt. Der Einmarsch der türkischen Armee in Süd-Kurdistan läuft immer noch weiter. In die Region Kela Kurmiye sind neue Soldaten gebracht worden. Diese Einheit ist auf ein Minengebiet, das von Guerilleros gelegt wurde, gestoßen. Über die Toten und Verletzten bei diesem Vorfall gibt es keine genauen Angaben. In der Region Cukurca hat ein Soldat Selbstmord begangen. Nach Angaben unseres Korrespondenten sollen zahlreiche Soldaten wegen andauernder Angriffe der ARGK-Guerilla und wegen der vielen Verluste psychologisch "am Ende" sein.

_2._ Am 22. März 1995 sind in der nordkurdischen Stadt Tercan (bei Erzincan) die türkischen Armeeinheiten in einen Hinterhalt von kurdischen Guerilleros angegriffen worden. 3 Soldaten kamen bei diesem Angriff ums Leben und 2 weitere wurden verletzt.

In Dersim (Tunceli) wurde am 23. März eine Operations-Einheit der türkischen Armee in dem Gebiet Kirmizidag von ARGK-Guerilleros angegriffen. Der Angriff, der sich später zu einem Gefecht entwickelte, dauerte bis in die Abendstunden. Dabei kamen 1 Offizier und 6 Soldaten ums Leben.

_3._ Die von der HADEP (Volks-Demokratie-Partei) für heute organisierte NEWROZ-Veranstaltung in Izmir wurde von türkischen Sicherheitskräften verboten. Die darauf sich vor dem HADEP-Parteigebäude sammelnde Bevölkerung wurde von türkischen Schützenpanzern und Spezialeinheiten umzingelt. Nach Angaben unseres Korrespondenten sollen bis 15 Uhr ca. 3000 Kurden sich vor dem Gebäude aufhalten und die NEWROZ-Feierlichkeiten begonnen haben. Die Menge soll mit Sprechchören gegen das Verbot protestieren.

Quellen: Kurd-A, 24. bis 26.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_PDS-MdB Steffen Tippach_ _zur Situation in Kurdistan und zur Politik Kinkels_

Der sächsische PDS-Bundestagsabgeordnete Steffen Tippach, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der PDS im Bundestag, ist anläßlich des kurdischen Newroz-Festes mit einer Delegation aus der Bundesrepublik (darunter auch Grüne und Rechtsanwälte) in die Türkei gefahren. Wir dokumentieren einen Bericht von ihm aus Van vom 22. März und eine Bewertung der Kurdenpolitik Kinkels vom 27. März.

_Telefonbericht aus Van:_

Seit unserer Ankunft in Van am Mittag des 21.3.95 werden wir ununterbrochen von einem Filmteam beobachtet. Auf Anordnung des örtlichen Polizeichefs, so wurde mir gesagt, solle jeder unserer Schritte dokumentiert werden, sogar das gemeinsame Essen. Damit, so die Auskunft anwesender Polizisten, wolle man für den Fall eines "Terroristenangriffes" Beweismittel sichern.

Unter dem "Auge" der allgegenwärtigen türkischen Staatskontrolle sind Gespräche mit der kurdischen Bevölkerung in Van fast unmöglich. Die polizeiliche Kamera signalisiert mehr als deutlich das angespannte Klima in den kurdischen Gebieten in der Türkei, über die die Zentralregierung den Ausnahmezustand verhängt hat. Ein offizieller Parteivertreter der sozialdemokratischen CHP bezeichnete mir gegenüber alle Berichte über Menschenrechtsverletzungen seitens der türkischen Sicherheitskräfte als Lüge und Propaganda. Hunderte kurdischer Vertriebener in einem großen Zeltlager in Van bezeugen dagegen eine andere Realität.

Die türkischen Verwaltungsbehörden haben uns offen bedeutet, daß wir unerwünscht seien. Einen bereits vereinbarten Termin nahm der Gouverneur von Van aus unbekannten Gründen nicht wahr. Am gestrigen Abend wurde unsere ganze Gruppe unter Hausarrest gestellt. Erklärt wurde uns diese Maßnahme durch eine anonyme Person, die sich als Vertreter des türkischen Innenministeriums bezeichnete, sich aber nicht ausweisen konnte oder wollte.

Die Delegation beabsichtigt, trotz der Kontrolle in die türkisch-irakische Grenzregion weiterzureisen, um sich dort über die Lage der Flüchtlinge nach der türkischen Invasion in den Nordirak zu informieren.

(PDS-Bundestagsgruppe, Pressedienst, 22.3.)

_27.3.: "Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin"_

"Nicht einmal einem Zivilisten soll die Nase bluten" (Klaus Kinkel laut der türkischen Tageszeitung Yeni Yüzyil am 24.3.95)

"Während Außenminister Kinkel flotte Sprüche klopft, führt das türkische Militär eine Operation durch, die jedem Völkerrecht spottet und die instabile Lage im Nahen Osten weiter verschärft. Klaus Kinkel jedoch sieht, hört und weiß von nichts oder besser gesagt: er will nichts sehen, hören, wissen. Der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Ferhat Ataman, erklärte in der türkischen Tageszeitung _Cumhurriyet_ am 25.3.95, bei der Operation im Nordirak würden überhaupt keine Waffen oder Ausrüstung aus Deutschland verwendet, gerade also ob die türkische Armee mit Steinschleudern bei der Arbeit wäre. Und selbst wenn das türkische Staatsfernsehen TRT-1 am 22.3. gleich ein Dutzend BTR-60-Schützenpanzer der Ex-NVA zeigt, die ins Kriegsgebiet rollen, bleibt Kinkel frei von Selbstzweifeln.

Jeder bewaffnete Konflikt trifft auch und gerade die Zivilbevölkerung. Umso mehr, als alles darauf hindeutet, daß die türkische Armee völlig ins Leere gestoßen ist. Höchste Zeit also für Kinkel, um zu handeln. Die einzig richtige Konsequenz wäre: Solange sich die türkische Armee nicht zurückzieht, es keinen Frieden in Kurdistan und keine Einhaltung der Menschenrechte gibt, kann es weder eine Zollunion mit der EU geben noch weitere Militär- und Wirtschaftshilfe an die Türkei. Und wo bleibt der deutsche Protestals Vorsitzende des UN-Embargoausschusses zum Irak - dagegen, daß die türkischen Truppen bei ihrer Operation im Nordirak von AWACS-Flugzeugen der Alliierten "Poised Hammer Force" unterstützt werden, wie in der Zeitung _Cumhurriyet_ am 25.3. zu lesen war?

Das gezielte Wegsehen von Außenminister Kinkel disqualifiziert ihn für verantwortungsvolle, an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik.

Es ist kein Geheimnis, daß die Türkei seit geraumer Zeit die Annäherung an Saddams Regime sucht. Hochrangige Politiker der Türkei wie der ehemalige Ministerpräsident Ecevit und Außenminister Karayalcin fordern inzwischen eine dauerhafte Pufferzone analog dem Südlibanon im Nordirak bzw. die Wiederherstellung des irakischen Einflusses in diesem Gebiet. Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin, in den die Bundesregierung bis zum Hals verwickelt ist und dem letztendlich die Bewohner der Autonomiezone im Nordirak zum Opfer fallen werden. Wie Saddam Hussein sich die Lösung der Kurdenfrage vorstellt, ist spätestens seit den Anfal-Operationen mit 100000 Toten und den Giftgaseinsätzen in Halabja bekannt. Wenn die Bundesregierung mit ihrer ungebrochenen Rückendeckung für die türkische Armee die Destabilisierung der autonomen kurdischen Zone weiter vorantreibt, spielt sie den Türöffner für Saddam Hussein und wird auch die blutigen Folgen mit verantworten müssen."

Quelle: Pressemitteilung der PDS-Bundestagsgruppe, 27.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Erklärung der ERNK zu den Gefechten in Süd-Kurdistan, 22. März_

Der Europavertreter der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), Ali Garzan, gab am 22. März 1995 zu den Gefechten nach der Militäroperation der türkischen Armee in Süd-Kurdistan folgende Erklärung ab.

"Wir wußten, daß der türkische Generalstabschef seit einiger Zeit zur Grenze aufrüstete. Daß ein erneuter Angriff gestartet wird, war unserer Seite bekannt. ARGK, Militärkonzil, Kriegsstab und unsere Guerilla-Armee haben sich darauf vorbereitet. Seit drei Tagen gibt es starke Kämpfe. Unsere Guerilleros sind auf die 230 km Länge und ziemlich in die Tiefe verteilt. Die türkische Spezialarmee hat einen Schritt in den Sumpf gemacht. Das Gebiet, auf dem sich unsere Kräfte befinden, hat viele Unebenheiten. Die türkische Armee und ihre Soldaten sind in diesem Gebiet fremd.

Die Guerilla mit ihrer flexiblen Taktik hat stark zurückgeschlagen. Die türkische Armee kommt nicht mehr voran. Mit verschiedenen Angriffen und Aktionen wurde das Militär in eine schwere Situation gebracht. Wie wir von dem ARGK-Militärkonzil erfahren haben, hat die türkische Armee große Verluste erlitten. Deren Zahl beträgt rund 170 gefallene Soldaten, wahrscheinlich sogar noch mehr. Die ARGK hat auch einige Geiseln von der türkischen Armee. Die türkische Armee hat jetzt schon ernsthafte Verluste. Auf unserer Seite sind bis jetzt 11 Guerilleros gefallen.

Die Angriffe, die auf die PKK gemacht wurden, sind gleichzeitig auch Angriffe auf die kurdische Nation und auf das kurdische Volk. Die türkische Armee, die mit schmutzigen und ungerechten Methoden einen Spezialkrieg führt, hat schon früher mehrmals versucht, das Gebiet zu vernichten und zu besetzen. Aber mit diesem Angriff hatten sie keinen Erfolg.

Manche Länder, die den schmutzigen Krieg unterstützen und der Vernichtung des kurdischen Volkes zustimmen, haben für diesen Angriff der türkischen Republik Hilfe geleistet. Die PKK, die kurdische Nation und das kurdische Volk haben mit einem großen Widerstand kämpferisch und politisch Druck gemacht und die Angriffe ins Leere laufen lassen. Heute sind wir stärker und in der Überlegenheit. Wie noch nie zuvor wird unsere Partei, unser Volk und unsere Armee ihre ganze Energie aufbringen und unser Volk wird in jeder Hinsicht in Bewegung sein, um diese Angriffe auf Süd-Kurdistan zunichtezumachen. Diejenigen, die diesen Angriffen der türkischen Republik laut oder leise zustimmen, werden nochmals sehen, daß sie im Irrtum sind, und sie werden es begreifen.

Die türkische Kriegsführung, die diesen schmutzigen Krieg und den Vernichtungskrieg gegen unser Volk führt, wird sehr teuer dafür bezahlen. Wir waren bereit zurückzuschlagen. Wir geben die Antwort mit unserem Volkswiderstand und unserem Kampf. Dieser Angriff auf Süd-Kurdistan ist die größte Aktion in der Geschichte der türkischen Republik. Mit unseren Vorbereitungen, der Erfahrung unserer Guerilleros und dem Widerstand unseres Volkes werden wir mit der Zeit der türkischen Spezialarmee im Krieg die größte Niederlage in der Geschichte der türkischen Republik beibringen. Weder die technische Überlegenheit noch die Natur kann uns Schaden zufügen. Unsere 10jährige Kriegserfahrung überzeugt uns davon.

Ziel dieser Angriffe sind wir, aber unter diesem Vorwand wird der Zivilbevölkerung, die aus dem Norden in den Süden geflüchtet ist, und den Kurden, die im Norden leben, Schaden zugefügt. Die türkische Armee ist in die Gebiete der KDP und der Zivilbevölkerung eingedrungen und hat sich teilweise dort stationiert. Ihr Ziel ist, die jetzige Lage zu ändern und der Saddam-Diktatur Hilfe zu leisten. Denjenigen, die diesem Angriff direkt oder indirekt Hilfe leisten, wird die kurdische Nation, die rund 40 Millionen Menschen umfaßt, nie verzeihen. Diejenigen, die diesen Krieg mit den Augen der türkischen Medien sehen, werden verstehen, daß sie sich irren. Wir werden unsere politische und ideologische Überlegenheit, mit Widerstand und Kampf beweisen."

Quelle: Kurd-A, 17.3.1995

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_ERNK bei Versammlung der Völker Kleinasiens_

Die ERNK beteiligte sich an einer am 10. März beginnenden dreitägigen Versammlung der Völker Kleinasiens in der zypriotischen Hauptstadt Lefkosia. An der Versammlung nahmen VertreterInnen von 23 Organisationen von Nationen und Minderheiten teil, die unter dem türkischen Staatsterror leiden, sowie WissenschaftlerInnen. Der ERNK-Zypern-Vertreter Yado Roz referierte über die Krise, in der sich die Türkei heute befindet, und rief zur ideeller und materieller Unterstützung des kurdischen Befreiungskampfes und der PKK auf, was von den TeilnehmerInnen der Versammlung mit großem Beifall aufgenommen wurde.

KURD-A, 15.3. - (K.)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_Prof. Steinbach, Orient Institut:_ _"Gefordert ist eine neue Kurdistan-Politik"_

"Depeschen aus der Türkei und Kurdistan" ist der Titel eines neuen wöchentlichen Informationsdienstes, herausgegeben u.a. von der SPD-Bundestagsabgeordneten Angelika Graf und medico international, der sich vor allem an Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft wenden will und für eine neue Kurdistan- und Türkei-Politik wirbt. In der ersten Ausgabe äußerte sich Prof. Steinbach, Leiter des Orient-Instituts in Hamburg, u.a. zu den Verboten kurdischer Vereine und dem Aufbau eines kurdischen Exilparlaments. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion der "Depeschen" hier Auszüge aus dem Interview. - (rül)

_Frage:_ Im Herbst 1993 wurden in der Bundesrepublik alle Aktivitäten der PKK verboten. Hat dieses Verbot Auswirkungen auf die Aktivitäten der PKK gehabt?

_Steinbach:_ Ich habe den Eindruck, daß die Situation nach dem Herbst 1993 eher schlechter und schlimmer geworden ist ... Die Dinge, die wir in 1994 erlebt haben, die massive Gewalttätigkeit in Deutschland, die Austragung des kurdisch-deutschen Konflikts auf deutschen Autobahnen, hat man in der Vergangenheit so nicht erlebt ... Sowohl innen- als auch außenpolitisch ist das PKK-Verbot eher kontraproduktiv gewesen.

_Frage:_ Am 21. März findet das kurdische Neujahrsfest statt. Sind Sie besorgt, was die voraussehbaren Konfrontationen in Deutschland betrifft?

_Steinbach:_ Wenn ich das Verbot des Kurdistan-Informationsbüros betrachte, das zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt kommt, dann scheinen mir die deutschen Behörden nicht gerade sensibel im Umgang mit den Kurden zu sein. Wenn man sieht, daß das harte und kompromißlose Vorgehen der Polizei und der deutschen Sicherheitsbehörden immer neue Konfrontationen und Konflikte schafft, dann müßte man bereit sein, größere Behutsamkeit im Umgang mit der PKK ... an den Tag zu legen ... was auch vieles von dem Sprengstoff entladen würde, der sich gerade durch das harte Vorgehen der deutschen Sicherheitsbehörden in den letzten Monaten angehäuft hat.

_Frage:_ Seit Wochen wird die Gründung eines kurdischen Exilparlaments vorbereitet. Welche Chancen ergeben sich daraus für den kurdischen Befreiungskampf?

_Steinbach:_ Ich glaube, unter bestimmten Bedingungen kann die Schaffung eines kurdischen Exilparlaments die politischen Entwicklungen erleichtern und verbessern. Wenn es repräsentativ ist, dann denke ich, ist es aus zwei Gründen politisch wichtig: Einmal weil es eine demokratische parlamentarische Repräsentanz der Kurden darstellt und weil es eine parlamentarische Unterfütterung der PKK wäre. Die militante Dimension würde dann in den Hintergrund treten und die politische Dimension würde in den Vordergrund treten. Das Zweite ist: Wenn es zutrifft, was wir alle erhoffen und erwarten, daß es in der Türkei zu Schritten in Richtung auf eine politische Lösung kommt, dann wären im Umfeld des kurdischen Exilparlaments ganz gewiß politische Persönlichkeiten zu finden, mit denen die türkische Regierung in Gespräche über eine solche politische Lösung eintreten könnte.

Die "Depeschen" erscheinen wöchentlich bei der "medienagentur für menschenrechte", Postfach 1841, 27738 Delmenhorst. Tel. 04221-53948, Fax: 54639.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_19. Strafverteidigertag gegen Kurdenverfolgung_

Freiburg. Der 19. Strafverteidigertag in Freiburg hat am vorletzten Wochenende die folgende Entschließung gegen die Kurdenverfolgung und Türkeihilfe der Bundesregierung beschlossen:

"Seit dem Verbot kurdischer Vereine und dem Verbot der Betätigung der PKK im November 1993 werden die Kurdinnen und Kurden in der BRD umfassend kriminalisiert. Gegen Tausende wird ermittelt, mehrere Hundert sitzen in Haft. Die Vorwürfe reichen vom Zeigen kurdischer Fahnen und Symbole über Sitzblockaden bis zu einem dutzend Ermittlungsverfahren wegen Betätigung für eine terroristische Vereinigung nach dem umstrittenen 129a StGB.

Kurdische Gefangene sind teilweise Isolationshaftbedingungen unterworfen. Ihnen wird wie in der Türkei verboten, bei Besuchen kurdisch zu sprechen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung sind sie von Abschiebung bedroht. Gerade politisch aktive Flüchtlinge sollen jetzt wieder in das Land abgeschoben werden, aus dem sie fließen mußten.

Dabei will Bundesinnenminister Kanther, daß man sich ausgerechnet auf die Zusicherung des Verfolgerstaates verläßt, diese Flüchtlinge nicht zu mißhandeln - ein Staat, der soeben eine völkerrechtswidrige Invasion im Nachbarstaat durchführt. Der Einsatz von 35000 Soldaten zeigt, daß es dabei nicht um die Verfolgung von kurdischen "Terroristen" geht. Bei diesem Einsatz werden von Deutschland gelieferte Waffen eingesetzt. Dadurch wird nicht nur die Zivilbevölkerung gemordet, sondern erneut Tausende von Kurdinnen und Kurden ins Exil getrieben, auch nach Deutschland.

Der 19. Strafverteidigertag fordert:

-- Stopp der Waffen- und Wirtschaftshilfe für die Türkei,

-- Keine Abschiebungen von Kurden,

-- Aufhebung des Verbots kurdischer Vereinigungen.

Mit Mitteln des Strafrechts ist eine Lösung des kurdischen Problems nicht zu erreichen." - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_19. Strafverteidigertag gegen Kurdenverfolgung_

Freiburg. Der 19. Strafverteidigertag in Freiburg hat am vorletzten Wochenende die folgende Entschließung gegen die Kurdenverfolgung und Türkeihilfe der Bundesregierung beschlossen:

"Seit dem Verbot kurdischer Vereine und dem Verbot der Betätigung der PKK im November 1993 werden die Kurdinnen und Kurden in der BRD umfassend kriminalisiert. Gegen Tausende wird ermittelt, mehrere Hundert sitzen in Haft. Die Vorwürfe reichen vom Zeigen kurdischer Fahnen und Symbole über Sitzblockaden bis zu einem dutzend Ermittlungsverfahren wegen Betätigung für eine terroristische Vereinigung nach dem umstrittenen 129a StGB.

Kurdische Gefangene sind teilweise Isolationshaftbedingungen unterworfen. Ihnen wird wie in der Türkei verboten, bei Besuchen kurdisch zu sprechen. Neben der strafrechtlichen Verfolgung sind sie von Abschiebung bedroht. Gerade politisch aktive Flüchtlinge sollen jetzt wieder in das Land abgeschoben werden, aus dem sie fließen mußten.

Dabei will Bundesinnenminister Kanther, daß man sich ausgerechnet auf die Zusicherung des Verfolgerstaates verläßt, diese Flüchtlinge nicht zu mißhandeln - ein Staat, der soeben eine völkerrechtswidrige Invasion im Nachbarstaat durchführt. Der Einsatz von 35000 Soldaten zeigt, daß es dabei nicht um die Verfolgung von kurdischen "Terroristen" geht. Bei diesem Einsatz werden von Deutschland gelieferte Waffen eingesetzt. Dadurch wird nicht nur die Zivilbevölkerung gemordet, sondern erneut Tausende von Kurdinnen und Kurden ins Exil getrieben, auch nach Deutschland.

Der 19. Strafverteidigertag fordert:

-- Stopp der Waffen- und Wirtschaftshilfe für die Türkei,

-- Keine Abschiebungen von Kurden,

-- Aufhebung des Verbots kurdischer Vereinigungen.

Mit Mitteln des Strafrechts ist eine Lösung des kurdischen Problems nicht zu erreichen." - (rül)

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_PDS-MdB Steffen Tippach_ _zur Situation in Kurdistan und zur Politik Kinkels_

Der sächsische PDS-Bundestagsabgeordnete Steffen Tippach, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der PDS im Bundestag, ist anläßlich des kurdischen Newroz-Festes mit einer Delegation aus der Bundesrepublik (darunter auch Grüne und Rechtsanwälte) in die Türkei gefahren. Wir dokumentieren einen Bericht von ihm aus Van vom 22. März und eine Bewertung der Kurdenpolitik Kinkels vom 27. März.

_Telefonbericht aus Van:_

Seit unserer Ankunft in Van am Mittag des 21.3.95 werden wir ununterbrochen von einem Filmteam beobachtet. Auf Anordnung des örtlichen Polizeichefs, so wurde mir gesagt, solle jeder unserer Schritte dokumentiert werden, sogar das gemeinsame Essen. Damit, so die Auskunft anwesender Polizisten, wolle man für den Fall eines "Terroristenangriffes" Beweismittel sichern.

Unter dem "Auge" der allgegenwärtigen türkischen Staatskontrolle sind Gespräche mit der kurdischen Bevölkerung in Van fast unmöglich. Die polizeiliche Kamera signalisiert mehr als deutlich das angespannte Klima in den kurdischen Gebieten in der Türkei, über die die Zentralregierung den Ausnahmezustand verhängt hat. Ein offizieller Parteivertreter der sozialdemokratischen CHP bezeichnete mir gegenüber alle Berichte über Menschenrechtsverletzungen seitens der türkischen Sicherheitskräfte als Lüge und Propaganda. Hunderte kurdischer Vertriebener in einem großen Zeltlager in Van bezeugen dagegen eine andere Realität.

Die türkischen Verwaltungsbehörden haben uns offen bedeutet, daß wir unerwünscht seien. Einen bereits vereinbarten Termin nahm der Gouverneur von Van aus unbekannten Gründen nicht wahr. Am gestrigen Abend wurde unsere ganze Gruppe unter Hausarrest gestellt. Erklärt wurde uns diese Maßnahme durch eine anonyme Person, die sich als Vertreter des türkischen Innenministeriums bezeichnete, sich aber nicht ausweisen konnte oder wollte.

Die Delegation beabsichtigt, trotz der Kontrolle in die türkisch-irakische Grenzregion weiterzureisen, um sich dort über die Lage der Flüchtlinge nach der türkischen Invasion in den Nordirak zu informieren.

(PDS-Bundestagsgruppe, Pressedienst, 22.3.)

_27.3.: "Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin"_

"Nicht einmal einem Zivilisten soll die Nase bluten" (Klaus Kinkel laut der türkischen Tageszeitung Yeni Yüzyil am 24.3.95)

"Während Außenminister Kinkel flotte Sprüche klopft, führt das türkische Militär eine Operation durch, die jedem Völkerrecht spottet und die instabile Lage im Nahen Osten weiter verschärft. Klaus Kinkel jedoch sieht, hört und weiß von nichts oder besser gesagt: er will nichts sehen, hören, wissen. Der Sprecher des türkischen Außenministeriums, Ferhat Ataman, erklärte in der türkischen Tageszeitung _Cumhurriyet_ am 25.3.95, bei der Operation im Nordirak würden überhaupt keine Waffen oder Ausrüstung aus Deutschland verwendet, gerade also ob die türkische Armee mit Steinschleudern bei der Arbeit wäre. Und selbst wenn das türkische Staatsfernsehen TRT-1 am 22.3. gleich ein Dutzend BTR-60-Schützenpanzer der Ex-NVA zeigt, die ins Kriegsgebiet rollen, bleibt Kinkel frei von Selbstzweifeln.

Jeder bewaffnete Konflikt trifft auch und gerade die Zivilbevölkerung. Umso mehr, als alles darauf hindeutet, daß die türkische Armee völlig ins Leere gestoßen ist. Höchste Zeit also für Kinkel, um zu handeln. Die einzig richtige Konsequenz wäre: Solange sich die türkische Armee nicht zurückzieht, es keinen Frieden in Kurdistan und keine Einhaltung der Menschenrechte gibt, kann es weder eine Zollunion mit der EU geben noch weitere Militär- und Wirtschaftshilfe an die Türkei. Und wo bleibt der deutsche Protestals Vorsitzende des UN-Embargoausschusses zum Irak - dagegen, daß die türkischen Truppen bei ihrer Operation im Nordirak von AWACS-Flugzeugen der Alliierten "Poised Hammer Force" unterstützt werden, wie in der Zeitung _Cumhurriyet_ am 25.3. zu lesen war?

Das gezielte Wegsehen von Außenminister Kinkel disqualifiziert ihn für verantwortungsvolle, an den Menschenrechten orientierte Außenpolitik.

Es ist kein Geheimnis, daß die Türkei seit geraumer Zeit die Annäherung an Saddams Regime sucht. Hochrangige Politiker der Türkei wie der ehemalige Ministerpräsident Ecevit und Außenminister Karayalcin fordern inzwischen eine dauerhafte Pufferzone analog dem Südlibanon im Nordirak bzw. die Wiederherstellung des irakischen Einflusses in diesem Gebiet. Alles deutet auf einen schmutzigen Deal hin, in den die Bundesregierung bis zum Hals verwickelt ist und dem letztendlich die Bewohner der Autonomiezone im Nordirak zum Opfer fallen werden. Wie Saddam Hussein sich die Lösung der Kurdenfrage vorstellt, ist spätestens seit den Anfal-Operationen mit 100000 Toten und den Giftgaseinsätzen in Halabja bekannt. Wenn die Bundesregierung mit ihrer ungebrochenen Rückendeckung für die türkische Armee die Destabilisierung der autonomen kurdischen Zone weiter vorantreibt, spielt sie den Türöffner für Saddam Hussein und wird auch die blutigen Folgen mit verantworten müssen."

Quelle: Pressemitteilung der PDS-Bundestagsgruppe, 27.3.

Aus: Kurdistan-Rundbrief, Nr. 7, Jg. 8, 6.4.1995

_"Erwischt!"_ (??)

Einen 71-jährigen Grünen Landtagskandidaten hat die politische Polizei NRW am 29. März in Oberhausen "gehaussucht". Begründung: Man wolle, so das Amtsgericht Düsseldorf, "Propagandamaterial der PKK" sicherstellen. Hier die Pressemitteilung der Grünen Oberhausen vom 29.3.:

"Um 6.00 Uhr klingelten heute morgen 5 Polizisten den Grünen Landtagskandidaten Wilhelm von Schmeling aus dem Bett. "Bewaffnet" mit Durchsuchungsbefehl, Video-Kamera usw. begehrten sie Einlaß. Angeblich soll Wilhelm von Schmeling in seiner Funktion als 2. Vorsitzender des Kurdistan-Solidaritäts-Zentrums e.V. die kurdische Organisation PKK unterstützt haben.

Dazu erklärt Wilhelm von Schmeling: Ich engagiere mich im Kurdistan-Solidaritäts-Komitee, um den Menschen, die hier Zuflucht suchen, zu helfen. Praktische Lebenshilfe im Alltag hier - und die politische Forderung nach dem Selbstbestimmungsrechts des kurdischen Volkes sind die Grundlage meines politischen Handelns. Zur PKK habe ich keine Verbindungen, mir geht es um die Menschen. Bezeichnend aber ist, daß die Durchsuchung meiner Wohnung wegen meiner politischen Tätigkeit in eine Zeit fällt, wo die Türkei brutal und menschenverachtend auf der Jagd nach kurdischen Freiheitskämpfern in den Irak einfällt und dort auch die Zivilbevölkerung nicht schon. Bezeichnend aber ist auch, daß die Bundesregierung nichts unternimmt, um dem völkerrechtswidrigen Handeln der Türkei Einhalt zu gebieten. Stattdessen wird der Versuch unternommen, diejenigen, die sich solidarisch um die Verfolgten kümmern, zu kriminalisieren. Das ist der eigentliche Skandal." - (rül)