Dilar Cem

Mein Volk wird frei werden!

Über den Prozeß von Kani Yilmaz

Als Kani Yilmaz, der ehemalige Europasprecher der Nationalen Befreiungsfront Kurdistan, ERNK, Mitte August nach Deutschland ausgeliefert wurde, hatte er bereits zwei lange Jahre und 9 Monate in Einzelhaft im Londoner Belmarsh-Gefängnis verbracht. Der Kurdistan Report berichtete mehrfach über den skandalösen Fall, daher nur kurz einige Daten zur Erinnerung:

Am 26. Oktober 1994, Kani Yilmaz befand sich auf Einladung einiger Abgeordneter auf dem Weg ins Parlament, wurde er überraschend von britischen Sicherheitskräften festgenommen. Die Begründung lautete zunächst, er sei eine Gefahr für die innere Sicherheit Großbritanniens. Nur wenige Tage nach der Festnahme, am 31. Oktober 1994, legte die Bundesanwaltschaft aus Karlsruhe ein Auslieferungsbegehren bei der britischen Regierung vor: Gegen Yilmaz, so der scheinbar eilig zusammengeschriebene Schriftsatz, läge ein Haftbefehl nach § 129a vor. Er werde als Rädelsführer für sämtliche Brandanschläge verantwortlich gemacht, die im Juni und November 1993 in vielen bundesdeutschen Städten verübt worden waren. Die Anschlagswelle hatte Innenminister Kanther zum Anlaß genommen, am 26. November 1993 der PKK und ERNK die Betätigung in Deutschland zu verbieten. Kani Yilmaz kam in britische Abschiebehaft und durchlief während der folgenden Zeit die langwierige Prozedur des Widerspruchsverfahrens gegen die beantragte Auslieferung. Die Anwälte von Kani Yilmaz in London legten gegen die Auslieferung Beschwerde ein, die zurückgewiesen wurde. Es folgte eine Petition an das House of Lords, das allerdings im Juni 1997 entschied, diese gar nicht erst zur Beratung anzunehmen. Die Anwälte konnten immerhin erreichen, daß im Falle einer Auslieferung der Paragraph 129a für Yilmaz nicht angewandt werden darf. "Einen entsprechenden Tatbestand gibt es im britischen Strafrecht nicht", erklärte Eberhard Schultz, der deutsche Anwalt von Kani Yilmaz. Schließlich wurde Kani Yilmaz am 19. August dieses Jahres per Linienflug von London zum Flughafen Hannover transportiert. Am 6. Januar 1998 wurde vor dem Oberlandesgericht Celle der Prozeß gegen ihn eröffnet.

In einer Pressemitteilung seiner Rechtsanwälte H.-Eberhard Schultz und Dr. Rolf Gössner zu dem Hauptverhandlungstag heißt es: "Zu Beginn der Hauptverhandlung im letzten großen "Terroristenprozeß" nach § 129a StGB gegen kurdische Politiker und PKK-Anhänger vor dem 3.Strafsenat des OLG Celle hat die Verteidigung die Anklageschrift des Generalbundesanwalts in wesentlichen Punkten zurückgewiesen, gleichzeitig die Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten positiv bewertet (...)." Im weiteren heißt es, daß die Anklageschrift (ca. 100 Seiten), der Aktenumfang (ca. 150 Leitzordner, 200 Zeugen und Sachverständniger), die Dauer der Inhaftierung des Mandanten und die strengen Sicherheitsvorkehrungen Parallelen zum Mammutprozeß gegen PKK-Anhänger vor dem OLG Düsseldorf aufweisen, dessen Hauptverfahren viereinhalb Jahre dauerte."

Die Pressemitteilung beinhaltet auch Kritik an dem Verfahren unter anderem, daß die Anklageschrift, beginnend bei der Charakterisierung der PKK, ihrer Ziele und Organisationsstruktur, in weiten Teilen überholt und anachronistisch sei,

- das Anklagekonstrukt der angeblichen terroristischen Vereinigung innerhalb der PKK-Führung in Westeuropa juristisch unhaltbar seien und eine Einmischung in die Inneren Angelegenheiten einer legitimen nationalen Befreiungsbewegung darstelle,

- daß für die behauptete persönliche Verantwortlichkeit von Kani Yilmaz als Täter der Brandanschläge im Juni und November 1993 auf türkische Einrichtungen es keinerlei direkte Beweismittel gäbe und selbst die Angaben zur Struktur der inkriminierten Vereinigung sich auf vagen Angaben von dubiosen Kronzeugen stütze,

- daß die zwischenzeitlich erfolgte öffentliche Erklärung der BAW, daß die angebliche terroristische Vereinigung innerhalb der PKK-Führung nicht mehr fortbestehe, sich in der Anklageschrift nicht niederschlage. Danach gehe auch der Generalbundesanwalt davon aus, daß seit 1995 von Seiten der PKK keine Anschläge in Deutschland mehr durchgeführt wurden, nachdem die PKK-Führung ihren "Gewaltverzicht" für Westeuropa erklärt habe.

- daß auch die Umstände der Festnahme und Auslieferung der Angeklagten eindrücklich auf den politischen Zusammenhang dieses Verfahrens verweise.

In der Pressemitteilung heißt es weiter, daß "Gespräche zwischen der Bundesanwaltschaft und der Verteidigung unter Einbeziehung des Mandanten mit dem Ziel einer Verständigung stattgefunden haben, die eine umfangreiche Beweisaufnahme überflüssig machen, zu einem für alle Verfahrensbeteiligten akzeptablen Ergebnis führen werden und sich bereits in den Haftbedingungen und im geplanten Prozeßverlauf niederschlagen.

Anstelle einer möglicherweise jahrelang dauernden Hauptverhandlung mit ungewissem Ausgang einigte man sich auf ein Verfahren, in dem der Vorwurf der Rädelsführerschaft in einer ,terroristischen Vereinigung' wegfallen und unser Mandant wegen der Beteiligung an den Anschlagsserien zu einer Freiheitsstrafe in einer Höhe verurteilt werden soll, die ihm eine konkrete Perspektive in Freiheit zur Fortsetzung seiner politischen Arbeit ermöglicht."

Kani Yilmaz selbst sprach am ersten Hauptverhandlungstag über die kurdische Frage, anschließend über den Terrorismusvorwurf gegen die PKK, den bewaffneten Kampf und die Drogenproblematik (Vorwurf), die deutsch-kurdischen Beziehungen und ihre Entwicklung, die europäische Politik und schließlich zur aktuellen Situation in Kurdistan, verbunden mit einem Appell. Darin heißt es u.a.:

"Ich glaube von ganzem Herzen: Mein Volk, das unendliche Leiden durchmachen mußte, wird sicherlich frei werden, auch wenn ihm noch größere Opfer abverlangt würden. Und sein Recht, frei zu sein, wird es unter der Führung der PKK erreichen. (...)

Ich appelliere von hier an die Bundesrepublik und an Europa, sich noch mehr zu bemühen, den türkischen Staat stärker unter Druck zu setzen zugunsten einer politischen Lösung, damit ein Prozeß des Dialogs eingeleitet wird.(...)

Ich lade besonders die geschätzten Freunde unseres Volkes, sensible Politiker/innen, Künstler/innen, Mitarbeiter/innen von Medien und Presse, Wissenschaftler/innen und andere Menschen humanistischer Gesinnung ein, sich mit unserem Volk zu solidarisieren. (...)

Die Solidarität mit unserem Volk ist keine Gnade, sondern eine menschliche Verantwortung: