Cigerxwin -

Ein Dichter mit großem Herz und großer Liebe

Erhan Yilmaz

Ist von Cigerxwin die Rede, so kommt den Menschen in Nord- und Südkurdistan ein sehr lebendiger, humorvoller Mensch voller Lebensfreude, gerüstet mit der Waffe der Kritik, in den Sinn. Cigerxwin wurde mit seinen Gedichten, Schriften, Worten sowie seinem Verhalten zu einem großen Gelehrten und Nationaldichter seines Volkes. Er war nicht nur Dichter, sondern zugleich auch Volkswissenschaftler, Sprachwissenschaftler und Philosoph.

Sein Lebenslauf ist nicht minder interessant wie seine Werke. Cigerxwin wurde in den Jahren des ersten Weltkrieges geboren. Seine Familie lebte unter sehr ärmlichen Verhältnissen im Dorf Hisari bei Mardin. Noch in seiner Kindheit verlor er beide Elternteile. Er arbeitete bei seiner Schwester unter anderem als Hirte. Schon früh lernte er die unterschiedlichen Unterdrückungsformen, die Schwierigkeiten des Lebens und die Armut kennen. Dies härtete ihn früh ab.

Nach einem Studium an einer religiösen Hochschule wurde er als Religionsgelehrter tätig. Cigerxwin, der nun Meli Sehmus genannt wurde, geriet dabei unter den Einfluß patriotischer Geistlicher. Es war die Zeit des Seyh Said-Aufstandes. Nachdem diese Erhebung 1925 von Mustafa Kemal blutig niedergeschlagen worden war, wanderte er nach Syrien aus. Er war einer unter Dutzenden kurdischen Intellektuellen, die vor der Unterdrückung des türkischen Staates in den Libanon und nach Syrien flohen. Cigerxwin schloß sich dort der Xoybun-Organisation an. In diesen ersten Jahren des Exils beteiligten sich viele dieser Intellektuellen mit Hilfe von Xoybun zum einen an der Vorbereitung des Kampfes in Agri(Ararat), darüber hinaus waren sie auch auf kulturellem Gebiet aktiv. Cigerxwin veröffentlichte seine Gedichte und Texte in der Zeitschrift Hawar, die von Bedirxan herausgegeben wurde.

Seine Herkunft aus einer sehr armen Familie unterschied ihn von den anderen Intellektuellen. Zudem bewegte er sich hauptsächlich unter dem Volk, wo er den Menschen eine Stimme gab. Seine Gedichte beinhalten oftmals ein starkes soziales Moment. So verwundert es nicht, daß er von Zeit zu Zeit Angriffen rückständiger Kräfte, insbesondere der Feudalherren und Fürsten, ausgesetzt war. Dennoch, eines war sicher: Der große Respekt sowohl derer, die ihn liebten, als auch jener, die ihn nicht mochten. Seine Anekdoten wanderten von Mund zu Mund.

Er war eines der ersten Mitglieder der KDP und blieb dies auch bis zu seinem Tod in Schweden 1984.

Als 1961 die Kurden in Südkurdistan den Automoniestatus erlangten, ging Cigerxwin in den Irak. In Bagdad nahm er an der Universität einen Lehrauftrag für die kurdische Sprache und Literatur an.

Seine Gedichten sind in der einfachen Sprache des Volkes abgefaßt, so daß ihn jeder Kurde verstehen kann. Seine Lebensart unter dem Volke ließ ihn mit dessen Ausdrucksformen und Legenden sehr vertraut werden. Diese baute er in seine Gedichten ein und schmückte sie damit aus. Viele seiner Gedichte sind in Fabel- oder Gleichnisform abgefaßt. So zum Beispiel das Gedicht "Serxebuna Miriskan” (Die Freiheit der Hühner). In diesem Werk thematisiert er die Führungslosigkeit des kurdischen Volkes, den damit verbundenen Führungsanspruch eines jeden Einzelnen und die damit einhergehende gesellschaftliche und politische Zersplitterung.

Tevan go pasa u mir

Kesi nego ez wezir

Nefer bune yüzbasi

Heta giha I pasi

(Jeder sagte, ich bin Pascha, ich bin Fürst

Niemand sagte, ich bin Wesir.

Offizier waren nun

die Soldaten alle.)

Die Liebe, soziale Ereignisse, das Leben der Dorfbewohner, den Widerstand gegen die Fürsten und den Wunsch der Kurden nach Freiheit und Unabhängigkeit artikulierte Cigerxwin in seinen Gedichten. Und er bezog sich immer wieder auf Ereignisse in anderen Ländern und Kontinenten. Das Gedicht " Pol Robson Arkadas” (Freund Pol Robson) wurde von Sivan Perwer vertont.

Freund Robson, Sänger der Welt

Friedensengel, weiser Mensch

Sein Herz ist sehr erhellt, ein Dallasfeind

Der alle Gewässer, Meere und Berge überschreitet

Bringe deine schöne Stimme unseren Ohren nahe

Deine schöne Farbe erscheint unseren Augen

und wir geraten in Aufregung ...

He, Freund Robson

befinden sich nur die Schwarzen in einem unerträglichen Zustand?

Sieh! Wir sind zwar weiß, aber unser Schicksal schwarz.

Er wandte sich beispielsweise in seinem Gedicht "Nacin Seri Qori (Wir ziehen nicht in den Koreakrieg) gegen eine Beteiligung in diesem Krieg. In einigen anderen Zeilen schreit er gegen die Barbarei der amerikanischen Kriegsmaschine auf:

Überall Feuer und Rauch

wieder ist Mr. Tiroman glücklich

Kriegsflugzeuge wie Sterne

werfen tonnenweise Bomben, rücksichtslos,

auf Kinder, Frauen und alte Menschen

überall Ruinen...

Es scheint, als gebe es kein Thema, welches Cigerxwin in seinen Werken nicht behandelt hätte. In seinen Versen drücken sich die Sehnsüchte eines unterdrückten Volkes aus. Viele seine Gedichte wurden in den Schulen in Südkurdistan (Irak-Kurdistan) und in Südwestkurdistan (Syrisch-Kurdistan) aufgesagt. Zahlreiche seiner Gedichte sind von kurdischen Musikern und Sängern vertont worden.

Cigerxwin hat acht Gedichtbände, zwei Bände über die kurdische Geschichte, ein zweibändiges kurdisches Wörterbuch, ein Interpretationsbuch über die kurdische Folklore, zwei Märchen- und ein Interpretationsbuch über Sprichwörter herausgegeben. Er träumte oft von jungen Menschen, sowohl Frauen als auch Männern, die in den Bergen für die Freiheit kämpfen. Leider verstarb er genau im Jahre 1984, als sein Traum Wirklichkeit zu werden begann. Cigerxwin wurde im Garten vor seinem Haus in Qamisli (Syrisch-Kurdistan) begraben.