Repressionsjahr 
  2011
 Neue 
  Phase der Repression gegen Kurdinnen und Kurden eingeleitet
 Monika 
  Morres, AZADÎ e.V., 12. Dezember 2011
Der türkische Staatspräsident Abdullah 
  Gül, Premierminister Recep Tayyip Erdoğan oder sein Außenminister Ahmet Davutoğlu 
  reisen viel, u. a. in die USA und in die Länder der EU. In allen Gesprächen 
  wird hierbei von den Reisenden der Kampf gegen den internationalen Terrorismus 
  thematisiert, womit in erster Linie die kurdische Bewegung und ihre Strukturen 
  gemeint sind. EU-Regierungen lassen sich kritisieren und maßregeln, die türkischen 
  Interessen nach Liquidierung der PKK nicht massiv genug zu unterstützen. Zentrale 
  Forderung der Türkei an die EU-Länder ist, die Finanzquellen der Bewegung „trockenzulegen“, 
  wozu sie – wie Anfang September angekündigt – den wichtigsten Ländern „gerichtsverwertbare“ 
  Dossiers über Organisationen und Firmen vorlegen werde, die angeblich zur finanziellen 
  Unterstützung der PKK beitragen würden. 
Ministerpräsident 
  Erdoğan brüskiert deutsche Stiftungen
  So beschuldigte Ministerpräsident Erdoğan Anfang Oktober deutsche Stiftungen 
  und Kreditinstitute in der Türkei der direkten und indirekten Finanzierung der 
  PKK; einen Beweis für seine Behauptungen blieb er allerdings schuldig. Die Heinrich-Böll-Stiftung 
  wies die Anschuldigungen Erdoğans scharf zurück. In einer Erklärung hieß es 
  u. a., dass „mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Menschenrechtsgruppen, 
  wissenschaftlichen Instituten, Berufsverbänden und Gemeinden, die nicht politisch 
  ausgerichtet“ seien, zusammengearbeitet werde. Die Beschuldigungen gegen deutsche 
  Institutionen bewerte die Heinrich-Böll-Stiftung „als Teil einer Strategie zur 
  Kriminalisierung der zivilen kurdischen Opposition“. Für „selbstverständlich“ 
  halte man politische Gespräche mit „gewählten Repräsentanten der Kurden“. 
Bundesgerichtshof eröffnet neue Repressionsrunde
  Folgenschwerer aber war ein Ereignis: Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) fand am 
  28. Oktober 2010 die mündliche Anhörung von Vakuf M. statt, der im Dezember 
  2009 nach § 129 StGB (Mitgliedschaft in einer „kriminellen“ Vereinigung) zu 
  einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt worden war und 
  hiergegen Revision eingelegt hatte. 
So begann das Jahr 2011 mit einem 
  Paukenschlag: Ende Januar veröffentlichte der BGH das schriftliche Urteil des 
  3. Strafsenats, mit dem eine neue Phase der Repression gegen politisch aktive 
  Kurdinnen und Kurden eingeleitet wurde und als die einschneidendste Maßnahme 
  zu bezeichnen ist. Nachdem seit Jahren mutmaßliche Mitglieder islamistischer 
  Gruppierungen, Aktivsten der türkischen linken DHKP-C und der tamilischen LTTE 
  als Angehörige oder Unterstützer von „ausländischen terroristischen“ Vereinigungen 
  strafverfolgt wurden und durchaus Modellcharakter hatten, hat der BGH die Anwendung 
  des § 129b StGB auch auf die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen empfohlen. 
  Treibende Kraft dieser negativen Entwicklung dürfte die oberste Anklagebehörde 
  in politischen Fällen, die Bundesanwaltschaft (BAW), gewesen sein.
Mit 129b wieder „terroristisch“
  Zwar soll es mit dem Urteil um eine Vereinheitlichung der Strafverfolgungspraxis 
  gegangen sein, doch ob eine Vereinigung als „ausländisch terroristisch“ einzustufen 
  ist und entsprechend strafverfolgt werden kann, entscheidet das Bundesjustizministerium. 
  Deshalb handelt(e) es sich um eine politische Maßnahme, die Willkür geradezu 
  impliziert. Über die Hintertür des § 129b StGB sehen sich politisch aktive Kurdinnen 
  und Kurden in Deutschland wieder mit dem Stigma des Terrorismus konfrontiert. 
  Denn: Seit Anfang 1998 wurden kurdische ExilpolitikerInnen und AktivistInnen 
  „nur“ noch als mutmaßliche Mitglieder einer „kriminellen“ Vereinigung nach § 
  129 StGB strafverfolgt, weil der damalige PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan erklärt 
  hatte, dass künftig auf jede Gewaltanwendung in Deutschland verzichtet werde. 
  Lediglich in „Altfällen“ sind Kurden wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer 
  „terroristischen“ Organisation (§ 129a StGB) verurteilt worden. 
Die Anschläge des 11. September 2001 
  waren zweifellos eine Zäsur. Diese Ereignisse nahmen Regierungen weltweit zum 
  Anlass, ihre teils fertigen Anti-Terror-Konzepte aus den Schubladen zu ziehen 
  und durch die Parlamente zu peitschen. Laut dem „Graubuch Innere Sicherheit“ 
  haben bis zum Jahre 2009 über 70 Gesetze zur Terrorismusbekämpfung den Deutschen 
  Bundestag passiert; der 2002 eingeführte § 129b StGB gehört dazu. Auch zahlreiche 
  Verschärfungen in der Asyl- und Ausländergesetzgebung haben bis zum heutigen 
  Tage weitreichende Folgen für die Betroffenen. 
Eight years after
  Acht Jahre vergingen nach Einführung des § 129b, bis der BGH den Startschuss 
  gegeben hat für weitere gegen die kurdische Bewegung gerichtete Zumutungen. 
  Wurden bis dahin in Deutschland tätige Funktionäre der PKK als Mitglieder einer 
  „eigenständigen inländischen kriminellen Vereinigung“ (§ 129) strafverfolgt, 
  angeklagt und verurteilt, sollen sie fortan einer Vereinigung angehören, „bei 
  welcher der maßgebende Vereinigungswille außerhalb der Bundesrepublik gebildet“ 
  werde und der „Schwerpunkt der Strukturen sowie das eigentliche Aktionsfeld 
  in den von Kurden bevölkerten Gebieten in der Türkei, in Syrien, im Irak und 
  im Iran“ lägen. Die Strukturen seien fortan nicht mehr als „selbstständiger“, 
  sondern als „unselbstständiger Teil der Auslandsorganisation“ zu bewerten, weil 
  diese kein ausreichendes Maß an organisatorischer und personeller Selbstständigkeit 
  aufweise. Sie seien vielmehr abhängig von der ausländischen Hauptorganisation, 
  deren Willensbildungsprozess sie vollziehen müsse und deren Mitglieder sich 
  dem zu unterwerfen hätten. 
Bundesjustizministerin 
  ermächtigt – Erster Prozess nach § 129b StGB
  Im April dieses Jahres hat die FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine 
  erste Ermächtigung erteilt – gegen Vakuf M., dessen Revisionsverfahren am 23. 
  August vor dem 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/M. eröffnet 
  wurde. Die beiden Verteidiger haben sich in einem Antrag mit der Argumentation 
  des BGH auseinandergesetzt. Sie verwiesen darauf, dass der Hintergrund des türkisch-kurdischen 
  Konflikts als ein bewaffneter Konflikt im Sinne des Völkerrechts einzustufen 
  sei. Das Gericht werde nicht umhin können, „weitere Ermittlungen über die Genese 
  und Dynamik“ des Konflikts und die Rolle der PKK sowie der ihr zugeordneten 
  Volksverteidigungskräfte (HPG) anzustellen. Bislang habe sich der Generalbundesanwalt 
  nur an den „bekannten, redundanten Feststellungen der Strafjustiz zur Organisationsgeschichte 
  orientiert“. Dieses „Aufklärungsprogramm“ sei aber bereits in der Vergangenheit 
  „defizitär“ gewesen. 
Das Gericht werde sich ferner mit 
  Fragen des Kriegsvölkerrechts befassen müssen und auf „ein Recht auf Sezession 
  im Sinne der neueren völkerrechtlichen Entwicklung“ einzugehen haben. Ebenso 
  müsse die durch „vielfältige Repression geprägte Menschenrechtslage der kurdischen 
  Bevölkerung und die Unterdrückung ihrer politischen Betätigung innerhalb und 
  außerhalb der Institutionen der türkischen Republik aufzuklären und zu beurteilen 
  sein“. Schließlich sei durch türkische militärische Streitkräfte wiederkehrend 
  das Kriegsvölkerrecht verletzt worden. Die Türkei habe den Konflikt durch den 
  „Einsatz von chemischen Kampfstoffen und flankiert durch massive polizeiliche 
  und geheimdienstliche Repression unter Einsatz von spezialisierten Diensten 
  und Behörden“ geführt. 
  Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, „dass es sich bei der kurdischen Befreiungsbewegung 
  und ihren Organisationen um eine Bewegung handelt, die die Grundwerte einer 
  die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung in Frage stellte oder sich 
  gegen den Grundsatz der Völkerverständigung richtete“, so die Anwälte Berthold 
  Fresenius und Sönke Hilbrans. Auch ihre Programmatik sei nicht gegen die Menschenwürde 
  Dritter gerichtet oder gar von „eliminatorischen Fantasien gegenüber Angehörigen 
  anderer Ethnien geprägt, wie es in der Rhetorik ihrer Gegner der Fall“ sei. 
  
  Der Ausgang des Verfahrens, das bis zum Jahresende terminiert ist, dürfte mit 
  Blick auf künftige Prozesse interessant sein. 
Vier kurdische Aktivisten verhaftet 
  
  Am 17. Juli 2011 wurde Ridvan Ö. auf dem Düsseldorfer Flughafen und am darauffolgenden 
  Tag Mehmet A. in Freiburg verhaftet. Beide befinden sich seither in Untersuchungshaft. 
  Sie werden von der BAW der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen 
  Vereinigung PKK“ (§ 129b StGB) beschuldigt. Ridvan Ö. soll die Jugendorganisation 
  „Komalen Ciwan“ geleitet haben und Mehmet A. als „hochrangiger Jugendkader in 
  Deutschland und Frankreich“ tätig gewesen sein.
  Am 12. Oktober folgte die Verhaftung von Ali Ihsan K., dem vorgeworfen wird, 
  sich als Mitglied einer „ausländischen terroristischen Vereinigung PKK“ von 
  Mai 2007 bis April 2008 als PKK-Kader im Gebiet Hamburg betätigt zu haben. 
  Am 8. Dezember wurde Vezir T. von Beamten des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt 
  in Hanau festgenommen und nach Vorführung beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs 
  verhaftet. 
  Dem 41-Jährigen wird ebenfalls Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen 
  Vereinigung“ (§ 129b i. V. m. § 129a StGB) vorgeworfen. Er soll von Juni 2008 
  bis Juli 2009 als Kader der PKK für bestimmte Regionen verantwortlich gewesen 
  sein, Weisungen an die „untergeordnete Strukturebene“ erteilt, Veranstaltungen 
  und Demonstrationen organisiert und zur „Beitreibung von Geldern für die PKK“ 
  beigetragen haben. 
  Erwähnt sei, dass Vezir T. schon einmal vor einem bundesdeutschen Oberlandesgericht 
  gestanden hat, das ihn am 23. Mai 2000 wegen politischer Betätigung nach § 129 
  StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt hatte. 
  Am 30. Juli 2009 durchsuchten ebenfalls Beamte des LKA Sachsen-Anhalt im Rahmen 
  von Ermittlungen nach § 129 StGB kurdische Vereine in Halle und Leipzig, Geschäftsräume, 
  Autos sowie Wohnungen, u. a. auch die von Vezir T. in Hanau. Zwei Jahre später 
  ist das Ermittlungsverfahren gegen ihn eingestellt worden! Und nun ist er konfrontiert 
  mit dem 129b.
  In der Schweiz befindet sich Metin A. aufgrund eines Haftbefehls der BAW seit 
  einigen Monaten in Auslieferungshaft; auch ihm wird eine Mitgliedschaft nach 
  § 129b vorgeworfen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 
  Bundesjustizministerium ermächtigt generell
  Das Bundesjustizministerium hat am 6. September 2011 die „allgemeine Ermächtigung“ 
  zur strafrechtlichen Verfolgung nach § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB erteilt, und 
  zwar für zurückliegende und künftige Taten der europäischen Führung, der Deutschlandverantwortlichen 
  sowie derjenigen, die für bestimmte PKK-Sektoren, Regionen und Gebiete sowie 
  ihrer Teilorganisation in Europa CDK (Kurdische Demokratische Koordination) 
  verantwortlich sind. Es muss jeweils ein Deutschlandbezug gem. § 129b Abs. 1 
  Satz 2 StGB bestehen. 
  In der BGH-Entscheidung war bereits angemerkt worden, dass nicht mehr differenziert 
  werden solle zwischen dem Kreis „herausgehobener Funktionäre bzw. Kader einerseits“ 
  und den „sonstigen Angehörigen“ andererseits. Schließlich enthalte auch die 
  EU-Terrorliste „keine Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis innerhalb 
  der Organisation“. 
  Was das bedeuten kann, zeigt der Fall einer von einem Ermittlungsverfahren betroffenen 
  Kurdin, die sich an AZADÎ gewandt hatte. Ihr Verfahren war ursprünglich von 
  der zuständigen Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Unterstützung nach § 129a/b 
  an den Generalbundesanwalt weitergeleitet worden, der die Sache nach Prüfung 
  an eine andere Staatsanwaltschaft abgegeben hatte – wegen „Verdachts auf Verstoß 
  gegen das Vereinsgesetz“. Diese allerdings fand nicht einmal das und stellte 
  das Verfahren ein! 
Öcalan-Bilder – ein rotes Tuch für 
  die Behörden
  Nach wie vor gab es auch im Jahre 2011 die zahlenmäßig meisten Strafverfahren 
  wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz und betraf das Rufen von Parolen bei 
  Demos und Veranstaltungen oder das Zeigen verbotener Symbole. Regelmäßiger Anlass 
  für Auseinandersetzungen waren aber die Bilder von Abdullah Öcalan. Da stritten 
  sich Polizeibeamte, RichterInnen und Rechtsanwälte/-innen bis ins Detail darum, 
  welches Bild wie groß und wie oft pro wieviel DemoteilnehmerInnen gezeigt werden 
  darf und ob Öcalan mit diesem oder jenem farbigen Hemd genehmigt wird. Es ist 
  zu befürchten, dass diese unwürdigen Streitereien auch ins nächste Jahr getragen 
  werden. 
Kurdische Medien unerwünscht
  Ein Dorn im Auge der Strafverfolgungsbehörden sind weiterhin auch die kurdischen 
  Medien wie die Tageszeitung Yeni Özgür Politika und der Fernsehsender ROJ TV, 
  gegen den seit August in Dänemark prozessiert wird. Auch in Deutschland läuft 
  noch ein Verfahren wegen des Verbots des Senders, das der Bundesinnenminister 
  im Jahre 2008 verfügt hatte. In diesem Zusammenhang war der Europäische Gerichtshof 
  in Luxemburg zu einer Vorabentscheidung angerufen worden. Dieser entschied am 
  22. September, dass Deutschland zwar eine Verbreitung von ROJ TV-Sendungen auf 
  seinem Hoheitsgebiet erlauben müsse, doch liege es in seinem Ermessen, die Betätigung 
  von ROJ TV sowie der TV-Firmen als Vereine zu verbieten. Das bedeutet in der 
  Konsequenz, dass die private Nutzung des Fernsehprogramms in Deutschland weiterhin 
  möglich sein muss. Doch sind die Produktion von Sendungen als auch das Dokumentieren 
  von Veranstaltungen im öffentlichen Rahmen – „insbesondere in einem Stadion“ 
  – ebenso verboten wie in Deutschland durchgeführte Unterstützungstätigkeiten 
  für ROJ TV.
  Prompt wurde ein Übertragungswagen des Senders beschlagnahmt, der zum 19. Internationalen 
  Kurdischen Kulturfestival am 3. September im RheinEnergieStadion in Köln eingesetzt 
  war. 
  Dass den bundesdeutschen Behörden die kurdischen Medien nicht willkommen sind, 
  kann auch in den Jahresberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz nachgelesen 
  werden. 
VS listet TATORT Kurdistan
  Im VS-Jahresbericht 2010 erblickte eine neue Gruppe das Licht der Kriminalisierungswelt: 
  TATORT Kurdistan – hierbei handele es sich um eine nicht selbstständig agierende 
  und von der PKK gesteuerte Initiative, behaupten die beamteten Schlapphüte. 
  Die Kampagne antwortete mit einer Presseerklärung vom 6. Juli 2011, in der es 
  u. a. heißt: „Mit der Listung in seinem aktuellen Bericht versucht der VS, dieses 
  Bündnis mit anderen emanzipatorischen Initiativen gezielt zu unterbinden.“ Und 
  weiter: „Die Art und Weise, wie sich hier der Staat anmaßt, zivilgesellschaftliches 
  Engagement mit dem VS als von niemandem bestellten obersten Richter zu gängeln, 
  hat selbst schon einen totalitären Einschlag.“ Die Kampagne TATORT Kurdistan 
  hat 2011 vielfältige Initiativen entwickelt und wird das auch 2012 fortsetzen. 
  
Demoverbot gegen PKK-Verbot
  Ein Höhepunkt zum Jahresende war zweifellos das Verbot einer Demonstration unter 
  dem Motto „Demokratie stärken, PKK-Verbot aufheben – Freiheit für A. Öcalan 
  und Frieden in Kurdistan“, die anlässlich des 18. Jahrestages des PKK-Betätigungsverbots 
  am 26. November mit 10 000 TeilnehmerInnen stattfinden sollte und von der Föderation 
  kurdischer Vereine in Deutschland, YEK-KOM, angemeldet worden war. 
  In einem Kooperationsgespräch am 7. Oktober zwischen Vertretern des Polizeipräsidiums 
  Berlin und YEK-KOM soll es Einvernehmen gegeben haben hinsichtlich der geänderten 
  Demo-Route, der Zahl der Teilnehmenden, den Auflagen in Bezug auf verbotene 
  Symbole und insbesondere der Öcalan-Fahnen.
Polizeipräsidium verbietet Demonstration
  Doch einen Monat später hat das Polizeipräsidium bzw. das Landeskriminalamt 
  mitgeteilt, dass nicht nur der Aufzug am 26. November verboten werde, sondern 
  „jede Art von Ersatzveranstaltungen in den Monaten November und Dezember 2011 
  im Land Berlin“. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die „öffentliche 
  Sicherheit und Ordnung“ durch die Demo „unmittelbar gefährdet“ sei und dass 
  es „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ zu Verstößen gegen das 
  Vereinsgesetz kommen werde. Die Behörden stellten einen Zusammenhang her zwischen 
  dem Verbotstag und dem 27.11. 1978, dem Gründungstag der PKK und schlossen daraus, 
  dass die Demo eher als „Unterstützung der verbotenen Vereinigung oder zur Verbreitung 
  von deren Kennzeichen“ intendiert werde. Als Beleg für diese Behauptung wurden 
  bis ins Jahr 2008 zurückreichende Demonstrationen herangezogen. Sie unterstellten 
  der Veranstalterin, „jeweils nur ein Thema“ vorzuschieben, „um sodann unter 
  diesem Deckmantel sowohl verbotene Propaganda als auch entsprechende Kennzeichen 
  und Symbole zu veröffentlichen“. 
  Auch der inzwischen obligatorische Hinweis darauf, dass die „Anhänger der PKK 
  in Deutschland überwiegend in örtlichen Vereinen“ der YEK-KOM „organisiert“ 
  seien, fehlte nicht. Im Sinne einer „Straftatenverhinderung“ gebe es keine mindere 
  Maßnahme als das Verbot. 
Widerspruch!
  Gegen diese Entscheidung legte der Anwalt von YEK-KOM Widerspruch ein. Er bekräftigte 
  die Absicht der Veranstalterin, mit der Demo an das PKK-Verbot von 1993 zu erinnern 
  und dessen Aufhebung zu fordern und nicht eine „Propagandaveranstaltung für 
  die PKK und ihren Gründer Öcalan“ durchführen zu wollen. Dass die beiden Daten 
  eng zusammenliegen, könne nicht YEK-KOM vorgeworfen werden. Mit dem Verbot werde 
  der Grundrechtsschutz „faktisch ausgehebelt“. 
Verwaltungsgericht 
  Berlin bestätigt Verbot – Widerspruch!
  Diese Einschätzung mochte das Verwaltungsgericht (VG) Berlin nicht teilen. In 
  einer 18-seitigen Begründung bestätigte es am 22. November das Verbot des Polizeipräsidiums. 
  Der seinerzeit noch amtierende SPD-Innensenator Ehrhart Körting daraufhin: „Ich 
  bin froh, dass das Verwaltungsgericht diese Entscheidung bestätigt hat“ und 
  fügte hinzu: „Propagandaveranstaltungen für terroristische Organisationen stehen 
  nicht unter dem Schutz des Versammlungsrechts.“ 
  Auch gegen die Entscheidung des VG wurde Widerspruch eingelegt. 
Auch Oberverwaltungsgericht 
  Berlin-Brandenburg bestätigt Verbot
  Mit seiner Entscheidung vom Spätnachmittag des 25. November ist der 1. Senat 
  des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg in der „Gesamtschau“ zu 
  der Auffassung gelangt, dass es sich bei der geplanten Demo von YEK-KOM um eine 
  Propagandaveranstaltung für die PKK handeln werde. Die „Gefahrenprognose“ beruhe 
  auf den Erfahrungen „der letzten drei Jahre hinsichtlich vergleichbarer Veranstaltungen 
  um den 27. November“ sowie der Tatsache, dass auf dem Kurdischen Kulturfestival 
  am 3. September in Köln „38 000 Plakate“ auf die Sitzplätze des Stadions verteilt 
  worden seien mit den Abbildungen verbotener Symbole. Es habe zwar den Hinweis 
  „Verboten in der BRD. Dieses System ist verboten, warum?“ gegeben, doch sei 
  dies „kaum lesbar und nur aus ganz geringem Abstand erkennbar gewesen“. Schwerer 
  wog jedoch der Bezug auf eine „Planungsunterlage“ des Vorbereitungskomitees, 
  die bei einer Razzia beschlagnahmt worden sei. Danach sollen „500 PKK-Fahnen 
  und 400 Bilder“ von A. Öcalan hergestellt und „für die Teilnehmer vorgehalten 
  werden“; ferner sei in der Notiz statt der angemeldeten 10 000 die Zahl von 
  30 000 Teilnehmern vermerkt gewesen. Diese Angaben hätten den im Kooperationsgespräch 
  gemachten Angaben wesentlich widersprochen. Die Haltung des Antragstellers zeige 
  „entweder mangelndes Unrechtsbewusstsein oder sei auf eine beabsichtigte Missachtung 
  der Vorschriften des Vereinsgesetzes zurückzuführen“, resümierten die Richter 
  des OVG. Ein wahrlich erheblicher Vorwurf! 
Demo als „Ersatzveranstaltung“ verboten
  Eine inzwischen von Heidrun Dittrich, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, angemeldete 
  Versammlung ist am 25. November als angebliche Ersatzveranstaltung für die verbotene 
  Demo ebenfalls untersagt worden. 
Antifa-Demo – nicht verboten aber 
  angegriffen
  Nicht verboten werden konnte eine für den 26. November angemeldete antifaschistische 
  Demonstration eines Bündnisses aus deutschen, kurdischen und türkischen Gruppen 
  unter dem Motto „Staat und Nazis Hand in Hand“. Sie richtete sich gegen die 
  „Verstrickung des deutschen Staates und seiner Geheimdienste in den blutigen 
  Terror des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ als auch gegen die zunehmenden 
  Aktivitäten der faschistischen „Grauen Wölfe“. 
  Augenzeugen berichteten von einem massiven Polizeiaufgebot, teils brutalen Übergriffen 
  gegen überwiegend kurdische DemoteilnehmerInnen, dem Einsatz von Pfefferspray 
  und Schlagstöcken. So sei eine ältere Frau derart von Polizisten überrannt worden, 
  dass sie verletzt zu Boden ging und eine junge Kurdin habe durch das rücksichtslose 
  Vorgehen starke Verletzungen an Kopf und Rücken erlitten; mehr als einhundert 
  Personen seien vorläufig festgenommen worden.
  Außerdem seien die Demonstrierenden entlang der Wegstrecke von Anhängern der 
  „Grauen Wölfe“ mit Fahnen, Parolen und dem „Wolfsgruß“ provoziert und beleidigt 
  worden. Keineswegs habe es sich – wie das Neue Deutschland schrieb – um „Streit 
  von Kurden und Türken“ gehandelt, sondern kurdische Jugendliche seien angegriffen 
  worden und einer von ihnen mit einem Messer schwer verletzt worden. Ferner sollen 
  im Vorfeld der Demo etwa 80 Busse gestoppt und an der Weiterfahrt nach Berlin 
  gehindert worden sein, weil sich die Insassen angeblich auf dem Weg zu der verbotenen 
  Demonstration befunden hätten. YEK-KOM habe jedoch ihre Mitglieder dazu aufgerufen, 
  sich an der antifaschistischen Demonstration in Berlin-Kreuzberg zu beteiligen, 
  so ein Mitorganisator des Bündnisses. Weil man angesichts der Polizeiübergriffe 
  die Sicherheit der Demonstrierenden nicht weiter habe gewährleisten können, 
  ist die Demo nach der halben Strecke von den Veranstaltern aufgelöst worden. 
  
  Dem „Tagesspiegel“ vom 26. November zufolge sei die Antifa-Veranstaltung von 
  der Polizei als „taktische“ Anmeldung nach der juristischen Verbotsbestätigung 
  durch das Verwaltungsgericht gewertet worden, gegen die es jedoch keine rechtliche 
  Handhabe für ein Verbot gegeben habe. 
  Die „Morgenpost“ – berlin aktuell – schrieb in ihrer Ausgabe vom 27. November, 
  dass „87 Polizeibeamte verletzt“ worden und „46 Strafermittlungsverfahren unter 
  anderem wegen Landfriedensbruchs, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung 
  sowie Verstößen gegen das Versammlungs- und Vereinsgesetz“ eingeleitet worden 
  seien. Im Verlauf der Demo sollen Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern 
  angegriffen worden sein, insbesondere während der Festnahmen von Personen. 
  Offener Brief von LINKEN-Landtagsabgeordneten an Berliner Innensenator
  „Kurdinnen und Kurden werden unter Generalverdacht gestellt, wenn sie sich politisch 
  äußern und engagieren wollen. Damit ist das PKK-Verbot ein Repressionsinstrument, 
  das gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe eingesetzt wird und darüber hinaus potenziell 
  zum Abbau demokratischer Rechte auch anderer Bevölkerungsgruppen führt“, heißt 
  es u. a. in einem ausführlichen Offenen Brief der NRW-Landtagsabgeordneten Hamide 
  Akbayir und Ali Atalan vom 1. Dezember an den Innensenator von Berlin. Sie protestieren 
  insbesondere gegen das Vorgehen der Polizei nach „rassischen Merkmalen“ und 
  die Beschlagnahmung von Transparenten wie „Gegen die Repression gegen kurdische 
  Organisationen“, weil diese angeblich nichts mit den politischen Forderungen 
  der Demo zu tun hätten. Teilnehmerinnen und Teilnehmer seien – so die Abgeordneten 
  – „wegen ihrer kurdischen Herkunft pauschal wie Terrorverdächtige behandelt“ 
  worden. 
  Hamide Akbayir und Ali Atalan bekräftigen ihre Auffassung, dass das PKK-Verbot 
  abgeschafft werden müsse, „um gleichberechtigte Teilhabe kurdischstämmiger Mitbürgerinnen 
  und Mitbürger zu ermöglichen“ und erwarten „eine möglichst baldige und aufklärende 
  Rückmeldung“ durch den Innensenator. 
  Kontakt: Hamide.Akbayir@landtag.nrw.de 
  und Ali.Atalan@landtag.nrw.de
Wie wird es weitergehen?
  Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 28. Oktober 2010 und dem gerichtlich 
  durchgesetzten Demonstrationsverbot haben sich die staatlichen Repressionsorgane 
  weitere tiefgreifende Grundlagen geschaffen, die kurdische Freiheitsbewegung, 
  ihre Organisationen und AnhängerInnen zu bekämpfen. Damit stellt sich die deutsche 
  Politik unmissverständlich an die Seite einer türkischen Regierung, die seit 
  Monaten mit ungeheurer polizeilicher und militärischer Gewalt gegen die kurdische 
  Bevölkerung vorgeht. Bedenkenlos teilt sie mit ihr die Haltung, die legitimen 
  Forderungen der Kurden nach Demokratie und Autonomie als Terrorismus zu verunglimpfen 
  und entsprechend zu verfolgen. 
  Breite zivilgesellschaftliche Bündnisse, umfassende Aufklärung über Hintergründe 
  und Zusammenhänge, öffentliche Aktivitäten und Einflussnahme auf politisch Verantwortliche 
  und Institutionen sind wichtiger denn je, um diese gefährliche Entwicklung zu 
  bekämpfen und hoffentlich aufzuhalten. 
  Serkeftin!