„Sie 
  haben sich selbst steuernde Raketen; wir hingegen haben Herzen, die der Menschheit, 
  der Freiheit und dem Volk verbunden sind!“
 Ein Wintergruß 
  aus den Kandil-Bergen von Silan Dilara
Liebe Freundinnen und Freunde,
Ich grüße Euch aus den schneebedeckten 
  Bergen mit der Wärme des Frühlings, den wir immer in unseren Herzen tragen. 
  
  In diesen Tagen kreisen die verfluchten Stahlvögel immer über unseren Köpfen 
  über die Gipfel; ein Kampfjet folgt auf den nächsten. Ich weiß nicht, ob Ihr 
  Euch das vorstellen könnt, aber der Tod ist zu unserem ständigen Begleiter geworden. 
  Die Herrschenden möchten uns damit einschüchtern, aber da wir unsere Vorkehrungen 
  getroffen haben, lachen wir sie aus. Jedoch kommen uns die Tränen, wenn wir 
  daran denken, dass die Kosten einer jeden explodierenden Bombe und Granate auf 
  das Konto einer noch mehr verarmenden Bevölkerung gehen. Die ganze Welt schießt 
  auf uns: die Türkei, der Iran, der Irak, die USA – sie alle haben sich in diesem 
  Krieg verbündet. Aber wir lassen uns nicht brechen! Sollen diese Despoten doch 
  mit ihren selbststeuernden, „intelligenten“ Raketen auf uns schießen! – Sie 
  haben sich selbst steuernde Raketen; wir hingegen haben Herzen, die der Menschheit, 
  der Freiheit und dem Volk verbunden sind!!! Glaubt uns, mit unseren bloßen Herzen 
  leisten wir hier einen starken Widerstand und wir glauben daran, dass dieses 
  Land in naher Zukunft hellere Tage sehen wird. 
  An der Front hier haben sich Dinge ereignet, die einer Sage gleichen: Während 
  der Angriffe der iranischen Armee hatten wir unsere Stellungen auf den Gipfeln 
  bezogen. Bei dem Widerstand zur Verteidigung des Kandils sind in einem Gefecht 
  einige FreundInnen verletzt worden und haben Unterstützung von anderen Einheiten 
  angefordert. Unter den Verletzten war auch der Bruder einer Freundin, die zur 
  Unterstützung und Rettung der verletzten FreundInnen losgegangen waren. Sie 
  nahm ihren verletzten Bruder auf den Rücken, um ihn aus dem Gefechtsgebiet herauszutragen. 
  Genau in diesem Augenblick wird auch sie verletzt, aber sie sagt niemandem etwas 
  davon. Erst als sie die FreundInnen einer anderen, sicher gelegenen Einheit 
  erreichen, stellen die anderen GenossInnen fest, dass auch diese Freundin verletzt 
  worden war. Ihre Verletzung war sogar noch schwerer als die ihres Bruders, aber 
  sie hat kein Wort darüber verloren. Mit diesem aufopfernden Widerstandsgeist 
  haben wir das anti-kurdische Bündnis in Kandil zerschlagen. Wir haben gehört, 
  dass die Kommandanten der iranischen Armee unseren Widerstand als Beispiel für 
  die Schulung ihrer Soldaten herangezogen haben. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, 
  hat es hier wertvolle Beispiele des Kampfes und des Widerstandes gegeben, die 
  genug Material für Dutzende Filme und Romane bieten würden. Auch die Aktion 
  von Celê ist ein solches Thema für einen Roman. Es wurden Soldatenstellungen 
  auf Hügeln eingenommen, die Festungen glichen. Die FreundInnen haben sehr meisterhaft 
  (professionell) gekämpft. In den Guerillakämpfen, die es weltweit gibt, gibt 
  es bislang nur wenige Beispiele von Aktionen, die ein solches Niveau hatten. 
  Obwohl die Bomber ständig über uns waren, haben wir es geschafft, unter den 
  schwersten Bedingungen, an den schwersten Orten große Erfolge zu erzielen. Nur 
  der Verlust wertvoller FreundInnen wie Heval Rüstem, Heval Cicek, Heval Aliser 
  und junger KämpferInnen, die alle ein Teil unseres Herzens sind, schmerzen uns 
  und stellen uns vor die Verantwortung, ihre Aufgaben mit zu übernehmen und ihre 
  Träume zu erfüllen. 
  Bestellt unseren Freundinnen und Freunden in Europa schöne Grüße. Erzählt den 
  Menschen in Europa, dass wir gegen den Despotismus und die Grausamkeiten der 
  Herrschenden hier Widerstand leisten. Sagt ihnen, dass heute in unserem Land 
  ein sehr grausamer, ungerechter und schmutziger Krieg gegen die Natur, gegen 
  die Menschen und gegen Frauen jeden Alters geführt wird. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit 
  werden die blutrünstigsten Waffen, schmutzige, verbotene Technologien gegen 
  unsere Menschen und unsere schöne Natur eingesetzt. Babys werden zerfetzt, Mütter 
  ermordet, die Körper der GuerillakämpferInnen werden zerstückelt, … aber das 
  gewissenhafte, humanitäre Europa schweigt! Kein Widerstand scheint sich gegen 
  die schmutzigen Bündnisse der Regierungen zu regen. Heute wird hier ein Volk 
  vernichtet, heute wird die Würde der Menschen in Kurdistan mit Füßen getreten, 
  aber die Völker auf dieser Welt scheinen blind und taub zu sein. Als würdevolle, 
  politische Frauen, als Menschen müssen alle gegen dieses Unrecht Widerstand 
  leisten. Wir kämpfen hier in unserem Land mit allen Mitteln, die wir haben, 
  aber es kommt mir vor, als sei die Welt in einem tiefen Schlaf. 
  FreundInnen und GenossInnen dürfen sich nicht zu Mitschuldigen der patriarchalen 
  Herrschaft und imperialistischer Kriege machen lassen. Als Frauen müssen wir 
  uns und die Menschheit von diesen patriarchalen Mächten befreien. Auch Ihr könnt 
  und müsst dabei eine wichtige Rolle spielen. Wir leisten hier gegen Militarismus 
  und menschenverachtende Kriegstechnologien unseren Widerstand, und ihr müsst 
  Euren Widerstand gegen dieses System dort organisieren. Vereinigt Euren Aufschrei 
  mit dem unseren, und lasst uns diesen schmutzigen Krieg zum Stillstand bringen, 
  indem ihr den Widerstand der kurdischen Guerillakämpferinnen als Eure eigene 
  Würde und Hoffnung begreift und als Frauen gegen jegliche Form der Unterdrückung 
  Widerstand leistet. Das patriarchale System befindet sich heute in einer Sackgasse, 
  das ist der Grund, warum sich die Kriege und Konflikte immer mehr zuspitzen. 
  Lasst uns den Zusammenbruch dieses Systems beschleunigen und die Herrschenden 
  zu Fall bringen! 
  Das wichtigste ist, dass wir niemals aus dem Blick verlieren, was auf Imralı 
  passiert. Was uns am meisten Schmerzen bereitet, ist, dass wir es nach 13 Jahren 
  immer noch nicht geschafft haben, das System der Gefängnisinsel Imralı aufzulösen. 
  Das Imralı-Gefängnissystem zu Fall zu bringen und die Freiheit von Serok zu 
  erreichen, ist für uns die Voraussetzung unseres Menschseins und unserer Genossenschaftlichkeit. 
  Von Serok haben wir es gelernt, auch in den schwierigsten Augenblicken hoffungsvoll, 
  hartnäckig und willensstark zu sein. Von den jüngsten bis zu den ältesten FreundInnen, 
  die hier kämpfen, haben wir uns alle selbst unser Versprechen gegeben: Wir werden 
  unsere Wut und unsere Schmerzen in Widerstand und Stärke verwandeln!
Lasst uns dem Widerstand und Freiheitskämpfen 
  der Frauen und Völker gegenüber aufmerksam sein und gemeinsam für eine freie 
  Welt und eine freie Gesellschaft kämpfen! 
  In diesem Sinne sende ich allen FreundInnen und GenossInnen meine Grüße und 
  meine Liebe.
  Silan Dilara, 21-11-2011