Geständnisse vom Auftragskiller und JITEM-Mitbegründer Abdulkadir Aygan

Schockierende Geständnisse ...

aus Ülkede Özgür Gündem, Istanbul

Der von der Regierung beauftragte private Killer und Konter-Guerilla, der auch an der Ermordung des kurdischen Gelehrten Musa Anter beteiligt war, hat der in der Türkei erscheinenden Zeitung Ülkede Özgür Gündem alle Einzelheiten berichtet ...

In dem Text werden Sie die Schrecken der Verbrechen während des schmutzigen Krieges in Kurdistan erfahren und in den Geständnissen Aygans über die Beziehungen zwischen Polizei und Militär lesen ...

Innerhalb der letzten fünfzehn Jahre haben sich an den Wegen, Seen, Bächen, Seitenstraßen und unter den Brücken Kurdistans die Zahlen der Leichen erheblich summiert. Diejenigen, die sich in die “zärtlichen Arme” des Staates ergeben haben, sind zu Todesmaschinen mutiert. Beim “Kampf gegen den Terrorismus” sind Tausende von Verbrechen begangen worden. In den Straßen weht seit Jahren der Duft des Todes. Sogar Berichte der Menschenrechtsorganisationen und der Susurluk-Untersuchungsbericht haben nicht annähernd die Brutalität wiedergeben können. Diejenigen, die versprochen haben, den “Morden unbekannter Täter” ein Ende zu setzen, tauchen nicht mehr auf.
Man hat herausgefunden, dass die Todesschwadronen des “Rechtsstaates” immer noch offiziell beschäftigt sind. Die Enthüllungen des JITEM-Killers Abdulkadir Aygan sind daher einzelne Anklageschriften. Damit die Gerechtigkeit ihren Platz findet und die Wahrheit ihr Ziel erreicht, müssen die geehrten Staatsanwälte diese Dokumente ihren Dossiers beifügen. Wenn sie es nicht tun, müssen die Menschen, die seit fünfzehn Jahren darunter gelitten haben, dies mit ihren Stimmen fordern. Wird nun die AKP-Regierung die Killer weiterhin finanzieren? Werden die in fünfzehn Jahren erlebten Realitäten untersucht werden? Wird die Gerechtigkeit ihren Platz wirklich finden?

Die Aktion von Yesil
Der kurdische Gelehrte Musa Anter, der anlässlich des Kulturfestivals in Diyarbakir weilte, wurde am 20. September 1992 ermordet. Die Mordakten Musa Anter verstauben seit zwölf Jahren im Regal. Im Susurluk-Untersuchungsbericht von Ministerialinspektor Kutlu Savas wird anerkannt, dass der Mord von staatlicher Seite aus verübt wurde. Die Geständnisse im Mordfall Ape Musa befinden sich in der Anlage zum Report im 9. Dossier. Aber da die Anlagen des Reports als “Staatsgeheimnis” befunden wurden, gelang bis heute keine Veröffentlichung. Die Regierungen, die bis heute die Geständnisse aus dem Susurluk-Report nicht verfolgt haben, haben somit auch den Mordfall Ape Musa verdeckt.

Die Geständnisse des staatlich finanzierten Mörders und Konter-Guerilla-Mitglieds Abdulkadir Aygan zum Mord an Ape Musa: “Die größte Aktion, in die Yesil mit verwickelt war und in der ich Zeuge gewesen bin, war der Mord an Ape Musa. Obwohl Cem Ersever zu dieser Zeit in Ankara war, ist er später mit Neval Boz nach Diyarbakir gekommen. Am Tag des Mordes fuhr er nach Adiyaman. ‚Ich werde zum Berg Nemrut gehen und von dort aus sehen, ob eine Gruppe mit Funkapparaten ausgerüstet ist', sagte er. In diesem Moment hatte Yesil den Mordanschlag gegen Musa Anter im JITEM organisiert. Da der Gruppenkommandant im Urlaub war, hatte Teamkommandant Savas Gevrekci auch dessen Arbeiten weitergeleitet. Im Fall von Musa Anter wurde Cemil Isik unter dem Decknamen Hogir eingesetzt. Die beiden Abweichler Hogir und Sirnakli Hamid hatten zusammen die Partei verlassen.”
(...)
“Ich selber hatte als Erster festgestellt, in welchem Hotel in Diyarbakir Musa Anter sich befand. Dann ist auch Yesil gekommen. Er fuhr einen weißen Landrover. Den hatte er vom Provinzgouverneur bekommen, der ihn vorher als eine Spende vom MIT. Er hatte ihn für seine Aufgaben genommen. Mustafa Deniz war mit Yesil gekommen. ‚Mach einen Plan gegen Musa Anter, dass du ihn zu uns locken kannst', sagten sie zu Hogir.”
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“Hogir, ein ehemaliges Mitglied der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der später die Partei verließ, kannte Musa Anter schon früher. Ape Musa war traurig, dass Hogir die Partei verlassen hatte und wollte sich mit ihm treffen. Ape Musa wusste damals nicht, dass Hogir im JITEM arbeitete. Somit hat Hogir Hamid beauftragt, sich um das Treffen zu kümmern und ihn ins Hotel geschickt: ‚Sag ihm, ich wäre einverstanden. Ich möchte mich mit ihm treffen und erwarte ihn in einem Haus. Du wirst ihn zu mir bringen.' Beim ersten Versuch hatte Hamid keinen Erfolg. Beim zweiten Mal haben wir uns mit dem Landrover auf den Weg gemacht. Ali Ozansoy war im JITEM in Saraykapi in der Hauptfunkzentrale. Hogir bekam eine Kalaschnikow. Da ich einen JITEM-Ausweis und eine Waffe besaß, haben sie mich zu Hogir eingeteilt, damit, wenn was sein sollte, ich auch zuschlagen könne. Als wir die Brücke überquert hatten, haben sie uns am Ausgang von Silvan abgesetzt. Yesil ist mit Mustafa Deniz zusammen auf den Hügel gestiegen. Sie hatten die Funkgeräte. Hamid war inzwischen auf dem Weg ins Hotel, um Ape Musa abzuholen. Er sollte ihn mit einem Taxi zu uns bringen. Hogir sollte ihn anschließend töten.”

Hamid hat abgedrückt ...
“Hogir war bewaffnet. Bis in den späteren Abend kam niemand. Er meinte daraufhin: ‚Alles ist irgendwie merkwürdig. Wir sollten zu Yesil gehen. Wenn uns die Polizei verhaftet, sieht es schlecht für uns aus.' Wir sind weitergelaufen. Diesmal aber haben wir nicht die Straße, sondern den Feldweg benutzt. Kurze Zeit, nachdem wir bei Yesil angekommen sind, haben wir Sirenen gehört. Yesil meinte daraufhin: ‚Es ist bestimmt etwas passiert, ich weiß aber nicht, was.' Später mussten wir den Landrover zum Ort des Geschehens fahren, da der Weg in Richtung der Hauptstraße nach Silvan führte.
Am Ziel sagte Ali Ozansoy, dass alles in Ordnung sei. Hamid hätte Ape Musa erschossen. Später hat Hamid seine Tat gestanden: ‚Es ist alles in Ordnung. Ich habe ihn erschossen.' Hogir fragte, warum er ihn nicht zu uns gebracht hätte, und Hamid antwortete: ‚Sie haben gezweifelt. Wir stiegen in das Taxi ein. Neben ihm war sein Neffe. In Seyrantepe habe ich gesagt, dass es nicht mehr so weit ist. Aber sie haben immer noch nach unserem Ziel gefragt. Ich bemerkte, dass sie Verdacht geschöpft hatten und dass alles nicht mehr so weitergehen konnte. Ich ließ sie aussteigen.' Hamid hatte vom JITEM eine 14er UMAN-Markenpistole. Er erschoss sie beide in einer Sackgasse und warf die Tatwaffe später in einen Müllcontainer.”

Das am Verbrechen gegen Musa Anter beteiligte Vollstreckungsteam: Savas Gevrekci: Teamkommandeur im JITEM und Stellvertreter der JITEM-Gruppenkommandeure. Während seiner Schicht war das Verbrechen verübt worden.
n Mahmut Yildirim, Deckname “Yesil “ [auf Deutsch “Grün”]: Vorbereiter der Aktion.
n Abdulkadir Aygan, Deckname “Serif Aslan”: JITEM-Mitglied und -Aktivist. Er besaß auch einen Personalausweis unter dem Namen “Aziz Turan”.
n Mustafa Deniz: Abweichler. Mit Yesil hat er am Tatort am Hügel gewartet.
n Ali Ozansoy: War eingesetzt in der Hauptfunkzentrale der JITEM-Gruppenkommandeure.
n Der Mörder Hamid und Cemil Isik, Deckname “Hogir”, haben sich auch an dem Verbrechen beteiligt.

Wer ist Abdulkadir Aygan?
Abdulkadir Aygan wurde am 15. März 1958 in Urfa, Landkreis Suruc, im Dorf Uzunhidir geboren. Wegen der schlechten ökonomischen Lage ist die Familie nach Gaziantep, in den Landkreis Nizip, ausgewandert und von dort aus nach Osmaniye. 1975 war er auf der Berufsschule in Adana. 1977 hat er die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) kennen gelernt. Er brach das Studium ab und ging wegen seiner politischen Aktivitäten nach Nizip. Bei einer Wohnungsrazzia wurde er 1980 verhaftet. Er saß anderthalb Jahre in den Gefängnissen von Gaziantep, Nizip und Kilis. In dieser Zeit hat er seine Kontakte zur PKK abgebrochen und ist zum Militär gegangen, um seinen Dienst abzuleisten. Während des Militärdienstes auf Zypern ist er aus der Armee nach Europa geflüchtet. In Europa hat er sich nochmals der PKK angeschlossen und sich in Sason, Mutki und Sirvan an den politischen Aktivitäten beteiligt. 1985 ist er zur Guerilla geflüchtet und hat sich später dem Staat ergeben. Er saß in der Zelle der Abweichler im Gefängnis von Diyarbakir. Mit seiner Beteiligung am “Reuegesetz” wurde seine Strafe gesenkt, er kam 1990 frei. Nach der Entlassung wurde er wieder beim Militär aufgenommen und kam später zur siebenköpfigen JITEM-Kadergruppe, die durch A. Cem Ersever neu gegründet worden war. Nach ihrem Militärdienst wurde allen Abweichlern der Status von Zivilbeamten zuerkannt, später, auch vonseiten Esref Bitlis, der Status von Staatsbeamten. Nachdem Aygan unter dem Decknamen “Serif Aslan” bekannt geworden war, stellte man ihm als Abweichler neue Papiere auf den Namen “Aziz Turan” aus. Er hat unter verschiedenen Namen zehn Jahre im JITEM gearbeitet und staatlich finanziert viele Menschen festgenommen und Verbrechen verübt. Im Jahr 2000 wurde er aus dem JITEM entlassen, anschließend als “Zivilbeamter” in das Regimentskommando der Provinzgendarmerie in Burdur berufen. Er ist verheiratet und Vater von 5 Kindern.

Wie wurden Hogir und Hamid in den JITEM eingeführt?
(...)
“Ein Clan-Mitglied aus dem Süden [Nord-Irak] war an der Brücke von Habur eingesetzt. Er hatte mit der JITEM-Einheit in Silopi Kontakt aufgenommen und verriet den Ort, an dem sich Hogir, der die PKK verlassen hatte, dessen Frau und Hamid befanden. Hinterher kam Cem Ersever nach Silopi. Ich, der Oberoffizier Mazhar und Ali Ozansoy sind zusammen durch das Grenztor von Habur gegangen. Als Hogir und die anderen nach Zakho gegangen waren, sind sie in einer Hütte geblieben. Wir haben sie dort getroffen. Hogir war äußerst beunruhigt, weil er die Partei verlassen und das Gefühl hatte, seines Lebens nicht mehr sicher zu sein. Man hatte ihm versprochen, nicht verhaftet und gefoltert zu werden, wenn er alles aussagen würde. Eine Reise nach Deutschland war ihm auch vorgeschlagen worden. Hogir war zuerst unschlüssig. Aber Ali Ozansoy und Oberoffizier Mazhar hatten ihn überredet. Man hat ihn später zum JITEM nach Diyarbakir gebracht und hinterher mit Hamid im Fall Musa Anter benutzt.”

Vedat Aydin wurde von
Ersevers Gruppe ermordet
Abdulkadir Aygan berichtet über die Ermordung an dem kurdischen Politiker und Intellektuellen Vedat Aydin:
“Ich habe im Fall Vedat Aydin, des Vorsitzenden der HEP in Diyarbakir, der am 5. Juli 1991 entführt und am 7. Juli liquidiert wurde, an der Erkundung teilgenommen. Die Aufklärung hatte der Abtrünnige Selahattin Görgülü, Deckname “Derdo”, begonnen. Er versuchte, ihn zu treffen, war aber immer erfolglos. Dann hat er sich mit Cem Ersever getroffen. Der hat uns im Auto mitgenommen und gegenüber der Wohnung von Vedat Aydin in der Istasyon-Straße gehalten. Er und eine weitere Person haben das Gebäude untersucht, in der Vedat Aydin gewohnt hat. Als ich zwei Tage später morgens zum JITEM zur Arbeit kam, fand ich niemand, weder Cem Ersever noch die anderen. (...) Ich fragte einen Soldaten: ‚Wo sind der Kommandant und die anderen?' Er antwortete: ‚Sie schlafen und meinten, dass keiner sie stören soll.' Es ergab keinen Sinn. Ich hatte nichts gehört und wusste auch nicht, was passiert war. Nach ein paar Stunden ist Cem Ersever aufgewacht und fragte mich, warum ich so früh zur Arbeit käme. Ich antwortete: ‚Mein Kommandant, ich bin pünktlich wie immer.' ‚Die Lage ist schlecht', sagte er. Ich fragte daraufhin: ‚Warum?' ‚Sie haben Vedat Aydin erschossen', erklärte er. Als ich das hörte, wusste ich in diesem Moment nicht, was ich machen sollte. Schließlich hatten wir die Aufklärung zusammen durchgeführt. Sie hatten mich aber nicht mitgenommen. Ich blickte die, die noch im Bett waren, an. Es waren Fetih Cetin, Ali Ozansoy und sein Stellvertreter Major Aytekin Özer. Alle schliefen noch. Ich sah ihre Schuhe an. Alle waren mit Schlamm verdreckt. Auch das Auto sah so aus.” (...) “Nach diesem Tag habe ich Selahattin Görgülü nie wieder gesehen. Cem Ersever sagte mir, er sei für zehn Tage seine Familie besuchen gegangen. Es könnte ja sein, dass er die Tat begangen hat und ihn Ersever später wegschicken ließ.” (...) “Weil er mehrmals versucht hat, mit Vedat Aydin in Kontakt zu treten. Natürlich auf Anweisung von Cem Ersever.”

Die Bekanntschaft mit “Testere [auf Deutsch “Säge”] Ersever”
“Als ich im März nach Kars ging, hat man mir mitgeteilt, dass Major Cem Ersever und Oberst Arif Dogan nach mir fragen. Ich kannte aber keinen Arif Dogan. Nur an Cem Ersever konnte ich mich erinnern, weil er 1985 bei meinem Verhör, in Siirt, als Hauptmann beteiligt war. Er bekam alle Befehle aus Ankara.” (...) “Cem Ersever hatte mir angeboten nach Diyarbakir zu kommen. Ich nahm das Angebot sofort an.” (...) “Nach einer Grundausbildung wurde ich im Kommandeurquartier für Sicherheit, im Bezirk Sehitlik, aufgenommen.” (...) “In den Straßen von Diyarbakir verhielten wir uns meistens wie Zivilisten. Um uns zu schützen, gaben sie uns noch eine Pistole.”

Der Kernkader wird gegründet
Aygan war ein sieben- bis achtstöckiges Haus im Bezirk Baglar in Diyarbakir angeboten worden, um dort mit seiner Familie zu wohnen. Aber er nahm dieses Angebot nicht an:
“Daraufhin haben sie uns einen Platz im Wohnheim der Gouverneure von OHAL angeboten. Sie sagten uns, hier seien wir in Sicherheit. Die Gegend würde von Wachposten und Spezialeinheiten bewacht und uns würde nichts passieren können. Wir nahmen das Angebot an. Sie haben die ganze Wohnung möbliert. Auch Kemal Emlük und Hasan Adak wohnten mit ihren Familien im Wohnheim. Für unsere Selbstverteidigung gaben sie uns eine Pistole. Zu der Zeit herrschten in ganz Diyarbakir Unruhen. Offen gesagt hatte die Partei [PKK] die Kraft uns jeden Augenblick zu töten. Deswegen war es uns untersagt allein spazieren zu gehen. Sie schlugen uns vor, immer zu zweit auf die Straße zu gehen. Im Stadtzentrum zu spazieren war meistens nicht erlaubt.”

Ersever gründet seine Gruppe
Abdulkadir Aygan erzählt, dass Cem Ersever während des Militärdienstes die Absicht hatte, ein Team aus Soldaten zu bilden, die ihren Dienst noch nicht beendet hatten:
“Cem Ersever hatte versucht, aus uns ein Team zu bilden für den Anti-Guerillakampf. Er glaubte, nur mit einer solchen Gruppe Erfolg gegen den Guerillakampf zu haben.” (...) “Der Vorschlag wurde angenommen. Später wurde jedes Teammitglied als offizieller Kader anerkannt.”

657 Abweichler
“Den Abtrünnigen, die ihren Militärdienst abgeleistet hatten, wurde der Beamtenstatus verschafft. Ordnungskommandeur und Gebietsgouverneur hatten dem Generalstab dies vorgeschlagen. Auch Cem Ersever und der Gruppenkommandeur des Nachrichtendienstes machten den Vorschlag, die Abweichler als “Zivilbeamte” in den Nachrichtendienst der Gendarmerie aufzunehmen. 27 Personen wurden als Kader aufgenommen. Unter ihnen waren ich, Binevs Alsac, Deckname “Kulplu”, Saniye Emlük, Kemal Emlük, Hatice Elmas, Hasan Adak, Recep Tiril, Hanim Beyaz, Ali Ozansoy und Fetih Cetin.

Das erste Ziel war Özer
Nach einer Durchführung in Mardin wurde zum ersten Mal in Diyarbakir ein Sprengsatz mit Fernzündung im Auto des Vorsitzenden der Rechtsanwaltskammer RA, Mustafa Özer, plaziert. Aygan über die Einzelheiten:
“Es gab eine Liste mit Namen, die als Ziele ausgesucht waren. Dazu gehörten die Zeitschrift Özgür Halk, das Zeitungsbüro, Mustafa Özer und Hasip Kaplan. Cem Ersever traf sich zu dieser Zeit öfter mit Hayri Kozakcioglu und Hikmet Köksal Pasa. Immer wenn er kam, sagte er: ‚Los, Jungs, stellt das Auto und die Wohnung dieses Mannes fest.' Wir wussten sofort, dass diese Person das nächste Ziel war. Wir haben erfahren, dass die Wohnung von Mustafa Özer in der Nähe des Wohnheims Kurtoglu in Ofis lag und er ein Auto der Marke Ford besaß, das er immer vor der Wohnung auf dem Bürgersteig parkte. Cem Ersever leitete die Operation. Als Stellvertreter hatte er Aytekin Özen, Deckname “Celil”, beauftragt. Ersever und Ibrahim Babat sind mit einem weißen Kartal [Automarke in der Türkei], ich, Ali Ozansoy und Aytekin Özen mit einem grünen Kartal nach Ofis gefahren. Der Sprengsatz war in einer schwarzen Tüte, die Fernbedienung bei Aytekin Özen. Ich und Ali Ozansoy gingen den Sprengsatz plazieren. Wir gingen am Auto von Mustafa Özer vorbei, unter dem Ali Ozansoy den Sprengsatz gelassen hatte. Hinterher sind wir zu Aytekin Özen gegangen. Er hatte die Fernbedienung so eingestellt, dass er das Auto von weitem beobachten konnte. Er drückte den Knopf der Fernbedienung, so dass der Sprengsatz explodierte. Es gab einen großen Lärm, die Flammen loderten. Nach der Aktion gingen wir zum JITEM.”

“Ich habe festgehalten,
Yesil hat ihn erschossen”
Abdulkadir Aygan berichtet in seinen Geständnissen auch, dass er bei der Ermordung des Vorstandsmitglieds der HEP, Harbi Arman, in Mus am 20. Januar 1992 in der Gruppe von Mahmut Yildirim, Deckname “Yesil”, war:
“Mit Yesil habe ich zusammen an einer Aktion teilgenommen. Im Todesfall des Vorstandsmitglieds der HEP, Harbi Arman, in Mus auf der Landstraße in Elazig, hat Yesil damals Fetih Cetin und mich mitgenommen. Dabei war auch ein bärtiger Oberoffizier. Nachdem man mit Harbi Arman in Kontakt getreten war, sagte man ihm, dass er zur Aussage kommen müsse. Daraufhin wurde er zum JITEM nach Diyarbakir gebracht.” (...) “Man hat ihm gesagt, dass einem nach den Regeln die Hände gefesselt und die Augen verbunden werden müssen und die Militäreinheit außerhalb der Stadt liege, so dass wir mit dem Landrover fahren müssten. Harbi Arman war mit allem einverstanden. Als wir in den Wagen einstiegen, sind seine Augen mit einem Halstuch zugebunden worden. Wir sind gefahren und man bedeutete uns, ihn aus dem Auto abzusetzen. Das taten wir. Der Oberoffizier hatte eine Kalaschnikow und eine Smith & Wesson. ‚Nehmt ihn an den Armen', befahl man uns und gab uns später ein Zeichen, ihn zu bringen, als ginge es zur Militäreinheit. ‚Bringt ihn nach vorn', hieß es. Wir führten ihn zu einer Brücke und sie gaben uns ein Zeichen: ‚Kommt.' Als wir neben dem Oberoffizier standen, richtete der die Kalaschnikow auf Arman. Er wollte ihn erschießen. Yesil sagte auf einmal: ‚Halt, nicht mit der.' Er ging zu ihm und schoss mit seiner Pistole zweimal auf ihn. Er hat ihn unter die Brücke gebracht und mit verbundenen Augen dort liegen lassen.”

Yeni Ülke wurde von
Tilki bombardiert
In der Region gab es außer gegen Medya Günesi und Özgür Halk zahlreiche Sprengstoffanschläge des JITEM auf Medien. Abdulkadir Aygan erzählt, dass das Yeni-Ülke-Büro in Diyarbakir in der Nähe des Postamts von Hüseyin Tilki, damals im JITEM als Soldat tätig, bombardiert worden war.

Okan wurde vom
JITEM ermordet
Abdulkadir Aygan, seit zehn Jahren als Kader in dem JITEM in Diyarbakir, erzählt in seinen Geständnissen auch vom tödlichen Angriff auf den Polizeichef von Diyarbakir, Gaffar Okan:
“Ich habe zehn Jahre in Diyarbakir gearbeitet und weiß genau, was für Maßnahmen man ergreifen muss, um für seine eigene Sicherheit zu sorgen. Wenn jemand keine offizielle Identität und kein starkes Rückgrat hat wie Militär-, Polizei- oder Nachrichtendienstangehörige, ist es sehr schwierig, in den Morgenstunden eine bewaffnete Aktion durchzuführen und zu flüchten, ohne dabei noch Spuren zu hinterlassen.

Gaffar Okan hatte eine Besonderheit. Als er nach Diyarbakir kam, hat er manche JITEM-Angehörige verhört, sogar den Abweichler Muhsin Gül. Dieser berichtete mir das Ereignis so: ‚Sie haben mich als erstes an einem Haken aufgehängt. Dann fragten sie mich nach meiner Aufgabe im JITEM und den Aufträgen.' Sie hatten auch nach den JITEM-Kommandeuren gefragt. Man hat ihn im Polizeipräsidium erpresst und versucht, ihn für sich zu gewinnen. ‚Wir helfen dir', sagten sie ihm. Als Gül später zum JITEM kam, hat ihn keiner nach den Ereignissen im Polizeipräsidium gefragt.”
(...)
“Ich hatte ihn zuletzt an einem Sonntag im JITEM gesehen. Am Abend rief mich Muhsins Bruder an: ‚Muhsin hat dich besucht, aber er ist immer noch nicht da. Wo ist er?', fragte er mich.”
(...)
“Ich habe daraufhin beim JITEM angerufen: ‚Muhsins Familienangehörige rufen mich an. Sie fragen nach ihm. Er war bei mir. Aber ich habe ihn zuletzt bei euch gesehen.' Sie schimpften mit mir: ‚Wie kannst du ihn bei uns gesehen haben?'
Als Muhsin Gül spurlos im JITEM verschwand, ist Abdulkadir Aygan im JITEM schwer verprügelt worden.”
(...)
“Als Gaffar Okan Polizeichef von Diyarbakir wurde, hat er das Präsidium nach seinen eigenen Prinzipien geführt. Alle JITEM-Angehörigen wurden in die Ecke gedrängt. Davor hatten Dorfschützer, Abweichler und JITEM-Angehörige im Stadtzentrum freie Hand gehabt. Sie konnten jederzeit irgendwelche Personen auf offener Straße verhaften und ins Präsidium bringen, wo man sie folterte und später spurlos verschwinden ließ.” (...) “Zu der Zeit ist die Zahl der ‚Morde unbekannter Täter' zurückgegangen, wenn auch nicht ganz.”

Die Angreifer sagten:
“Wir sind Polizisten”
“Nach dem Verlassen des Polizeipräsidiums von Diyarbakir wurde Polizeichef Gaffar Okan am 24. Januar 2001 um 17 Uhr im Bezirk Sehitlik auf dem Sezai-Karakoc-Boulevard bei einem Überfall auf seinen Dienstwagen umgebracht. Mit Gaffar Okan starben auch der Neffe des Gesundheitsministers Osman Durmus, Atilla Durmus, und weitere Polizeibeamte namens Mehmet Sepetci, Mehmet Kamali, Sabri Kün und Selahattin Baysoy.
An dem Angriff hatten 20 Leute teilgenommen. Es wurden Kalaschnikows und Granaten benutzt. Am Tatort fand man 460 Patronenhülsen. Es war sehr auffällig, dass die Täter, die unter sich mit Istanbuler Akzent (Hochtürkisch) sprachen, nach dem Angriff in die umliegenden Läden gingen und sagten, dass sie alles durchsuchen müssten, sie seien Polizisten. Der damalige Innenminister Sadettin Tantan hatte erklärt, dass das Attentat von der Hizbullah verübt worden sei.”

Die Anatomie eines Mörders
“Es gibt einen Automatismus. Egal, ob du als Gruppenmitglied offiziell oder inoffiziell in jeden Fall verwickelt bist, letztendlich bist du auch mitverantwortlich.” (...) “Du bist mit der Gruppe zusammen. Man gibt dir einen Auftrag und du führst ihn aus. So wird man ein Teil des Verbrechens. In vielen Fällen, die in der Gendarmerie des Gruppenkommandeurs stattfanden, war ich auch immer bereit. Bei manchen Fällen war ich Augenzeuge, an manchen habe ich teilgenommen. Um all das zu vergessen, trank ich Alkohol. Auch hochrangige Offiziere haben diesen Ausweg gewählt. Es gab keine Ruhe mehr in der Familie. Auch Unterstützung hat mir gefehlt. Auch die neben mir wussten ganz genau, dass der Staat uns nach Gebrauch wie dreckige Lappen vernichten würde. Das Leben ist kein Leben mehr für uns. Man schämt sich und kann einem nicht mehr ins Gesicht sehen. Mein Leben wurde in einen Alptraum verwandelt.”

[Jandarma Istihbarat Terör Mücadele: Anti-Terror-Nachrichtendienst der Gendarmerie]