Liebe "Unglückliche",

ich glaube, ihr habt das Kinde mit dem Bade ausgeschüttet’!Sven Glückspilz 4, 29.11.1997

  1. ...Auf' der Ebene der unmiltelbaren .Bedeutung will ich damil sagen, daß ich euch - unbekannterweise - respektiere, erstens weil ich die Diskussion, zu der euer Text gehört, als eine kontroverse Diskussion zwischen fortschrittlichcn Menschcn betrachte, auch wenn die einen den andcrcn vorwerfcn, unbewußt Teil eines "patriarchalen rollback auch in der Linken" zu sein, und die anderen den einen, "theoretisch linker schon falsch(e)" Politik zu bctreiben Zweitens weil ihr euch ernsthafte Gedanken um revolutionire Politik macht und euch dabei bewußt auf konfliktstarkes Terrain begebt. Den Respekt sollte ich übrigens auch dencn, die euch widersprechen und die, wie ihr bemerken werdet, nicht in aller Seclenruhe aus der sicheren Position der "Diskurshegemonie" ur;,! " c,~.:ihtetenLegetimität " (verktirzt aus Paul&Paula/P&P ,Abs.36) locker cure Position vom Tisch fcgcn, sondem cbenso wic ihr im rauhen und launischen Wind der Diskurse stehen.

    Auch wenn ich im folgcnden euren 'I'cxt kritisierc, mhchtc ich dodi nicht vers5urnen zu erawähnen, daß ich darin auch vieles gut fand, elwa weiterhend eure Ausführungen zur Zensur, euren Kritikvorschlag an 'lettclknechts' Text (PRP,Kap.8), cure scharfc formale Analyse des Textes, eure Analyse von Bild Text und deren Wirkung, euer Ansinnen, frischen Wind in den moralisiercnden Stillstand der radikalen Linkcn zu tragen...

    Auf der Ebene sprachlicher Sinnzusammenhänge möchte ich hier betonen, daß auch ich mich in der Falle der Doppelmorul wiederfinde, wenn es um Sexualität geht (vgl. PdcP,Abs.l37ff. Ich habe einerseits eine ideelle Sex-ldentität, die von politischen und moralischen Vorstcllungen geprägtt ist und enggekoppelt ist an Begriffe wie I.iebe, Intimitit, Harmonie, Sanftheit; andererseits habe ich eine materielle (mannliche) Sex-Identiät, dcren Lustgefühl z.B. von öffentlich verfügbare Frauenkorp~ angeregt wird und dabei überhaupt nicht 'p.c.' ist.

    Ihr stellt nisei Senmlitils-Konzepte antagonistisch gegeneinander, wobei ihr das cine van Absatz zu Absatz (McP133-136) konstruiert und seines Kontextes entkleidet, so daO aus dcm Ausgangspunkt, dern mm (Sexual-) Objekt degradierten iiffentlich dargcstellten nacktcn Frauenkorper (Zitat aus dern 'HH'-Papier) mirnichts dirnichls der "Sex nur der Lust wegen" wird, was nicht nur etwas ganz anderes ist, sondem auoh van den 'HH' nicht gemeint und somit auch nichl angegriffen imrde (Daß ihr mittenrein in cure Argumcntationslinie cine Kapitelüberschrift '5.1.2.' setzt, Bndert am Zusammcnhang nichts ivesentliches). Sodann demontiert ihr das erstere der Konzepte - wohlgemerkt, ohne es ausdrücklich 0r falsch zu erklären, sondem durch rhetorische Abwcrtung -, woraus im Umkehrschluß zu folgern w5re, ihr wtirdct das letztere Air richtig(er) ha11en. Wobei diese 'letztere' im Wortsinne der 'Sex der Lust wegen' ist, in den Zusammcnhang gestellt aber zudem das, was die 'HH ' in euren Augen verbielen wollen. Da ihr hier aber fatalerweise die oben beschriebene Gleichung aufgemacht habt, hlcibt cuch nichts obrig, als zu glauben, was ihr an anderer Stelle auch schreibt: Den 'HH' gehe es darum, daB Sex "weder in Wort noch Bild erfa0l werden soll (...), sondem nur im dunklen Hinlerzimmer oder in der hintersten Himwindung stattfinden kann"; far sic genre Sex "nicht in das 6ffentliche sauberc Leben": letztlich suggeriert ihr, sic eilrden geme "verhindcrn, daB as weiterhin Sex in dieser GesellschaA geben wird" (PHD,Abs.96/118). \Jmgekehrt wird cin!ichuh draus: lhr wollt euch sich' nicht geme unlcrstellen lassen, ihr plädiertet für die dlTcntliche 'Degradierung der Frau zum Objekt', nicht wahr!'! Drum spar ich mir diese Polemik.

    Der Antugonismus in meinen eigencn Sex-Identithten hat zumindest eine (hoffentlich) positive Folic: Da ich am eigencn Imib erlcbe, wic waning er sich durch richtige:Analyse nutheben 1A0l, erlaube ich mir nicht so ohne weiteres, objektivierende Verglciche heranzuziehen, wie ihr das z.13. in (P&P,Abs.97) tut. Dort tut ihr cuch kcinen Ciefallcn, wcnn ihr schreiht, die Darslcllung van Nazis in einem Antifa-Buch sei letztlich dasselbe (lies: harmlos) wie die Darstellung von lwlicbiger Sexualität im 'richtigen' Kontext. Da scid ihr aber Opfer des ron der Arranca benannten 'scxualmoralischen Vcvdrangungszusammenhangs', denn ivcnn ihr an dicscr Stclle wcitergdacht hättet, wäret ihr darauf gekommen, daß auf die ebenso platte wie wahre Erkcnntis der Kontcxt-Bnicutung die Analyse v.hmjencs Kontcxt lolgen sollte, ivas im konkrelen Fall bedcutet:

    Daß ein Bild, das faschistische Asthetik transporticrl, cin Antil'a-Buch nicht zum Fascho-Buch macht, licgt clan am untcrstclltcn Kontcxt, der beinhaltct, da0 Antifaschistlnnen hinreichend immun sind gcgiv faschistische Asthetik. ((Jbrigcns bemQhen sich antifaschistische Bilder, die in den brciteren gesellschalllichen Kontex1 getragen werden, ofl darum, das Häßliche, Abstoßende der Faschisten zu betonen. Wurum wohl?) Und wenn ein l3ild objekloricnlicrtv .‘iexualitil (im Patriarchat sind die Rollen dabei klar verteill) darstellt, so macht as das Medium seiner Vcröffentlichung genau dann zum nicht-sexistischcn Medium, wcnn seine Konsumentlnncn nichts am Hut haben mit sexistischcr Asthetik. Und wo, bittcschön, kann das angcnommen werden? Etwa in der linksradikalen Szene? Das werdet ihr wohl kaum bchauplce ivollcn. Nun muß daraus nicht glcich der Schluß gcxogcn werden, die Arranca sei deswepen sexistisch. Es kann aber der SchluB gezogen werden, 'die Unglücklichen' hätten hier zugunstcn eingängiger Rhetorik cut gcnaucres Nachdcnken verxichtet, das sic zu den intcressantcn Punktm geführt hätte: Was unterschcidet den Kontcxt des 'Nazi-Bildcs' vom Kontcxt des 'Sex-Bildcs', und warutn ist der reale Kontext des 'Nazi-Bildes' relativ einfach darstellbar, wütend der Kontext des 'Sex-Bildes' zu lingeren Uberlegungen, Verstrickungen auch emotionaler Art, Widersprüchcn, Anfällen van Gedächtniszwang, Verdrägngung und Katharsis etc. führt - jcdenfalls bci mir!'!

  2. Ich bin ja vielleicht ein bißchcn bomicrt. Aber 'Die Legende van Paul und Paula'... worum ging es da eigentlich? Ich kenne nur den l ilmtitel und vermute, das es sich (ouch) um Problemc im Geschlechterverhältnis dreht dahei. Was übrigens m.E. dern Thema cures Textes viel mehr entspräche als die Unterzeile "autonome Politikunfäihigkeit". Anmerkung: Mal ganz davon abgesehen (Obacht! die Text- und Sprachanalyse reitet wieder!), daß ihr im Text nicht 'Unfähigkeit' angreift, sondem ein eurer Meinung nach falsches Polilik-Konzept, dern ihr glcichwohl durchaus cine 'fähige' Umsetzung nachsagt (immerhin hat es euch zufolge 'Diskurshegemonie' in ’unserer Szene' erlangt und blickt auf cine Tradition zurück, die sich bis zur Politik der kommunistischen Partcien fortschreibcn l50l). Ihr erlaubt euch hier einen kleinen rhetorischen Trick: 'Wer es nicht so macht, wie ich es sage, macht gar nichts'. Immer wieder zu beobachten, gerade im linken 'Diskurs', besonders abends, wenn der Nebel aus den Wisscn steigt. Anmerkung Ende.

    Wenn ihr euch 'die Unglucklichen' nennt, so verstehe ich das - wie gesagt, vorbehaltlich eincs Rezuges auf 'Die Legume von...', den ich nicht kenne - als Verortung von euch selbst im Szene-Diskurs. Ihr nehmt dabei cine Opfer-Haltung ein, die mich anp,esichts cures scharfen sprachlichen Schwertes etwas verwundert. Ja, stimml schon, ich bin auch unglucklich iver vicles - nicht nur die Argernisse der 'großen Gesellschaft' ringsrum, sondem auch vieles in der Szene macht mich unglücklich. Nicht zuletzt ihr rigoroser Moralismus, den ihr zurecht ankrcidet. Doch da ist er schon wieder, der Kontcxt: Von feministischer Zensur gequalte Kreaturen schreien mir aus curer Namensgebung flehend entgegen... hui, wie polemisch. Ich habe mich auch schon danebenbenommen und wurde als dies und das gebrandmarkt und habe mich draher geärgert und habe gemerkt, dail der Oeruch van Selbstmitletd da rein gar nichts verbessert, im (iegenteil. Im Kontext des Geschlechterverhlltnisses schafft er mir darüberhinaus ungebetene Freunde, denn von Männern kommt nach der Aggression gegen Frauen meistens Selbstmitleid, und darin sind sie genau solidarisch. Ist ein schwieriges Terrain, denn aus Angst var Beifall van der falschen Seite soll ja auch niemand die Klappe halten müssen...

  3. Was will ich eigentlich damit sagen? Spreche ich nur fur mich oder auch für andere? Welches Medium wähle ich zur Vermittlung - was repräsentiert die 'Interim', sowohl auf Schreiberlnnen- wie auf l.eserlnnen-Seite? Warum eigentlich hat euch das so fürchterlich gewurmt, daß euer Text nicht gleich in die Interim kam (die 'epische Lounge' fand ich ein hinreichendes Argument für cine Verschiebung)? Also, die Veröffentlichungspraxis der Interim finde ich schon auch recht merkwürdig, z.B. die Tatsache, daß sic in der Nr.435 (30.10.97) fünf Seiten Platz hatte fiir nette, doch eher zeitlos aktuelle Plaudereien (in Zeitungen auch mal 'Essays' genannt), aber keinen fur einen Text zur Einstellung der 'radikal'-Verfahren... es folgen die Beispiele 'Interim-Zensur X-Y' in Gedanken, knnn jede/jeder selbst was einsetzen, fiir mich sagt das nicht mehr und nicht weniger aus als: die Interim-Redaktion(en) sind Überfordert mit der Auswahl und Bearbeitung der Beiträge, was keine politische Haltung ausdrückt, die als solche anzugreifen ware (etwa: die Interim ist... für Zensur, für 'Identitätspolitik', gegen andere linksradikale Zeitungen...), sondern 'nur' die Tatsache, daß sie dem Druck aus häufiger Erscheinungsweise, politischer Verantwortung, technischer Umsetzung und Repression nicht (mehr) gewachsen sind, sich aber nicht trauen, das zuzugeben (ader nicht über Strukturen verfügen, die das artikulieren können). Daß ich die Gcfahr sehe, daß das Konzept Interim auf die Dauer die negativen Seiten des 'Dekonstruktivismus' fördert, habe ich an anderer Stelle und in anderen Worten schon einmal gesagt (keine Ahnung, was Dekonstruktivismus wirklich ist): Der Talk-Show-Effekt droht. Ihr Unglülcklichen' meßt offenbar der Interim große Bedeutung zu, sonst hättet ihr nicht so empfindlich reagiert auf ihre '(Selbst-)Zensur' (denn als solche habt ihr die Nichtveröffentlichung ja wohl empfunden!?). Und, um zu eurem Ausgangspunkt zu kommen, ihr meßt der szene-intemen Öffentlichkeit via Infoläden offenbar auch große Bedeutung zu, worin ihr euch einig seid mit den 'HH', die ihr angreift. Ketzerische Frame: Könnte das auch eine von eurer Identität als Info-Ladenen-Leute geprägte Uberbewertung sein?

    Überhaupt, die Identiläten der AutorInnen geben mir zu denken, aber anders, als es in eurer Antwort aut Kermit u.a. in der Interim 438 (27.11.97) zu lesen steht (seine ungenauen Attacken habt ihr aberzeugend pariert). Was mir auffiel bei eurem PkP-Text war die Konstruktion eines (Sprach-)Duells zwischen euch und den '15l', die nicht explizit, aber doch unterschwellig einfloß. So habt ihr euch bemüht, die Gegnerlnnen großer zu machen, indem ihr mehr als einmal betont, welch adiger Gegner die 'FBI' auf eurem Terrain der Textanalyse sind (P&P,Fußnotcl 1,Abs.39,62,178,246; Text in der Interim 438,Abs.20). Manchmal schimmert die 'Angst des dekonstruktiistischen Torwarts beim identittiren Elfmeter' durch, will sagen: die 'Identiäts-Politik'-Position wird bedrohlich dutch "Vetopoiver", "Hegemonie", "Gralshüterinnen", "Machtpolitik".

    Ich will hier eurn Begriff der Hegemonic angreifen. Allzu glatt konstaliert ihr die "(Hegemonie) identititspolitische(r) Positionen von Frauen und Lesbengruppen (...) in Diskussionen über Sexismus, Patriarchat, Geschlechterverhaltnis, Gen- & Reproduktionstechnologien und im Gesundheitsdiskurs" (P&P"ABS 36). Es ist richtig, daß die veröffentlichte Meinung' der radikalen Linken diesbezuglich klar dominiert wird von Positionen aus dern feminislischen Diskurs-übrigens sowohl identitär als auch dekonstruktivistisch, nur ist letzteres noch nicht so verbreitct, unveil jünger -, und es ist auch richtig, daß es innerhalb der linksradikalen Öffentlichkeit einer, sehr geringen Spielraum für abweichende Positionen gibt. (renauso richtig aber ist, und das ignoriert ihr leider, daß nirgeens sonst in der linksrudikalen Szene die Doppelmoral so gfestigt ist. Der Spagat zwischen offizieller Meinung und personlicher (privater) Realitat ist oh so groß, daß lieber geschwiegen wird. Die Gründe datür sind nicht nur Furcht vor Strafe, sondem auch wesentlich Hiltlosigkeit gegenilber der erkannten Widersprüchlichkeit, Angst vor dern Nicht-Erfüllen autonomer Leistungsnormen ('Wir sind die neuen Menschen'...'), Bequemlichkeit, oder auch die Sortie, mißverstanden zu werden -oder ouch nichl mißverstanden, sondcm grenz richtig verstanden zu werden, wenn marm ((war der auch mal frau?) meint, logisch-revolutionär zu argumentieren und sich plötzlich im Verein mit patriachalen Stanndardpositionen wiederfindet (etwa "Nicht alle Frauen fühlen sich durch diese Bilder verletzt" .. eure Kapitelüberschrift 5.2)

    So kommt es daß, ihr recht habt, aber auch die Gegenposition (z.B. van Ida F.) richtig ist. Was lernen wir daraus? 'Diskurshegemonie' ist schon und gut, aber sie sagt nicht notwendig etwas aus aber reale Machtverhältnisse (wie auch Kermit in der Interim 437 treffend bemerkte). Nur weil jeder Szene-Mann sofort Anti-Pat-Forderungen unterschreiben kann, ist er für (Szene-)Frauen noch lange kein verlträglicher Partner im taglichen Kampf gegen patriarchale Rollenzuweisungen. Die Frauen in der autonomen Szene befinden sich in einem unveränderten Kampf gergen den Druck dieser Rollen; er mag mal starker, mal schwächer, mal bewußter, mal weniger sein, aber das Kampfverhältnis bleibt bei aller 'Diskurshegemonie' bestehen, und es liegt bestimmt nicht an uns Szene-Mannern, daß das Patriarchat überhaupt ein linksradikales Kampf-Terrain ist.

  4. Glauben kann ich in der Kirche! Dieser Satz, bevorzugt von KommunistInnen ausgestoßen, ärgert mich schon seit langem. Ich hab es bestimmt nicht mit Religion - Gott bewahre! Aber die Idee der 'objektiven Wahrheit', die gelernt und verkündet wird, ist ein an sich hermetisches Weltbild, d.h. sic ist nicht kritisierbar und folglich auch wieder eine Glaubensfrage. Insofern stehe ich dern Konzept der kritischen Textanalyse, wie es der Text van P&P verfolgt, durchaus kritisch gegenüber. Ich finde schon, daß ein Text an Glaubwürdigkeit gewinnt, wenn er anhand van Quellen ausfürhrlich etwas darlegt, anstatt zu schreiben 'irgendwie ist doch klar, daß...'. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, daß auch ein gründlicher Text von einer These ausgeht, eine (oder mehrere) Meinung(en) vetritt (nicht: Objektivitäten) und letztlich 'wissenschaftliche Objektivitit' auch eine rhetorische Waffe isl, um andere mundtot, lächcrlich etc:. zu machen. Was mir an P&P befallen hat, war, daß ich die Kritik am Papier aus Hamburg glaubwürdig fand, also: ich glaube euch, wo ihr die 'HH' des falschen Zitierens, Unterstellens etc. überführt, auch ohne das fragliche Papier der 'Hl3' dagegenzuhalten. Aber mein Vertrauen endet da, wo ich glaube, daß ihr diesen Konflikt funktionalisiert für den großen, politischen.

    Und dann das Lamentieren über die "szenetypische Intellektuellenfeindlichkeit" (P&P,Abs.248), also nee... da haben 'die mutlosen' in der Interim 438 schon etwas zu gesagt, ich möchte hinzufügen: die Szene ist m.E. van Intellektuellen doininiert, sowohl personell als auch diskursiv, und Intellektuelle sind leider auch sich selbst feind, weil sie die Sprache als Konkurrcnz-Terrain fur soziale Statuskämpfe ausgemacht haben. Das Problem ist nicht die mangelnde oder nicht mangelnde Intellektualiät der autonomcn Menschen, sondem die Unbeweglichkeit in den Köpfen, die wenig oder nix damit zu tun hat, wieviele Fußnoten und Quellenverweise jemand anzubieten hei. Gerade die I'orm, in der ihr argumentiert, bietet wieder schon viel Gelegenheit, sich da gegenseitig zu Übertrumpfen (ich bekenne: ich habe bei Judith Butlers 'Unbehagen der Geschlechter' nach zwanzig Seiten aufgehort - zu viele Fremdworte).

  5. siehe Fußnote 3.

  6. haben oder Sein, olle Erich Fromm. Was meinst du wohl Kemrit, wet mir zuerst begeistert van Erich Fromm erzählt hat? Ein 'Nationalrevolution', sprich ein Nazi. Tja, so kanns gehen, er konnte sich night mehr wehren dagegen.

    Und: Haben oder nicht haben. Der Besitz von Informationen ist schon ein zentraler Punkt in der heutigcn Gessellschaft, und in der autonomen Szene erst recht. Informationshierarchien sind van großer Bedeutung fur den sozialen Status hei uns - wen wunderts, materielle Statussymbole giht es ja kaum, höchstens eine umfangreiche Buch- ader Textsammlung, so als Zwischending zwischen materiellem und informationellem Besitz. Klingt schlecht? Wird schlechtcr, denn die materiellen Besitztümer erfreuen sich ja auch nach und nach wieder größerer Beliebtheit.

    lnsofem muß ich meine ketzerisehe Frage aus Fußnote 3 bezüglich der Überbewertung van Info-Medien bzw.- Ideen in der Szene relativieren. Die Information droht zu einem Fetisch zu werden, und das heißt auch (schlagt mich mit Kapital-Bounden), daß sie ihres Gehalts entkleidet nur noch Wert repräsentiert, während ihr Inhalt nicht mehr so wichtig ist. Es ist darum nur folgerichtig, daß wichtige, emotionsgeladene und folgenreiche Kämpfe in der Szene um das Haben ader Nicht-haben van Informationen gehen. Das Unterdrücken von Informationen, schon früher (im Konzept der 'Gegenöffentlichkeit') als Gewaltverhätnis erkannt, ist also ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor auch innerhalb unserer Szene, und insofem finde ich eure Sensibilität zum Thema Zensur sehr erfreulich und den Empfang der '1Bf mit dern Thema Zensur - soweit er sich mir aus dern PdtP-Text erschließt - kritisierbar. Ich würde jedoch sagen: Entweder das Vorgehen der HamburgerInnen im Falle Arranca war entgegen ihrer eigenen Meinung kein eindeutiger Fall van Zensur, aber aber 'Zensur' ist kein unteilbarer Begriff van stets gleicher (auch ethisch-moralischer) Bedeutung in der Praxis, sondem kann verschieden bewertet werden. Das Nicht-Verkaufen einer Zeitschrift an einem Ort ist (in meinen Augen eine vertretbare Entscheidung) je nach Kontext des Ortes, brisant wird das erst durch den Aufruf zur allgemeinen Unterdrilckung der Zeitschrift.

  7. Gegenstand: Sachlich. Der Ton macht die Musik. Ein scheinbar neutrales Wort kann durch Betonung den ganzen Satz-Sinn verändem. Ida I:. Wie euch war, zwar von 'Sachlichkeit' zu reden, aber ganz und gar nicht sachlich zu sein. Sie belegt das nur an zwei Beispielen. Zu wenig? Mit der Sachlichkeit ist das auch so eine Sache. Denn dern Gegeniiber 'Unsachlichkeit' vorzuwerfen und selbst für sich 'Sachlichkeit' in Anspruch zu nehmen ist nun mal auch gute rhetorische Hausmamnskost. Und ein langcr Text bietet genug Gelegenheit, die eigenen 'unsachlichen' Aspekte unterzubringen, ohne daß sie sogleich zitierbar werden. Doch mir ging es spontan so, als ich eure Fußnote "Polemik on" las: Jetzt lassen sie mal raus, was sie wirklich denken! Und vor diesem Hintergrund wurde für mich auch sehr viel verständlicher, warum ihr so gründlich mit dern Text der 'HH ins Gericht geht: weil ihr euch sehr betroffen beinlhltet (in eurer Identiät?). Ist ja auch in Ordnung. Ich unterstelle nicht, wie Ida F. interim 437), es gehe darum, "alle Grenzen" zu überschreiten und endlich wieder ungestört "ChauviSprüche" sagen zu können. Ich unterstelle vielmehr, daß die 'Sachlichkeit' euch den Blick darauf versperrt, wo ihr euch persönlich angegriffen fühlt von dem Hamburger Text, als Infoladen-Leute, als Szene-Menschen, als Männer, als Frauen. Mir zum Beispiel geht es so: wenn ich die Text-Zitate aus dern 'HH'-Text lese, fällt mir spontan nicht Identitatspolitik oder Feminismus ein, von denen ich mich bedroht fühlen konnte, sondern 'nur' ungenaue linke Sprachkultur und fehlende Mechanismen sozialer Konfliktlösung.

  8. Das Kind, das ist selbstverständlich der Feminismus. Ihr habt euch da im eigenen Sprachgestrüpp verfangen. Es passsiert euch mehrfach, daß es euch nicht darum gehe, Frauenbewegung bzw. Feminismus für die van euch angegriffene 'Politikunfähigkeit' (= Identitätspolitik) haftbar zu machen (so in P&P,Abs.20,28,168; Text in Interim 438,Abs.28), doch anderswo schreibt ihr: "Wir denken, daß die moralische Unnachgiebigkeit, mit [der] sich unsere Szene in Fragen des Geschlechterkampfes schmückt, ein wichtiger Grund ist, weswegen sich immer mehr Leute aus den Zusammenhängen abseilen." (P&P,Abs.29); "Die HH (...) -/allen alles 'gemischt-geschlechtliche' aus ihrem Freiraum verbannen und es durch die 'eigene Lust' ersetzen (...).(...) [D]er besagte Freiraum, der ihrer eigenen Lesart nach die ganze autonome Szene umfaßt, gilt nur noch FrauenLesben." (PScP,Abs.146);"(...) Machtpolitik [de HH] mil der Absicht, die Hegemonie (= Vormachtstellung) des Identiätsfeminismus zu sichem" (I'&P,Abs.175) (Im Zusammenhang gelesen,ist eindeutig Hegemonie in der autonomen Scene, nicht im feministischen Diskurs gemeint); "(...) [D]ie klH und mit ihnen immer noch ein Teil der Szene-Feministinnen [ruinieren] seit geraumer leit jegliche Versuche der Szene, sich aus dern Schlamm von Perspektivlosigkeit und selbstgerechtem Gehabe zu befreien." (PBcP,Abs. f76); "7.6.2. Der Identitatsfeminismus ist schuld" (P&P,Abs.247); darüberhinaus verwendet ihr die Uegriffe 'Identitatsfeminismus' und 'Identitätspolitik' nur so durcheinander', daß sie synonym (= gleichbedeutend) wirken. Überdies ist die Diskussion über Identität und Dekonstrukiion meines Wissens nach bislang wesentlich eine im feministischen Kontext, aus Jeru much ile sie iucht hereushebt. llu euch also weder zu wundem noch zu beklagen, wenn bei Leserlnnen der Eindruck ensteht, eure Kritik am Identitätsfeminismus sei mehr als bloß beispielhaft (auch wenn Kermit in Interim 437 euch das nicht nachwies bzw, nachweisen konnte und ihr entsprechend leicht parieren konntet).

  9. Mitdenken - rnir stoßt da cine Argumentationslinie von euch auf, die ihr mehr als einmal verfolgt und die mir nicht recht einleuchtet, euch aber stark zu beschägftigen scheint. Es geht darum, daß die einen von den anderen erwarten, eine Kritik der einen (oder dritter) am Text der anderen im Text der anderen selbst bereits voweggenommen zu sehen. Bißchen kompliziert, aber so gelesen in P&P,Abs.181,197;Text in der Interim 438,Abs.3. lhr seht dies als ein besonders gemeines rhetorisches Mittel an. Nun ist es 'aber so, daß jede sprach1iche Auseinandersetzung in einern bestimmten Kontext steht, der idealerweise gleiche Kenntnisse und Erfahrungen bei allen Beteiligten voraussetzt, was nie der Fall ist, so daß jeder analytische Text versuchen muß, ein Fundament vorstellbarer gemeinsamer Bedingungen vorauszusetzen. Wo die Ansichten uber diese Voraussetzungen auseinandergehen, gibt es Streit um Form, Begriffsverwendung etc. Die van euch gescholtene Kritik der 'HH' 1äßt sich mit bosem Willen so interpretieren, wie ihr es tut, sie läßt sich aber ebenso als eine Kritik am Bedingungshintergrund des kritisierten Textes lesen. Vielleicht wird es an einem holzschnittartigen Beispiel deutlicher: Wenn in einem linksradikalen Text stets männliche Endungen und das Wort 'man' auftauchen, werden wohl auch 'die Unglücklichen' die kritische Frage nicht ganz abwegig finden,'wieso denn der/die AutorIn sich nicht dazu äußert und den 'üblichen' Kontext linksradikaler Textsprache so einfach (rückwärts) verläßt. Diese Frage ist erlaubt, weil sie von einern unterstellten gemeinsamen Hintergrund Linksradikaler ausgeht, der die Sprache als mögliches patriarchales Herrschafftsmittel einordnet. Und genauso ist es erlaubt, wenn die 'HH' die Arranca sinngemäß fragen: Ja; wieso habt ihr denn diese und jene mögliche Fragestellung nicht beachtet‘! Zugegeben,' auch der Ton macht die Musik, und die 'fBl' sind da nicht sehr entgegenkornmend. Aber im Kem äußern sie eine Kritik, die nicht perse als unzulässig zurückgewiesen werden kann, wie ihr es versucht, und die wie jede andere Kritik auch bedacht und beantwortet werden kann.

    Wenn ich es fur gnundsätzlich unfair erkläre, van Menschen zu erwarten, daß sie bestimmte mögliche Gegenstandpunkte zu ihrer Meinung unaufgefordert mitbedenken, tue ich ihrer Denk- und Diskussionsfähigkeit keinen Gefallen. Das gleiche gilt selbstmurmelnd für das Gegenteil, also für das grundsdtzliche Erwarten solchen Mitbedenkens. Und was ihr logisch findet, müssen andere noch lange nicht logisch finden. Wenn ihr z.B. meint, es sei logisch, daß ihr hei einer Kritik von Identitätskonzepten eure eigenen Identiäten nicht zum Gegenstand van Selbstkritik macht (Text in Interim 438,Abs.3), so finde ich, daß das gerade unlogisch ist. Ich finde es hingegen logisch, daß ich eine Kritik an Identitäskonzepten gerade bei meiner eigenen Identist beginne (wie es im Gegensatz zu euch der feministische Diskurs versucht).

  10. Vom Dativ komme ich zwanglos zum Motiv. Ihr befaßt euch ausführlich (PRP,Kap.3,4,5) mit Bildern und deren Kontext und Wirkung. Aber warum ihr das überhaupt tut, hat eine etwas kuriose Herleitung. Ihr schreibt, für die Einen seien die Bilder der "Hauptgrund für die Zensur" (1'RP,Abs.90), gleichzeitig aber äußerten sie sich (ihr vermutet: bewußt) nicht genauer dazu, also sei es notwendig, selbst eine genaue Bildanalyse vorzunehmen. Pure Ausgangsthese vom "Hauptgrund für die Zensur" wollt ihr per Zitat belegen ("'(...) Mehrere sexistische Fotos waren der Auslöser für uns, die Zeitung erstmal nicht su vertreiben, sondem zunächst die Texte zu lesem und besprechen zu wollen.(...)'" P&P,Abs.91), jedoch: sie wird durch dieses Zitat nicht belegt. Belegt wird dann nur, daß die Bilder Ausgangspunkt für die kritische Auseinandersetzung der 'IIH' mit der Arranca waren. Das ist insofern keine Haarspalterei, als ihr den 'kBY einen Manipulationsversuch unterstellt, indem sie nämlich an entscheidender Stelle durch 'aufälliges Schweigen' (P&P,Abs.63) und 'willkilrliche Begriffsverwendung' ein 'Definitionsmonopol konstruieren' (P&P,Abs.92); hier vermutet ihr bewußt Machtpolitik, der ihr in den Kapiteln 3 und 4 entgegentretet. Wenn die 'I EF nun aber nicht aus manipulativen Gründen zu den Bildern weitgehend schweigen, sondem aus anderen Gründen, macht ihr euch möglicherweise eines ähnlichen Vergehens schuldig, wie ihr es zunächst anderen in der 'p.c.'-Debatte ankreidet: Einen Pappkameraden (Pappkumeradin!) namens 'Bildschuldthese' aufzutuen, um ihn dann mit viel Getöse effektvoll umzuhauen (P&P,Abs. 213).

    Seid ihr wirklich der Meinung, es bedürfe innerhalb des linken Diskurses einer ausdrücklichen Erwähnung, daß die Klassifizierung eine' Billies als "pornographisch" bzw "sexistisch" impliziert (= einschließt), daß Frauen sich von dern Bild verletzt fühlen? Ich unterstelle cher, daß die '1B-I' in ihrem Text von einem Bedingungshinlergrund (vgl. meine Fußnote 9) ausgehen, der die teministische Diskussion um Pornographie und deren aktuelle gesellschaftliche Bedeutung beinhaltet. Und was den Bild-Kontext angeht, so verweise ich auf den letzten Teil meiner Fußnote.

    Ich sage night, daß mir eure Interpretation widerlegt oder granz abwegig erscheint, doch sie ist nur eine mögliche, und andere sind einfacher und brauchen weniger Verschwörungstheorie. Weiter schreibt ihr "5. 2. Nicht alle Frauen fühlen sich durch diese Bilder verletzt" (gemeint sind die Bilder in der Arranca)... Ihr seid klug genug, um zu wissen, daß dieser Satz prowokativ ist, weil er an sich eines der banalisten Standardargumente gegen jeden Versuch ist, Rollenverhältnisse anzugreifen. Nicht die Arbeiter fühlen sich ausgebeutet, nicht alle Schwarzen leiden unter Rassismus (Roberto Blanco!), und so weiter. Wenn es um Geschlechterverhältnisse geht, ist dies auch in der Szene ein penetrantes Rechtfertigungsargument van Männern. Das hättet ihr (vgl. Fußnote 9) mitbedenken sollen. Oder habt ihr es mitbedacht?

  11. Oh wie wohl ist mir im dekonstruktivistischen Bade... nun, hier tun euch die Kritiken unrecht. Insbesondere Kermit (Interim 437) het euch da (absichtlich?!) mißverstanden; eer gespannt bin ich auf ere Antwort auf die Texte der 'mutlosen' und van 'M.O.M.0.A.K.' in den Interim 438 (27.1 l 971, denen ich mich hiermit anschließe und so weitere 15ngere Ausführungen, die diese Texte eh nicht toppen konnten, vermeide

  12. Warum habe ich überhaupt etwas geschrieben7 Zuerst dachte ich, naja, Karawanen ziehen bellend vorbei, die Hunde bleihen sitzen, und die Interim und der Sack Reis in China... aber irgendwie hat es dann doch weitergelockt und mir keine Ruhe gelassen, und plötzlich huschten die Finger wie von selbst über die Tasten. lst dies Streitkultur! Ich hoffe es.

  13. Vgl. Umberto Eco, "Wie man einen Ausstellungskatalog bevorwortet", v.a.S.23ff., in: ders., "Wie man mit einem Lachs verreist und andere nützliche Ratschäge", München 1993.

  14. 1st das ne Identität, was!? Weißer Mann in Metropole, Kühlschrank voll, konn schwierige Teste lesen und lange Texts schreihen oder auch andersrum, politisch-moralisch auf der irgendwie richtigen lieite: 'I'hat's how lucky I am...

  15. Ha, gefoppt!


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