Einschätzung der Anitfaschistischen Aktion Berlin zum Vebot der Antifademonstration in Saalfeld/Thüringen

Wie alles anfing

Für Samstag den 11. Oktober war in Saalfeld/Thuringen eine bundesweite Antifademonstration angekündigt. Motto: „Den rechten Konsens durchbrechen", getragen von einen breiten Bündnis aus Gewerkschafterlnnen (Ötv, DGB, IGM, ), Parteien (PDS, Grüne) und autonomen Antifas. Bereits Monate im Vorfeld beginnt die Hetzegegen die Demonstration.

Die NPD meldet eine Gegendemonstration „Aktionstag gegen linken Terror in Thüringen" an. Als Anmelder des rechten Aufmarsches fungiert der Thüringer NPD-Chef Frank Golokowski. Zwar wird die Anmeldung zurückgezogen, aber die JN ist unter der Regie van Anti-Antifa-Kader Tino Brandt bereits mit einer Demo Anmeldung in Rudolstadt eingesprungen.

Regionale Medien wettern seit Bekanntwerden der bundesweiten Mobilisierung gegen „die anreisenden Chaoten, die Saalfeld in Schutt und Asche legen" und damit gegen die gesamte Bündnisdemo gleich mit. Der Anmelder der Demonstration wird in der Ostthüringer Zeitung als „geistiger Brandstifter" bezeichnet. Kurze Zeit später folgten anonyme Morddrohungen.

Für die Kritik des antifaschistischen Bündnisses zeigt die Stadt kein Verständnis. Die von der Antifa Saalfeld initiierte Bündnisdemonstration gegen Faschismus hatte „keinerlei Sinn", erklärte der Bürgermeister. Weder in Saalfeld noch in der Umgebung bestehe ein Problem mit Nazis. „Probleme mit Gewalt" kamen in der Region samt und sanders „aus der linken Ecke", so der Saalfelder Polizeichef, Interessensüberschneidungen mit den Nazis werden deutlich. Die Stadtverwaltung fordert die Rücknahme der Anmeldung der Antifademo wegen „des bleibenden ökonomischen Schaden", der Saalfeld durch den Ruf einer braunen Stadt entstehen wurde. Geschäftsleute organisieren sich Spanplatten fur ihre Geschafte. Die Demonstration der NPD wird nicht erwähnt. Der angegriffene, rechte Konsens hat sich formiert. 15 Jahre sind vergangen seit der liberal-konservativen Wende in der BRD. Seit Einverleibung der DDR durch die BRD 1989 tritt das „große und mächtige Deutschland" wieder öffentlich aut den Plan. Heute prägt ein rechter Zeitgeist das gesellschaftliches Klima. „Tugenden" wie Ordnung, Sauberkeit, Nationaiismus, Chauvinismus ader deutsches Herrenmenschentum stehen – vorallem fur Jugendliche hoch im Kurs – und das nicht nur bei den Nazis.

Chaostage in Saalfeld?!

Das entstandene Klima bildete den Hintergrund fur das Verbot der Demonstration durch das Saalfelder Landratsamt. Erst wurde ein Teil der Demostrecke durch die Innenstadt untersagt, 2 Tage vorher die ganze Route. Gültig war das Versammlungsverbot gleich für den ganzen Landkreis, miteingeschlossen auch die Nazidemo in Rudolstadt. Von staatlicher Seite werden die antifaschistische Demo und der Aufmarsch der Nazis unter dern Begriff „Extremismus" kurzerhand geichgesetzt. Begründung: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit steht fest, daß bei der Durchführung der Demo die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährdet ist" und zwar durch die „anreisende Chaoten aus Berlin, Hamburg und Göttingen".

Was sich wie ein Bericht des Verfassungsschutzes liest und erst als voreiliger Schluß eines Verwaltungsbeamten wirkt, fand einen Tag vor der Demo Unterstützung vom Thüringer Innenministerium. Innenminister Dewes – SPD – nutzt die Gelegenheit, die SPD als Partei der inneren Sicherheit zu profilieren. Er will: „die Chaostage in Saalfeld" auf jeden Fall verhindern. Mit dabei: Ordnungshüter aus dem gesamten Bundesgebiet. Der größte Polizeieinsatz in der chem. DDR seit '89 wurde gegen Antifaschistlnnen durchgeführt.

Mit der Einmischung des Thüringer Innenministeriums hatte sich die Dimension der Entscheidung verändert. Zwar ist das Verbot von Antifademos nicht neu. Schon in den 90er Jahren wurden wegen der anstehenden Rudolf-Hess-Gedenkmarsche der Faschisten Versammlungsverbote für ganze Regionen mit ihnlicher Begrundung verboten. Neu ist hier:

Antifaschismus läßt sich nicht verbieten

Am 11. Oktober '97 waren bundesweit ca. 3000 Antifas auf den Beinen, um in Saalfeld eine starke antifaschistische Demonstration durchzuführen. Die Bilanz des Antifawiderstandes trozt Demoverbot und Behinderungen durch die Polizei: Spontane Demos in Dessau, Jena, Erfurt und Leipzig mit insgesamt 1400 Teilnehmerlnnen und eine (erzwungene) Autobahnblockade über mehrere Stunden, an der sich ca, 400 Personen beteiligten. Und der Preis: über 500 Festnahmen, für viele Gefangenen bis zu 35 Stunden Haft im Knast in Unterwellenborn, Beleidigungen und Mißhandlungen durch die Polizei, Anzeigen und Schnellverfahren, d.h. demonstrierter Machtbeweis des Staates und Einschüchterung der angereisten Antifas.

Das Ziel der Demo, nämlich die Situation in der Thüringer Kleinstadt Saalfeld, den faschistischen Terror und den rechten Konsens zu thematisieren und über die Stadtgrenzen hinaus ins Gespräch zu bringen ist jedoch trotzalledem erreicht worden. Es hat sich bei der Vorbereitung der Demonstration und vorallem bei dem Versuch die Dimension des Verbotes und des Polizeieinsatzes gezeigt, daß es zunehmend schwieriger ist, eine noch vor einigen Jahren zu mobili-sierende linksliberale Öffentlichkeit zu erreichen. Dennoch ist als Ergebnis eine 2monatige öffentliche Diskussion in Thüringen, die Positionierung vieler Linker zur Kriminalisierung des Antifawiderstandes in Form einer breit getragenen Protesterklärung, eine parlamentarische Diskussion auf Landesebene, und ausgiebige Berichterstattung vor allem in linken Medien festzuhalten.

Get up, stand up!

Für die Zukunft gilt es mit allen Linken, die ihren Protest gegen die herrschenden Verhältnisse auf die Straße trudgen wollen, dieses Recht gemeinsam zu verteidigen. Effektive Zusammenzuarbeit, wie sie im Saalfelder Demobündnis stattfand, ist der 1. Schritt. Es ist trotz des heftigen Drucks schon im Vorfeld der Demo nicht zerbrochen. Koordination und tr agfahige Strukturen, in die möglichst viele Menschen miteingebunden werden können, sind eine Vorraussetzung für eine funktionierende Zusammenarbeit.

Bei zukünftigen Demonstrationen müssen zwar Alternativkonzepte bei eventuellen Verboten und deren Druchsetzung mitgeplant werden. Die Reaktion kann allerdings nicht vorrauseilender Gehorsam, Ruckzug ader die Rücknahme außerparlamentarischer Aktionsformen sein. Die der Linken bleibenden Spielräume müssen auch weiterhin erhalten und auf allen Ebenen verteidigt werden -juristisch, parlamentarisch und voraltem außermarlamentarisch. Erfolg gibt es nur in der Offensive.

Deshalb mobilisieren wir im März erneut zu einer antifaschistischen Bündnisdemonstration nach Saalfeld (siehe dazu Terminankündigung)

Antifa heißt Angriff!

Organisiert den antifaschistischen Widerstand!


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