Linke Männer und Sexismus...

Aufgrund des Artikels über die Vergewaltigung in der Tierrechtsszene in der Interim Nr. 430, trafen wir, (2 Frauen und 2 Männer) uns mit der Absicht, eine Diskussion im Tierrechtscafé in der Köpi anzuregen. Wir teilen die Sicht der betroffenen Frau und solidarisieren uns mit ihr. Eine Vergewaltigung ist dann eine Vergewaltigung, wenn die betroffene Frau es so empfindet. Da der Täter sich damit rechtfertigte, er sei Veganer und damit wohl kaum unreflektiert und diskriminierend fanden wir es sinnvoll, diese Diskussion in Tierrechtszusammenhängen zu führen. Diese stehen hier jedoch nur exemplarisch für alle linken Gruppen/Strukturen, die leider nicht frei von Sexismen sind. Gegen eine Unterdrückungform zu kämpfen, heißt nicht, daß mensch sich mit den anderen nicht mehr befassen muß. Prioritäten in der eigenen politischen Arbeit zu setzen, darf nicht bedeuten, Unterdrückungsformen in Haupt- und Nebenwidersprüche aufzuteilen. Mit der Diskussion wollten wir etwas in Bewegung bringen: die Auseinandersetzung mit Sexismus in unseren eigenen Zusammenhängen. Wir formulierten folgende Forderungen:

  1. daß das eigene Verhalten bezüglich Sexismus hinterfragt wird und daß Männer sich mit dem Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen.
  2. daß linke Treffpunkte Schutzräume gegen alltägliche Gewaltverhältnisse sind. Das heißt daß aufeinander geachtet und eingegriffen wird.
  3. daß auch und gerade linke Männer sich ihre Privilegien und ihr Herrschaftsverhalten bewußt machen und aufgeben.
  4. daß starre Rollenmuster, die für beide Geschlechter einengend sind, aufgegeben werden, um ein herrschaftsfreies Verhalten zu ermöglichen.

    An der Diskussion am 3. September nahmen ca. 25 -30 Menschen teil, etwa gleich viele Frauen wie Männer. Der Ablauf soll hier anhand der wichtigsten Punkte geschildert werden.

    Wir eröffneten die Diskussion, indem wir unsere Vorüberlegungen und Erwartungen einbrachten und deutlich machten, daß wir nicht über diese Vergewaltigung als isolierten Fall sondern generell über Sexismus in der Tierrechtsszene diskutieren wollten. Wir betonten, daß die Frage, ab es eine Vergewaltigung sei oder nicht, keinesfalls zur Diskussion stünde, da die Definitionsmacht in jedem Fall bei der betroffenen Frau liegt. Relativ früh kam von einem Typen die Aussage, er wisse nicht worüber wir diskutieren sollten, da hier sowieso keine Sexisten säßen, und wir doch alle einer Meinung wären. Das stellte sich als schwerwiegender Irrtum heraus. Denn wie erwartet wurde von einzelnen angezweifelt, ob es sich um eine Vergewaltigung handelte, und damit die Frau durch das Anzweifeln ihrer Wahrnehmung erneut zum Objekt gemacht. Noch einmal: Wenn die Frau es als Vergewaltigung empfindet, hat kein Mensch das Recht, ihr ihre Wahrnehmung abzusprechen. Immer wieder fing ein Typ an, seine schlechten Erfahrungen mit Frauen, bzw. mit "seiner" Ehefrau einzubringen, was dazu führte, daß die Diskussion vom eigentlichen Thema abschweifte, hin zu den Fragen "Sind Männer auch Opfer?" und "Können Frauen auch sexuelle Gewalt ausüben ?" ("Mir pfeifen auch oft Frauen hinterher!") Es stimmt daß auch Frauen sexuelle Gewalt ausüben können. In der überwiegenden Mehrheit sind jedoch Männer die Täter. (Was keinesfalls heißen soll, daß wir die Täterinnenschaft von Frauen verharmlosen wollen.)In einem patriarchalen System findet von Männern ausgeübte sexuelle Gewalt in einem anderen Machtverhältnis statt, als sexuelle Übergriffe von Frauen. Gewalt gegen Frauen ist nur ein Teil der im Patriarchat existierenden Unterdrückungsmechanismen. Sie wird von Männern benutzt, um Macht und Herrschaft über Frauen auszuüben. Frauen haben ihr qanzes Leben lang weniger Freiheiten und Rechte als Männer und sind ständig von sexu-(Hier fehlt die weiterführende Zeile) Mehrere Male driftete die Diskussion ab, in die Richtung, daß die Vergewaltigung im geschilderten Fall, sowie sexistisches Verhalten im Allgemeinen oft ein Mißverständnis sei, weil mann ja nicht wissen könne, was frau will oder nicht will. Sexuelle Gewalt ist kein Kommunikationsproblem! Da es dabei nicht um Sexualität, sondern um Machtausübung geht, also eine Absicht dahinter steht, wissen Männer sehr wohl, was sie Frauen damit antun.

    Ein Teilnehmer deutete an, daß deutsche Frauen sich im Vergleich zu Frauen anderer Nationalitäten nicht selbstbewußt genug zur Wehr setzen könnten. Es wurde behauptet, daß es die Verantwortung der Frauen sei, Grenzen klar zu setzen und damit sexuelle Übergriffe zu verhindern. Wir halten es natürlich für wünschenswert, daß Frauen lernen, sich zu behaupten und zu verteidigen. Doch wie auch immer eine Frau sich verhält: Es gibt keinem Mann das Recht, sie zu demütigen, zu bedrohen oder irgendeine Form von Gewalt gegen sie auszuüben. Die Verantwortung liegt bei den Tätern! Es wurde gefordert, daß linke Frauen sich mit (linken) Typen auseinandersetzen sollten, um ihnen Sexismus zu erklären und mit ihnen an ihrem Verhalten zu arbeiten. Damit fordern linke Männer linke Frauen auf, weiter ihre traditionellen Geschlechtsrollen zu erfüllen, indem sie ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen und sich weiter an Typen abarbeiten. Es wurden also im wesentlichen Punkte diskutiert, von denen mensch annehmen sollte, daß sie in linken Zusammenhängen längst geklärt sind.

    Ein positiver Aspekt war die geplante Gründung einer Männergruppe, die sich schwerpunktmäßig mit Sexismus auseinandersetzen will.

    Wir fordern daß gerade Männer in linken Zusammenhängen sich endlich ernsthaft mit Sexismus und ihrer eigenen Täterrolle auseinandersetzen und Sexismusdiskussionen nicht weiterhin nur von Frauen angeleiert werden. Wir können und wollen nicht mit Männern zusammen für die Befreiung von Mensch, Tier und Erde kämpfen, die Gewalt gegen Frauen ausüben !!

    Geplant ist künftig im Tierrechtscafé weitere Veranstaltungen zum Thema Sexismus durchzuführen.

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