Zwei drei Anmerkungen zur Anti-Siemens-Demo am 11. Oktober

Wer hätte es gedacht: die Anti-Siemens-Demo am 11. Oktober war unserer Meinung nach kein Erfolg - im Gegenteil. Nur 600 Teilnehmerlnnen, am Ende nur noch 200, ein wandelnder Bullenkessel, und unter anderem dadurch kaum zu vermittelnde Inhalte. Redebeiträge, die inhaltlich bestimmt interessant waren, wurden in einem so gelangweilten und unmotivierten Tonfall abgelesen, daß wir lieber weg- als zuhörten. Dafür gab es total viele Redebeiträge und zu wenig RednerInnen. Was uns gefehlt hat, war ein vorbereiteter kurzer Redebeitrag, der in wenigen Sätzen wiederholt, wer wir sind und wogegen wir demonstrieren. Dieser hätte regelmäßig an Stellen mit größerem Publikumsverkehr gehalten werden können. So, wie es gelaufen ist, war das von außen leider nur schwer mitzukriegen. Lautidurchsagen jenseits der Redebeiträge waren durchweg unentschieden, lau und unsicher.

Im Vorfeld gab es bei uns unterschiedliche Einschätzungen: prinzipiell fanden es alle richtig und wichtig, die Siemens-Feier zum Anlaß diverser Protest-Aktionen zu nutzen. Der Aufruf, der inhaltlich breit und gut war, hat dann auch letztendlich alles abgedeckt: Siemens im National-Sozialismus, Anti-AKW, Globalisierung, Kapitalismus etc. Diese breite Themensammlung hätte eigentlich wesentlich mehr Leute auf die Straße locken können. Wir denken, daß auch die Demo in Saalfeld, die am selben Tag und auch bundesweit mobilisiert war, nicht genügend Erklärung dafür hergibt, daß so wenige kamen. Sogar die erwarteten Regengüsse, die ohne Zweifel immer ihren Anteil an schlecht besuchten Demos bei schlechtem Wetter haben, waren erstmal ausgeblieben.

Ein Grund ist sicher auch in der schlechten Mobilisierung zu sehen; es gab wenig Plakate und kaum Aktionen im Vorfeld; allgemein war die Siemens-Feier kein öffentliches Thema oder gar ein Medienereignis - anders als bei der ersten Anti-Siemens-Demo dieses Jahr im Februar. Ein anderer Grund ist vielleicht, daß das Thema Castor-Transporte nicht so aktuell, zumindest nicht so im Gespräch war, wie im Februar. Insbesondere als die Demo vor dem ICC angekommen war, boten wir ein denkbar schlechtes Bild: draußen 200 Demonstrantlnnen, abgeschirmt von den Bullen und damit unsichtbar, drinnen 2500 Manager. Spätestens an diesem Punkt haben wir nichts anderes als Schwäche demonstriert. Diese Situation hätten wir uns sparen sollen, so wie sie war, war sie denkbar unproduktiv.

Die Demo hätte, wie abgemacht, bei zu großer Bullenpräsenz und damit einhergehend der Unmöglichkeit, unsere Inhalte nach außen zutragen, spätestens an der Wilmersdorfer Straße aufgelöst werden sollen. Statt dessen wurde in letzter Sekunde versucht, mit den Bullen zu verhandeln, was quasi erfolglos war, da sich das Spalier nur auf der einen Seite und da auch nur unwesentlich zurückzog. Dafür verschwand während der Verhandlungen die Hälfte der TeilnehmerInnen in der U-Bahn.

Nun genug mit dem Jammern, daß die Demo kein Erfolg war, werdet ihr ähnlich sehen. Ausgehend davon haben wir uns ein paar grundsätzlichere Gedanken zum Thema gemacht, die bestimmt größtenteils nicht neu sind, für die wir aber trotzdem gerne Gehör und Gehirn finden würden. Viele unserer Demos sind so schlecht besucht, daß sie eher Schwäche als sonstwas demonstrieren und auch alles andere als motivierend sind. Deshalb sollten wir uns prinzipiell sehr gut überlegen, ob zu jedem Anlaß eine Demo stattfinden muß. Mit einem ähnlichen Aufwand und weniger Leuten kann man mit anderen Aktionsformen nicht nur viel Spaß haben, sondern oft auch mehr Öffentlichkeit erreichen. Wir denken da an die vielbeschworene Kommunikationsguerilla (siehe das entsprechende Buch von der autonomen a.f.r.i.k.a.-Gruppe), manche von uns denken auch an unsichtbare und sichtbare Theateraktionen und so weiter. Demos als politisches Allheilmittel finden wir zum Kotzen. Sollten wir uns trotzdem hin und wieder dafür entscheiden, zu einer Demo zu mobilisieren, sollte sich bei derlei schwachen Demos eine andere Demo-Kultur herausbilden: solche Demos sollten an guten Stellen aufgelöst werden (am Kuhdamm z.B. gibts derlei genug); die TeilnehmerInnen sollten allerdings alles andere tun, als dann nach Hause zu gehen. "Alles andere" meint z.B. Chaos zu verbreiten, indem massig in die Konsumtempel reingegangen wird, dadurch unberechenbar zu werden. Wir sollten unsere Phantasie ein wenig anstrengen, dann fällt uns für solche Fälle sicher noch viel ein! Natürlich passiert das oft nicht von alleine, wenn eine Demo wegen zu starker Bullenpräsenz und zu wenig Teilnehmerlnnen aufgelöst wird. Oft werden dann auch Frust und schlechte Laune und der Wunsch nach einem heißen Tee zu Hause die Stimmung bestimmen. Daß dann trotzdem noch viel möglich ist, muß deshalb diskutiert und - vorallem im Vorfeld von Demos - thematisiert werden!

Für mehr Phantasie!

Für eine andere Demokultur! Gegen Frust und Langeweile!

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