"Die beiden anderen waren aufgestanden, sie tanzten; sie tanzten schlecht, aber sie wußten es nicht und waren glücklich dabei."

Simone de beauvoir Gedanken aus dem Untergrund

Eine unregelmäßige Gedankenserie mit der uneingeschränkten Aufforderung zur geschriebenen oder militanten Einmischung. Heute im Gespräch: Ludo, Lilo, Lana, Lidl.

Ludo: Bevor wir so richtig einsteigen, will ich uns mal kurz vorstellen, dort drüben sitzt mit den langen Haaren Lilo und ihr gegenüber mit den kurzen Lana. Ja, und hier zu meiner rechten, das ist Lidl, nicht zu verwechseln mit...,;aber lassen wir das. Ach so, und ich selbst - aber vielleicht kann das ja auch mal einer von euch machen.

Lana: Jetzt hör aber mal auf mit dem Quatsch, vielleicht machen wir jetzt auch noch ein Kennlernspiel.

Lidl: Das ist jetzt aber ein bißchen ungerecht, ich finde das gut sich noch einmal vorzustellen.

LANA: Es geht doch nicht darum, ob du das vielleicht irgendwie gut findest...

Ludo: Wo wir ja gleich wieder am Punkt wären...

Lilo: Jetzt red doch nicht gleich wieder dazwischen.

Ludo: Wollt ich ja gar nicht, aber...

LANA: Ja?

Ludo: Ok! Ich verrate jetzt auch nicht... ok, ok. - Wir wollten uns heute eigentlich über militante Konzepte und auch Aktionen unterhalten, wenn ich das vielleicht noch einmal einleitend bemerken dürfte. Und das Ganze

so ein wenig..., so auf die etwas lockere Art.

Lidl:Ja genau, das find ich gut.

Lana: Hä?

Lidl: War nur ein Scherz.

Ludo: Uns ist aufgefallen, daß ab und zu einmal ein langes Papier heraus kommt und dann noch die diversen Erklärungen zu Aktionen, aber dann wird kaum noch darüber gesprochen. Keine und keiner sagt mal, was er oder sie davon halten, einfach auch mal so eine Meinung dazu, also fand ich gut, weil... oder daneben, weil..., bringt doch nichts usw.

Lilo: Die Sache ist ja auch nicht so einfach. Ich schreibe doch nicht mal so zehn Zeilen zu dieser und jener Geschichte und schicke das zur Interim oder so.

LANA:Daß ist es eben, es fehlt so eine Art Meinungsseite oder LeserInnenbriefseite für so kurze Sachen.

Lidl: Bevor so eine Einschätzung nicht mindestens fünf Kilo wiegt, traut sich halt keineR was zu schreiben.

Ludo: Das glaube ich ja nun nicht, daß es nur daran liegt. Ich hab auch den Eindruck, daß das so eine gewisse Gleichgültigkeit ist...

Lidl: Konsum, alles konsum.

Ludo: Nee, ich meine eher so: ist doch auch egal, ob ich jetzt was schreibe oder nicht, weil...

Lana: Genau das wollen wir hier doch jetzt mal durchbrechen.

Lidl: Na dann mal los, ich mach jetzt erst mal einen Tee.

Lilo: Ich finde wir sollten jetzt endlich mal über das eine, relativ aktuelle Papier aus der Interim 428 reden. Dazu muß ich mal was loswerden, das mit den vielen Gorilla-Sternen auf den ersten zwei Seiten, wichtig,

wichtig. Militant und bewaffnet ins nächste Jahrtausend, Ernst Bloch und dann erst einmal mit einem Zitat von der RAF anfangen.

Lana: Nun polemisiere doch nicht gleich herum - ich muß aber auch sagen, daß ich den Text als ein ganz schön hohles Gequatsche empfunden hohe. Am Anfang werden da einige Fragen gestellt, ich fasse mal zusammen was hier steht: wird die wut größer, stehen die Verhältnisse auf der Kippe, ist den Kämpfen eine revolutionäre Richtung zu verleihen? Ein paar oberflache analytische Einschübe und dann die - entschuldigt bitte - atemberaubenden Erkenntnis, daß erst dann wieder eine revolutionäre Kraft entsteht, wenn es uns gelingt, Energien der Revolte gegen die Erniedrigung zum Objekt freizusetzen. Warum wiederhole ich hier überhaupt den ganzen Blödsinn.

Ludo: Damit wir drüber reden können.

Lana: Ja, ja... und jetzt kommts: Die Möglichkeit Subjekt zu sein, die Perspektive Kommunismus...ist, auch wenn es uns fast niemand glaubt zum Greifen nahe. - Oh Gott!

Lidl: Cola?

Lilo: Wolltest du nicht Tee machen?

Lidl: War mir doch zu aufwendig, aber wie war das mit dem glauben da?

Ludo: Ich muß sagen, daß sich daß wie bei einer Sekte anhört, diese Argumentation und: Ey Leute, wir stehen kurz vier der Offenbarung.

Lidl: Zeig mal her... - ist doch klar, da eine vom diesen kommunistischen Sekten was zusammengeschrieben, um die Autonomen ein bißchen zu beschäftigen. Und wir tun das auch noch. Wieso steht so etwas überhaupt in der Interim?

Ludo: Du hast wohl recht. Dieser ganze Sprachgebrauch sagt schon alles. Besser der Text wäre gleich in den Ordner gewandert, irgendwie trägt er zur Verwirrung bei.

Lilo: Nun ist er aber drin und ich finde es da auch richtig die Sache einmal ein wenig zu zerpflücken.

Lidl: Tätää - diese Schlacht muß noch geführt werden.

Ludo: Gegen wen?

Lidl: Gegen die faschistische Massenmobilisierung.

Lilo: Das ist doch typisch für diese kommunistischen Sekten, weiter unten heißt es: die Uhr steht auf 5 vor l2. Der Faschismus steht kurz vor der Tür wie der Weltuntergang, eine differenzierte Analyse wird da überflüssig. Und es hilft nur noch sich DER Organisation anzuschließen und DEM revolutionären Weg zu folgen.

Lana: Widersprüche sollen sich dem revolutionären Zweck unterordnen, für die Sache, für das Ganze, für die wirkliche Veränderung. Warum soll ich auf einmal für Menschen da sein, mit denen ich so gar keine Gemeinsamkeiten habe, womöglich mit Sexisten und Rassisten zusammenarbeiten.

Lidl: Diese kommunistischen Sekten vertreten ja auch eine Hauptwiderspruchspolitik.

Ludo: Das machen ja nun nicht nur die. Obwohl das mit der Sekte auf der Hand liegt, sollten wir trotzdem mal unabhängig davon diskutieren, manches klingt nicht unbedingt danach. - Der am Schluß versprochene antirassistische Standpunkt und die Patriachatsdiskussion klingen jedenfalls sehr unglaubwürdig.

Lilo: Ich finde, daß der Text bei aller Flachheit trotzdem immer wieder an einzelnen Standpunkten bzw. eher an Phrasen anknüpfen, die in der Szene durchaus verbreitet sind.

Lidl: Das Pamphlet ist ein geschickter Rundumschlag. Alle Themen von Antifa bis Europa, vom RAF bis EZLN, alles wird mal kurz angerissen und mit einer Phrase versehen. Und hier: Bewaffneter Kampf, als Kampf gegen uns alle; Atomkraftwerke und Vergewaltigung vom Frauen, alles eine Soße, ein Feind gegen den WIR jetzt aufstehen müssen. Ein Feind, ein Wir. Der typische Quatsch. Wir haben viel zu spät begonnen bewaffnet zu kämpfen, tätää; ich sehe schon förmlich einen quäkenden Lauti vor mir.

Lana: Wobei du das mit dem einen WIR auch in der Szene ab und zu mal zu hören bekommst und Unterschiede nicht wahrgenommen werden wollen.

Lidl: Vieles innerhalb der Gesellschaft verschiebt sich vertikal und horizontal.

Lana: Sehr interessant.

Lidl: Ist so - steht hier.

Ludo: In der Frage der Organisierung wird in dem Text eine Art revolutionärer Fahrplan vorgegeben.

Lidl: Konspirativität, damit es auch wirklich gefährlich wird.

Ludo: Erst einmal tun wir uns in einer konspirativen Kaderzelle zusammen und unterwandern von da aus so langsam die gesellschaftlichen Bereiche bis eine revolutionäre Organisation entstanden ist.

Lidl: Und niemand weiß von eurer Konspirativität, hört, hört.

Lilo: Hört sich an wie eine geheimnisvolle Verschwörung.

Ludo: Eher wie eine omipotente Jungenfantasie. Aber ich muß zugehen, daß ich mir das früher zum Teil auch einmal alles so einfach mit einer gradlinigen Entwicklung vorgestellt habe. Andererseits ist es halt auch das typische Konzept kommunistischer Organisation, in einfachen Zügen vorgestellt.

Lana: Aber es ist geradezu eine Unverschämtheit, daß die sich hier mit ihrem Einmaleins des bewaffneten Kampfes anmaßen Gruppen wie RZ, Rote Zora usw. zu kritisieren.

Lidl: Obwohl sie hier eine durchaus berechtigte Kritik aufgreifen, RAF, 2.Juni, RZ wären zu isoliert gewesen. Aber sie benutzen das nur, um damit ihre Vorstellungen richtiger erscheinen zu lassen, denn für die Brauchbarkeit ihrer Vorstellungen in der BRD finden sie nämlich keine schlüssigen Argumente. Es ist natürlich auch richtig, daß in Lateinamerika die bewaffneten Gruppen viel Basisorganisierter und -orientierter waren und das dieser Umstand natürlich großartig war. Aber was hilft uns das für die komplexen gesellschaftlichen Strukturen und schwierigen Verhältnisse hier mit ihrer deutschen Geschichte weiter. Mit ihrem simplen hierarchischen Kadermodell, wo Emanzipation kein Platz hat, läßt sich hier auch hoffentlich keiner mobilisieren.

Lilo: Hier, weiter unten kommt noch einmal die gleiche Kutsche: wir sollen dort kämpfe iniziieren, wo die Widersprüche radikal aufeinandertreffen. Die sogemeinte Klasse der Unterdrückten wird zum revolutionären Subjekt erklärt, was eben einer differenzierteren Analyse völlig entbehrt. Obwohl die hier ja immer von Subjekt reden, Subjekt werden im Kampf..., kommt die subjektive Dimension und Situation bei denen gar nicht mehr vor - alles nur ein rhetorischer Trick.

Lana: Ich hab langsam keine Lust mehr mich noch länger mit dem Quatsch auseinanderzusetzen. Das alles steht doch meilenweit hinter bzw. gegen den Stand der Diskussionen in der autonomen Szene.

Ludo: Ich denke wir sollten das hier noch schnell zu Ende bringen. - Ich würde den Punkt militante Aktion noch einmal kurz ansprechen wollen. Militante Aktion mehr als Übungszweck und zweitrangig als Agitation. Wo kommen wir den da hin? Typischer K-Gruppenquatsch, sich den praktischen Widerstand aufzuheben für die richtige und entscheidende Phase und vorher die Organisation aufbauen. Wo bleiben wir den da mit unserem ganzen Ärger über die Verhältnisse.

Lilo: Die haben halt immer nur die große uns ganze Sache im Kopf. Autonome militante Aktionen beziehen sich eben auch mehr auf das hier und jetzt. Jetzt eingreifen, ein bißchen Öffentlichkeit und materiellen Druck herstellen und zeigen, daß Mensch immer die Möglichkeit hat aktiv zu werden, daß die Schweinereien nicht unwidersprochen und reibungslos ablaufen.

Lidl: Ein entscheidender Fehltritt in dem Text in dieser Hinsicht ist auch die Vermischung von bewaffneten Gruppen und militanten Gruppen bzw. Aktionen. Das Konzept der RAF ist aus guten Gründen vorerst in sich zusammengebrochen. Deshalb stehen jedoch militante Aktionen an sich noch lange nicht in Frage. In dem Spruch vom der Demokratisierung des bewaffneten Kampfes, was mehr Basisorientierung heißen soll, liegt sicherlich ein berechtigter Gedanke, berührt jedoch kaum die autonome und linksradikale Politik und Praxis. Its Germany und not Chiapas.

Lana: Laßt uns doch noch über ein paar Aktionen der letzten Zeit reden. Da gabs zum Beispiel die Aktion gegen die Pali mit der Zwille. Die haben einem geräumten Haus nach der Sanierung die Scheiben zerschossen. Obwohl ich die Erklärung ja ein bißchen großkotzig fand, fand ich die Aktion schon gut.

Lidl: Wieso großkotzig?

Lana: Naja, aus Worten werden Taten und so. Hört sich so an als prahlten sie damit, daß sie nicht nur labern können.

Lidl: Sie haben ihre Militanz gegen den Räumungstango vorher angekündigt und jetzt schlagen sie halt zu. Lana: Das ist es ja eben. Als wenn sie jetzt für die Spekulantenmafia und die Senatspolitik eine große Bedrohung darstellen würden.

Ludo: So allgemein betrachtet, hast du natürlich recht, aber gerade in Bezug auf den Hellmich stimmt die Bedrohung wohl. Der hat ja nun schon einigen Male seine gerechte Strafe sozusagen bekommen und die Aktion steht ja gerade in dieser Kontinuität.

Lilo: Ich glaube was Lana meint, ist auch, daß sich der Räumungstango mit solchen Aktionen allein auch nicht aufhalten läßt.

Lidl: Aber das ist ja klar.

Lana: Aber was sollte die Ankündigung. Das hört sich an als wenn jetzt ein neuer Schritt kommt. Aber ich fand die Idee schon gut und auch nachmachbar.

Ludo: Kommen wir vielleicht noch Mal zu einem anderen Thema. Die Tage stand in der Zeitung, daß die Sammelmagazine für Flüchtlinge nun endlich zugemacht werden. Die Sorat GmhH hat offensichtlich kalte Fülle bekommen.

Lidl: Das Gutscheinsystem soll leider trotzdem auf alle Flüchtlinge ausgeweitet werden. Ludo: Ja leider, jedenfalls finde ich das schon einen Erfolg. Und die Sorat hat öffentlich Sabotage und Imageschaden als Begründung verlauten lassen. Hier hat sich Militanz in verschiedenen Bereichen einmal sichtlich ausgezahlt.

Lidl: Der Anschlag auf die Spar-Zentrale war schon ein Knaller.

Lana: Bei der BZ hat die Aktion gut eingeschlagen, überhaupt bei den Medien. Die Sache war so einfach mehr ein Thema in der Öffentlichkeit. Ich hatte trotzdem den Eindruck, daß Spar ein bißchen weit weg war.

Lidl: Mittenwalde?

Lana: Blödmann, vom politischen Brennpunkt natürlich.

Ludo: Findest du? Ich finde es richtig an der Wirtschaft anzusetzen, die lassen sich da einfach noch eher unter Druck setzen, materiell. Öffentlich hat Spar das ja nicht zugegeben, klar. Ich denke aber inoffiziell waren die ganz schön am rotieren. Bei der Sorat hat das jetzt ja auch gezogen. Die wären sicherlich die erste Adresse bei der Sache.

Lana: Eigentlich ist der Staat doch wohl die erste Adresse, deshalb fand ich beispielsweise die Aktion in Tübingen gegen das Regierungspräsidium zielgerichteter. Der Staat ist doch als erstes für die ganze Abschiebemaschinerie verantwortlich.

Lilo: Das wäre ja noch einmal die Frage, wer hier welche Verantwortung trägt. Aber das Problem ist doch eben, daß sich staatliche Stellen nicht so leicht angreifen lassen, ich mein jetzt real auch nicht und auch daß sie nicht so einfach ihre Politik ändern. Das hat doch auch die lange Serie von Anschlägen der RZ und Roten Zora damals gezeigt.

Ludo: Sicherlich, die Aktion gegen Spar war klasse, alleine hätte die Aktion es natürlich nicht gebracht. Militante Aktionen sind immer auf ein Zusammenwirken mit verschiedenen Aktivitäten und Bereichen angewiesen. Und ohne die massenhafte Sabotage der Flüchtlinge hätte die Sorat wohl nicht aufgegeben.

Lidl: An diesem Punkt aufgegeben - die betreiben immer noch 20 Wohnheime und zocken tierisch ab.

Ludo: Ist halt nur ein Punktsieg, wenn du so willst.

Lana: kann man wohl sagen, die Wertgutscheine soll es jetzt für alle Flüchtlinge geben.

Lidl: Nun, da bietet sich doch ein weites Betätigungsfeld. Eine ganze Reihe von Lebensmittel- und Einkaufsketten machen sich die Finger dreckig. Denen gehört ordentlich auf die Finger gehaut.

Lana: Oh - welch ein großartiges Schlußwort.

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