HAUPTSTADTWAHN STOPPEN

-

YUPPIE-ZENTRUM KULTURBRAUEREI Verhindern!

Spätestens seit der NOlympia-Kampagne 1991-93 ist es wieder in Mode gekommen, über die Entwicklurg Berlins nachzudenken. Umstrukturierung, Hauptstadtwahn, Metropolisierung sind zu gängigen Scenebegriffen geworden. Wird stadtpolitisch diskutiert, so nehmen sich die meisten Gruppen und Zusammenhänge viel vor: mindestens der Widerstand gegen Hauptstadtwahn, Innere Sicherheit oder einfach "Gegen ein Berlin der Bullen, Bonzen und Bankiers" muß es sein - darunter machen wir doch keine Politik mehr. Die InnenStadtAktionstage waren dann auch so etwas wie ein versuchter Angriff auf das Herz der neuendeckten Bestie Stadt. Theoretisch fundiert, engagiert vorbereitet und zum Teil sogar richtig witzig vorgetragen wurde die City eine ganze Woche mit unserem Protest konfrontiert. Doch leider ließen sich städtische Entwicklungen dann doch nicht von einmaligen Picknicks, Sackhüpfen in Edelpassagen und unargemeldete Raves in Kreditinstituten beeinflußen - ein nur symbolischer Protest ist eben nicht so richtig real. Solche Themen wie die Innenstadtentwicklung oder Sicherheitspolitik könnten sicher wie ein Brennglas verschiedene Aktivitäten bündeln, aber ganz sicher nicht entwickeln. Ohne eine breite Massenbewegung in den Stadtteilen ist symbolische Politik Selbstbefriedigung und Kraftverschwendung also keineswegs ein Moment gesellschaftlicher Umwälzung... Gerade deshalb war die Stimmung, "nach jahrelargen Auseinandersetzungen in den Stadtteilen richtet sich die linke Stadtpolitik nun auf ein anderes Thema" eher kontraproduktiv. Denn - so unsere Einschatzung - in Berlin gibt es zur Zeit keine gesellschaftlich verankerten Bewegungen zu Miet und Stadtentwicklungsfragen und also auch keine Voraussetzung für eine gesamtstädtische Opposition. Deshalb finden wir es weiterhin richtig, auch die Stadtteile als Ort politischer Auseinandersetzung zu begreifen und gerade dort sozialen Konflikten auch eine politische Handlungsoption zu geben. Die in Prenzlauer Berg und Friedrichshain breit verteilten Faltblätter ( Wir bleiben Alle" und "Eine Stadt wird verscherbelt") waren also gerade deshalb ein Schritt in die richtige Richtung (gesellschaftliche Annäherung), weil sie unsere Stadtanalysen mit den konkreten Bedingungen der Bezirke verknüpften und so scenetypische Isolationen aufbrechen konnten. Da Aufklärung und Propaganda allein natürlich noch keine soziale Mobilisierung auslöst, wollen wir ein konkretes Projekt vorstellen. Wie immer in Zeiten der Krise ist es kein eigenes, sondern eins von der anderen Seite. Statt eigene Utopien zu verwirklichen, müssen wir uns erst einmal in Abwehrschlachten begeben. Doch gerade aus den Mobilisierungen gegen die fialen Argriffe von oben" können neue Perspektiven erwachsen.

Die KULTURBRAUEREI - Brückenkogf der Aufwertung Das Projekt Die Treuhand, bzw. ihre Nachfolgeorganisation TLG (Treuhandliegenschaftsgesellschaft) ist seit 1990 Besitzerin des Komplexes Schultheissbrauerei zwischen Schönhauser Allee, Knaack- und Sredzkistraße, besser bekannt unter dem Namen Kulturbrauerei. Insgesamt bietet das Areal fast 50.000 qm Nutzungsfläche, besten Verkehrsanschluß und eine Lage im Herzen des argesagten Scenebezirks Prenzlauer Berg, nur einen Steinwurf vom Kollwitzplatz entfernt. Im Siebten Jahr nach dem Anschluß der DDR erachtet die Treuhand den Zeitpunkt nun als günstig, den Komplex Kulturbrauerei mit einem Investitionsvolumen von 100 Mio DM (l) zu einem monströsen Konsumpalast zu entwickeln. Schon jetzt wurde einnigen der bisherigen Nutzern gekündigt. Neben dem Möbelmax (Verkaufskette des ehemaligen Möbelkombinats der DD0 mußte auch der vielerort geliebte Franz-Klub und Einzelprojekte der Kulturbrauerei schließen. Geplant sind ein Multiplex-Kino mit rund 1.800 Plätzen, Edelkneipen und Freßtempel, Galerien und Ateliers, ein Satl-Gvoßraumstudio für Fernsehshows sowie exklusive Geschäfte für die Schickeria. Baubeginn: Herbst 1997. Zu verhindernde Einweihung: 1999. Dies ist ein konzertierter Angriff von Kapital und Stadtplanungstrategen auf die noch existierenden gewachsenen Strukturen in den unmittelbar angrenzenden Kiezen wie Helmholtzplatz, Kastanienallee-Oderberger Straße und Kollwitzplatz.

Die Folgen Prenzlauer Berg ist "in": Kaum ein Berlin-Reiseführer kommt heute ohne ein Extra-Kapitel über den zur "Legende" gewordenen Stadtbezirk aus, kaum ein Lifestyle-Magazin, das nicht fortwährend schwärmt über den "funkiest part of the town". Prenzlauer Berg hat Kreuzberg längst den Rang abgelaufen, weil "hier gibt es keine Junkies, keine Türken und keine Autonomen" (Berliner Zeitung). Also keine das Image beschmutzenden Faktoren, mithin "Lifestyle ohne Weltverbesserung". Lokale Ereignisse, wie die Walpurgisnachtfeiern der Jahre 1995 und 1996 am Kollwitzplatz, stoßen auf republikweites Medieninteresse. Jeden Monat eröffnen neue Restaurants, Bars und andere Amüsierbetriebe der kulturellen, kulinarischen und preislichen Berliner Spitzernklasse. Die zukünftige Regierungs- und Möchtegern- Dienstleistungsmetropole Berlin ist bestrebt, ihr im internationalen Vergleich mit New York, Paris oder London noch immer mausgraues "weltstädtisches" Image aufzupolieren. Die attraktiven Innenstadtbezirke wie Mitte (Spandauer Vorstadt) oder Prenzlauer Berg werden genutzt, um den Leuten mit höheren Einkommen zur Reproduktion ihrer Arbeitskraft noch Konsum und Kultur in der "Bronx" zu bieten. In die Kieze ziehen Edelläden und Luxusrestaureants ein, Altbauwohnungen werden luxussaniert und als Eigentumswohnungen weiterverkauft. Parallel dazu untergräbt die Yuppie-"Kultur" die alte Stadtteilkultur. tue Urbanität" nennt sich das. Es ist wieder schick, direkt in der Innenstadt zu wohnen. Für die hier lebende Bevölkerung, eine Mischung aus Alten, ArbeiterInnen, Studis, Erwerbslosen, Freaks und Politiniks wird das alltägliche Leben unbezahlbar: Wo früher Einrichtungen der Nahversorgung anzutreffen waren (Post, Bäckerei, Lebensmittelladen) tummeln sich heute Cocktailbars und andere Amüsierbetriebe. Trauriges Beispiel ist die Kinderbibliothek in der Wörther Straße, die einem Preisniveau von 40 DM/qm Gewerbemiete auch nicht gewachsen ist. Dem steht der Trend von ungebrochenen Zuzügen materiell eindeutig besser Situierter entgegen. Selbst Eliten der BRD, wie Bundesbauminister Töpfer, bekunden mittlerweile ihren Wunsch, nach erfolgtem Regierungsumzug ihr Quartier in Prenzlauer Berg nehmen zu wollen. Prenzlauer Berg als begehrten Wohnstandort zu betrachten, ist historisch etwas Neues. Lange Zeit galt der Bezirk geradezu als Inkarnation der sozialen Mißstände des "steinernen Berlin". Bis in die 80er Jahre war Prenzlauer Berg "Arbeiterbezirk". Hier wohnte, wer nichts besseres fand. Was heute in anheimelndem Ton als ~ische", als "Kreuzberg des Ostens" und aufregenste Wohngegend des Ostblocks beschrieben wird, war noch vor zehn Jahren ein heruntergekommenes Altbauviertel, das langsam zerfiel. Die besser gestellten und mobileren Teile der Bevölkerung flohen vor solchen Zuständen in die ferngeheizten Neubauviertel Marzahns, Hellersdorfs und Hohenschönhausens, bzw. in die wenigen rekonstruierten Gebiete der Innenstadt. Die Verslumung des Gebiets wurde zur Voraussetzung für eine schleichende soziale Umschichtung. Beachtlich ist das Tempo dieses Prozesses der "Gentrification" (Wiederaneignung der Innenstädte als Konsum- und Wohnort durch Eliten bei Verteibung der alteingesessenen BewohnerInnen): was in Kreuzberg über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren eher einem latenten, schleichenden Prozeß glich, vollzieht sich hier in einem galoppierenden Rahmen von nur wenigen Jahren.

Die Kulturbrauerei ist ein exemplarisches Beispiel für Umstrukturierung und Hauptstadtwahn, Vertreibung der alteingesessenen und einkommensschwachen Bevölkerung, Sanierung, Standortpolitik und Kommerz-Kultur. In dem Maße wie selbstverwalteter Wohnraum, nichtkommerzielle Kneipen und Volxküchen sowie Kiezprojekte geräumt oder gestrichen werden, Bezirke wie Neukölln oder Teile von Kreuzberg der "Verslumung" preisgegeben werden, soll hier den zukünftigen Eliten, Yuppies und Bonner BeamtInnen ein Freizeitpark in Glas und Beton gegossen werden.

Unsere Antwort Der geplante Umbau der alten Brauerei kann und sollte verhindert werden. Für eine solche Kampagne sprechen folgende Punkte:

Durch die Zusammensetzung der Projektträger sind auch thematische Anschlüsse möglich. Vom Kiezkampf zur gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung. Im Osten ist die Treuhand immer noch wichtiger Focus zur Erklärung der ökonomischen und sozialen Bedingungen und auch die Frage nach Entscheidungsträgern (Wem gehört die Stadt?) kann wieder mal gestellt werden.

Wir würden uns in der nächsten Zeit mit konkreteren Vorschlägen an die interessierte LeserInnenschaft wenden. Bis dahin könnten ja erste Reaktionen signalisieren, ab unsere Analysen und Ideen völlig schwachsinnig klingen oder diskutabel erscheinen.

Autonome HauptstadtgegnerInnen

Zur Übersicht der aktuellen Nummer