Wenn ein Genosse sagt: "Was hinter unserer Wohnungstür passiert, geht nur mich und meine ig f dae Privat Freundin was an!", reagieren wir alarmiert. Was hat er zu verbergen? Natürlich geht uns das was an, was er da mit seiner Freundin macht!

Wenn GenossInnen in einer Diskussion plötzlich Aus-Zeit beantragen, um die Sache erstmal mit "ihrem Zusammenhang" zu bereden, wird das im allgemeinen ohne jede Frage akzeptiert. Haben die da nichts zu verbergen? Was ist der Unterschied?

Im ersten Fall stellen wir uns vor, daß unter dem Deckmantel des Privaten heimlich Ausbeutungs- und Unterdrückungsstrukturen aufrecht erhalten werden. Im zweiten Fall gestehen wir dagegen einen Raum zu, in dem sich Meinungen in einem eher privaten Klima des Vertrauens bilden können. Dabei passiert in beiden Fällen dasselbe: Es wird der Anspruch geltend gemacht, daß nicht immer alle bei allem mitreden und vor allem mitbestimmen dürfen.

Das erscheint auf den ersten Blick wie eine Selbstverständlichkeit. Aber unsere großen politischen Programme realisieren sieb nun mal vor allem da, wo es praktisch wird, nämlich in unseren alltäglichen persönlichen Verhaltensweisen und Handlungen. Und wenn die zur Privatsache erklärt werden, wird mit der Unterscheidung zwischen "öffentlich" und "privat" so etwas wie eine Sichtblende zwischen den politischen Anspruch und die praktische Wirklichkeit geschoben. Das kann leicht dazu führen, daß wir auf öffentlichem Terrain die alleranspruchsvollsten antikap-rass.-pat. Autonomen sind, die sich in ihrer grenzenlosen Radikalität gegenseitig einschüchtern, dabei aber in der (als privat erklärten) Praxis weitermachen, was uns am bequemsten ist. So kann schnell ein gigantisches Lügengebäude entstehen. Muß man/frau da nicht auf dem politisch-kritischen Blick gerade auf s sogenannte,private" bestehen?

Andererseits, wer hält ständig den prüfenden und urteilenden Blick der ganzen Szene aus? Und was macht denn diesen Blick so unerträglich? Was macht die kritische Öffentlichkeit zur bedrohlichen Inquisition, der sich viele Autonome dann irgendwann in die endgültige Privatheit entziehen?

Wir wollen über die Forderung, das Private zu schützen und zu respektieren, und die gegenteilige Ansicht, uns gerade da, wo's "privat" wird, gegenseitig zur Verantwortung zu ziehen, öffentlich streiten und hoffen, daß ihr mitmacht!

Dienstag, 23. September, 19 Uhr
Prenzlauer Berg,
Kastanienallee 85
Veranstaltungsraum im Hinterhaus

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