Wegen angeblicher "Beihilfe zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion" im Folterstaat Spanien sitzen

Gary und Renate aus Wiesbaden

im Knast Frankfurt-Preungesheim; Der folgende Text entstand auf der Grundlage des Textes "Die 'Deutsche ETA-Connection'" vom Berliner Solidaritätskomitee Benjamin Ramos Vega.

Am 12. April d.J. kam. es in einer Madrider Wohnung zu einer leichten Explosion. Nach Polizei-angaben wurden danach in dieser Sprengstoff, Waffen und neben anderem auch ein Archiv mit Photos von z.B. Militärs, Richtern und Repräsentanten des spanischen Staates sichergestellt. Außerdem seien Fingerabdrücke von Mitgliedern des Commando Madrid der ETA gefunden worden. Angemietet soll die Wohnung von zwei Deutschen gewesen sein: Gary und Renate aus Wiesbaden. Einen Tag nach der Explosion reisten zwei BKAler nach Madrid. Am 15. April stellte sich Gary in Begleitung seines Anwalts beim BKA in Wiesbaden, nachdem er aus der Zeitung von der Fahndung nach ihm erfahren hatte. Zum Zeitpunkt der Explosion war Gary, wie Nachbarn und Arbeitgeber bezeugten, in Wies-baden. Seitdem sitzt er in Frankfurt-Preunges-heim im Knast. In seiner Wiesbadener Wohnung wurden Computer, Disketten und angeblich ein falscher Pal3 beschlagnahmt. Die Vorwürfe gegen ihn lauten auf "Sprengstoffbesitz" und .Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion". Ausgeliefert werden kann er allerdings nicht: nach Art. 16 GG werden BRD-Bürgerinnen nicht ausgeliefert, was sich aber mit der Ratifizierung des neuen EU-Auslieferungsabkommens demn5chst ändern könnte. Der zuständige Staatsanwalt Wolf Jördens forderte Garys Freilassung, da keine Fluchtgefahr bestehe. Das spanische Innenministerium reagierte hierauf mit dem Überreichen sogenannter "neuer Beweise" an Richter Rolf Bartnick kurz vor dem Haftprüfungstermin. Was diese für Beweise sein sollen, ist nicht bekannt. Bartnick lehnte jedentalls den Haftent-lassungsantrag der Staatsanwaltschaft ab. Diese legte keinen Widerspruch ein, sondern erweiterte die Anklage, die irgendwann im Sommer fertig sein soll, um "Lagerung von Sprengstoff und Wa(fen" und "Gebrauch falscher Papiere". Wegen der Explosion wird jetzt nur "Beihilfe" in den Akten zu finden sein. Nach Renate wurde per Steckbrief gefahndet - das LKA Hessen setzte eine Belohnung von 10000 DM für .sach-dienliche Hinweise" aus. Sie stellte sich am 8. Juli 1997 den Wiesbadener Behörden, verweigert jede Aussage und sitzt nun im Frauenknast Preungesheim. Der Haftbefehl lautet auf "Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz".

Lügen und Hetze

In den spanischen Medien wird gegen Gary und Renate fleißig gehetzt. In der Presse liel3 z.B. der Innenminister verlautbaren, die beiden würden zu einer "RAF-Splittergruppe" gehören und berief sich dabei auf Angaben des deutschen VS, nach dem sich eine Gruppe von revolutionären Deutschen in Frankreich aufhalten würde, ehemalige RAF-Mitglieder beheimalen könnte und die ETA unterstützt haben könnte. Mittlerweile mußten die spanischen Behörden diese Aussage insofern revidieren, daß Gary kein RAFler sei, da er laut LKA Hessen völlig unbekannt sei und auch keine Vorstrafen habe, wie fälschlicherweise vorher behauptet worden war. Besonderen Wert legt die Hetze des spanischen Innenminister darauf, Gary und Renate als bezahlte Söldnerlnnen darzustellen, Diese Lügen sollen die baskische Befreiungsbewegung denunzieren und die politische Zielsetzung verleumden. Weitere Verleumdungen wirken wie die Phantasien eines Paranoikers, zeigen in der Öffentlich-keit aber sicher Wirkung: von einer "deutschen ETA-Connection" ist die Rede, in welche die Car-los-Truppe, die PDS wie die RAF und natürlich die Stasi eingebunden sind. Als Beweis für diese Allianz des Bösen müssen die beiden Sprachleh-rerinnen Gabi K, und Petra E. herhalten. Petras Freund Juan wird beschuldigt, zur ETA-Führung zu gehören. Juan und Petra wurden 1996 in Frankreich verhaftet u ' spanischen Behörden behaupteten widerbesseren Wissens, die Festgenommene sei Gaul, die falsche Papiere auf Petras Namen bei sich getragen habe. Die Sprachschulen in Spanien werden als vermeintlicher "Hort des Bösen", also der "ETA-Connecti-on" vom Militärgeheimdienst überwacht. Insgesamt werden. in der spanischen Öffentlichkeit 50 Leute aus Europa und Amerika mit Namen denunziert. Eine spanische Boulvardzeitung zitierte gar ein Guardia Civil-Dossier, nach dem 246 Ausländerinnen mit der ETA kooperieren sollen.

Es entspricht der deutschen Europapolitik, daß sie sich zur Stellvertreterjustiz des spanischen Staates macht, ähnlich wie sie es auch mit irischen Gefangenen in der jüngeren Vergangenheit versuchte und heute mit den kurdischen Gefangenen praktiziert. Ein anderes aktuelles Beispiel ist das Verhalten der BAW gegenüber der Nord-Irin Boisin McAliskey, die von Großbrita-nien an Deutschland ausgeliefert werden soll. Roisin soll an einem IRA Angriff auf eine britische Kaserne in Osnabrück beteiligt gewesen sein. Ohne Beweiso oder Zeuginnen gegen Roisin zu haben, konnten die Briten sie monatelang in U-Haft lassen. Zu glauben, daß die Repression gegen Gary und Renate wegen der "niederen" Anklagepunkte in der BRD auf Dauer schwächer wäre, erscheint uns nach diesen Erfahrungen naiv. Zumal der spanische Innenminister sich erst Mitte Juli über die schlechte Zusammenarbeit von seitens der deutschen Behörden beschwerte.

Für die sofortige Freilassung von Gary und Renate!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Die ETA (auf dl. Baskenländ und Freiheit) entstand im antifaschistischen Kempl gegen die UnterdrOckung des franquislischen Spaniens. Der bewaMnete Kampf, der seit 36 Jahren anhält, führte zu einer Polarisierung der baski-schen Gesellschaft: nach wie vor wird ETA von einem nicht unbeträchtlichen Teil der baski-schen Bevölkerun'g deutlich unterstützt und von einem anderen Teil genauso klar abgelehnt. Aber: viele derjenigen, die gegen eine bewaffnete Organisalion sind, stehen nicht auf der Seite Madrids und befürworten nicht den spanischen Zentralstaat. Eine deutliche Mehrheit der Basklnnen und auch ETA selbst streben Verhandlungen an. Für das Madrider Regime sind Verhandlungen aber das Sinnbild ihrer Niederlage. In der Logik des spanischen Slaales gibt es entweder die bedingungslose Unterstützung der Polizei und ihrer Methoden oder eben .Terrorismus". Wer öffentlich Verhandlungen fordert oder die Menschenrechtsverletzungen, Folter oder den Statsterrorismus kritisiert, sieht sich schnell mit dem Vorwurf "Apologie des Terrors" konfrontiert. Der spanische Staat setzt ausschließlich auf eine militärische Strategie - und mobilisiert dafür alle Mittel. Dazu z5hlen auch Todesschwa-dronen und Folter. Die über 500 Anschläge von Organisationen wie der GAL (Grupo Anliter-rorista de Liberacion, auf dt. Antilerroristische Befreiungsgruppe) seit 1976 und die jedes Jahr von amnesty international aufgeführten über 100 baskischen Folleropfer haben der spanischen Polizei auch beim baskischen Bürgertum keine Freundschaft eingetragen. Die politische Situation hat sich deutlich verschärft: eine kürzlich eingeführte Gesetzesänderung hat den Strafbestand dar .Unterstüzung einer bewaffneten Ban-do" aufgehoben, nun gibt es nur noch den der "Mitgliedschall" mil einem Strafmaß von 12-24 Jahren. Die repressive Strategie zielt darauf, jede öfientliche Krilik am "schmutzigen Krieg" gegen die baskische Unabhängigkeilsbewegung als "Propaganda der ETA" zu denunzieren - und abzuurteilen. Immer noch sitzen über 500 baskische politische Gefangene in Knästen - Ciber den gesamten spanischen Staal verteilt. Dazu kommen diverse politische Gefangene aus spanischen Organisationen wie GRAPO (Grupos de Resistcncia Antitascisla Primero de Octubre - Widerstandsgruppen 1. Oktober, bewalfnete Organisalion) und PCE(r) (Parlido Comunista de Espania (reconstiluido) - Neukonstituierte KP Spaniens).

KuGeL, Juli 1997

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