Zeitung aus Friedrichshain

Eine Stadt wird verscherbelt

Im Zuge der Hauptstadtplanung und der damit einhergehenden stadtweiten Umstrukturierung, wächst das Interesse an Berlin für Investoren und Spekulanten immens. Wer glaubt, daß sich das positiv auf die Berliner Lebensqualität und Wohnraumsituation auswirken wird, wird spätestens dann desillusioniert sein, wenn sich ein Spekulant für sein Wohnhaus interessiert. Denn nicht das Interesse an einer Verbesserung der Wohnsituation steht im Vordergrund, sondern die Maximierung des Gewinns. Es dürfte sich in gewissen Kreisen bereits herumgesprochen haben, daß die Profitmöglichkeiten auf den Berliner Immobilienmarkt vielversprechend sind. Damit dürfte das Ende von bezahlbaren Wohnraum besiegelt sein.

Besonders lukrativ für den Eigentümer sind leerstehende Häuser, da bei Verkauf der doppelte Gewinn erziehlt werden kann. Gleiches gilt bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Zur Entmietung entwickeln die Eigentümer äußerst unterschiedliche Strategien. Ein beliebtes Mittel ist es, keine Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen, um für einen geplanten Abriß Fakten zu schaffen. Zuckerbrot und Peitsche hat bei Entmietung Methode. Wenn (oft falsche) Versprechungen ins Leere laufen, wird oft auf MieterInnen Druck ausgeübt. Der Vermieterterror reicht von haltlosen Kündigungen, nichtgenehmigten Baumaßnahmen, Brandstiftung, dem Kappen von Gas-, Wasser- und Stromleitungen, Zwangsräumungen durch Polizei- und Bautrupps bis hin zu verbalen Androhnungen gegen Leib und Leben und das Losschicken von Schlägertrupps.

Durch Bodenspekulation und Neubau von Büro- und Geschäftshäusern lassen sich enorme Gewinne erzielen. Allein in den vergangenen zwei Jahren entstanden in der Frankfurter Alle drei Einkaufspassagen. Für einen Bezirk mit den zweithöchsten Arbeitslosigkeit in Berlin ist das unverhältnismäßig.

Durch die Modernisierung von Altbauten steigen die Mieten auf ein für viele jetzt schon unbezahlbares Niveau, was mittelfristig einen Austausch der Bevölkerung nach sich zieht. In Prenzelberg und Mitte haben dies schon viele Kiezbewohner zu spüren bekommen. Für einen Bezirk wie Friedrichshain sind die Folgen fatal, da hier die BewohnerInnen mit dem geringsten Durchschnittseinkommen leben. Doch nun konkret:

Entmietung durch Brandstiftung

Hai Am Morgen des 16.7. brannte gegen 8 Uhr 30 der Dachstuhl des ex-besetzten Hauses Rigaer Straße 84 und der Proskauer Straße 10 in Friedrichshain. Die BewohnerInnen haben Mietverträge und leben als Wohnkollektiv. Nach Aussage der Kripo handelt es sich um Brandstiftung. Durch Brand und Löschmitteleinsatz wurden die Wohnungen im 4. Stock beschädigt.

Nichtsdestotrotz wurden beide Häuser für die BewohnerInnen gesperrt. Der Eigentümer der Häuser ist die Stratford LTD, eine Briefkastenfirma in England. Wer dahinter steckt ist unklar. Verwaltet werden die beiden Häuser von der HVG- Hausverwaltungsgesellschaft mit Sitz in Berlin Charlottenburg. Diese nervt die BewohnerInnen der Rigaer Str. 84 seit Jahren mit Forderungen sich auf eine Modernisierung einzulassen, was aber in der Vergangenheit verhindert werden konnte. Erst kurz vor dem Brand verlor die HVG einen Prozeß gegen die Mieterinnen. Der Mann fürs Grobe ist ein gewisser Manfred Leubert, ein von der HVG beauftragter Bauunternehmer. Er ist auch der Mieter des Eckladens, in dem es den ersten Brand gab bei dem die BewohnerInnen ernsthaft gefährdet waren. Auch damals stellte die Polizei eine Brandstiftung fest, die Ermittlungen wurden jedoch kurze Zeit später eingestellt. Nach dem Brand begann Leubert den Eckladen und die leerstehenden Wohnungen in der Proskauer 10 illegal zu sanieren. Als M. Leubert die dort lebenden MigrantInnen als "Russenmafia" denunzierte, wurden sie von der Polizei rausgeschmissen. Nun stand der ungestörten Sanierung nur noch die beiden letzten Mietparteien im 4. Stock im Wege. Da sie sich, trotz abgestelltem Strom und Gas und mehreren unbegründeten Kündigungen, nicht vertreiben ließen, drohte Leubert ihnen: "Paßt auf, sonst lege ich oben Feuer." Nun hat es also tatsächlich gebrannt. Durch eine heiße Räumung sollte möglicherweise auf einem anderem Wege nachgeholfen werden. Leubert wurde einen Tag vor dem Brand morgens auf dem Dach der Proskauer Str. 10 gesehen. Die Sanierungsarbeiten waren aber schon seit mehreren Wochen eingestellt worden. Das gab auch der Geschäftsführer der HVG Möller in der Presse zu. Allerdings soll dies der Grund sein, weshalb sich Leubert die ganze Zeit über in Norddeutschland aufhalten soll. Unverschämterweise behauptet Möller, der Brand sei von rivalisierenden Hausbesetzern gelegt worden. Die HVG hat ihr Ziel erreicht?

Nein, das hat sie gewiss nicht, denn nur den Druck der BewohnerInnen wurden die notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen in die Wege geleitet und eine übliche, mietensteigernde Modernisierung verhindert. Damit das Haus entsperrt werden kann, forden wir die HVG auf, die Auflagen des Bau- und Wohnungsamtes schleunigst zu erfüllen. Bis jetzt haben sich die Befürchtungen der MieterInnen bestätigt, daß die HVG den Brandschaden nutzen würde, um ein Bewohnen des Hauses möglichst lange hinaus zu zögern. Den Bauarbeitern einer Gerüstbaufirma erzählte Möller, die Bewohnerinnen würden in nächster Zeit nicht in das Haus hinein kommen, da das Haus saniert werden würde.

Allein die Tatsache, daß es sich um ein ex-besetztes Haus handelt war für die Polizei Grund genug, Stimmung gegen die Bewohnerinnen zu machen und diese zu schikanieren. So wurde dem Einwohnermeldeamt von der Polizei mitgeteilt, der Seitenflügel des Hauses sei besetzt gewesen und nun geräumt. Die Bauarbeiter wurden von der Polizei vor den Mietern gewarnt, da diese äußerst gewaltbereit seien. Zwei Transparente die über den Brand informierten, wurden widerrechtlich von der Polizei gestohlen. Wer der Polizei nicht ins Bild einer sauberen Hauptstadt paßt, wird sogar als Mieter schikaniert. Fight the War! Fuck the Law!

Entmietung unter Polizeischutz:

Beispiel Rigaer Straße 19-21: Hier wollen die Eigentümer Gebrüder Witte KG und Real Estate Capitalanlagen Immobilien Achim Salcher GmbH an den Investor Wohnen und Arbeiten am Frankfurter Tor gewinnbringend verkaufen. Über den Kaufpreis konnte man sich noch nicht einigen. Da die Häuser bald entmietet sind fordern die Eigentümer eine höhere Summe. Für die leerstehenden Wohnungen erteilte das Bezirksamt eine Leerstandsgenehmigung, da die Eigentümer den Leerstand mit noch zu erfolgender Sanierung begründeten. Sanieren wollen sie jedoch nicht, was durch die schriftliche Ankündigung eines geplanten Seitenflügelabrisses offensichtlich wurde. Erklärtes Ziel ist, die Mieter zum Auszug zu bewegen. Am 9.7.97 luden der Mieterladen und die Mieter zu einer Pressekonferenz ein. Interessant im Vorfeld war, daß die Polizei in vorauseilender Amtshilfe im Bezirksamt nachfragte, ob diese Veranstaltung mit der Präsenz einer Hunderschaft abzusichern wäre. Mieter sowie Mieterladen protestierten auf das Schärfste gegen diese Kriminalisierung, ging es doch lediglich darum, den Vermieter an seine Pflichten zu erinnern.

Staatlich gedulteter Vandalismus

Beispiel Rigaer Straße 27: Dieses Gründerzeithaus zeichnete sich durch eine gute Bausubstanz aus und wurde in den 80er Jahren saniert, auch die Stuckdecken und Parkettböden. Der neue Eigenümer kündigte Modernisierungen an und es kam zu Modernisierungsvereinbarungen mit den Mietern. Diese bekamen jedoch so günstige Ausweichwohnungen, daß sie nicht mehr ins Haus zurück wollten. Widerspenstige Mieter wurden mit persönlichen Zugeständnissen für die neuen Wohnungen "überredet" auch nicht mehr zurück zu ziehen. Somit war das Haus leer. In der Nacht zum 15.01.97 wurde das Haus besetzt, um den Wohnraum zu sichern. Die Bayrische Hausbau AG, eines der größten deutschen Bauunternehmen, begann nach der erfolgten polizeilichen Räumung mit dem illegalen Abriß. Fenster, Böden, Türen und Öfen wurden zerstört. Es folgte eine einstweilige Verfügung durch das Bezirksamt auf sofortigen Baustopp. Trotzdem ging der Abriß zwei Tage lang weiter. Der Keller wurde unter Wasser gesetzt. Die von der Bayrischen Hausbau geschaffenen Fakten führten letztendlich zur Erteilung der Abbruchgenehmigung. Ihr Ziel war erreicht, preiswerter Wohnraum vernichtet. Leerstand durch Räumung Das einst besetzte WBF-Haus auf dem Hof der Rigaer Str. 16 wurde geräumt und steht seitdem leer. Um eine Neubewohnung des intakten Gebäudes zu verhindern, wurde es mit Sitex-Platten versiegelt. ... alleine in der Rigaer Straße Schlägertruppentmietung Beispiel Bödiker Straße 9: Hier wollte der Eigentümer, Andreas Jahn Immobilien, Wohnungen leer bekommen, indem er massiven psychischen Druck auf die Mieter ausübte. Als das alles nichts half, engagierte er einen aus dem Drogenmilieu kommenden Schläger, der die Mieter mit Waffen bedrohte. Glück im Unglück war, daß bevor noch Schlimmeres passierte, der Schläger selber einem Mordanschlag zum Opfer fiel.

Die Regierung hätte eigentlich die Aufgabe, die Interessen der Bevölkerung zu vertreten, aber was tut sie stattdessen? Beispielsweise verlaufen Bußgeldverfahren gegen Leerstand aufgrund gesetzlicher Regelungen überwiegend im Sand. Durch Eigentümerwechsel müssen Verfahren immer wieder neu angesetzt werden und bis es endlich zu einer richterlichen Entscheidung kommen kann, hatten die Eigentümer oft genug Zeit anderweitig vollendete Tatsachen zu schaffen. Allein durch die Mitteilung eines angeblichen Sanierungsvorhabens muß der Leerstand in der Regel für ein 1/2 Jahr genehmigt werden.

Desweiteren wird die Abschaffung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung durch den Senat vorbereitet. Das bedeutet, den Leerstand zu legalisieren.

Die Verantwortung des Senats, regulierend in den Wohnungsmarkt einzugreifen, wird auch durch die geplante Abschaffung des Belegungsbindungsgesetzes abgelegt. Das bedeutet die Aufhebung des sozial gebundenen Wohnraums und den Wegfall von Wohnberechtigungsscheinen. Somit ist der Wohnungssuchende der Willkür seines Vermieters preisgegeben. Das bedeutet, daß sozial Schwächere (Alleinerziehende, Rentner, Behinderte u. a.) auf dem "freien" Wohnungsmarkt mit anderen Besserverdienenden konkurrieren müssen. Der, vom Senat immer versprochenen "Schutz der Bevölkerung vor Verdrängung" und "Erhalt der bestehenden Sozialstrukturen" ist so keineswegs durchzuführen.

Gemeinsam sind wir stark Bundesbauminister Töpfer plant einerseits den Wegfall von Sozialmieten, andererseits werden Leute, die das Geld haben sich ihren eigenen Wohnraum zu kaufen weiterhin subventioniert. Aber noch gibt es ein Mietrecht, das Betroffenen relativ gute Chancen im Kampf gegen die Machenschaften der Eigentümer einräumt. Die Chancen werden entsprechend größer, wenn die Mieter sich zusammenschließen. In jedem Fall sollte eine Mieterberatung aufgesucht werden, um sich über Möglichkeiten und Rechte zu informieren, denn nur ein unwissender Mieter ist ein "guter" Mieter für den Vermieter. Ein Anfang wäre, Mieterhöhungen, Modernisierungsankündigungen und Betriebskostenabrechnungen auf ihre Richtigkeit überprüfen zu lassen. Oft sind diese haltlos, weil formale Fehler vorliegen oder der rechtliche Rahmen nicht eingehalten wird. Beispielsweise werden oft Müllentsorgungen ohne rechtliche Grundlage in Rechnung gestellt oder Instandsetzungen werden als Modernisierungen verkauft. In jedem Fall sind aber gesetzlich festgelegte Fristen einzuhalten.

Schließen sich BewohnerInnen eines Hauses zusammen, um gemeinsam zu handeln, wird das nicht gern gesehen. Kriminalisierung oder Schikanen wie in den oben beschriebenen Fällen in der Rigaer Straße sind in vielen Mietshäusern Berlins inzwischen Alltag. Es ist offensichtlich, daß der Senat nur eine Lobby der Hauseigentümer und Spekulanten ist, denn wer sonst ist für diese Politik verantwortlich. Doch noch aggresiver geht der Senat gegen besetzte Häuser vor. Hausbesetzungen, die eine Problemlösung für Leerstand und Wohnungsnot darstellen, werden durch die Berliner Linie (einem Senatsbeschluß aus den 80er Jahren) verhindert. Nebenbei wurde auch der Teil der Berliner Linie, der den Schutz altbesetzter Häuser beinhaltet, von Innensenator Schöhnbohm außer Kraft gesetzt. Seit seinem Amtsantritt wird gegen Menschen, die der Meinung sind, daß Wohnen ein Grundrecht ist und nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf, besonders repressiv vorgegangen. Hier eine Auflistung fadenscheiniger Räumungsrechtfertigungen aus dem Flugblatt "daily terror":

"Die Palisadenstr. 49, die seit 6 Jahren durchgehend besetzt war, wurde von der Polizei als Neubesetzung (die sog. "Berliner Linie" besagt, daß nur Häuser, die kürzer als ein Jahr bewohnt sind, geräumt werden können!) deklariert, obwohl die Bewohnerlnnen nachweislich jahrelang im Haus gewohnt haben."

"Die gleiche Lüge wurde in der Kreutziger Str. 21 benutzt. Die Bewohnerlnnen des Hauses standen mit den Eigentümerlnnen (eine Erblnnengemeinschaft) in Verhandlungen, das Haus genossenschaftlich zu kaufen. Drei Tage vor Vertragsunterzeichnung wurden sie auf die Straße gesetzt, nachdem eine vermummte Spezialeinheit der Polizei die Eingangstür aufgesprengt hatte, um das Haus mit Schußwaffen in der Hand zu stürmten."

"In der Kleinen Hamburger Str. 5 wurde eine Frau gerichtlich rausgeklagt. Die Verantwortlichen schlossen von sich auf andere und behaupteten, sie würde alleine das ganze Haus bewohnen, obwohl mehrere andere Personen weit über ein Jahr dort angemeldet waren." "Die Linienstr. 158/159 wurde wegen angeblicher Baumängel und Gefährdung der Bewohnerlnnen baupolizeilich gesperrt."

"Das gleiche passierte in der Kinzigstr. 9, VH. Obwohl die Baupolizei nach einem Brandanschlag auf die K9 im Frühling "96 keine baupolizeilichen Mängel beanstandet hatte (lediglichdie zwei ausgebrannten Wohnungen wurden gesperrt), wurde das Haus ein halbes Jahr später wegen baupolizeilicher Mängel geräumt. Offensichtlich war die baupolizeiliche Sperrung als vorgeschobene Begründung für die Räumung geplant, denn schon vor der baupolizeilichen Begehung standen Polizeihundertschaften und schweres Räumgerät am Wismarplatz, nur ein paar Ecken weiter, zum Einsatz bereit"

"Die Marchstr./Einsteinufer waren seit 7 Jahren besetzt. Einige der BewohnerInnen waren dort Iänger als ein Jahr gemeldet. Nach der Räumung im August "96 behauptete beispielsweise Staatssekretär Kuno Böse auf einer Innenausschußsitzung, es sei geräumt worden, da Menschenfallen die Eigentümerlnnen der Henning von Harrlesen GmbH (HvH) massiv daran gehindert hätten, das Haus zu betreten, ohne daß die HvH ihr Leben riskiert. Bei der Räumung wurde von der Polizei das Dach, die Öfen und die Fenster zerstört (auch in anderen Häusern ist so etwas passiert). Damit sollte das Haus unbewohnbar gemacht werden. Aber das war noch nicht alles: Nachts um zehn Uhr ließ die HvH die Wandgemälde überpinseln, als bekannt wurde, daß einen Tag später auf der BVV beantragt werden sollte, die Häuser wegen der Gemälde unter Denkmalschutz zu stellen. Die einzige Möglichkeit, wieder in das Haus zurückzukehren, wurde durch den gelegten Brand im Dachgeschoß des Einsteinufers zunichte gemacht: Mit der Begründung der Unbewohnbarkeit durch den Brand wurde die einzige zugelassene Klage einer Bewohnerin gegen die Räumung vor Gericht verloren. Es ist wohl der Gipfel der Frechheit, daß die BrandstifterInnen in Kreisen der Besetzerlnnenszene gesucht werden, da das Haus gleich nach der Räumung mit Sitex (Versiegelungsfirma) abgesichert war. Noch bis heute hat die HvH keine Abrißgenehmigung, obwohl das zumindestens eine der Voraussetzungen (neben Räumungstitel) gewesen wäre, räumen zu können."

Und es ging weiter. Am 21. Mai 1997 wurde das Hinterhaus der Niederbarnimstraße geräumt. In dem Haus befand sich eine Kiezküche, ein unkommerzielles Hofkino war gerade im Entstehen. Als Räumungsgrund wurde unter anderem ein Sanierungsvorhaben der WBF angegeben. Da die WBF das restitutionsbehaftete Haus lediglich verwaltet wird sie kein Geld in die Sanierung stecken. Somit erweist sich diese Räumungslegitimation als äußerst fadenscheinig. Bauarbeiten haben nicht begonnen. Auch fast alle anderen geräumten Häuser stehen nach wie vor ungenutzt leer. Eine Wende dieser CDU/SPD-Senatspolitik ist noch nicht in Sicht.

ASOG statt Menschenrecht Das Berliner ASOG (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz ) besagt, daß an bestimmten (öffentlichen ) Orten die Polizei ohne konkreten Verdacht oder Anhaltspunkt für eine Gefährdung oder eine Straftat, Menschen kontrollieren, durchsuchen, fotografieren oder Sachen beschlagnahmen kann. Sie kann Platzverweise erteilen und Fingerabdrücke abnehmen. Um diese Maßnahme durchzuführen, kann sie Leute auf Polizeidienststellen bringen. Wo diese gefährlichen Orte sind, bestimmt die Senatsverwaltung für Inneres in Zusammenarbeit mit der Polizei, ohne politische Kontrolle. Es kann also jede(n) treffen, aber es trifft nicht jede(n). Gezielt werden Randgruppen schikaniert. So werden beispielsweise Obdachlose selbst bei Minusgraden am Stadtrand ausgesetzt. Menschen mit ausländischen Aussehen werden pauschal zu Drogendealern erklärt. So wurde ein afrikanischer Mann auf dem Breidscheidtplatz grundlos festgenommen und mißhandelt. Dies kam nur ans Licht der Öffentlichkeit, weil er Botschaftsangehöriger war. Doch dies ist kein Einzelfall sondern Normalität. Durch groß angelegte Polizeieinsätze wird BeobachterInnen suggeriert die Polizei gehe gegen besonders gefährliche Kriminelle vor, da sie sonst nicht solche unverhältnismäßige Mittel anwenden würde.

Die Vertreibung aus der Innenstadt spiegelt sich in den Überlegungen von Geschäftsleuten, öffentlich Räume zu privatisieren bzw. in der Forderung des Immobilien- und Kosmetikkonzerns Douglas Holding (Inhaber von drospa), daß Innenstädte wie Einkaufszentren zu managen wären. Diese Forderungen werden untermauert vom Berliner Innensenator Schönbohm für den Berlin die "Mitte Deutschlands in der Weltöffentlichkeit repräsentiert". Dreck, Schmutz und "Herumlungernde" (Ausdruck der Deutschen Bahn AG für Obdachlose) stören dabei nur und müssen aus dem Blickfeld verschwinden. Mit der Installierung von ca. 25 gefährlichen Orten durch die Polizei und der erklärten "Säuberung" der Innenstadt von "geschäftsschädigenden Personen", sollen alle verschwinden, die nicht kaufwillig oder -fähig sind. Und so wird durch Kriminalisierung oder Polizeiknüppel öffentlicher Raum privatisiert. Mit Hausrecht in dem einen (privat) mit dem Platzverweis im anderen Falle (Polizei) werden Straße und Plätze auf Geschäftsinteressen zugeschneidert. Staatliche und wirtschaftliche Macht definieren gemeinsam, was sozial erwünscht bzw. unerwünscht ist. Damit sind soziale Fragestellungen vom Tisch, es geht um den "Standort Berlin", um die deutsche Hauptstadt, um die Beseitigung der Armen und nicht der Armut.

Entschuldigung für die Masse an Information, aber würde man alle Fälle zusammentragen wie in diesem Lande Unrecht zu Recht wird, würde dies wesentlich mehr Seiten füllen, als die Bibel oder das Bürgerliche Gesetzbuch hat.

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