Es gibt keine Alternative zur Interim

Bewegung ist die einzige Lösung, alles andere ist Quark

Eine öffentlichen Redaktionssitzung.

Letzte Woche Donnerstag fand ein bisher einmaliges Ereignis statt. Auf dem Alex und vor der Volksbühne traf sich in aller Öffentlichkeit eine Redaktion der Interim. Wohlgemerkt versammelte sich dort nicht DIE Redaktion der Zeitung, die es ja nicht gibt, aber eben eine, die sich spontan zusammengefunden hatte, frei nach dem Motto des Nachmittags: Sind wir nicht alle ein bißchen Interim?

Ein Redaktionstisch war aufgebaut worden. Dort saß die Redaktionsgruppe, die sich mit ihrer Arbeitskleidung in Schale geworfen hatte: T-Shirts mit dem Aufdruck Interim-Team. Papier und Schreibmaschine und sogar eine Druckmaschine standen bereit. Mikrophone und eine Verstärkeranlage sorgten dafür, daß die Umgebung von den Themen und Inhalten am Tisch etwas mitbekommen konnte. Nach einer Musik- und Hörspielcollage vom Band über das Leben mit und ohne "Zwischenlösung" und einigen einführenden Worten, kam dann endlich der Mensch mit dem Postkasten und den eingegangenen Artikeln auf die Sitzung. Als erstes machten sich natürlich alle über die Schokolade und Schokoküsse her, bevor zur Sichtung des Schriftmaterials übergegangen wurde.

Drei Schwerpunktthemen kristallisierten sich heraus, die Innenstadttage, die kommenden Castortransporte und die aktuellen Ereignisse in Amsterdam zum Eu-Gipfel. Nebenbei tauschte man/frau sich u.a. noch über das Schönbohm-Meister-Proper-Plakat und die Wandbemalung zu Landowskys Rattenzitat aus und diskutierte über Comix, Lindenstraße und Layout. Die Schoki wurde teilweise kollektiviert und so manches Witzchen gerissen. Zwischendurch gab der Frauenchor noch ein Ständchen zum besten: jupeidi und jupeida Hausdurchsuchung Razzia... An Rande des ganzen Happenings wurde ein Flugblatt verteilt, das interessierte und desinteressierte Abendbummler Innen über die Durchsuchungen, das Thema Castortransporte und Wurfanker als ein wichtiges Thema in der Interim informierte. - Alles sehr nett. - Und verständlicher Weise kam die neue Ausgabe der Interim dann auch erst Freitag auf den Ladentisch.

"Sind wir nicht alle ein bischen Interim?"

Jetzt könnte Mensch an dieser Stelle fragen, wozu diese vielen Zeilen und Beschreibungen über ein Ereignis, was doch ehe alle mitbekommen haben, weil sie da waren oder es in der taz vom Samstag gelesen haben. Und damit dieser Beitrag nun weitergeht, sich nicht in einem einfachen Reisebericht vergallopiert und endlich zum wesentlichen Punkt seines Inhalts kommt, sei diese Frage nun hier an dieser Stelle einmal gestellt.

Also erst einmal für die vielen interessierten Leser Innen, die in den verstreuten Winkeln des Landes wohnen, radikaler Weise keine taz lesen und von daher zur kleinen Premierenveranstaltung auf dem Berliner Alexanderplatz nicht anwesend sein konnten. Grund genug, könnte man sagen.

Zum anderen für all diejenigen, die nicht rechtzeitig ihren Termin im Schwimmbad am Donnerstag Abend absagen konnten und danach verständlicher Weise doch zu müde waren noch zur Volksbühne zu kommen. Ein aufrichtiges Lob gilt natürlich allen denjenigen, die (wie ich selbst) weder Kosten noch Mühe gescheut haben am Donnerstag eine weite Reise zum wichtigsten Ereignis der Interim-Team-Fan-Gemeinde vor der Sommersonnenwende zu unternehmen.

Nach diesem kleinen Seitensprung mal Klartext: Am Alex waren etwa 200 Leute aus der linksradikalen Szene UND DAS FAND ICH GANZ SCHÖN WENIG!

Da führen der Staat und Landesregierung mit ihren Schergen eine der größten Aktionen der letzten Jahre gegen UNS durch, durchwühlen WGs und lassen eine Druckerei mit der druckfrischen Ausgabe unserer linksradikalen Wochenzeitung hochgehen und aus Protest versammeln sich nach einer Woche 200 Leute in der Stadt. Wenn die Leute, die das kleine Theater am Alex vorbereitet haben, sich nicht so viel Mühe gegeben hätten, wäre die Sache wohl zur radikalen Posse geworden.

Die spontane VV war so gut besucht, wie schon lange keine mehr - ein erfreulicher Anfang. Auf dem Folgetreffen dezimierte sich die Runde dann schon erheblich und es fixierte sich alles auf eine "große" Protestveranstaltung. Daß dann auf diese zentrale Veranstaltung gerade einmal soviel kommen wie auf der VV, emfinde ich als eine große Enttäuschung. Es wäre doch wichtig gewesen, in der Öffentlichkeit zu zeigen, daß wir nicht so einfach mit uns machen lassen.

Raus auf die Straße, das ist doch immer unser Motto. Und, daß von dem Date viele nichts mitbekommen haben, kann ich angesichts dessen, daß sogar die taz tagelang immer wieder was zum Thema gebracht hatte, nicht glauben. Das ist natürlich jetzt sehr moralisch, aber die Aktion "öffentliche Redaktionssitzung gibt einem zum bitteren Anlaß nicht unbedingt das Gefühl einer gewissen Stärke und Sicherheit in der Szene.

Abgesehen von der moralischen Klage geht es hier auch um eine Bewertung dessen was abgegangen und auch was weiter möglich ist. Der Rückhalt der Interim in der Szene hat ganz deutlich seine Grenzen aufgezeigt. Die Zeitung ist nicht nur inhaltlich nur so gut wie die Szene sie macht, sondern sie ist eben auch vor der staatlichen Repression nur so sicher wie sie politisch in der Öffentlichkeit von der Szene vertreten wird (abgesehen von der Qualität der Konspirativität). Dieser Umstand dürfte für die an dem Projekt in irgend einer Weise beteiligten Leute nicht unbedeutend sein.

Und nun zum Abschluß noch zwei Feststellungen und eine Fragen, eigentlich nichts miteinander zu tun haben:

Zeitungen für den reinen Konsumgebrauch gibt es in dieser Stadt genug!

Mensch oder Interim?

Was kommt, wird sich zeigen!

Quincy

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