 Am 1. September 1997
            eröffnete Gertrud Müller, Überlebende des
            Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, die
            Wanderausstellung „Schwestern vergeßt uns
            nicht. Frauen im Konzentrationslager: Moringen,
            Lichtenburg, Ravens-brück 1938-1945“. Begleitet
            wurde diese Ausstellung von Veranstaltungen u.a. mit Ceija
            Stojka, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz,
            Bergen-Belsen und Ravensbrück sowie von verschiedenen
            filmischen Biographien überlebender Frauen.
            Ausstellung und Veranstaltung sollten den Überlebenden
            des Frauenkonzentrationslagers (FKL) Ravensbrück
            Gehör verschaffen und den Toten einen Platz in unserer
            Erinnerung einräumen.
Am 1. September 1997
            eröffnete Gertrud Müller, Überlebende des
            Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück, die
            Wanderausstellung „Schwestern vergeßt uns
            nicht. Frauen im Konzentrationslager: Moringen,
            Lichtenburg, Ravens-brück 1938-1945“. Begleitet
            wurde diese Ausstellung von Veranstaltungen u.a. mit Ceija
            Stojka, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz,
            Bergen-Belsen und Ravensbrück sowie von verschiedenen
            filmischen Biographien überlebender Frauen.
            Ausstellung und Veranstaltung sollten den Überlebenden
            des Frauenkonzentrationslagers (FKL) Ravensbrück
            Gehör verschaffen und den Toten einen Platz in unserer
            Erinnerung einräumen.  
            Wir, die Organisatorinnen dieser Veranstaltungsreihe,
            möchten im folgenden unseren Eindruck vom Verlauf der
            Ausstellung und der bisherigen Veranstaltungen schildern.
            Im Anschluß daran folgen Ausführungen zu unserem
            Ansatz und zur Kritik an der Veranstaltungsreihe. 
            Zum Verlauf   
            In der Eröffnungsveranstaltung bot Gertrud
            Müller, zur Zeit Ehrenvorsitzende der
            Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V., den
            zahlreich erschienenen Besucherinnen Gelegenheit, etwas
            über die Geschichte des Frauen-Konzentrationslagers
            Ravensbrück sowie Fragen zur Ausstellung zu stellen.
            Sie führte die Teilnehmerinnen durch die Ausstellung,
            erläuterte und ergänzte einzelne Biographien und
            erzählte von ihren Erfahrungen nach 1945. Zur
            Ausstellungseröffnung kam auch Anni Wadle,
            Überlebende des Konzentrationslagers Moringen und
            Widerstandskämpferin, die ebenfalls den jüngeren
            Besucherinnen von ihren Erfahrungen berichtete. Anni
            besuchte dieVeranstaltungen regelmäßig und war
            immer offen für unsere Fragen. Gertrud Müller
            ging auch auf die Situation der Gedenkstätte des
            ehemaligen Frauen-KZ Ravens-brück ein. Wiederholt hat
            diese Gedenkstätte mit finanziellen Schwierigkeiten zu
            kämpfen. Dabei wird die Marginalisierung weiblicher
            Opfer des Nationalsozialismus immer wieder deutlich. Es
            besteht weiterhin die Forderung nach Einbeziehung von
            Überlebenden in die Planungen sowie Gestaltung der
            Gedenkstätte und in die Auswertung der
            Forschungsergebnisse. Gertrud Müller wies u.a. auf die
            fortbestehende Forderung der Lagergemeinschaft an Siemens
            nach Entschädigungszahlungen hin. Diese Forderung
            erhält vor dem Hintergrund der diesjährigen
            Feierlichkeiten zum 150jährigen Bestehen Siemens in
            Berlin eine verstärkte Aktualität. Bis heute hat
            Siemens sich nicht zu einem Schuldeingeständnis
            bewegen lassen; bis heute leugnet der Konzern seine aktive
            Rolle im Nationalsozialismus als Rüstungsbetrieb.
            Außer wenigen geringfügigen Zahlungen und leerem
            Gerede über die bleibende Verantwortung jetziger und
            künftiger Generationen für die Verbrechen des
            Nazi-Regimes ist von den Vertretern dieses Konzerns auch
            nach über 50 Jahren nichts Wesentliches zu diesem
            Punkt zu vermelden. Leider konnten wir aufgrund der
            Geschäftsordnung der Stadtbücherei nicht - wie
            vorgesehen - mit einem Plakat, das zum Boykott Siemens
            aufruft, im Rahmen der Ausstellung Position beziehen.
            Solche eindeutig politischen Stellungnahmen sind in
            öffentlichen Räumen nicht erwünscht. Dies
            ist der Preis für die Möglichkeit, mit dem Ort
            „Stadtbücherei” ein breites Spektrum von
            BesucherInnen zu erreichen. Die Lesung mit Ceija Stoika und
            ihrer Schwiegertochter Nuna wurde optisch begleitet. Ceija,
            die nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Malerin ist,
            hatte einige ihrer Ölbilder mitgebracht; Bilder, die
            ihre Erinnerungen an das Wanderleben ihrer Familie, an die
            Repressionen durch die Nationalsozialisten und die Zeit im
            Konzentrationslager zum Thema haben. Ceija las aus ihrem
            Buch „Wir leben im Verborgenen“, in dem sie ihr
            Leben als Rom, ihre Verfolgung und ihre KZ-Haft als Kind
            beschreibt. 
            Noch vor Beginn der Veranstaltung haben wir uns
            entschlossen, eines dieser Bilder als Gruppe zu kaufen,
            woraufhin Ceija uns ein weiteres schenkte. Nun sind wir
            noch auf der Suche nach einem passenden, öffentlich
            zugänglichen Ort, um mit diesen Bildern in Kiel eine
            weitere Erinnerung an die Verfolgung von Roma und Sinti zu
            installieren. Die Veranstaltungen mit Gertrud und Ceija
            sowie die Gespräche mit Anni Wadle haben uns deutlich
            gemacht, wie wichtig die Begegnung mit Zeitzeuginnen ist.
            Ihnen, die die Auswirkungen des nationalsozialistischen
            Terrors am eigenen Leib erfahren mußten, Fragen
            stellen zu können, mit ihren Antworten die eigene
            Position finden und differenzierter formulieren zu
            können, durch sie eine konkretere Vorstellung von den
            historischen Ereignissen und der Gefahr, die der Faschismus
            darstellt, bekommen zu dürfen, wird eine Erfahrung
            sein, die uns und sicherlich auch die Besucherinnen
            nachhaltig beschäftigen wird. 
            An einem Abend war die Ausstellung speziell für
            Migrantinnen, Jüdinnen, Schwarze Frauen und Roma- und
            Sinti-Frauen geöffnet, womit wir Raum für einen
            Austausch aus der Sichtweise von Frauen, die heute mit
            Rassismus, Sexismus und Antisemitismus konfrontiert sind,
            schaffen wollten. Leider wurde dieser Termin nur von
            wenigen wahrgenommen. 
            Erinnern und Mahnen 
            Der erste Teil der Veranstaltungsreihe wurde mit einem
            Gespräch, zu dem wir alle interessierten Frauen
            eingeladen hatten, abgeschlossen, das wir mit einem
            fiktiven Dialog, in dem unsere Gedanken zum Thema  Gedenken-Erinnern-Mahnen enthalten
            waren, und einigen Aufnahmen von der Gedenkstätte des
            ehemaligen KZ Ravensbrück, einleiteten. Wir waren
            positiv überrascht von der Gesprächsbereitschaft
            und der Offenheit der Teilnehmerinnen, die ebenso wie wir
            mit der Frage beschäftigt waren, wie unser Wissen in
            Handeln umgesetzt werden kann und welche Form des Gedenkens
            sinnvoll ist.
Gedenken-Erinnern-Mahnen enthalten
            waren, und einigen Aufnahmen von der Gedenkstätte des
            ehemaligen KZ Ravensbrück, einleiteten. Wir waren
            positiv überrascht von der Gesprächsbereitschaft
            und der Offenheit der Teilnehmerinnen, die ebenso wie wir
            mit der Frage beschäftigt waren, wie unser Wissen in
            Handeln umgesetzt werden kann und welche Form des Gedenkens
            sinnvoll ist. 
            Standen in den vorangegangenen Veranstaltungen die Opfer
            und die Überlebenden des Nationalsozialismus im
            Vordergrund, so war  dieses Gespräch ganz davon
            bestimmt, daß sich hier zumeist Frauen aus der
            Nachfolge der TäterInnengruppe trafen. Im Mittelpunkt
            stand der Austausch der Erfahrungen, die die Besucherinnen
            mit ihren Ansätzen, sich mit dieser Zeit
            auseinanderzusetzen, gemacht hatten. Von der
            Aggressivität im Elternhaus in bezug auf dieses Thema,
            vom Schweigen, Verdrängen und diffusen
            Schuldgefühlen sowie Ratlosigkeit war hier die Rede.
            So erzählten ältere Teilnehmerinnen, daß
            sie sich jetzt erst mit ihrem Schweigen (aus Scham)
            über das nationalsozialistische System, das sie selbst
            noch erlebt haben, beschäftigen. Jüngere Frauen
            berichteten von dem Verhalten ihrer Eltern und dessen
            Auswirkungen auf die spätere Einstellung der
            Töchter, die erst heute deutlich werden. Die
            Notwendigkeit, mit anderen über die Konsequenzen der
            Geschichte des Faschismus zu reden, die eigenen
            Anknüpfungspunkte zum Beispiel in der
            Beschäftigung mit Alltagsgeschichte zu finden und sich
            weiterhin den Überlebenden zuzuwenden, wurde von
            vielen gesehen. Die Umsetzung dieser Einsichten in
            handelndes Eingreifen wird sicherlich für jede anders
            aussehen und für jede auch sehr eigene Grenzen und
            Möglichkeiten haben und gerade deshalb ist eine
            anhaltende öffentliche Auseinandersetzung von Frauen
            spannend und wesentlich. 
            Zu unserem Ansatz und zur Kritik der
            Veranstaltungsreihe 
            Wir hoffen, eine über den Zeitraum der Ausstellung
            hinausreichende Diskussion über das Verhältnis
            von Frauen zur nationalsozialistischen Vergangenheit
            angeregt zu haben - eine Diskussion, die in feministischen
            bzw. frauenorientierten Zusammenhängen trotz der
            bislang zahlreich erschienen Literatur noch nicht sehr
            intensiv geführt wird. Uns stellen sich zu diesem
            Thema nicht nur historisch orientierte Fragen wie
            beispielsweise die Frage nach dem Anteil von Frauen an den
            Verfolgten des Nationalsozialismus oder die Beteiligung von
            Frauen auf der TäterInnenseite. 
            Verbunden mit solchen Fragen ist für uns auch die
            Debatte um die Position von Frauen im herrschenden,
            patriarchalen System, die Verantwortung von deutschen
            Frauen an der immer noch ausstehenden politischen
            Konsequenz aus dem Wissen um das nationalsozialistische
            Terrorregime. Vor diesem - auf die Gegenwart bezogenen -
            Hintergrund verstehen wir auch die Tätigkeit des
            Gedenkens an die Opfer des deutschen Faschismus. Ebenso wie
            die Ausstellung selbst waren die Vortrags- und
            Filmveranstaltungen bestimmt von einem biographischen
            Zugang zu diesem Abschnitt deutscher Geschichte. 
            Daß wir diesen Zugang wählten, ist nicht
            zufällig, sondern entspricht z.T. unserem
            persönlichen Herangehen an die Geschichte des
            nationalsozialistischen Terrors. Nicht abstrakte
            Zahlengebilde, theoretische Ausführungen oder
            distanzierte Beschreibungen historischer Abläufe
            allein sind in der Lage, uns, den
            „Nachgeborenen“, einen Eindruck davon zu
            verschaffen, was das nationalsozialistische System
            individuell zum Beispiel für jüdische Menschen,
            für Linke, für homosexuelle Frauen und
            Männer, für Roma- und Sinti oder für
            ZeugInnen Jehovas bedeutet hat. Der biographische Zugang
            bietet die Möglichkeit, anhand der Darstellung
            individueller Lebens-, Leidens- und Widerstandsgeschichten
            den Verallgemeinerungen von Geschichtsschreibung ein
            Gesicht zurückzuverleihen, an nationalsozialistische
            Geschichte heranzuführen, Vergleichbares und
            Unterschiedliches aufzuzeigen und die Wirkungen
            faschistischer Ver-folgungspolitik bis ins Alltägliche
            deutlich zu machen. 
            Ausgangspunkt für unsere intensivere
            Beschäftigung mit diesem Thema war für viele in
            unserer Gruppe eine Fahrt mit anderen FrauenLesben zur
            Mahn- und Gedenkstätte des ehemaligen FKL
            Ravensbrück in Fürstenberg
            (Brandenburg).1 
            Die Begegnung mit einem der historischen Tatorte der
            nationalsozialistischen Vernichtungspolitik
            veranlaßte einige Teilnehmerinnen, weitere
            Diskus-sionsmöglichkeiten zu suchen und führte
            zur Bildung des Kieler Frauen/Lesben-Arbeitskreises zum
            ehemaligen Frauenkonzentrationslager Ra-vensbrück.
            Dieser Arbeitskreis setzt sich aus Frauen zusammen, die aus
            feministischen, antifaschistischen und antirassistischen
            Zusammenhängen kommen. Wir sind mehrheitlich
            weiß, leben in Deutschland und verstehen uns
            überwiegend als „nachgeborene“ Frauen der
            Täter- und Täterinnengeneration. Mit unseren
            Veranstaltungen wendeten wir Frauen uns an andere Frauen
            und suchten mit anderen FrauenLesben die
            Auseinandersetzung. Dieses Vorgehen hat uns zum Teil
            heftigste Kritik eingebracht2 ; Kritik, die nicht nur von
            Männern, sondern auch von Frauen geäußert
            wurde und auf die wir hier nicht im einzelnen, aber im
            allgemeinen eingehen wollen. 
            Vorweg jedoch noch einmal eine Richtigstellung: die
            Ausstellung selbst stand innerhalb der Öffnungszeiten
            der Stadtbücherei allen interessierten Frauen und
            Männern, Mädchen und Jungen offen. Ein
            BesucherInnen-Buch bot allen die Möglichkeit, ihre
            Gedanken und Anregungen zu äußern. Die
            Abendveranstaltungen richteten sich an Frauen und
            Mädchen. Unser Anliegen war, Raum für Frauen und
            Mädchen zu schaffen, sich Geschichtliches anzueignen
            und einen Austausch und eine Auseinandersetzung zu finden.
            Das heißt nicht, daß wir uns außerhalb
            antifaschistischer Diskussionen sehen, sondern daß
            wir innerhalb der antifaschistischen Auseinandersetzung
            unseren Raum beanspruchen wollen. Und damit auch als
            „nachgeborene“ Frauen der Täter- und
            Täterinnengeneration zu unserer Verantwortung finden
            wollen. 
            Wir hoffen, mit unseren Veranstaltungen einen Beitrag zu
            dieser Auseinandersetzung geleistet zu haben und danken
            allen Beteiligten, den Referentinnen sowie den Besuchern
            und Besucherinnen für ihre Teilnahme. 
            Kieler
            FrauenLesben-Arbeitskreis 
            1Vergleiche das Interview in Enough
            is enough Nr.1. 
            2 Vergleiche Artikel in der 
            September-Ausgabe des Hempels.