Öfter mal einen runterhoolen

France '98. "Wir sind keine Fußballfans – wir sind deutsche Hooligans!" Gröhlend und mit Hitlergruß marschierten mehrere hundert Fußballbegeisterte aus Deutschland während des WM-Spiels Deutschland - Jugoslawien (2:2) durch die Straßen von Lens, da sie "sauer waren, weil sie keine Karten mehr bekommen hatten" (so Niedersachsens Innenminister Gerhard Glogowski). Doch plötzlich hält die Welt den Atem an, diese siebenhundert Fußballfans sind gewaltbereit: Hooligans. Und sie greifen die französische Polizei an. Ein Bulle, Daniel Nivel, bleibt auf der Strecke. Er soll von dem 27jährigen Hooligan Markus Warneke aus Hannover mit einem Tränengas-Abschußtrichter eines Polizeigewehrs vom Typ "Famas" ins Koma befördert worden sein, so die Bildzeitung. Die deutsche Regierung versucht zu retten, was zu retten ist: Der Verfassungsschutz bestreitet eine Verknüpfung und Überschneidung von Hooligans und Neonazis. Bundesinnenminister Kanther (CDU) schreit wie immer nach schnellen und harten Strafen und präsentiert ganz nebenbei seine mit erweiterten Kompetenzen ausgestattete alte/neue Bundespolizei BGS als große Hilfe im lückenhaften Überwachungssystem für die angeblich angeschlagene "Innere Sicherheit". Und der Rest der bierseeligen Republik ist betroffen, spendet Geld für die Familie des "armen" Polizisten und bejubelt den Sicherheitsstaat Deutschland.

Sapperlot, Hooligan, Pöbel und Gesocks als Inbegriff des häßlichen Deutschen. Natürlich wird nicht gesagt, daß die deutschen Hools schon seit den 70er Jahren zum Umfeld der organisierten Neonazis gehören. Seit den 80ern organisieren sie sich zum großen Teil in Fanclubs mit offen faschistischer Zielsetzung. Z.B.. war die Borussenfront/Dortmund eine Kameradschaft der faschistischen FAP und die Taunusfront/Hofheim gehörte zum JN/NPD Aktivistenkreis. Von diesen Clubs wurden dann auch Fanzines mit faschistischem und gewaltverherrlichendem Inhalt herausgegeben. Anfang der 90er Jahre verloren die Hools stark an Bedeutung, um sich nun mit Pauken und Trompeten zurückzumelden. Interessant dabei ist, daß gerade in dieser Zeit ein vermehrter Einfluß organisierter Faschisten und personelle Überschneidungen von Nazis und Hooligans zu verzeichnen ist. Himmel hilf, der arme Gendarm, 2facher Familienvater und jetzt halb totgeprügelt.

Auch spricht niemand davon, daß der Bulle nicht irgendein unbeteiligter war. Nivel ist Mitglied eines Sondereinsatzkommandos der französischen Nationalpolizei CRS. Die CRS ist für unverhältnismäßige Härte, Folterungen von Jugendlichen und ihre Nähe zum Front National (FN) bekannt. Ca. 48% des CRS in Paris sind bei den rechtsextremen Gewerkschaften Front National Police (Gewerkschaft des FN - inzwischen verboten) und der FPIP organisiert. Ende Februar letzten Jahres wurde das KP-Mitglied Gérad Collignon und dessen Lebensgefährtin in einem Pariser Vorort von mehreren Polizisten, die sich als FN-Mitglieder bzw. Symphatisanten herausstellten, gefoltert. Und wenn alle zwei Wochen Banlieu-Kids von eben diesen Polizisten ermordet werden, dann interessiert das scheinbar niemanden. Wenn aber ein französischer Bulle (Nazi?) von einem deutschen Nazi umgebracht wird, so schreit die geneigte Weltpresse zeter und mordio.

Was in der Berichterstattung allerdings auffällt, sind die immer gleichen Bilder mit schwarzgekleideten, vermummten Protagonisten. Oftmals wird neben Hooligan der Ausdruck Chaot benutzt. Es soll ein Bild von Autonomen, die Cops angreifen und Nazis sind transportiert werden. Da wird also die alte Totalitarismusthese aufpoliert und geschickt lanciert. Folglich wird sich die daraus entwickelnde Repression und die Sensibilisierung für Auseinandersetzungen mit der Staatsmacht als Konsequenzen in erster Linie für das linksradikale/autonome Spektrum nach sich ziehen. Offen ausgesprochen wird das auch schon, allerdings von Menschen deren Job nichts mit ihrer Gehirnmasse zu tun hat und die daher auf dumpfe kleinbürgerliche Weise das kundtun, was Kanther nicht sagen darf, aber gerne würde. So nutzte Beckenbauer seine Position, um kund zu tun: "Man kennt die Randalierer. Ob sie jetzt beim Castor-Transport oder bei der WM-Randale machen. Man sollte sich wirklich einmal Gedanken machen, wie man das verhindern kann." Getan hat das Michael "das Kinn" Schuhmacher: "Bei einem Tier geht man hin und schläfert es ein. Vielleicht sollte man das Gleiche da auch tun."

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