Interview mit dem Bündnis gegen Rechts (BgR) aus Leipzig

Wenig Sympathie für antifaschistische Arbeit

Leipzig. Ende 1995 entstand in Leipzig das Bündnis gegen Rechts (BgR), um angesichts des immer größer werdenden Terrors der Faschisten eine breitere Öffentlichkeit in den Widerstand miteinzubeziehen. Vor allem galt es ein kontinuierliches Gremium zu bilden, daß auch längerfristig und tiefgreifender planen und agieren sollte. Zu Hochzeiten funktionierte dieses Konzept, doch heutzutage ist das BgR fast ausschließlich mit autonomen AntifaschistInnen besetzt. Dennoch hat sich im Osten bislang keine erfolgsversprechende auf Öffentlichkeit ausgerichtete Antifa-Politik etablieren können, als die des BgR. Das BgR steht mit seiner Arbeit im Osten leider noch relativ "konkurrenzlos" da. EinSatz! hatte die Gelegenheit mit VertreterInnen des BgR über deren Arbeit und die Situation im Osten zu sprechen.

Eindeutige Bilder lieferten konsequente AntifaschistInnen am 1. Mai in Leipzig - Die NPD-Kundgebung hat dieser Staat ermöglicht. Seine Polizisten schützten die Faschisten!

EinSatz!:Ihr wart maßgeblich an der Vorbereitung der Aktionen gegen den NPD/JN-Aufmarsch bzw. die Kundgebung am 1. Mai 1998 in Leipzig beteiligt. Wie bewertet Ihr die Ereignisse an diesem Tag?

Bündnis gegen Rechts (BgR): Leider ist es nicht gelungen, den Nazi-Aufmarsch zu verhindern. Nachdem die IG-Metall gegen die Bündnisabsprachen verstieß und die Anmeldung für eine Kundgebung am Morgen des 1. Mai vor dem Völkerschlachtdenkmal im vorauseilendem Gehorsam zurücknahm, erschien vielen Antifas, aber auch einigen BesucherInnen des Konzerts Rock gegen Rechts, das am Vorabend des 1. Mai stattfand, eine Besetzung des Kundgebungsorts der Nazis nicht mehr möglich. Die Gruppen von außerhalb kamen meist zu spät, denn da war der Platz schon abgesperrt. Trotzdem ist der Tag als Erfolg für die Antifa zu bewerten. Es gelang, die Nazis an vielen Stellen zu behindern und aufgrund der großen Resonanz auf die Mobilisierung im Antifa-Spektrum – bei der sich spontan gebildeten Abschlußdemo am Nachmittag wurden 3000 TeilnehmerInnen geschätzt – konnten die Nazis nur eine dreistündige Kundgebung, anstatt eines Aufmarsches durch die Stadt abhalten. Die Stimmung bei ihnen soll nicht besonders gut gewesen sein. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von der Polizei geschützt werden mußten. Dies schien den Einsatzkräften nicht immer gelungen zu sein, so berichteten einige Medien und auch Nazis selbst von zahlreichen Angriffen auf Nazis, deren Busse etc. Im Gegensatz dazu gelang es den AntifaschistInnen bei den verschiedenen Kundgebungen und Straßenblockaden ein deutliches Zeichen gegen die Normalisierung von Nazi-Aufmärschen zu setzen. Der NPD/JN und ihrer Klientel dürfte der 1. Mai in Leipzig geschadet als genützt haben.

EinSatz!:Ihr habt bereits 1996 in Wurzen eine Demonstration mit 6000 AntifaschistInnen organisiert. Welche Entwicklung gab es seitdem im Osten?

BgR: Es hat sich nicht viel an dem geändert, was mit der Demonstration in Wurzen und der ihr vorangegangenen Kampagne erstmals einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde. In den "neuen Bundesländern" ist eine rechte Subkultur hegemonial. Es gibt kaum linke Zentren, im Gegensatz zu Nazis und ihrer Ideologie ist Antifaschismus und Antirassismus von der Bevölkerung isoliert und wird von den staatlichen Behörden alles andere als unterstützt. Als jüngstes Beispiel für diese Entwicklung läßt sich auf den Anti-Antifa-Konsens in Saalfeld und Thüringen verweisen, der bei den Demonstrationsversuchen in der Saalestadt augenscheinlich wurde. (In Saalfeld wurde sowohl im Oktober 1997 als auch im März 1998 mit einem breiten Bündnis versucht, Demonstrationen gegen den rechten Konsens durchzuführen. Die erste Demo wurde ganz verboten, die zweite lief unter absolut dreisten Auflagen im Polizeikessel. Anm. der Red.) Ein kleiner Unterschied zu der Zeit "vor Wurzen" besteht in der Rolle der NPD, welche sich die besagte Situation immer stärker zu nutze macht und sie natürlich mit vorantreibt. Und es gibt noch eine Veränderung. Mittlerweile ist der Begriff der national befreiten Zonen ein gehyptes Medienstereotyp, wenn es um die Entwicklung im Osten geht.

EinSatz!:Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit anderen Antifa-Gruppen im Osten? Wie sind die Gruppen drauf, welche Perspektiven gibt es?

BgR: Mit dieser Frage wird ein wunder Punkt der BgR-Arbeit berührt. Natürlich gibt es eine Zusammenarbeit mit den kontinuierlich arbeitenden Gruppen im Osten, besonders denen aus der Region. Schwierigkeiten treten dort auf, wo verschiedene Arbeitsschwerpunkte aufeinander stoßen, zum Beispiel wenn Recherchegruppen mit dem eher kampagnenartigen Stil des BgR Probleme haben. Oft wird dem Bündnis gegen Rechts auch eine gewisse Überheblichkeit im Umgang mit anderen Gruppen vorgeworfen. Dies liegt sicherlich auch daran, daß unterschiedliche Erfahrungsschätze existieren, die nicht immer produktiv ausgetauscht werden. Prinzipiell ist das BgR zur Kooperation bereit, sähe es aber lieber, wenn sich diese anhand konkreter Kampagnen oder Projekte, zum Beispiel einer Regionalzeitung, festmachen und damit auch vertiefen würde. Die Vernetzung um der Vernetzung willen ist schon zu oft ander unterschiedlichen Arbeitsweise und der starken Fluktuation innerhalb der Gruppen gescheitert. Hier wird aber immer wieder neu überlegt.

Eine rechte Subkultur und ein Staat, der Faschisten schützt und fördert, sind der Nährboden für solche Bilder

EinSatz!:Ihr seid eine der wenigen Gruppen in den sogenannten neuen Bundesländern, die es geschafft haben, antifaschistischen Widerstand öffentlich zu machen und eine kontinuierliche Arbeit zu organisieren. Welche Probleme stellen sich dabei im allgemeinen?

BgR: Wie gesagt, es gibt nicht gerade ein großes Potential an Sympathie gegenüber antifaschistischer Arbeit. Besonders kompliziert gestaltet sich die Öffentlichkeitsarbeit, wegen der fehlenden Rudimente des liberalen Meinungsspektrums. In Sachsen ist die NPD stärker als die Grünen. Und die Mitglieder und SympatisantInnen der PDS sind leider nicht so links wie es die "Rote Socken"-Kampagnen der CDU weismachen wollen. Für Antifaschismus sind hier nur Einzelpersonen ansprechbar. Oder anders: Mit einem halbwegs fitten Redakteur der Süddeutschen Zeitung läßt sich besser reden, als mit einem Journalisten des Neuen Deutschland.

EinSatz!:Was hat das Bündnis gegen Rechts in der nächsten Zeit vor?

BgR: Gerade angesichts der Situation im Ostdeutschland ist das BgR nach jeder größeren Aktion zu einer ausführlichen Nachbereitungs- und Perspektivdiskussion gezwungen. Wir stecken also derzeit wieder einmal in so einem Selbstbestimmungsprozeß. Dabei geht es neber der immer notwenigen Gesellschaftsanalyse im allgemeinen unter anderem darum, die Möglichkeiten zu diskutieren, wie sich junge Leute wieder mehr mit Antifaschismus identifizieren können.

EinSatz!:Eine wichtige Frage nicht nur im Osten … Vielen Dank für das Interview.

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