Dritter Teil der EinSatz!-Serie zum Krieg — Die Zweite Front

Medien und Kosovo-Krieg

In dieser Ausgabe folgt der letzte Teil der EinSatz!-Serie zum Kosovo-Krieg. Im Mittelpunkt steht die mediale Heimatfront, an der während des Krieges gekämpft wurde. Von der "taz" bis zur "FAZ" waren sich in seltener Einmütigkeit alle einig: Gefordert wurde der "totale Friedenseinsatz" gegen die "serbischen Barbaren", den "irren Serben" und "Schlächter" (BILD) Milosevic.

Die Kriegsberichterstattung während des Kosovo-Krieges hat die Mechanismen und Funktionsweise der Medien deutlich hervortreten lassen. Denn dass Medien den herrschenden Konsens bedienen und reproduzieren ist eine Alltäglichkeit, die in Extremsituationen wie Kriegen nur allzu offensichtlich wird. Die Journalisten selbst werfen dann reihenweise ihr bürgerliches Ideal von der Pflicht zur "objektiven" Information zugunsten patriotischer Loyalität über den Haufen, um als vertrauenswürdig zu gelten. Das WIR das sie in ihren Berichten schaffen, schließt sie selbst mit ein. Aber während diese Feststellung auch auf die Berichterstattung während des ersten Weltkrieges passt, sind Medien in der heutigen kapitalistischen Informationsgesellschaft nicht nur verstärkter Konkurrenz unterworfen, in der die Ware Information zuallererst verkäuflich sein muß und Schnelligkeit zu den obersten Prinzipien gehört. Sie sind auch eingespannt in militärische und politische Strategien, die die Mediennutzung im Lauf der (Kriegs-)Geschichte immer weiter perfektioniert haben. So reicht der bloße Begriff der Propaganda heute nicht mehr aus. Vielmehr werden die Medien längst als fester Bestandteil der Kriegsführung miteingeplant.
Der Krieg im Kosovo galt dabei als gelungener Testfall für künftige "informations operations", einem elementaren Bestandteil der "Information Warfare-Strategie". Deren Ziel besteht in der Informationsüberlegenheit im weitesten Sinne: "Die Dominanz über das Informationsspektrum ist so entscheidend für einen Konflikt, wie in früherer Zeit die Besetzung eines Landes oder die Kontrolle über den Luftraum", so der amerikanische General Ronald R. Fogleman. Von der Überwachung des Schlachtfeldes per Satellit über die computerisierte Lenkung der militärischen Intervention bis hin zu den Massenmedien - entscheidend ist die Macht und Verfügungsgewalt über die erste Nachricht. Um dies durchzusetzen wurden während des Kosovo-Krieges teils traditionelle, teils moderne Techniken und Möglichkeiten genutzt. Was die Massenmedien anbelangt, wurden zu Beginn des Krieges teilweise widersprüchliche Informationen rund um dem Erdball geschickt. Davon aufgeschreckt, richteten Informationsspezialisten aus den Regierungsreihen am 17. April ein "Media Operations Center" (MOC) in Brüssel ein, das von Alastair Campbell, dem Blair-Berater, geleitet wurde. 20 PR-Spezialisten aus europäischen Regierungen und dem Pentagon arbeiteten im sogenannten "war-room" im NATO-Hauptquartier. Sie sollten die Statements der NATO und der alliierten Verteidigungsministerien koordinieren und angleichen. Mit sogenannten "morning massages", die gelegentlich mit "Heute morgen sollte klar sein..." begannen, wurden die Hauptstädte täglich mit frisierten Meldungen versorgt. Ergänzt wurde diese Arbeit durch psychologische Kriegsführung und Kampf gegen die Kommunikationsstruktur der Serben. Allein in den ersten fünf Wochen wurden 23 serbische Rundfunkstationen und ein Fernsehsender bombardiert.

Die mediale Heimatfront: Mitten drinn statt nur dabei.

Um die eigene Interpretation des Krieges zu vermarkten wurde mit Falschinformationen, Halbwahrheiten, verkürzten und gesperrten Informationen operiert. Die angeblichen "Konzentrationslager" und "Massenvergewaltigungen" waren ebenso wenig zu belegen wie die Existenz eines "Hufeisenplanes". Doch einmal gebrachte Meldungen wurden, wenn überhaupt, erst nachTagen dementiert - auf den hinteren Seiten der Auflagenstärksten Zeitungen. Zu diesem Zeitpunkt spielte dies dann keine Rolle mehr. Auch die blauäugige These, dass "das erste Opfer des Krieges die Wahrheit" sei, mit der verschiedene Medien warnten, bleibt letztlich wirkungslos, wenn dem Publikum vorher tagtäglich eingebläut wird, dass gegnerische Quellen, die schließlich von "Barbaren, Irren" oder gar dem "Hitler Milosevic" stammen, zuerst gegen den Strich gelesen werden müssen.
Besonders audiovisuelle Medien dienten als Instrumente der psychologischen Kriegsführung. Sie sind spätestens seit dem 2. Golfkrieg als essentieller Bestandteil der jeweiligen militärischen Apparate zu begreifen. Denn das Medium Fernsehen gaukelt z.B. die umfassende Sichtbarkeit der Welt und somit ein gewisses Maß an Transparenz vor. Doch Militär-Bilder, computerisierte Animationen, Bilder aus dem Kopf der Bombe, wo der Zuschauer in Echtzeit Angriffe mitverfolgen kann, und verschwommene Satellitenbilder zeigen nicht das reale Geschehen, sondern lassen es hinter den klinisch sauberen Inszenierungen verschwinden. Das Gebiet des Kosovo selbst war den Kameras entzogen, allenfalls dessen Resultate waren zu beobachten, wie beispielsweise die Masse der Vertriebenen. Die Fernsehberichterstatter, die Bilder benötigten, bezogen Stellung an den Flüchtlingslagern und lieferten von dort aus alltäglich ihre eigenen Bilder und Kommentare. Die Konsequenz: Keine Informationen über die Ursachen und Hintergründe, sondern subjektivistische Erlebnisberichte, die zur enormen Emotionalisierung der öffentlichen Diskussion beitrugen und so den Kriegstreibern in die Hände spielten.
Die militärischen Zentren, die selbst unsichtbar bleiben, konnten so über Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit sowie über die Deutungsmacht der Bilder entscheiden - und so schließlich entscheidend das Bewusstsein und den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Es geht also nicht mehr nur um pure Propaganda: Die Massenmedien stehen nicht mehr außerhalb des militärischen Apparates, sondern sind Teil desselben.

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