NPD plant zweiten Bundeskongress in Passau

Eine Stadt, ein Nazi-Treffen, eine Abrechnung

Passau. Wer antifaschistisch aktiv ist, kennt Passau zumindest vom Hörensagen. Denn die 50.000 Einwohner Kleinstadtidylle an der Grenze zu Österreich hat einiges zu bieten, was die Touristikbranche gerne unerwähnt lässt. Nicht nur, dass sich die CSU alljährlich am Aschermittwoch ihr Stelldichein in der blau-weißen Beschaulichkeit gibt. Die Passauer Nibelungenhalle, die die Nazis in den 30er Jahren erbauen ließen, gewährt regelmäßig auch Tausenden von Faschisten der DVU "Lebensraum" zur Verbreitung ihrer ultrarechten Hetze - und das seit fast 20 Jahren. Am 7. Februar 1998 setzten die "Kameraden" von der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) noch eins drauf und veranstalteten unter massivem Polizeischutz ihren Bundeswahlkongress in dem zentral gelegenen Teutonenbau. Passau steht also unter dem zweifelhaften Ruhm, alljährlich zum Wallfahrtsort mehrerer tausend Faschisten auserkoren zu werden.

Die NPD will die Standortvorteile der Stadt erneut nutzen. Am 27. Mai 2000 plant die Partei ihren zweiten Bundeskongress unter dem Motto: "Bewegung muss Partei ergreifen!" Damit will sie an das braune Großspektakel von 1998 anknüpfen und mit einem umfassenden Programm (Reden, Volkstanz, Ausstellungen, "Diskussionsrunden", Konzerte) wiederum die gesamte Nazi-Szene ansprechen. So soll neben dem "Zeitzeugen" Wilfried van Oeven und dem "Parteiführer" Udo Voigt auch der "Visionär" Horst Mahler referieren. Als besonderes Schmankerl präsentieren die Faschisten dann auch die neu geschaffene Möglichkeit, Österreichern die Mitgliedschaft in der NPD zu eröffnen. Zwar hat sich die Situation der NPD in den letzten beiden Jahren verändert, so dass die Teilnehmerzahl vor allem wegen der verärgerten Klientel aus den "Freien Kameradschaften", die den legalistischen Führungsanspruch der NPD in Frage stellen, geringer sein könnte. Dennoch wird diese Veranstaltung das größte Nazitreffen in diesem Jahr werden. Schon jetzt mobilisiert die NPD bundesweit mit Sonderseiten im Internet nach Passau, aus über 50 Städten sollen Busse kommen. Für die Braunen daheim soll der ganze Dreck live im Internet übertragen werden.

Dass die NPD nun versucht, in Passau eine zweite Großveranstaltung neben der DVU zu etablieren, verwundert nicht. Nicht nur, dass sie auf die günstigen Bedingungen zurückgreift, die die Stadt Passau und Monopolpresse geschaffen haben. Deren Reaktionen gegen die DVU bestanden nämlich über die Jahre hinweg aus Ignoranz und sinnlosen Klagen gegen die Hallennutzung, die nun selbst aus Imagegründen nicht mehr angestrengt werden bzw. in der Extremistenhatz gegen die Passauer Linke und Fortschrittliche untergehen. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: Die NPD kann sich im Polizeistaat Bayern sicher fühlen, wo nicht die Faschisten, sondern antifaschistischer Widerstand im Mittelpunkt der Zielscheibe steht.

Denn die Nazitreffen haben selbstverständlich auch linksradikalen Widerstand auf den Plan gerufen, der sich aber nie auf den Kampf gegen Nazis beschränkte, sondern gleich das ganze dahinterstehende System auf dem Müllhaufen der Geschichte sehen wollte. Zu Recht, wenn man bedenkt, dass die Faschisten ihre Anknüpfungspunkte mitten in der Gesellschaft vorfinden. Kapitalistisches Konkurrenzdenken, Nationalismus und Rassismus sind beispielsweise gesellschaftliches Allgemeingut, das in etwas abgeschwächter Form auch von Politikern der sogenannten "Neuen Mitte" zur Chefsache erklärt wurde.

So ist es auch kein Wunder, dass mit dem Widerstand plötzlich auch der Staat auf der Bildfläche erschien. Die Folge: Passau kann nicht nur als "heimliche Hauptstadt der Bewegung" (NPD-O-Ton) glänzen, sondern gleichzeitig auch das größte Verfahren gegen autonome AntifaschistInnen vorweisen: 39 AntifaschistInnen werden nach § 129 beschuldigt, spätestens seit 1993 eine "kriminelle Vereinigung" gebildet zu haben. Bekannt wurde dieser Vorwurf bereits vor zwei Jahren, am 12. Mai 1998, also kurz nach den Aktionen gegen den ersten NPD-Bundeskongress. Der Widerstand damals ging über das begrenzte autonome Spektrum weit hinaus. Die neu gegründete "Passauer Aktion Zivilcourage" (PAZ) sammelte mehrere tausend Unterschriften für eine Hallenblockade, zu der auch autonome AntifaschistInnen mobilisierten. Nazibusse wurden angegriffen, so dass viele Faschisten wieder kehrt machen mußten, nachmittags demonstrierten über 2000 AntifaschistInnen gegen Polizeistaat und rassistische Hetze, wozu die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/ BO) aufgerufen hatte. Ein Erfolg für den Widerstand also, der sich gerade durch seine Breite bewies. Eben dies soll durch die nachfolgende Kriminalisierung verhindert werden - eine Ausstrahlung linker Politik über die engen Grenzen hinaus. So wird mit dem Vorwurf nicht nur versucht, den gesamten Widerstand zu entpolitisieren, letztendlich soll er von der Bildfläche wieder verschwinden.

Dass dieses staatliche Vorgehen am besten durch die Fortsetzung der angegriffenen Politik und durch die öffentliche Thematisierung der Kriminalisierung bekämpft werden kann, zeigte sich beim § 129-Verfahren gegen die Autonome Antifa [M], das nach fünf Jahren wieder eingestellt werden mußte. Die AA/BO mobilisiert deshalb unter dem Motto "Antifaschistisch kämpfen! Kein Friede mit Kapitalismus und Polizeistaat!" am 27. Mai 2000 zu einer Demonstration nach Passau. Vormittags soll mittels einer Blockade der Zufahrtsstraßen und des Einganges der Nibelungenhalle Widerstand deutlich gemacht werden, nachmittags wird ein Straßenfest und ein HipHop-Konzert den antifaschistischen Aktionstag abrunden. Den Gegenaktionen kommt dabei doppelte Bedeutung zu: Sie richten sich einerseits gegen das größte diesjährige Nazitreffen und die knapp 20-jährige braune Kontinuität in Passau, sind aber auch Ausdruck der Solidarität mit den kriminalisierten AntifaschistInnen.

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