Ein Einzelfall, der keiner war.

BRD - auf dem Weg zum Millenium

Das Image der zuletzt so beliebten Bundeswehr wurde durch rechtsextremistische Vorfälle stark beschädigt. Kaum jemand redet noch von den "Rettern an der Oder", die Tag und Nacht unermüdlich Sandsäcke gestapelt haben. Die Diskussion dreht sich jetzt mehr darum, ob die Bundeswehr ein Anziehungspunkt für Nazis ist oder nicht. Angefangen hat die Diskussion damit, daß ein Video an die Öffentlichkeit kam, wo Wehrpflichtige Scheinerschießungen tätigten und Vergewaltigungen nachspielten. Dieses Video, gedreht von Teilen des "Gebirgsjägerbataillon 571" im sächsischen Schneeberg, sorgte für den ersten Skandal in der Presse. Hier fiel es Volker Rühe (Bundeskriegsminister) noch leicht die Sache als Einzelfall darzustellen. Da es sich hier ja nicht um Berufssoldaten handelt, sondern nur um läppische Wehrpflichtige. Als es in der Folgezeit fast täglich neue Berichte über die starke Truppe gab, wurde es immer schwieriger die Einzelfallthese aufrechtzuerhalten, denn hier und da hatten Soldaten erneut ein Video gedreht, sich bei Trinkgelagen den Hitlergruß gezeigt u.s.w.. Jetzt waren es nicht nur Wehrpflichtige, sondern auch Berufssoldaten, die in die Schlagzeilen kamen. Zu diesem Zeitpunkt hat Rühe aber keinen Versuch unternommen, diese Vorfälle ernsthaft zu untersuchen. Für ihn war es ausreichend, lediglich ein paar Soldaten zu entlassen. Auf die Idee, daß, diese angeblichen Einzelfälle strukturbedingt sind, kam er natürlich nicht. Zum endgültigen politischen Skandal kam es, als bekannt wurde das der Neonazi Manfred Roeder In der Führungsakademie (FÜAk) der Bundeswehr in Hamburg Blankenese einen Vortrag gehalten hatte. Der frühere Rechtsanwalt Manfred Roeder wurde verurteilt, da er bei einem Brandanschlag auf ein Haus beteiligt war, welches von einer vietnamesischen Familie bewohnt wurde. Bei diesem Anschlag kamen zwei Personen ums Leben. Nachdem Roeder aus dem Gefängnis entlassen wurde, stand er unter ständiger Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dies hielt die FÜAk allerdings nicht davon ab, gute Kontakte zu Roeder zu halten. So hat Roeder für seinen Verein dem "Deutsch- Russische Gemeinschaftswerk", mehrere Bundeswehrfahrzeuge erhalten, die er wochenlang auf dem Gelände der FÜAk parken durfte. Demnach sind die Argumente von Rühe und Co., Roeder hätte vor dem Vortrag nichts mit der Bundeswehr zu tun gehabt, schlichtweg totaler Müll.
Auf etlichen Faxen steht sein Name im Zusammenhang mit der Spende für seinen Verein. Und es fällt nicht schwer zu glauben, daß Roeder auf dem Gelände der FÜAk kein Unbekannter war. Denn auf das Herzstück der Bundeswehr kann nicht ein/e jede/r einfach raufspazieren und dort Fahrzeuge parken. So ist zu vermuten, das Roeder innerhalb der FÜAk eine Lobby hatte, die ihm auch den Auftritt vor Offiziersanwärtern ermöglicht hat. Wäre dies nicht so, ist es dann nicht verwunderlich, daß der Auftritt jahrelang als "geheime FÜAk-Sache" behandelt wurde?
Somit dürfte klar sein, daß es bei der Bundeswehr nicht nur total verblödete Wehrpflichtige sind, die Nachts durch die Straßen ziehen und ImmigrantInnen, Linke, und alle anderen die nicht in Ihr Weltbild passen, verprügeln oder anpöbeln, sondern das die Bundeswehr weiterhin auf allen Ebenen mit Faschisten durchsetzt ist. Das liegt zum einem an der Struktur dieser Armee: Es ist der deutlich hierachische Aufbau, bei dem für jede/n erkenntlich ist, wo er/sie steht. Es ist eindeutig, wieviel Macht in der eigenen Hand liegt, und wieviel Macht von oben nach unten ausgeübt werden kann. Von daher herrschen völlig offensichtliche Verhältnisse, wo es gar nicht nötig ist darüber nachzudenken ob sie richtig oder falsch sind. Das solche Strukturen eher von Menschen angenommen werden, die sich lieber in ein ebenso einfaches Weltbild fügen wollen, statt nachzudenken und selbst Verantwortung zu übernehmen, ist mehr als logisch.
Zum andern steht die Bundeswehr in der Tradition der Wehrmacht, die ihrer Zeit Handlanger des deutschen Faschismus war. Ein klarer Trennungsstrich zwischen Wehrmacht und Bundeswehr wurde nie gezogen. Das zeigt sich schon daran, daß viele Kasernen die Namen von Soldaten tragen die sich im zweiten Weltkrieg besonders hervorgetan haben. So wurden auch Kasernen aus der ehemaligen DDR, die meist Namen von AntifaschistInnen trugen, sofort umbenannt. Auch sie tragen jetzt Namen von sogenannten "Kriegshelden". So 
tragen 37 Kasernen die Namen von Offizieren aus dem dritten Reich, 40 weitere sind nach Eroberern früherer Epochen benannt.
Dies ist aber nicht die einzige Kontinuität, welche die Bundeswehr mit der Wehrmacht verbindet. Fakt ist, daß die Bundeswehr zumeist von ehemaligen Wehrmachtsgenerälen aufgebaut wurde und somit stehen viele Einheiten in deren direkter Tradition. Dies ist zum Beispiel ersichtlich durch die Bilder von "Helden der Kampfeinheit" in den Offiziersmessen, aber auch die Namen und Einheitssymbole sind die gleichen geblieben. So eine traditionsbewußte Einheit war auch das "Gebirgjägerbataillon 571", welches durch das erste Video bekannt wurde und nur ein Beispiel für viele Einheiten in der Bundeswehr ist.

 In diese Tradition reiht sich ebenfalls die "Neuorientierung" der Bundeswehr ein. Sie soll von der Verteidigungsarmee zur Angriffsarmee umfunktioniert werden. General Naumann (einer der höchsten Bundeswehroffiziere) wird dazu im Spiegel 5/95 folgendermaßen zitiert: "Nicht mehr reagierend verhalten, sondern agieren bis zum präventiven handeln". Präventiv ist in diesem Sinne vollkommen verfehlt, da es sich nicht um eine tatsächliche Bedrohung, der man zuvorkommen müßte, handelt, sondern um einen selbsterdachten Feind, der die eigenen Interessen nur legitimieren soll. Mit dem beschönigenden Ausdruck "präventives Handeln" ist also nichts anderes als ein möglicher Angriffskrieg gemeint. Gegen wen dieser geführt werden soll, ist in jedem Bundeswehrheft zu lesen, wie zum Beispiel: "die Information für die Truppe" (IfdT). In der Zeitschrift wird nicht nur für ein neues Bild des Soldaten geworben, der nicht mehr seine zivilen Ansichten in die Armee trägt, (und somit den angeblichen Spiegel der Gesellschaft darstellt) sondern sich auf das klassische Soldatentum bezieht. Zudem wird sich daran gemacht, endlich ein neues Feindbild zu schaffen. Da die sogenannten Ostblockstaaten keine militärische Gefahr mehr darstellen wird sich auf islamische Völker eingeschossen, die angeblich den imaginären Weltfrieden gefährden würden. Ließt man diese nett aufgemachte Broschüre weiter, so wird schnell deutlich, worum es wirklich geht: Die Sicherung des wirtschaftlichen Systems für alle Zeiten und auf allen Ebenen. Eine Armee, die ursprünglich unter dem Deckmantel der Verteidigung eines Landes geschaffen wurde, will jetzt das kapitalistische System in aller Welt militärisch sichern- und somit gleichzeitig die Grundlage deutscher Interessen. Daß im selben Atemzug Stimmen laut werden, die Bundeswehr auch in innenpolitischen Krisen einzusetzen, wirkt da nur konsequent.
Diese von der militärischen Führung erhobenen Ansprüche sind angeblich für Volkiboy völlig fremd. Er will vielmehr versuchen durch bessere politische Schulung der Wehrpflichtigen, rechtes Gedankengut aus der Bundeswehr rauszuhalten und aus unseren Junges richtige Saubermänner zu machen. Dies ist jedoch mehr als ein Phrase, da die Bundeswehr an sich in der Tradition der Wehrmacht steht und damit auch die Ideale der Wehrmacht aufgenommen hat. So ist der Vorschlag vom Bundesverteidigungsministerium (auch Hardthöhe genannt) mehr "Linke" in die Bundeswehr zu kriegen lächerlich, denn diese wissen schon, warum sie den Wehrdienst verweigern. Sie wollen nicht Mitglied in einer mörderisch starken Truppe werden.
Nachdem der politische Druck auf unseren Volker nun zunimmt - bedingt durch das Einsetzen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses - versucht er zu retten was zu retten ist. Seine Bemühungen von der Einzelfallthese Abstand zu nehmen, gelingen ihm jedoch nicht wirklich. Aber zum Glück steht er nicht allein da. Gegen die Angriffe aus den Reihen der SPD und den Grünen steht ihm der totale Kohl gnädig zur Seite. Besuche der Truppen werden im Zusammenhang mit vielen Versprechungen, wie z.B. die, daß in Zukunft noch mehr öffentliche Vereidigungen stattfinden sollen, - damit die Bundeswehr das Vertrauen der Bevölkerung zurück gewinnt -, häufiger getätigt. Wenn dies keine gute Nachricht ist.
Eine nicht minder nette Nachricht kommt aus dem Lager der NPD/JN, die nun erkannt haben, daß in der Bundeswehr ein neues Mitgliederpotential auf sie wartet. Sie werden wohl selber nicht wissen, daß bei dem Videodreh in Sachsen einer ihrer Kader beteiligt war. Dieser heißt Mathias Paul und kommt aus Dresden. Ebenfalls scheinen sie nicht zu wissen, daß in den letzten Monaten, seitdem das Thema aktuell geworden ist, Unmengen an Propagandamaterial von der NPD/JN in den Spints der Kasernen gefunden wurde.

 "Die vielgerühmte Auslöschung der Individualität, die sich beim deutschen Untergebenen, mit dem Eintritt in den Heeresapparat vollzog, stellt vom ethischen Standpunkt aus betrachtet, das Niedrigste dar, das denkbar ist." (Kurt Tucholsky)