Wie kommen Verbindungen an junge Universitäten.

Die Etablierung von Verbindungen ist kaum zu trennen von der Werbung allgemein und dem Verbindungsalltag insgesamt. Die Grundstruktur bilden die "alten Herren", die wie Metasthasen bei einem Krebsgeschwür wirken. Jeder von ihnen ist gehalten, nach Beendigung des Studiums, an seinem jeweiligen Wohnort Kontakt zu Verbandsbrüdern aufzunehmen, mit dem Ziel, dort einen V.a.B. ins Leben zu rufen, bzw. sich einem bereits bestehenden anzuschließen.

Betrachten wir die Nachkriegszeit, in der eine Neuordnung notwendig wurde. Die Ursache dafür war nicht in der "Zerschlagung" der Verbindungen durch die NS zu suchen, sondern im personellen Durcheinander der Ausgebombten, Evakuierten, Flüchtlinge und Kriegsheimkehrer, die zudem noch unterschiedlichen Besatzungszonen zugeteilt sein konnten. Von dieser Neustrukturierung, die in gewisser Weise mit der Anfangssituation in einer beliebigen Stadt ohne "V.a.H." verglichen werden kann, berichtet ein Artikel aus den BB Heft 5/Mai 1954:

"... unermüdlich wurde ein alter Burschenschafter nach dem anderen ausfindig gemacht ..." Diese Altherrenverbände am Ort bildeten in den meisten Fällen die Vorhut, die dann "... Grundlage für die Rekonstituierung der aktiven (in diesem Fall) Berliner Burschenschaften sein würde..."

Wenn wir statt Rekonstituierung Konstituierung setzen und Berlin streichen, dürfte der Vorgang auf jede Stadt mit Neugründungen übertragbar sein.

Es wird daraufhingewiesen, wie die Aussicht, eine Aktivitas anzuwerben, viele "alte Herren" zu besonderen Anstrengungen anspornte.

In den BB Heft 9/Sept. 1954 wird die Bedeutung frühzeitiger Werbung unterstrichen. Soll der Nachwuchs möglichst nahtlos vom Zugriff der Lehrer/Eltern in den Zugriff der "Bundesbrüder" übergehen, um nicht zuviel Eigenständigkeit aufkommen zu lassen?

Die örtlichen V.a.B. laden kurz vor Semesterbeginn die Abiturienten der höheren Schülen zusammen mit den am Ort die Semesterferien verbringenden Aktiven ein. Mit Hilfe von Referaten, versuchen sie ihnen Wesen und Zielsetzung der Verbindung nahezubringen. Wie eine solche Rede ausfällt haben wir als Dokument abgedruckt.

Diese "fruchtbare Arbeit" soll verstärkt werden, indem bereits die Schüler der Oberklassen erfaßt werden. Diese Aufgabe obliegt den jüngeren Aktiven.

"Mancher junge Burschenschafter wird ... noch mehr oder minder enge Fühlung mit den jüngeren Jahrgängen, namentlich den Primanern, seiner alten Schule haben; er sollte diese Fühlung während der Semsterferien immer von neuem wieder aufnehmen und pflegen und so den Boden bereiten, auf dem eine Schülervereinigung burschenschaftlichen Charakters erwachsen kann."

Die Leimrute soll dabei der Bereitschaft des Nachwuchses angepaßt werden:

- die vaterländisch-sportliche Varante den Sportbegeisterten

- die Vortragsabende den Wissensdurstigen

- burschenschaftliches Gemeinschaftsleben den Geselligen (nicht ZU burschenschaftlich, da alkoholische Exszesse nur die Lehrerschaft verärgern)

"Aufgabe der aktiven Burschenschafter müßte es sein, in den Semesterferien an den Veranstaltungen Dieser Vereinigungen teilzunehmen, um ihren burschenschaftlichen Charakter zu wahren und ihre Fühlung mit dem burschenschaftlichen Leben an der Hochschule aufrechtzuerhalten." (a.a.O. S. 268)

Mit Genugtuung wird am Ende des Artikels vermerkt, daß die so "vorbehandelten" meistens an der Hochschule leicht zu keilen seien. Als schöner Nebeneffekt bei denen, die sich entschlössen kein Studium aufzunehmen, bliebe "... später das Verständnis für Wesen und Wollen der Burschenschaften..."

Zusammenfassung:

- Zusammenschluß eines V.a.B.

- Werbungsveranstaltungen mit dem Ziele einer eigenen Aktivitas

- Besorgen von Räumen bzw. finanzielle Unterstützung zur Anmietung mit der längerfristigen Zielsetzung ein eigenes Haus zu mieten/kaufen.

- Möglicherweise Sicherung des Nachwuchses durch frühzeitige Werbeveranstaltungen an höheren Schulen, die nun sowohl von der Aktivitas als auch von den "Alten Herren" getragen werden.

- Möglicherweise Gründung von Schülerverbindungen.

 

Dokument (Nummer):

BB Heft 10 Oktober 54

 

Zur Nachwuchsfrage: Eine Rede an die muli Von Hans-A.Richter (Cheruscia=Dresden/Freiberg/Aachen 1933).

 

Diese Rede an die muli, die jungen Abiturienten und angehenden Studenten, wurde auf einer Keilkneipe der V.a.B. Osnabrück gehalten. Ähnliche Veranstaltungen wird - vor allem in Gegenden mit Herbstabitur - auch in diesem Monat manche V.a.B. durchführen. Das Folgende ist kein "Schema"; aber es bringt Anregungen, wie die so oft verlästerten Formen unseres Verbindungslebens der nachwachsenden Generation nahegebracht werden können.

 

Meine Herren muli!

Sie sind heute abend zu Gast bei der "Vereinigung Alter Burschenschafter" und befinden sich nun im Kreise jener ominösen "Alten Herren", die sich mit Band und Mütze schmücken, Bier trinken, Kommerslieder singen und sich offensichtlich einen Teufel darum scheren, was die "wohlmeinende" Presse und manche "Prominente" ihnen immer wieder anhaben möchten!

Merkwürdig immerhin! Was ist es nun, das diesen Kreis innerlich bindet? Was gibt uns das Recht zu so unbeugsamer Beharrung am alten Bild der äußeren Erscheinungsform?

Nun, was zunächst einmal den "alten" Herren anbelangt - s o alt - und das werden Sie selbst feststellen können - sind wir eigentlich gar nicht. Gemessen an den Semestern der politischen Prominenz, zum Beispiel, sind wir sogar recht jung. Nein - und dies gleich zu Beginn: Der Begriff "Alter Herr" ist eine selbstgewählte Beziehung zu der Zeit, die wir als die wichtigste Werdezeit in unserem Leben erachten, zu der Zeit, die SXie vor sich haben: zur Studentenzeit. Und warum wir Band und Mütze tragen, auch heute noch, darüber soll nun berichtet werden.

Die schönste Zeit Ihres Lebens liegt vor Ihnen. Frei von allen Banden ziehen Sie hinaus, um sich nun ohne die manchmal lästige Bevormundung durch Lehrer und Elternhaus dem zuzuwenden, was Sie aus Berufung oder Überlegeung zu Ihrem Beruf auserwählt haben. Allerdings: in eigener Verantwortung nunmehr! Denn, ob Sie Ihr Kolleg besuchen wollen oder nicht und welchen Gebracuh Sie machen wollen von den Möglichkeiten einer unversellen Geistesbildung, das bleibt Ihnen jetzt ganz allein überlassen. Sie sind Herr Ihrer Zeit, Ihrer Meinungen, Ihrer Entschlüsse.

Aber welchen Weg Sie auch immer einschlagen werden: am Ende steht das Ziel eines geistigen Berufes - und damit ist Ihre Sendung bestimmt!

Damit gehören Sie einem Stand der menschlichen Gesellschaft an, dessen Stellung z. Zt. schwer gefährdet ist, der heute wie nie zuvor um seine Anerkennung ringen muß.

"Vermassung" ist das Schlagwort unserer Tage - von Ortega y Gasset im "Aufstand der Massen" so klar umrissen: "Es gibt heute keine Helden mehr, es gibt nur noch den chorus!"

Stellt man weiterhin fest, daß die Masse jede Achtung vor der geistigen Führerschicht ihres Volkes verloren hat, so muß man sofort nach den echten Ursachen fragen. Denn in Verwechslung von Ursache und Wirkung wird oft die bescheidene soziale Stellung des geistig Schaffenden als das Problem unserer Zeit dargestellt. So ist es nicht! Zunächst muß der geistig Schaffende, sofern er einen Führungsanspruch geltend machen will, erkennen, daß er sich durch eine hervorragende charakterliche Haltung aus der Masse herausheben muß. Es gilt jetzt, wieder eine echte Auslese zu schaffen, die durch ihren charakterlichen Adel bewußt von der bequemen Masse Abstand hält.

Denn erworbenes Wissen allein berechtigt noch nicht zum Führungsanspruch. Wissen wird heute konfektioniert und zu wohlfeilen Preisen in allen gewünschten Dosierungen auf den Markt gebracht. Erst die wahre Persönlichkeit, der erkennbare Adel des Charakters, kann dem geistig Schaffenden wieder Achtung einbringen. Stellt er d a n n erst die Forderung nach einer Hebung seines Lebensstandards, so wird man ihm dies als Selbstverständlichkeit gewähren. So gilt es also, alle moralischen und ethischen Kräfte wachzurufen, um den heranwachsenden Geistesarbeiter für eine echte Auslese unter den Massen zu gewinnen. Und diese Herausbildung zur Persönlichkeit ist der seelische Entwicklungsvorgang, den Sie nun, meine Herren muli, während Ihrer Studentenzeit durchmachen sollten.

Welches Idealbild wäre es nun, das wir Ihnen zu setzen haben? Wie soll dieser Mann beschaffen sein, der einen echten Führungsanspruch für sich in Anspruch nehmen darf und dem dieser dann auch ganz von selbst zugebilligt würde?

 

E r s e i e h r e n h a f t !

 

Voller Lauterkeit der inneren Haltung, unbestechlich und treu, voller Achtung vor den menschlichen Eigenschaften seines Nächsten und vor seiner Ehre. Er soll den materiellen Dingen unseres Daseins nur den ihnen wirklich gebührenden Platz einräumen und sich so als homo sapiens von der Kreatur unterscheiden. Er sei innerlich sauber in jeder Form der Beziehung zu dem Anderen! Es geht eben nicht an, daß man z.B. im politischen Nahkampf, der Wahlrede, seinen Gegner aufs schwerste beschuldigt, um sich nach geschlagener Schlacht mit der Erklärung zu begnügen, daß man sich leider geirrt habe. Ein solches Verhalten ist unehrenhaft und schädigt das Ansehen unseres Standes ungeheuer. So sieht ein über den Massen stehender Führer n i c h t aus, auch wenn seine äußere Stellung das annehmen läßt.

 

E r l i e b e d i e F r e i h e i t d e s G e i s t e s !

 

Er erkenne und schätze die gestaltenden, schöpferischen Kräfte, die von der wahren Geistesfreiheit ausgehen. Frei von allen parteipolitischen, kleinbürgerlichen oder klerikalen Scheuklappen soll er sich den Blick weiten und eine eigene Meinung bilden. Und soll dann diese wirklich verantwortungsbewußt innerlich erarbeitete, persönliche Meinung dorch halten wie seine Ehre. "Herrenstolz vor Königsthronen!" sei sein Gebot - und er soll es nie und unter keinerlei äußeren Umständen aufgeben!

 

E r s e i v o n e c h t e r, p h r a s e n l o s e r V a t e r l a n d s l i e b e !

 

Er soll einem kategorischen Imperativ der Politik huldigen, der seinem Volke ebenso Gesetz sein könnte wie dem des Nachbarstaates - und er löst sekundäre Fragen wie "Europa" oder größerer internationaler Fusionierungen damit selbsttätig. Für sein Volk aber versuche er jederzeit das Beste für das Ganze zu finden, notfalls zu erkämpfen oder zu verteidigen; mit der ganzen Kraft seiner Persönlichkeit - und wenn es sein muß, nicht nur mit "geistigen Waffen", sondern mit dem vollen Einsatz dieser seiner Person!

Dieses sind unsere Ideale. Und welche Möglichkeiten hat nun der junge Student, den Weg zu seiner inneren Veredelung zu finden?

Er wird erkennen müssen, daß er zur Erreichung dieses Zieles gleich wieder einen Teil dessen opfern muß, was ihm eben beschert wurde: einen Teil seiner persönlichen Ungebundenheit. Eine echte Auslese kann sich nur heranbilden, wenn sich der Einzelne am guten Beispiel, am Vorbild des Freundes immer wieder entzündet, wenn eine giestige Gemeinschaft da ist, die das Feuer des Idealismus hütet. Er muß erkennen, daß eine gewisse Form der freiwillig auf sich genommenen Disziplin ihm allein die Gewärh dafür gibt, daß man ihn ruft, wenn er müde wird. Dies nun ist der innere Sinn der Korporation und - weil über das rein Menschliche hinaus auch auf das urpolitische Gebiet vorstoßend - der Sinn der Deutschen Burschenschaften.

Jahrhundertlange Erfahrung hat uns gezeigt, daß im Sturm der Zeitläufe diese disziplinierte Gruppe freiwillig auf hemmungsloses Ausleben Verzichtender eine in der Generationenfolge sich stets erneuernde Kraft bewahrt hat, die heute wieder geweckt werden muß, um die Forderungen des Tages zu erfüllen. Wenn Goethe dem Schicksal seines volkes fast ungerührt gegenüber stand, ja sogar für die Bemühungen nach einer Erneuerung der nationalen Substanz nur ablehnende Bemerkungen fand, so waren Kant und Fichte und die Deutsche Burschenschaft die Inbilder des geschilderten Mannesideales und wurden zu den Triebkräften der politischen Erneuerung.

Sinn und Zweck einer korporativen Gemeinschaft der studentischen Jugend haben über die Jahrhunderte hinweg ihre Bedeutung bewahrt. So kann unsere Betrachtung sich nunmehr auf die äußeren Erscheinungsform erstrecken.

Folgende Arten der Äußerung unseres besonderen burschenschaftlichen Lebensart sollen Ihnen hier näher erläutert werden:

Der Burschen=Convent (die "Versammlung")

der Burschenschaftliche Abend (das "Kränzchen")

die Mensur

der Kommers

das Farbentragen

die Altherrenschaft.

 

Der C o n v e n t ist die unbedingt demokratische Form der Vollversammlung aller Burschen, also der vollgültigen Mitglieder einer Burschenschaft. Man gibt sich selbst gewisse Lebensregeln, die der inneren und äußeren Ordnung dienen sollen, und überwacht sich selbst auf diesem Convent. Man meldet sich selbst zur Bestrafung, wenn man eine dieser Regeln übertrat, und man achtet die Beschlüsse dieser Versammlung als Gesetz. Man übt sich gleichzeitg in den Grundregeln des parlamentarischen Spieles und man hält voller Stolz mehr Disziplin als alle Einrichtungen dieser Art es sonst gemeinhin zu tun pflegen.

Der B u r s c h e n s c h a f t l i c h e A b e n d dient darüber hinaus der Weitung des geistigen und politischen Blickfeldes. Er soll zur Vertiefung des ideellen Gedankengutes führen, zeitnahe Fragen ohne Färbung entersuchen und erläutern und gleichzeitg Vorbildung ("Training") sein für künftige Redeschlachten und zuchtvolle Diskussionen.

Eines unserer wichtigsten Erziehungsmittel endlich ist die M e n s u r. Sie ist - und das wird Sie vielleicht überraschen - im wesentlichen keine Einrichtung, die der körperlichen oder physisch-kämpferischen Ertüchtigung dienen soll, sondern sie ist uns Prüfstein der moralischen Haltung, der Selbstbeherrschung und soll die p s y c h i s c h e n Kämpfereigenschaften heranbilden. Auf der Bestimmungsmensur schlägt der Paukant nur Angriffshiebe. Seine fechterischen Eigenschaften werden sich in Eleganz, Schnelligkeit und technischer Sauberkeit seiner Hiebe äußern, seine charakterlichen Eigenschaften äußern sich darin, wie unbeirrt von den Hieben des Gegenpaukanten er diese Partie paukt, wie er "steht". Nicht der "Schmiß" als äußeres Merkmal ist also die Tophäe der Partei, sondern in der Gelassenheit, mit der dieser empfangene Schmiß hingenommen wird, zeigt sich der wahre Bursch. Es ist also ein Zeichen seltener Oberflächlichkeit, wenn man die Öffentlichkeit glauben machen will, wir trügen unsere Mensuren nur darum aus, um mit einem "Renommier=Schmiß" Aufsehen zu erregen und uns damit zu schmücken, wie etwa mit der Papierblume aus der Schießbude. Freilich ist ein rechter Bursch stolz auf jede gestandene Partie. Und Sie dürfen versichert sein, daß es ein großartiges Gefühl ist, die tatsächlichen Ausmaße seines eigenen "inneren Schweinehundes" gespürt und kleingekriegt zu haben!

Nun zum K o m m e r s, zur Kneipe, zur ominösen "studentischen Sauferei"! Es ist eine Binsenweisheit, daß der Alkohol nun einmal ein kaum wegzuleugnendes Zubehörstückk männlicher Geselligkeit ist. Das pflegt seit ungefähr 6000 Jahren so zu sein. Wir wissen, daß etwa 4000 v. Chr. im alten Ägypten bereits Bier gebraut wurde, und selbst in der bibel spielt der Wein eine gewisse Rolle. Mag die Welt in 100 Jahren vielleicht nur noch aus Coca-Cola Trinkern bestehen, vorläufig wird noch immer bei den verschiedensten Anlässen ganz anständig getrunken. Und zwar in allen Gesellschaftskreisen und Nationen. Jede Kulturnation der Geschichte pflegte diese Tatsache als gegeben hinzunehmen und versuchte, sie zu veredeln. Denken Sie an den Dionysos-Kult, an das Symposion, an die Gesänge des Li=tai=pe! Welch ein Abstieg, wenn man die cocktail-parties oder Wodka=Schlachten unserer Tage zum Vergleich nimmt!

Wir wissen also: wo Männer zusammen sind, pflegt der Alkohol oft nicht fern zu sein. Und wir kennen die merkwürdigen Kräfte des Phänomens Alkohol. Warum sollen wir sie nicht bändigen, formen, veredeln?

Auch hier ist "Haltung" erstes Gebot. Und weil wir nicht den stumpfsinnigen S ä u f e r sondern den frohen Z e c h e r meinen, den Mann, der mit der ganzen Beschwingtheit der gelösten Stunde den Frohsinn ohne Radau, die Herzlichkeit ohne Sentimentalitäten und den Gesang ohne Gröhlerei liebt, deshalb haben wir einen ganzen Schatz großer und kleiner Rezepte, mit denen man selbst die größte Tafelrunde zu einer veredelten Form des männlichen Zusammenseins führen kann, daß Disziplin und heiterste Stimmung uns immer wieder die schönsten Stunden bescheren. Das ist der Sinn der ganzen Formalitäten einer Kommerses, der sich im besten Sinne steigern kann bis zum "Trauer=Salamander" auf den verschiedenen Bundesbruder. Für den Außenstehenden muß das unverständlich sein, was aber am Wert der Sache nichts ändert. -

Neben anderen Eigenschaften pflegt der Alkohol auch unsere musikalischen Triebe zu stärken. auch diese Tatsache ist so alt wie die Cheopspyramide.

Wir pflegen deshalb das Liedgut unseres Kommersbuches und sind stolz darauf, Worte und Melodien zu singen, die seti hundert Jahren von den Größten unseres Volkes erdacht wurden.

Neben den ernsten, feierlichen Liedern stehen die fröhlichen. Wir können singen: "Mein Lebenslauf ist Lieb und Lust..." - aber wir haben in diesem Lied auch einen Vers, der ganz anders lautet:

"Die Zeit ist schlecht, mit Sorgen trägt

sich schon das junge Blut,

doch wo ein Herz voll Freude schlägt,

da ist die Zeit noch gut!"

Dieses Lied ist ungefähr hundert Jahre alt und wurde n i c h t gedichtet, um Nachkriegsgenerationen zu trösten. Es ist nur ein Beweis dafür, wie zeitlos unsere Kommerslieder sind. Andere trinken a u c h, anderrs singen a u c h - aber vom "schönsten Platz an der Theke" verspreche ich mir keine Lebensdauer über die Generationen hin. Im billigen Karnevals=Schunkel=Weinlied zeigt sich die Wahrheit einer Tagesweisheit: Was heut nicht der Rede wert ist, das wird g e s u n g e n !

Zusammenfassend: Der Kommers ist die disziplinierte, veredelte, herzliche und frohe Form des männlichen Beisammenseine. Das Brauchtum ist dabei so wichtig oder unwichtig wie etwa die bemalten Eier beim Osterfest und nicht halb so sehr Selbstzweck wie etwa das Zeremoniell bei einer englischen Krönung.

Alle das bisher Geschilderte zeichnet Einzelbeispiele aus unserem burschenschaftlichen Leben. Dieses Leben nimmt den ganzen Menschen in Anspruch. Es formt seinen Tageslauf, seine Haltung, seine geistige Welt. Wir wissen, wie sehr wir vielfach Abstand halten von der lauen Allgemeinheit. Nicht aus Überheblichkeit, sondern aus Überzeugung. Wir bekennen uns trotz Allem mit der uns eigenen Haltung zu unseren Idealen und zeigen dieses jedem an: ich bin ein Burschenschafter! Und deshalb tragen wir Band und Mütze. Ein stolzes, männliches, mutiges Bekenntnis zu einer ganz bestimmten Gruppe von Idealisten.

Wir wissen dabei, daß wir uns somit auch die Verpflichtung auferlegen, würdige Träger dieser Farben zu sein. Wir stellen uns in das Rampenlicht der Öffentlichkeit - mit allen Folgerungen, die sich daraus für uns ergeben.

Wieviel angenehmer hat es der anonyme studiosus vulgaris; wieviel bequemer und leichter, wenn man nicht immer b e k e n n e n muß! Und - wie dumm ist jener, der glaubt, das Band sei eine dünkelhafte Prahlerei mit Vaters Brieftasche!

Und wenn wir "Alten Herren" bei unseren Zusammenkünften wieder Band und Mütze anlegen, dann tun wir es, weil wir wissen, daß auch für uns die alten Ideale gelten. Wir halten unser geistige Haltung unter Selbstkontrolle. Man ruft sich gegenseitig die Losung zu, um sich wachzuhalten im ermüdenden Alltag.

Die Altherrenschaft pflegt die Fühlung mit der Aktivitas, mit der bundesbrüderlichen Jugend, weil sie den Heranreifenden schätzt als Gleichgesinnten; weil sie ihm helfen will auf dem Wege zur Erreichung seines eigenen Ideals; weil sie sich eins weiß mit ihm im Kampf gegen "Zopf und Philisterei", im Kampf um die Erhaltung eines geistigen Adels; weil sie den ständigen Spannungsabtausch von Weisheit und Schwung zwischen den Generationen herbeiführen will.

Die Altherrenschaft trägt deshalb Band und Mütze als Ausdruck ihrer inneren Haltung und bekennt sich offen und stolz zu einem Orden der Männlichkeit, der sich trozt aller Angriffe weiter bemüht, aus dem Chaos der Masse eine Auslese heranzubilden, die ohne Überheblichkeit und Fanatismus immer wieder von sich selbst fordert, dem Ideal eines echten menschlichen Adels nachzuleben:

D e n a n d e r e n V o r b i l d - u n d s i c h s e l b s t G e s e t z !