Die sangesfreudigen Burschen von Osnabrück.

Wie alles anfing.

Die Osnabrücker Burschenschaft Arkadia-Mittweida galt in Osnabrück seit längerem als eine Korporation, in der rechtes Gedankengut verbreitet ist. Als im März/April 97 bekannt wurde, daß bei einem Saufgelage im Haus von Arkadia-Mittweida das "Horst-Wessel-Lied" gesungen und über die richtige Fassung des Liedes gestritten wurde, kam die örtliche Presse nicht umhin, zu berichten. Durch die Intervention der jüdischen Gemeinde wurde die Staatsanwaltschaft gezwungen, ein Ermittlungsverfahren gegen die Burschen durchzuführen.

Zu Beginn des Wintersemesters 97 feierte die Landsmannschaft Marchia im CC ihr 125-jähriges Bestehen. Auf dem Festkommers wurde das Deutschlandlied in allen drei Strophen gesungen, natürlich ohne nationalistische Hintergedanken, wie die Herren behaupteten. Die Festschrift strotzte von völkischem Gedankengut, die Unterstützung des Hitlerfaschismus bei der Machtübernahme 1933 durch die Märker wird völlig kritiklos beschrieben. Knapp 14 Tage später erklang dann "Von der Maas bis an die Memel" beim gemeinsamen Kommers der Osnabrücker Korporationen im Kaffeehaus Osterhaus. Damit war das Faß übergelaufen.

Gegenreaktionen

Das Studierendenparlament forderte die örtlichen Verbindungen in einer Resolution vom 28.11.97 auf, sich von den schlagenden Verbindungen in Osnabrück zu distanzieren. Die rot-grüne Ratsmehrheit lud die örtlichen Verbindungen zu einer Podiumsdiskussion ins Rathaus am 10.12.97 ein, um zu klären, ob weiterhin Korporationen im Friedenssaal der Stadt von RepräsentantInnen der Stadt empfangen werden sollten.

Zur Podiumsdiskussion waren lediglich Vertreter des VDST Osnabrück und der KV-Verbindung Unitas Sugambria erschienen. Die Vertreter von Unitas erklärten, dass sie bereits seit längerer Zeit mit den schlagenden Verbindungen keine gemeinsamen Kommerse mehr durchführen würden, weil z. B. das Absingen des Deutschlandliedes in drei Strophen dort seit längerer Zeit üblich sei. Die Vertreter des VDST erzählten ein weiteres mal, dass ein Bursche, der "Von der Maas bis an die Memel" aus voller Kehle schmettert, weder ein verbotenes Lied singt (juristisch korrekte) noch irgendwelche nationalistischen Positionen vertritt (wer glaubt, kommt auch nicht in den Himmel). Die anderen Verbindungen, insbesondere die betroffenen Korporationen Arkadia-Mittweida und Marchia Berlin, glänzten durch Abwesenheit.

Während sich Unitas Sugambria und Teutoburg Lage in Stellungnahmen an das Studierendenparlament von den schlagenden Verbindungen distanzierten, machte der VDST Osnabrück feine Unterschiede. "Nicht die Aktiven der Landsmannschaft Marchia Berlin" hätten die erste Strophe auf dem Kommers gesungen, "sondern bislang nicht identifizierte Alte Herren." Das sei im übrigen der Landsmannschaft nicht vorzuwerfen. Da hat Mann extra einen Männerbund gegründet, um bei bestimmten Gelegenheiten unter sich zu bleiben, und wenn es ernst wird, erkennt der Aktive nicht einmal seine Alte Herren.

Die Aktiven des AV Widukind im CV treiben es mit ihrer Stellungnahme besonders toll. Danach ist die in "diversen Flugblättern" aufgestellte Behauptung, dass Deutschlandlied sei in allen drei Strophen gesungen worden, frei erfunden. Richtig sei dagegen: "Lediglich von einem kleinen Prozentsatz einiger Alter Herren - die Bundzugehörigkeit ist uns nicht bekannt - wurde anscheinend die erste Strophe gesungen, welches aber nicht zu hören, sondern nur durch Lippenbewegung zu sehen war." Die einen haben es gehört, die anderen lediglich LIppenbewegungen wahrgenommen, es steht 1:1 gegen den CV.

Die Darbietung des Horst-Wessel-Liedes werde von Ihnen nicht gebilligt. Aber nicht, weil damit rechtsextremistisches Gedankengut erkennbar wird. Nach Ansicht des CV sei der Gesang lediglich Ausdruck einer "anachronistischen Gesinnung", die von ihm nicht gebilligt werde.

Saubermänner unter sich

Warum der AV Widukind und der VDST Osnabrück sich in ihren Stellungnahmen an das Studierendenparlament so doppeldeutig äußern (Horst-Wessel-Lied pfui, die 1. Strophe des Deutschlandliedes "keine Ahnung"), ist einfach zu erklären. Auf dem gemeinsamen Kommers im Kaffeehaus Osterhaus wurde nach Darstellung der NOZ "schon wieder ... bei einem Kommersabend in Osnabrück die verpönte erste Strophe des Deutschlandliedes angestimmt". (Die NOZ hat auch gehört, das gesungen wurde. Es steht 2:1 gegen die Lippentheorie des CV!)

Ausgerichtet wurde der Abend von den Alten Herren der Landsmannschaft Marchia-Berlin, die just 14 Tage vorher durch gemeinsames Gröhlen jenes "Deutschland, Deutschland über alles" aufgefallen waren. Zu dem anachronistischen Treffen der Alten Herren "chargierten der VDST Osnabrück, der CV Widukind zu Osnabrück und die Lm. Matchia Berlin zu Osnabrück", wie die Zeitung des Coburger Convents zu berichten weiß. Hervorgehoben werden die "Grußworte des Präsidenten der Fachhochschule Osnabrück Prof. Dr E. Mielenhausen".(Die Fehler im Text sind den CC-Blättern und nicht der neuen Schreibweise geschuldet) Der Bericht schließt mit den Worten "Der harmonische Abend wird allen Teilnehmern in positiver Erinnerung bleiben." Wer gemeinsam mit schlagenden Verbindungen feiert, kann sich nicht gleichzeitig von ihnen öffentlich distanzieren. So einfach ist das.

Und die Horst-Wessel-Fans?

Die Aktiven und Alten Herren der Burschenschaft Arkadia Mittweida übten sich im Wintersemester im Untertauchen. Beim Kommers bei Osterhaus waren ihre Chargierten nicht vertreten. Im Rathaus glänzten sie während der Podiumsdiskussion durch Abwesenheit. Lediglich im Verbandsorgan, den Burschenschaftlichen Blättern, wurde Stellung bezogen. Nach Darstellung des Vorsitzenden des Altherrenverbandes der Arkadia, P. Schröder, habe der "beschuldigte Bundesbruder der Burschenschaft ARKADIA-Mittweida ... gegenüber dem Vorstand des AHV zwischenzeitlich eine schriftliche Erklärung mit dem Inhalt abgegeben, daß er das 'Horst-Wessel-Lied' nicht - auch nicht teilweise - mitgesungen hat." Eine Erklärung, dass das Lied nicht gesungen worden ist, gibt es demnach nicht! Schröder schreibt weiter: "Der AHV der Burschenschaft ARKADIA-Mittweida hat daher festgestellt, daß kein Mitglied seiner Burschenschaft am 22./23. März 1997 das 'Horst-Wessel-Lied' gesungen hat." Und die, die es getan haben, werden verschwiegen.

Ausblick

Die Podiumsdiskussion führte Anfang Februar zu einem Beschluß des Rates. Danach wird es für die Burschenschaft Arkadia-Mittweida und die Landsmannschaft Marchia Berlin in Zukunft keine offiziellen Empfänge im Rathaus mehr geben. Ein zunächst von der SPD-Fraktion eingebrachter Antrag, nachdem Burschenschaften und Landsmannschaften grundsätzlich aus dem Rathaus verbannt werden sollten, fand nicht den Gefallen der CDU. Nach der Änderung des Antrages konnte die CDU nach Meinung ihres Fraktionsvorsitzenden und Alten Herrn im CV Widukind Prof. Tenfelde mitmachen.

Zwischenzeitlich wurde das Ermittlungsverfahren gegen Arkadia-Mittweida eingestellt. Da das Horst-Wessel-Lied im privaten Rahmen und nicht in der Öffentlichkeit gesungen worden sei, hätte das Strafverfahren eingestellt werden müssen. Auf die Frage der NOZ an den Staatsanwalt Thomas Kruppa: "Hat sich denn der Vorwurf, es seien Nazilieder gesungen worden, bestätigt?" erklärte Kruppa: "Ja, davon gehe ich nach der Auswertung der Ermittlungsergebnisse aus." Nur die Privatsphäre hätte die Burschen vor einem Verfahren bewahrt.

Die scheinen inzwischen Kreide gefressen zu haben. Hatte sie in der Vergangenheit zu Themen wie "Multikulturelle Gesellschaft - ja oder nein?" mit dem CDU-Rechtsaußen Wilfried Hasselmann eingeladen, hieß es im Mai 98 plötzlich: "Leben und Werk des jüdischen Malers Felix Nußbaum und die Aufgaben der Felix-Nussbaum-Gesellschaft zu Osnabrück." Unter dem Motto "Aufklärung statt Ausgrenzung" wurde der Vorsitzende der Felix-Nußbaum-Gesellschaft, H. Schlatermund (SPD) als Referent angekündigt.

Schließen wir den Reigen mit den letzten Worten aus der Erklärung des CV. "Wir verwahren uns aber vor jeder Verallgemeinerung, daß generell alle Mitglieder schlagender Bünde rechtsradikal seien. Die Arkadia Mittweida zu Osnabrück hat vor kurzem durch Ausschluß einiger aktiver Mitglieder schon bewiesen, daß eine 'Richtungsänderung' vollzogen wird.

Hiermit sind wir Eurer Aufforderung gefolgt.

Allerdings geschieht dies durch Meinungsbildung innerhalb unserer Verbindung und nicht auf Veranlassung des Studentenparlaments."

Ob sie im November bei Osterhaus in Haste wieder gemeinsam chargieren und "Deutschland, Deutschland über alles" ohne Ton singen werden - wird sich zeigen.

Peter AR!