" ... Vorgänge im Hochschulrandbereich ..."

Wozu der Marburger AStA sich noch äußern darf

Über zwanzig Verfahren sind inzwischen abgeschlossen oder noch in der Schwebe: Eike Erdel hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um den linken Marburger AStA in die Defensive zu zwingen. Seit etwa eineinhalb Jahren überzieht er die gewählten VertreterInnen der StudentInnenschaft mit Ordnungsgeldanträgen, weil sie mit ihren Äußerungen angeblich ihre Kompetenzen überschreiten.

Immerhin 26.000 DM beträgt die Summe der bisher gegen den Marburger AStA verhängten Ordnungsgelder. Jeweils 4.000 bis 6.000 DM mußten bezahlt werden, weil der AStA zu einer Demonstration für eine friedliche und demokratische Lösung des Krieges in Kurdistan aufgerufen, weil ein AStA-Referat in einer Veranstaltung über den Einsatz von Bayer-Pestiziden in Lateinamerika informiert und weil eine der AStA-tragenden Gruppen in einem ErstsemesterInneninfo über die Arbeit des Ökoreferates berichtet hatte. Ebenfalls ein Ordnungsgeld gab’s für ein Flugblatt des Autonomen AusländerInnenreferates, in dem im Rahmen einer Schilderung der Arbeitsbedingungen ausländischer StudentInnen die Abschaffung aller AusländerInnensondergesetze gefordert wurde. Und außer dem Ordnungsgeld gleich auch noch ein Strafverfahren gab’s für ein Anti-Castor-Flugblatt: Erdel hatte es an die Deutsche Bahn AG weitergeleitet, die darin einen Aufruf zur Sabotage ihrer Gleisanlagen zu erkennen meinte.

Wozu darf ein AStA sich eigentlich noch äußern, wenn sogar die Forderung nicht erlaubt sein soll, die staatliche Diskriminierung von Menschen ohne deutschen Paß zu beenden? So ganz klar ist das nicht. Betrachten wir einen Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in Kassel vom April diesen Jahres. Er erfolgte in Revision eines Beschlusses des Gießener Verwaltungsgerichts, das Kritik an studentischen Korporationen durch den AStA für zulässig erklärt hatte – mit der bisher üblichen Begründung, der AStA dürfe sich zwar nicht zu "allgemein"-politischen Themen, sehr wohl jedoch zu hochschulpolitischen Belangen äußern, und das (hoch lebe der freiheitlichste Staat auf germanischem Territorium!) auch kritisch.Für dieses allzu liberale Urteil zogen sich die Gießener Richter einen Rüffel aus Kassel zu. Nach Ansicht des 8. Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist es nämlich vielmehr so: "Gruppierungen oder einzelne Mitglieder des Allgemeinen Studierendenausschusses [dürfen] als Repräsentanten der Studentenschaft weder im allgemeinpolitischen Bereich noch im hochschulpolitischen, soweit er nicht im Rahmen der Zuständigkeiten der Studentenschaft liegt, ihre eigenen politischen Vorstellungen zum Ausdruck bringen". Die Zuständigkeit des AStA definiert sich dabei durch die entsprechenden Paragraphen in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen. Nicht ausdrücklich im Hessischen Hochschulgesetz vorgesehen ist beispielsweise Kritik an studentischen Verbindungen; korporationskritische Stellungnahmen von ASten sind daher unzulässig.

Großzügig räumen die Kasseler Richter jedoch zwei Ausnahmen ein. Zum einen ist es erlaubt, "eine weltanschaulich und politisch neutrale Sachdarstellung" über "Vorgänge im Hochschulrandbereich [...], wozu auch studentische Gruppierungen gehören", zu bieten. Zum anderen halten sogar die Kasseler Richter noch einen Rest an demokratischem Anstrich aufrecht: "Soweit sich studentische Gruppierungen nicht im Rahmen der Rechts- und Verfassungsordnung halten [...], ist sachliche Kritik ohnehin zulässig." Na dann ...

AntifaschistInnen aus Marburg