Von guten und bösen Burschen.

Kennt ihr die NOZ? Habt ihr schon mal mehr von dieser Zeitung konsumiert als den Wohnungsmarkt? Oder den Schnäppchenmarkt? Oder den Sportteil (ja, der gute alte VFL muß wieder in die Profiliga, und die Basketballerinnen vom OSC, die haben jüngst fast die Wuppertalerinnen geschlagen...).

Mal so 'nen richtig gelungenen NOZ-Kommentar verschlungen? Vielleicht sogar den Lokalteil gelesen? Wer alle diese Fragen mit einem klaren JA beantworten kann, dem wird dieser Artikel nicht mehr viel Neues bieten. Denn er handelt davon, wie eine Postille, die das Monopol in einer Provinz hat, die Welt nach ihrem Bild erschaffen kann. Jeden Tag neu.

Und jetzt zu etwas völlig anderem: Das Osnabrücker Verbindungswesen.

„Rechtsradikale Vorfälle im Haus der Burschenschaft Arkadia-Mittweida schreckten im März weite Teile der Bevölkerung auf...“ (NOZ 31. 12.97). Am 27. 3. 97 berichtete die NOZ zum erstenmal über die rechtsextremistischen Sangesfreuden der Burschenschaft Arkadia-Mittweida. Am 1. 4. 97 berichtete sie über die Rückweisung der Vorwürfe durch die Burschenschaft. Mitglieder hätten nicht gesungen, so der Tenor. Wie die Bevölkerung angesichts soll spärlicher Berichterstattung „aufgeschreckt“ sein soll, bleibt ein NOZ-Geheimnis.

„Nachdem bekannt worden war, daß bei der Arkadia unter anderem Nazi-Lieder gesungen worden waren, distanzierten sich die meisten Studentenverbindungen der Stadt sofort von dieser Burschenschaft....“ (NOZ 31. 12. 97). Leider erreichten die „sofortigen Distanzierungen“ nie das Licht der Öffentlichkeit. In der NOZ ist vermerkt, das die Landsmannschaft Marchia-Berlin die Aufforderung des Studierendenparlamentes, sich zu distanzieren, zurückweist (NOZ 8.5.97). Eine öffentliche Distanzierung einer anderen Verbindung wurde nicht bekannt. „... und eine Flut von Leserbriefen machte zusätzlich die breite Ablehnung von Einzelpersonen, Ratsfraktionen sowie Organisationen deutlich.“ Die Flut der Leserbriefe erreichte ebensowenig wie die Distanzierungen das Licht der Öffentlichkeit. Wer wissen will, was die Menschen in Osnabrück meinen und schreiben, muß wohl bei der Leserbriefredaktion der NOZ angestellt sein. Denn die veröffentlichten Leserbriefe waren mehr als spärlich. Der RCDS-AStA benötigte drei Wochen (!) für eine Erklärung. Die verspätete Reaktion wurde mit „zweiwöchigen Betriebsferien“ (NOZ 19.4.97) begründet. Der RCDS selber setzte noch einen drauf. Er distanzierte sich von Extremisten jeglicher Couleur, von rechtsradikalen Gesängen und Äußerungen der Burschen ebenso wie von 'irgendwelchen Pro-Kurdistan- oder Kuba-Bewegungen'“. (NOZ 23.4.97). Damit stimmte die Richtung wieder. Bekanntlich sind die Linken ja die Bösen. Wenn dann schon mal ein paar Burschen in bierseliger Laune das Horst-Wessel-Lied erklingen lassen, reicht das immer, um die KurdInnen mit Dreck zu bewerfen. Der NOZ war weder aufgefallen, daß die eine Sache mit der anderen nichts zu tuen hatte, noch war sie in der Lage, den Versuch des RCDS, faschistische Vorfälle bei Burschenfeiern zu nutzen, um rassistische Hetze zu betrieben, zu kritisieren.

„Die Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen sofort von sich aus Ermittlungen auf...“ (NOZ 31.12.97). Die Ermittlungen wurden aufgenommen, nachdem eine Anzeige erstattet worden war. Das ist eine Selbstverständlichkeit, alles andere ist Strafvereitelung im Amt! Allerdings hätten Polizei und Staatsanwaltschaft die Sache auch gerne sofort wieder eingestellt, galt es in diesem Falle doch, Ermittlungen gegen angehende Juristen durchzuführen. Mann will so jungen Menschen nicht die Zukunft verbauen, jeder macht mal einen Fehler und im übrigen gibt es da noch die Krähe, die ein netter Kumpel ist. Nur das Eingreifen der jüdischen Gemeinde führte überhaupt dazu, daß der Anzeige weiter nachgegangen wurde. Bis heute übrigens ohne nachweisbaren Erfolg.

„Die öffentliche Diskussion flammte erneut auf, als Mitglieder der Landsmannschaft Marchia während eines Kommersabends bei Osterhaus in Haste neben der 3. Strophe des Deutschlandliedes auch die 1. Strophe öffentlich gesungen hatten.“ (NOZ 31. 12. 97) Hier liegt die NOZ nun völlig neben den Tatsachen. Die Diskussion wurde heftiger, nachdem Mitglieder der Landsmannschaft Marchia sich aus Anlaß ihres 125.-jährigen Bestehens erst im Rathaus öffentlich empfangen ließen, um kurze Zeit später beim Festkommers nicht nur die Stirn hatten, die Burschenschaft Arkadia einzuladen, sondern das „Lied der Deutschen“ in allen drei Strophen aus voller Kehle erschallen zu lassen. Alles natürlich ohne nationalistische Hintergedanken, wie ein ehemaliger (?) Republikaner und Alter Herr der Landsmannschaft erklärte. Die „Verfehlung“ wenige Tage später auf dem Kommersabend in Haste war nicht der Anlaß der Auseinandersetzung um die Landsmannschaft, wie die NOZ erklärt, sondern das Tüpfelchen auf dem i.

„Für die Universität distanzierte sich Prof. Dr. Rainer Künzel ausdrücklich von schlagenden Verbindungen...“. (NOZ 31. 12. 97) Nun, Künzel distanzierte sich (!) von schlagenden Verbindungen. Die Universität als Institution hat während der ganzen Zeit nichts in der Sache von sich hören lassen. Die Uni-Postille „Universität Osnabrück Zeitung“, hrg. von Künzel, hat im letzten Jahr nichts berichtet. Vielleicht haben sie auch nicht die NOZ gelesen. Senat und Konzil erklärten zu den Vorfällen nichts. Eine ausführliche Resolution des Studierendenparlamentes vom 28. 11. 97 zu der Sache, die der NOZ ebenfalls als Presseerklärung zuging, fand nicht das Wohlwollen einer NOZ-RedakteurIn. Keine Zeile wurde veröffentlicht.

Im Dezember fand „eine vom OB moderierte Veranstaltung im Rathaus statt, in der rechten Tendenzen innerhalb der Verbindungen eine klare Absage erteilt und gleichzeitig davor gewarnt wurde, alle Verbindungen in einen Topf zu werfen.“ (NOZ 31.12.97) Im Dezember fand eine Veranstaltung im Rathaus statt, auf der die geladenen Verbindungen mit 2 Ausnahmen nicht erschienen. Marchia und Arkadia blieben der Diskussion fern. Und von den zwei anwesenden Verbindungen war nur eine (Unitas Sugambria) in der Lage, sich vom rechten Verbindungssumpf einwenig zu distanzieren. Die andere (VDST Osnabrück) stellte ein wiederholtes mal fest, daß das Singen der 3 Strophen des Liedes der Deutschen nicht verboten ist. Vom öffentlich Gesang wollte Mann sich daher auch nicht distanzieren. Irgendwelche rechten Inhalten waren diesem, historisch auf dem Boden des deutschen Antisemitismus Ende des vergangenen Jahrhunderts entstandenem Verband nicht erkennbar. Und ein Verband machte sich die ganze Zeit mau, obwohl er am Ort in vielen Dingen ein gewichtiges Wort mitzureden hat, der CV-Widukind.

Und nun zu etwas völlig anderem: Die guten Verbindungen!

Bis zum März 97 wurden die studentischen Verbindungen in der NOZ durchweg positiv beschrieben. Besonders die gemeinsamen Kommersabende im Kaffeehaus Osterhaus in Haste fanden eine positive Resonanz. Im November 91 erfreut sich die NOZ an „'Chargierte(n) im 'Vollwichs', jener farbenprächtigen studentischen Tracht ... dazu 'Alte Herren'mit Band und Mütze“. Auch damals erklang - „man ist schließlich gemäßigt national - das Lied der Deutschen“. Festredner war der CDU-Landtagsabgeordnete Johann-Tönjes Cassens, selbst „Alter Herr einer Freiburger Burschenschaft“ (Guter Bursche). (NOZ vom 11.11.91). 1993 sorgten „für den außerordentlich farbenprächtigen Rahmen der traditionellen Veranstaltung ... die Vertreter der ortsansässigen Verbindungen im 'Vollwichs'“. (NOZ vom 10.11.93). 1996 dann richtete der CV -Widukind den Kommers unter dem bezeichnenden Titel „Qui non est nobiscum, contra nos est“, (Wer nicht für uns ist, ist gegen uns) aus.“Die Männer farbenfrohen 'Wichs' (sind) doch Hauptattraktion der Veranstaltung, wollen ihre Verbindung würdig repräsentieren...“. Die „akademischen Herren (singen) Studentenlieder und die Deutschlandhymne“. (NOZ vom 12.11.96) Die Anzahl der gesungenen Strophen verrät die NOZ nicht, schließlich handelt es sich bei den Anwesenden nur um gute Burschen. Zu diesem Zeitpunkt sind die Landsmannschaft Marchia und die Burschenschaft Arkadia gerngesehene Gäste des Kommerses. Von den wenige Monate später stattfindenden Sangeseinlagen wurden die Osnabrücker Verbindungen dann völlig überrascht. Wirklich überrascht? Wenn die Äußerung eines Vertreters von Unitas Sugambria auf der Diskussion im Rathaus stimmt, das die Unitas die gemeinsamen Kommerse seit Jahren eben wegen der dort herrschenden Gepfogenheit, die Hymne in drei Strophen zu singen, boykottiert, kann von einer Überraschung keine Rede sein.

Und nun zu etwas völlig anderem: Gute Burschen und böse Burschen

Der Osnabrücker CDU-Fraktionsvorstizende Prof. Dr. Rainer Tenfelde taucht im Semesterprogramm des SV-Widukind vom Sommersemester 86 (!) als Bundesbruder auf. Motto der von ihm abgehaltenen Veranstaltung: „'Sie liegen auf Bärenhäuten und trinken immer noch eins.' So war's nicht nur bei den alten Germanen, sondern so ist's noch heute auf dem Stamm mit den Alten Herren.“ Burghard Jasper, Stellvertreter des Oberbürgermeister, ist Mitglied der CV-Verbindung KDStV Alemannia zu Greifswald und Münster. Jaspers Bund hält seit langem engen Kontakt zum CV-Widukind in Osnabrück. Die beiden alten Herren sind somit von den Vorfällen selbst betroffen, sollte man annehmen. Eine Distanzierung von ihrer Seite liegt ebensowenig vor wie eine Stellungnahme des CV-Widukind. Weder waren Vertreter des CV-Widukind bei der Rathausdiskussion anwesend, noch Vertreter der CDU, noch Jasper oder Tenfelde. Dafür soll aber ein namentlich bekanntes Mitglied des CV-Widukind mit zu den Sängern gehört haben, die bei der Burschenschaft Arkadia das Horst-Wessel-Lied erklingen ließen.

Die Zusammenhänge zwischen der Landsmannschaft Marchia, der Burschenschaft Arkadia und dem rechtsradikalen „Bund freier Bürger“, für den Mitglieder beider Verbände 1996 für die Kommunalwahl und damit gegen die CDU antraten, müßte den Herren ebenfalls gut bekannt sein. Und auch die Alten Herren, die erst mit ihrem Geld und ihren Unterschriften die Kandidatur des BFB ermöglichten, dürften ihnen von gemeinsamen Kommersen im Kaffeehaus Osterhaus bekannt sein. Doch von alledem berichtet die NOZ kein Sterbenswort. Leserbriefe, die auf die Zusammenhänge zwischen den entsprechenden Bünden und organisiertem Rechtsextremismus mit Fakten hinweisen, werden entweder nicht oder gekürzt wiedergegeben. Die Menschen dieser Stadt dürfen nicht erfahren, zumindest nicht aus der NOZ, daß die Vorgänge des Jahres 1997 keine Zufälle sind. Zumindest persönliche Kontakte zwischen wichtigen CDU-Repräsentanten und den aufgefallenen studentischen Verbindungen können kaum angezweifelt werden. Da nach den Veröffentlichungen des Verfassungschutz aber eben solche Kontakte angeblich eine Erfindung der Linken sind, sind sie für die NOZ nicht vorhanden. Was nicht sein kann, das nicht sein darf.

Wer, wie die NOZ, die Burschen in angeblich gute und böse trennen will, der darf seinem Publikum eben nicht die ganze Wahrheit zumuten. Notfalls erschafft er die Wirklichkeit neu. Was könnte da besser geeignet sein, als ein beschaulicher Artikel zum 31. Dezember, an dem nichts stimmt. Bis auf das Datum.

Peter AR!