Gottes journalistische Seilschaft: Die vernetzte Lobbyarbeit der Evangelikalen Ein Beitrag von Ulli Jentsch (Apabiz).
 
Vorabveröffentlichung aus dem Antifaschistischen Infoblatt 85 (Winter 2009/10). Antifaschistisches Infoblatt #85 Gottes journalistische Seilschaft Die vernetzte Lobbyarbeit der Evangelikalen: Im Sommer diesen Jahres war der ZDF-Journalist und bekennende Evangelikale Peter Hahne gleich für zwei Personalien im Gespräch: als nächster Chefredakteur seines Fernsehsenders oder als nächster Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Während sich letzteres schnell als Gerücht erledigt hatte, können die evangelikalen Medien-Netzwerke noch auf einen der Ihren an der Spitze des ZDF hoffen. Denn immerhin dirigiert Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den politisch motivierten Angriff auf den geschassten Chefredakteur Nikolaus Brender. Peter Hahne, Leiter des ZDF-Hauptstadtbüros, ist sicher der prominenteste Medienmann aus dem Kreis der evangelikalen Sammlung in Deutschland, der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Die Evangelikalen insgesamt werden seit einiger Zeit von der Öffentlichkeit stärker beachtet, was nicht zuletzt an ihrer medialen Präsenz liegt. So ist der Einfluss der evangelikalen Kreise innerhalb der evangelischen Kirche nach Meinung vieler BeobachterInnen gewachsen, nicht zuletzt durch die freundliche Haltung des bisherigen EKD-Vorsitzenden, Wolfgang Huber. Die bibeltreuen Kreise versprechen mehr Missionsarbeit und eine »Neuevangelisierung« Deutschlands, die wohl die gesamte EKD gerne sehen würde. Aber es ist gerade die aggressive Missionierung Andersgläubiger und Andersdenkender in Deutschland und im Ausland, die auch deutliche Kritik und Widerstände hervorruft.
 
Evangelikale Kreise beteiligen sich an den anti-feministischen Kampagnen gegen das Recht auf Abtreibung, wie die sogenannten »Märsche für das Leben«, die in mehreren Städten durchgeführt werden. Diese waren nach langen Jahren erstmals mit kräftigem Widerspruch konfrontiert und forderten die »Krisen-PR« der ultrarechten ChristInnen heraus. Die Arbeitsweise des evangelikalen Netzwerkes wird auch an der jüngsten medialen Auseinandersetzung deutlich. Sie entbrannte an der Zulässigkeit christlicher Missionsarbeit in Krisenregionen. Im Juni 2009 waren zwei deutsche »Bibelschülerinnen« im Jemen ermordet worden, die wohl neben ihrer karitativen Arbeit auch missioniert hatten. Das Nachrichtenmagazin »Frontal 21« (ZDF) kritisierte in einem Beitrag die aggressive Propaganda der Entsendeorganisation und verglich die Bereitschaft, für einen Gott zu sterben, mit islamischem Fundamentalismus. Dies sorgte für evangelische Proteste bis hinein in die EKD. Dabei reagieren die Evangelikalen vor allem auf den Vorwurf des Fundamentalismus reflexartig empört. »Gezielte Rufmordkampagne«, »böswillige Unterstellung« und »wie einst in der DDR«, so die Kommentare in ideaSpektrum.
 
Erste Adresse der Empörung sind die Medienanstalten selbst, aber vor allem die EKD. Deren Reaktion kann die Kritik multiplizieren oder – wie hier geschehen – ihr die Spitze nehmen. Die evangelikalen Kreise setzen auf die Wirkung ihrer Netzwerke. Zu den Aktivitäten der DEA gehört seit gut dreißig Jahren auch die Bündelung ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu wurde 1980 die "Konferenz Evangelikaler Publizisten (KEP) e.V." gegründet, die sich 1999 den geschmeidigeren Namen »Christlicher Medienverbund KEP e.V.« gab. Das Ziel der Gründung war es, durch die »Koordination der bisherigen evangelikalen Öffentlichkeitsarbeit (...) eine wirkungsvolle und sachkompetente Vertretung der evangelikalen Bewegung in den Massenmedien« zu erreichen. Schon Anfang der 1980er Jahre stieß der junge Peter Hahne dazu und verließ den Verband erst 2008; ein Umstand, der seltsamerweise weder von Hahne noch von der KEP jemals erwähnt wird.
 
Es fällt bisweilen schwer, Medien und Macht voneinander zu unterscheiden, wenn man sich den »Christlichen Medienverbund« betrachtet. Ein ZDF-Chefredakteur gehört bisher nicht dazu, die Reihe der einflussreichen Mitglieder – laut KEP »Journalisten, Publizisten, Verleger und Vertreter von Medienorganisationen« – ist dennoch beachtlich. Fangen wir bei der Politik an. Neben der Abgeordneten des sächsischen Landtages Uta Windisch sind einige andere CDU-Mitglieder dabei: Christoph A. Zörb aus Ehringshausen (Hessen), seit Februar 2009 Sprecher der hessischen Umweltministerin, oder Christoph Weirich, seit Juli 2009 Pressesprecher der hessischen CDU-Fraktion. Das Unternehmen Deichmann Schuhe ist vertreten, die Stiftung Christlicher Medien (SCM), die Verlage Hänssler, Brunnen und Johannis. Hinzu kommen diverse Pastoren und Professionelle der evangelikalen Strömungen in Deutschland wie der Generalsekretär der DEA, Hartmut Steeb, oder der Direktor des Evangelium-Rundfunks ERF, Jürgen Werth. Bleiben die JournalistInnen. Vertreten sind die Westdeutsche Zeitung (Cornelia Breuer-Iff), die Hamburger Morgenpost, die Welt (Edgar S. Hasse), das ARD-Hauptstadtstudio (Markus Spieker), der Mitteldeutsche Rundfunk.
 
Ein echtes Schwergewicht im Vorstand der KEP ist der einflussreiche Prof. Dr. Wolfgang Stock (Woltersdorf bei Berlin), der als aktuelle Funktion »geschäftsführender Vorstand der Convincet GmbH« angibt. Stock verkörpert geradezu die Verquickung von Medien, Marketing und politischer Meinung: »Als Universitätsprofessor für Journalistik beherrscht er (...) die Meta-Ebene der politischen Kommunikation und des Agenda Setting«, so der Klappentext zu einem seiner Bücher. Zu seinen Tätigkeiten gehörten oder gehören Lehraufträge an verschiedenen Universitäten, »PR-Berater«, »Merkel-Biograf«, »Macher des Merkel Podcasts« und einiges mehr. Stock war Journalist bei FAZ, Welt, Focus und Berliner Zeitung. Er berichtete für »Die Welt« aus Polen und war gleichzeitig »stark in der Paneuropa-Bewegung Otto von Habsburgs engagiert«. Nach zwanzig Jahren hat er seine Erfahrungen aus dem Business zum Grundstock seiner Beratungstätigkeit für Wissenschaft, Unternehmen und Politik gemacht. Christlicher Politik selbstredend, Stock ist Mitglied der CDU.
 
Weltfremde Spinner also sind diese Kreise ganz und gar nicht, ein Eindruck, der bei manchen Medienberichten, vor allem z.T auch in linken Publikationen, durchaus entstehen kann. Deutlich ist das Gespür dafür, wo Meinung gemacht werden kann und politische Positionen entschieden werden: in den Zentren der Macht. Dafür wirkt unter anderem die KEP mit ihrer journalistischen Tagesarbeit. Mit den Worten der Vorsitzenden: »(...) Netzwerke verdichten, Gebetskreise unterstützen, Nachwuchsjournalisten fördern (...), die Seminararbeit unterstützen: »Gottes Fußvolk« muss professionalisiert werden.« Wer zu Gottes journalistischer Seilschaft gehört, sollte aufmerksam beobachtet werden.