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Entschädigung für Distomo-Massaker
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Ein Artikel des AK Distomo.
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Geschichte
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Entschädigung für Distomo-Massaker
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Kassationshof in Rom macht den Weg frei - Am 7. Juni 2008 gab der oberste italienische Gerichtshof (La Corte Suprema di Cassazione) seine Entscheidung im Fall Distomo bekannt: Griechische NS-Opfer können in Italien Entschädigungsansprüche gegen Deutschland durchsetzen. Dieses Urteil des obersten Gerichtshofs Italiens ist bahnbrechend.
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Der Hintergrund: Am 10. Juni 1944 überfiel eine deutsche SS-Einheit während der deutschen Besatzungszeit in Griechenland die Ortschaft Distomo bei Delphi und ermordete 218 Bewohnerinnen und Bewohner, darunter viele Kinder, Frauen und alte Menschen. Die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer erhielten von der Bundesrepublik niemals eine Entschädigung.
Der letztes Jahr verstorbene Rechtsanwalt Ioannis Stamoulis hatte vor dem Landgericht Levadia (Griechenland/Provinz Böotien) für die Opfer eine Entschädigung von ca. 28 Mio. Euro erstritten. Der Areopag, der oberste Gerichtshof Griechenlands, bestätigte das Urteil im Jahr 2000. Den Einwand der Staatenimmunität, den die deutsche Seite vorbrachte, wies der Areopag zurück. Im Fall schwerer Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen komme dieser völkerrechtliche Grundsatz nicht zum Tragen, urteilte der Areopag. Die Bundesregierung erklärte, sie werde das Urteil des höchsten griechischen Gerichts nicht anerkennen, und wies Griechenland damit den Status einer halbkolonialen Nation zu.
Trotz der rechtskräftigen Entscheidung zahlte die Bundesrepublik bis heute keinen Cent. Auf politischen Druck der deutschen Seite stoppte die griechische Regierung im Sommer 2001 die Pfändung und Zwangsversteigerung deutscher Liegenschaften in Griechenland (Goethe-Institut). Nach der griechischen Zivilprozessordnung bedarf es der Zustimmung des griechischen Justizministers, wenn in ausländisches Eigentum vollstreckt werden soll. Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer persönlich intervenierten in Athen, die griechische Regierung wollte den Beitritt zur Eurozone wohl nicht gefährden und lenkte ein.
Damit war es der deutschen Seite vorerst gelungen, den juristischen Erfolg der Distomo-Opfer vor griechischen Gerichten auszuhebeln. Gleichzeitig versagten deutsche Gerichte den Überlebenden des Massakers Ansprüche auf Entschädigung. Im Fall Sfountouris erklärten Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht, Individualansprüche kämen nicht in Betracht. Um ein NS-Verbrechen habe es sich im Fall Distomo auch gar nicht gehandelt, so die Karlsruher Richter, sondern allenfalls um einen schlichten Verstoß gegen das Kriegsvölkerrecht.
Die Kläger beantragten daher vor italienischen Gerichten, die griechischen Urteile in Italien für vollstreckbar zu erklären. Vor den unteren Instanzen bekamen sie Recht. Der Rechtsanwalt der Distomo-Opfer in Italien, Joachim Lau aus Florenz, pfändete daraufhin im Jahr 2007 deutsche Liegenschaften in Como/Italien (‘Villa Vigoni’), indem er dort Sicherungshypotheken eintragen ließ.
Die deutsche Regierung ging in die Rechtsbeschwerde und rief den Kassationhof in Rom an. Dieser entschied nun, dass die griechischen Kläger aus Distomo in Italien Vollstreckungsmaßnahmen gegen deutsches Eigentum ergreifen dürfen. Nach Auffassung des Kassationshofs genießt der deutsche Staat in einem solchen Verfahren keine Immunität, weil die Grundlage des Rechtsstreits ein Kriegsverbrechen war und weil entsprechende Urteile aus anderen EU-Staaten Anerkennung finden müssen.
Mit dieser Entscheidung ist endlich der Weg frei, den Menschen aus Distomo zu einer gerechten Entschädigung zu verhelfen. Verweigert Deutschland weiter die Zahlung, so könnten die gepfändeten deutschen Liegenschaften in Italien zwangsversteigert werden. Das dürfte wohl auch geboten sein. Denn aus Berlin wurde sehr schnell signalisiert, dass man die Entscheidung des Kassationshofs ebenfalls nicht anerkennen werde. In der Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei erklärte die Bundesregierung, dass man nicht mit den Betroffenen über die Frage der Entschädigung reden werde1. Stattdessen hat das Auswärtige Amt eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit dem italienischen Außenministerium eingerichtet, um vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein Verfahren durchzuführen2, das die Außerkraftsetzung der Kassationshof-Entscheidung zum Ziel hat.
Die Bundesregierung ließ sich nicht viel Zeit damit, die Argumentation des Kassationshofs auf sich wirken zu lassen. Um abstrakte Rechtsprinzipien zur Wahrung staatlicher Souveränität geht es Deutschland dabei ohnehin nicht. Die staatliche Souveränität etwa des vormaligen Jugoslawiens war Deutschland vielmehr stets ein Hindernis bei der politisch-ökonomischen Durchdringung des Balkans. Dafür war man auch bereit, einen Angriffskrieg zu führen und Belgrad zu bombardieren. Völkerrecht gilt für Deutschland nur, wenn es den eigenen Interessen nützt.
Deutschland will die Opfer von Distomo nicht entschädigen, mehr als ein paar dürftige Worte des Bedauerns gönnt man diesen nicht. Seit Jahren kämpfen die Überlebenden von Kriegsverbrechen, die Wehrmachts- und SS-Einheiten während der deutschen Besatzung Griechenlands im Zweiten Weltkrieg an der Zivilbevölkerung verübten, um Anerkennung und Entschädigung. Die Bundesregierung verweigert bis heute jeden Dialog mit den Opfern und Hinterbliebenen. Kategorisch wird jegliche Zahlung abgelehnt. Während die Täter niemals für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, ja von den bundesdeutschen Nachkriegsregierungen sogar aktiv vor Verfolgung geschützt wurden, sieht man in den Forderungen der Opfer und Hinterbliebenen nur einen Störfaktor deutscher Normalisierungspolitik. Für die Bundesregierung ist das Thema Entschädigung erledigt. Ihre Wunschvorstellung ist es, nach Abschluss des Projekts »NS-Zwangsarbeiterentschädigung«, zum letzten Mal für die deutschen Verbrechen während des Nationalsozialismus gezahlt zu haben.
Die Entscheidung aus Rom stellt hierbei ein ernsthaftes Hindernis dar, zumal der Kassationshof am gleichen Tage auch entschied, dass die 1943/ 1944 deportierten italienischen Soldaten (meist als Italienische Militärinternierte/IMI bezeichnet) wegen NS-Zwangsarbeit durch die Bundesrepublik Deutschland entschädigt werden müssen. Diese waren durch Deutschland von Zahlungen aus dem Fonds »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft« ausgeschlossen worden. Der Klageweg in Italien ist durch die Entscheidung für die IMIs auch für viele weitere NS-Opfer frei geworden. Und das Beispiel könnte auch in anderen Ländern Schule machen.
Die juristischen Auseinandersetzungen in Italien und darüber hinaus werden weiter gehen. Das Urteil des Kassationshofs betrifft formal nur eine Teilforderung, über den Hauptteil wird wohl erst im nächsten oder übernächsten Jahr entschieden werden. Das gibt der deutschen Seite Zeit für weitere Störmanöver. Zu hoffen ist, dass die italienischen Gerichte weiterhin den Mut haben, gegen die erklärten politischen und ökonomischen Interessen der BRD zu entscheiden. Hierzu bedarf es der verstärkten politischen Solidarität mit den Opfern des nationalsozialistischen Terrors und einer aktiven Unterstützung ihrer Forderungen. Nur dann kann der Schlussstrichpolitik der BRD etwas entgegen gesetzt werden.
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Blockade der deutschen Botschaft in Athen im Juni 2006
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