Editorial
Antifa 2004
Antifa Infoblatt #63 Editorial Liebe Antifas, Freundinnen und Genossinnen, liebe LeserInnen! Kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe fanden neben der Wahl zum Europaparlament und den Landtagswahlen in Thüringen auch sechs Kommunalwahlen in Deutschland statt. Mit Spannung erwarteten wir vor allem die Ergebnisse der Gemeinderatswahlen in Dresden und Chemnitz, waren in beiden Städten doch rechte Sammlungsbewegungen angetreten. In beiden Städten übertrafen die extrem rechten Parteien unsere sowieso schon pessimistischen Erwartungen. In Dresden zog das Nationale Bündnis Dresden mit 4,0% (drei Sitze) in den Stadtrat ein. Noch schlimmer sieht es in Chemnitz aus, hier sind die Rechten, die auf einer Liste der Republikaner angetreten sind, mit fünf (10,3%) Personen in den Stadtrat eingezogen. Auch die NPD konnte in ihren Hochburgen in der Sächsischen Schweiz erhebliche Stimmanteile für sich gewinnen. Einen traurigen Höhepunkt bildet hier sicherlich Reinhardtsdorf- Schöna, wo jeder vierte Wähler für die Rechten stimmte. Auch bei der Europawahl schaffte die NPD ihr selbstgestecktes Ziel von 0,5% locker und wird damit auch weiterhin durch die staatliche Parteienfinanzierung mit erheblichen Beträgen unterstützt. Sicherlich werden wir uns mit dem Thema Sächsische Schweiz in der nächsten Ausgabe näher beschäftigen.
 
Unsere Hoffnung, dass eine weitere Eskalation zwischen »Antideutschen« und »AntiimperialistInnen« nicht stattfindet, wurden enttäuscht. Diesmal waren es Vertreter der antiimperialistischen Fraktion, die einen neuen, traurigen Höhepunkt markierten. Auf dem Berliner »Karneval der Kulturen« griffen Anhänger der »Revolutionären Kommunisten« (RK) einige Antifaschisten tätlich an, die sich über den von einem RK-Aktivisten getragenen Pullover mit der Aufschrift »Antizionistische Aktion« beschweren wollten. Hierbei kam es zu einer von den RK angezettelten Schlägerei, in deren Verlauf ein weiterer Antifaschist durch einen Messerstich erheblich verletzt wurde. Es ist definitiv nicht hinehmbar, wenn Konflikte von sich antifaschistisch oder links nennenden Gruppen mit Gewalt ausgetragen werden und bewusst schwere Verletzungen von Menschen in Kauf genommen werden. Bei einem derartigen Eskalationsniveau verkommt die Tatsache, dass es sich bei der »Antizionistischen Aktion« um eine Nazigruppe aus den 80er Jahren handelt, fast zur Randerscheinung.
 
Hatten wir uns bei der Planung für den Artikel über »Antideutsche Ideologie« in der letzten Ausgabe intensiv mit den zu erwartenden Reaktionen unserer LeserInnenschaft auseinandergesetzt, so sind wir heute (Drei Monate nach Erscheinen der Nummer 62) trotzdem einigermaßen überrascht über das Feedback. Wir hatten natürlich mit (fast) allem gerechnet. Wütende Leserbriefe und Abokündigungen von antideutscher Seite schienen durchaus möglich. Angst hatten wir andererseits vor Vereinnahmung durch antiimperialistische Gruppen, die diesen Artikel als Freibrief für ihre Agitation gegen Israel mißbrauchen könnten. Eingetreten ist jedoch eine ganz andere Reaktion: nämlich (fast) gar keine. Bis auf die zustimmenden Worte einiger Antifagruppen hat es eine ernstzunehmende Debatte oder gar eine öffentliche Antwort als Diskussionsansatz, sieht man von einer Polemik im CI Newsflyer einmal ab, nicht gegeben. Haben wir also so genau den Nerv der Antifa-Bewegung getroffen, dass eine Debatte gar nicht nötig ist? Oder gibt es vielleicht gar keine Antifa-Bewegung mehr, die sich bundesweite Diskussionen und Debatten leistet? Da wir redaktionsintern eher auf Antwort zwei tippen, haben wir uns dazu entschlossen, den Fokus in dieser Ausgabe mal wieder auf die Antifa-Bewegung selbst zu legen. Vielleicht schaffen wir es mit den hier beleuchteten Aspekten, eine Diskussion über die Perspektiven antifaschistischer Arbeit anzuregen.
 
Ein weiterer Fokus dieser Ausgabe liegt auf dem Ressort Braunzone, in welchem wir gleich mehrere Aspekte näher beleuchtet haben. Diese sind zum einen ein ausführlicher Hintergrundbericht über das »Institut für Staatspolitik«,welches im Mai wieder mal sein »Berliner Kolleg« durchgeführt hat. Hier waren unter anderem der Homann-Fürsprecher Ex-Brigadegeneral Günzel und fast die gesamte Führungsriege der Jungen Freiheit mit von der Partie. Zum anderen widmen wir der Anweisung des Verteidigungsministeriums, die Zusammenarbeit der Bundeswehr mit dem »Verband Deutscher Soldaten« künftig zu untersagen, einige kritische Blicke.
 
Der Artikel im Ressort NS-Szene über linke Symboliken, die von Neonazis aufgegriffen werden, ist unter anderem einer erhöhten Medienöffentlichkeit dieses Thema betreffend geschuldet. Gerade vor dem 1. Mai-Aufmarsch der Faschisten in Berlin überschlugen sich einige Blätter mit Analysen und Deutungen zu dieser Thematik. Wir versuchen daher in diesem Beitrag, anhand einiger Beispiele den Mechanismus der Adaption dieser Symbole durch die extreme Rechte näher zu ergründen.
 
Zum Schluss noch ein paar Worte in eigener Sache: Wir suchen dringend zuverlässige WeiterverkäuferInnen vor allem im Raum Göttingen, da wir hier über keine seriöse Verkaufsstelle mehr verfügen und wir euch auch abseits eines Abos weiterhin unser Heft anbieten möchten. Die genauen Konditionen hierzu findet ihr hier.