A-INFOS EXTRA

Nr. 1/6 1996


Verfahren gegen Goettinger Antifa (M) wird wahrscheinlich eingestellt

Do., 25. Juni 1996

Vermutungen der 17 angeklagten mutmaßlichen Mitglieder der Göttinger Autonomen Antifa (M) zufolge, wird das Verfahren gegen sie voraussichtlich eingestellt. Die Staatsschutzkammer beim Lüneburger Landgericht, die Generalstaatsanwaltschaft (GSA) Celle, sowie die Verteidiger der Beschuldigten hätten sich auf eine Einstellung des Verfahrens unter Auflagen geeinigt. Demnach müssen die Angeklagten eine Erklärung abgeben, in Zukunft die Bestimmungen des Demonstrationsrechtes bei ihren Aktionen zu "berücksichtigen" sowie jeweils den Betrag von 3.000 Mark an eine KZ-Gedenkstätte überweisen. Gemäß der Vereinbarung sollen die bei diversen Polizeirazzien beschlagnahmten Computer den Beschuldigten zurückgegeben und beschlagnahmte Unterlagen und Presseerklärungen der Antifa (M) dem Hamburger Institut fuer Sozialforschung übergeben werden. Ausserdem soll nicht nur das Hauptverfahren, sondern auch alle noch anhängigen Verfahren gegen 17 weitere Personen eingestellt werden. Die Anklage lautete auf Bildung einer kriminellen Vereinigung, verschiedener Straftaten im Zusammenhang mit antifaschistischen Demonstrationen. Aufsehen hatten vor allem regelmäßig erscheinende militante "schwarze Bloecke" waehrend Demonstrationen der Antifa (M) hervorgerufen. Frühere Anklagepunkte wie die Werbung fuer eine terroristische Vereinigung waren bereits fallengelassen worden. Um die Anklage zu untermauern, waren über mehrere Jahre hinweg 13.929 Telefongespraeche abgehört, Observationsvideos erstellt und diverse polizeiliche Beobachtungsprotokolle verfasst worden. Fruehere Einstellungsangebote unter den Auflagen, sich von der Politik der Antifa (M) grundsätzlich zu distanzieren oder auf jegliche "Organisierung sogenannter Schwarzer Blöcke" zu verzichten, hatten die Angeklagten abgelehnt. Veshalb sie nun von der Forderung der Antifa (M) abgewichen seien, das Verfahren bedingungslos einzustellen, erklärte einer der Angeklagten am Donnerstag in einem Interview mit der Tageszeitung Junge Welt: "Die Angeklagtengruppe war sehr heterogen, moeglicherweise wäre es zu einer Spaltung gekommen, wenn wir uns jetzt nicht auf diese Auflagen eingelassen hätten." Das Einlenken der Staatsanwaltschaft begruendete er mit der Buendnispolitik der Angeklagten, denen eine breite Solidarität von den Grünen, Gewerkschaften, bis hin zum bürgerlichen Spektrum zuteil geworden sei.


Demonstration gegen radikal-Verfahren

Do., 27. Juni & Sa., 29. Juni 1996

Rund 70 Personen Demonstrierten am Donnerstag in Bremen gegen die anhaltende Untersuchungshaft eines mutmaßlichen Mitarbeiters der illegalen linken Zeitschrift radikal und gegen die Auflagen, unter denen zwei weitere mutmaßliche MitarbeiterInnen aus der Haft entlassen wurden. Beide mußten Kautionen in Höhe von 20.000 Mark hinterlegen und dürfen weder unter einander noch zu anderen angeklagten Kontakt halten. "Jegliche Kommunikation innerhalb des sozialen und politischen Umfeldes der Betroffenen wird dadurch zerrissen", hiess es in einem Redebeitrag. Die DemonstrantInnen forderten die Freilassung des inhaftierten Frank G. und schickten Grüße an den "weiterhin fluechtigen Mattes". Die Haftbefehle vier weiterer Angeklagter, die nach halbjähriger Untersuchungshaft zunächst ebenfalls gegen eine Kaution von 20.000 Mark ausser Kraft gesetzt wurden, sind nun aufgehoben worden. Wie die Koblenzer Staatsanwaltschaft mitteilte, bestehe bei den Beschuldigten, die im Rahmen einer Großaktion gegen das Blatt am 13. Juli vergangenen Jahres festgenommen wurden "keine Fluchtgefahr". Der Fall war von der Bundesanwaltschaft an die Koblenzer Staatsanwaltschaft übertragen worden und sei nun von minderer Bedeutung. "Chefsache" bliebe das Verfahren gegen die vier anderen Beschudligten, denen "Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung radikal" vorgeworfen wird.


Eine Meldung von A-Infos (D)

Nachdruck mit Quellenangabe erwünscht, ueber Belegexemplare würden wir uns freuen.