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Neofaschismus
in Italien


aus: DER RECHTE RAND Nr. 75 März/April 02, S.18

Macht geht vor Recht

Italiens Weg zum autoritären Populismus

Hatten wir nicht gelernt, dass Demokratien unter anderem
durch die Bändigung der Macht gekennzeichnet sind? Um zu verhindern, dass es zu autoritären, gar totalitären Systemen komme, müsse jede Macht im Staate durch eine andere in Schach gehalten werden.
von Günther Pallaver

Was derzeit in Italien vor sich geht, läuft genau in die entgegengesetzte Richtung. Macht wird vor Recht gesetzt und die Aufteilung der Macht, um eine Balance der gegenseitigen Kontrolle zu garantieren, wird schrittweise außer Kraft gesetzt. An der Spitze dieser Entwicklung steht ein Mann, der sich schon mit Jesus, Napoleon oder Justinian verglichen hat. Silvio Berlusconi ist dabei, den Staat Italien zu revolutionieren: Nicht in Richtung eines Mehr an Demokratie oder sozialer Gerechtigkeit, sondern in Richtung eines autoritären Populismus. Der erschwerende Hinweis, Berlusconi agiere aus persönlichem Interesse, ändert nichts an der Interpretation der Ereignisse, denn seine persönliche Interessen decken sich mit den Interessen seiner Koalitionspartner. Berlusconis Interessen sind Berlusconis Ideologie.

Unter den vielen Beispielen, die in Richtung eines autoritären Populismus weisen, sei in erster Linie auf Berlusconis Interessenskonflikt als Unternehmer und Politiker hingewiesen. Der Besitz von (vor allem elektronischen) Medien ist im Zeitalter der auf politische Kommunikation und Marketing ausgerichteten Politik ein zentraler Machtfaktor. Das Fernsehen ist dabei die stärkste Waffe in der Hand eines Politikers, weil er dadurch die Meinung und somit das Wahlverhalten beeinflussen kann.

Die von Berlusconi zugesicherte Lösung seines Interessenskonflikts, um politische Chancengleichheit im Lande zu garantieren, wird es allerdings nicht geben. Im Gegenteil. Was an Konzentrationsverbot zwischen Zeitungen und Fernsehanstalten noch besteht (Besitzverbot von Tageszeitungen für all jene, die bereits drei gesamtstaatlich ausstrahlende Fernsehanstalten ihr Eigen nennen), soll mit dem Rückgriff auf Prinzipien der freien Marktwirtschaft beseitigt werden.

Aber wofür sollte Berlusconi eigentlich kämpfen, wenn ihm letztlich die Beute geschenkt wird. Seit er zum Regierungschef gekrönt worden ist, berichten neben seinen privaten TVAnstalten auch immer häufiger die drei öffentlich-rechtlichen RAI-Sender in seinem Sinne. Einmal in vorauseilendem Gehorsam, weil es Journalistinnen gibt, die einer politischen „Säuberung" entgehen wollen. Und dann, weil die Lakaien Berlusconis immer flächendeckender die Spitzenpositionen der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt besetzen.

Allein dieses Ungleichgewicht in der
Information weist Italien als ein Land aus, das sich auf dem Weg zu einem „Peronismus all'italiana", zu einem schleichenden autoritären System befindet. Die ehemals faschistischen „squadristi" haben es nicht mehr nötig, die Straßen zu terrorisieren. Sie besetzen auf Samtpfoten via TV die gemütliche Stube. Über die Medien unterminiert Berlusconi auch das Justizwesen, gegen das er anrennt, weil er in eine Serie von Strafverfahren von der Korruption bis zur Urkundenfälschungen verwickelt ist. Der Medienzar wurde bereits rechtskräftig verurteilt, wobei ihn vor der Eintragung ins Strafregister nur die Verjährung der Straftaten gerettet hat. In seinen Worten wird die Verjährung allerdings zu einem vollen Freispruch. Und die Medien berichten nicht über das Urteil, sondern über die Interpretation des Urteils durch Berlusconi.

Die europäische Union, die so sehr
als eine Wertegemeinschaft auftreten möchte, verhält sich Berlusconi gegenüber sträflich nachsichtig. Deutschlands Altbundeskanzler Helmut Kohl hat Berlusconis Partei "Forza Italia" den Weg zur europäischen Volkspartei im EU-Parlament geebnet. Über Berlusconi und unter tatkräftiger Hilfe des spanischen Regierungschefs Aznar ist nun auch der Postfaschist Gianfranco Fini dabei, über kurz oder lang die Schwelle zum Haus der Christdemokraten zu überschreiten. Der Einzug Finis als Vertreter der italienischen Regierung in den EU-Konvent ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern ein handfestes Programm.

Gegenüber der Absegnung seiner Politik durch Brüssel zeigt sich Berlusconi nicht einmal dankbar. Das europäische Rechtshilfepaket im Kampf gegen die internationale Kriminalität wird von ihm sabotiert. Der weitere europäische Einigungs- und Integrationsprozess wird von ihm abgelehnt, sollte der Nationalstaat zusätzliche Souveränitätsrechte an die Union abgeben müssen. Die Einführung des Euro wird missmutig angenommen, weil diese, von der Linken beschlossen, nicht mehr rückgängig zu machen war. Offenbar winselt der Hund, der von seinem Herrn geschlagen wird, nur noch mehr um seinen Peiniger.

Dafür zeigte sich Italien im Kampf gegen den „internationalen Terrorismus" als Musterknabe und beschloss den Kriegseintritt an der Seite der USA, obwohl dies die italienische Verfassung verbietet, denn in dieser ist verankert: „Italien lehnt den Krieg als Mittel des Angriffs auf die Freiheit anderer Völker und als Mittel zur Lösung internationaler Streitigkeiten ab." Aber es gehört zum Staatsverständnis Berlusconis, politische Mehrheitsverhältnisse vor Verfassungsprinzipien zu stellen.

Zwar haben die Sympathiewerte Berlusconis und seiner Regierungsmannschaft in den letzten Monaten leicht abgenommen, weil seine vielen Wahlversprechungen (Erhöhung der Renten, Beseitigung des Steuerdrucks, ein neues ökonomisches Wunder) ausgeblieben sind. Wenn Berlusconi, der Mann aus Plastik und des gekünstelten Lächelns, aber nach wie vor sattelfest auf seinem Regierungssitz thront, dann auch deshalb, weil derzeit die Linke in Italien zerstritten, konfus und orientierungslos ist.