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Neofaschistischer 
Squadrismus in
Italien


Aus: Der Rechte Rand Nr.58 Mai/Juni 1999, S.8

Günther Pallaver

Italien: Der Aufstieg des Postfaschisten Fini


Die Massenmedien und politischen Strategen der Parteien in Italien hatten sich bereits zu Jahresbeginn auf einen intensiven und aufregenden Wahlfrühling 1999 eingerichtet: Zuerst das Referendum am 18. April zur Abschaffung des letzten Restes des Verhältniswahlrechts, um in Zukunft das Parlament nach einem reinen Mehrheitswahlrecht zu wählen. Dann Anfang Mai die Wahl des/der neuen Staatspräsidenten/in, nachdem das Mandat von Oscar Luigi Scalfaro abläuft.

Mit der Präsidentschaftswahl verbindet die politische Rechte die Forderung nach einem Staatspräsidenten, der eine Reformpolitik zur Herausbildung eines Zweiparteiensystems einleitet und der bei der Debatte um die Reform des Staates zugunsten eines präsidentiellen oder zumindest semipräsidentiellen Systems optiert.

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Gianfranco Fini.

Und schließlich die Wahlen zum Europaparlament am 13. Juni, von denen sich die Rechtsparteien einen Sieg erhoffen, um dadurch die Mitte-Links-Regierung unter Ministerpräsident Massimo D'Alema von den Linksdemokraten delegitimieren zu können. Sollten die Wahlen zugunsten von Silvio Berlusconi, „Forza Italia", und Gianfranco Fini, „Alleanza Nazionale", ausgehen, wird der Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen unüberhörbar werden.

Die EU-Wahlen hatten bereits zu Beginn des Jahres ihre Schatten vorausgeworfen, als der ehemalige Ministerpräsident und Ex-DC-Politiker Romano Prodi, der für die Mitte-Links-Parteien des „Ulivo" Italien fast drei Jahre lang regiert hatte, daran ging, eine neue Partei zu gründen. Gemeinsam mit der Bürgermeisterbewegung „Cento Citta" und des „Movimento dei valori" des populistischen Staatsanwaltes Antonio Di Pietro, Star der Antikorruptionsbewegung „mani pulite", rief er die Zentrumspartei „I Democratici" ins Leben. Obwohl Prodi nach seiner Designierung zum EU-Präsidenten an den Wahlen am 13. Juni nicht teilnehmen wird, scheint seine Bewegung weniger den Rechts-, als vielmehr den Linksparteien Wählerstimmen abzuknöpfen. Wenn die „Democratici" 13,5 Prozent ihrer Wählerinnen von „Forza Italia" übernehmen, so sind es 23,8 von den Linksdemokraten, aber nur 4,8 Prozent von „Alleanza Nazionale", wie einer Umfrage im vergangenen Februar zu entnehmen war.

Als Prodi noch als sicherer Starter galt, sahen die Umfrageergebnisse im vergangenen März für die „Democratici" vielversprechend aus. Die Linksdemokraten unter Massimo D'Alema würden mit 17 Prozent bei den Europawahlen erst hinter den 19 Prozent von „Forza Italia" als zweitstärkste Partei hervorgehen, gefolgt von „Alleanza Nazionale" (16,5 Prozent) und den „Democratici" (16 Prozent). Insgesamt allerdings würden die Mitte-Links-Parteien im Vergleich zu den EU-Wahlen vom Juni 1994 44,5 Prozent auf sich vereinen, einige Prozentpunkte mehr als vor fünf Jahren.

Im Gegensatz dazu würde der Mitte-Rechtsblock um etwa vier Prozentpunkte zurückfallen und bei 39 Prozent steckenbleiben. Seitdem allerdings die NATO den Krieg gegen Jugoslawien begonnen hat und Italien zur zentralen strategischen Drehscheibe der NATO-bombardierungen geworden ist, sind sämtliche Wahltermine vom Thema Krieg verdrängt worden. Mit Auswirkungen auf die italienische Innenpolitik, die schon kurzfristig die politischen Weichenstellungen stark beeinflussen könnten.

„Forza-Italia"-Chef Silvio Berlusconi hatte das Referendum zur Abschaffung des verbliebenen Verhältniswahlrechtes nur halbherzig unterstützt. Im Gegensatz zu Gianfranco Fini von der postfaschistischen „Alleanza Nazionale". Mit Fini hatten sich Antonio Di Pietro, Romano Prodi, Mariotto Segni, aber auch der Parteichef der Linksdemokraten, Walter Veltroni, für ein reines Mehrheitswahlrecht ausgesprochen. Allerdings wurde das Wahlbeteiligungsquorum von 50% plus einer Stimme nicht erreicht. Obgleich 49.6 Prozent der Wählerinnen zu 90 Prozent für die Abschaffung des Verhältniswahlrechts gestimmt haben, bleibt das Referendum ungültig.

Schon Tags darauf war es innerhalb der Rechtsparteien zu heftigen Auseinandersetzungen und Beschuldigungen gekommen. Fini attackierte Berlusconi und machte ihn für die Niederlage beim Referendum verantwortlich. Der Leader der Referendumsbewegung Mariotto Segni schlug in dieselbe Kerbe. Die endgültige Abrechnung innerhalb des Rechtsblokkes könnte jetzt bei den Europawahlen kommen.

Da in Italien bei den Europawahlen nach dem reinen Verhältniswahlrecht gewählt wird, könnte es diesmal „Alleanza Nazionale" das erste Mal gelingen, zur stärksten Partei innerhalb des Rechts-Bündnisses aufzusteigen. Zu viele „Forza Italia"-Anhänger haben sich von Berlusconi in diesem Referendumskampf im Stich gelassen gefühlt. Und gerade diese Unzufriedenen hofft Fini am 13. Juni für sich auszunutzen. Der gewiefte Taktiker wählt derzeit noch gemäßigte Worte, um seine potentiellen „Forza Italia"-Wählerlnnen nicht zu brüskieren. Ein Vorschlag von abgesprungenen „Forza Italia"- Parlamentariern, die Berlusconi wegen seiner Haltung beim Referendum den Rücken gekehrt haben, hatten Fini eingeladen, eine Achse zwischen „Alleanza Nazionale" und der neuen „Partei des Elefanten" zu schmieden. Der Elefant steht dabei für eine Mitte-Rechts-Partei, die vom Referendumsmatador Segni ins Leben gerufen worden ist. Die 45. Partei übrigens, die jetzt in der Abgeordnetenkammer sitzt.

Fini hat dieses Projekt angenommen. Und sollte er am 13. Juni mit seiner Partei „Forza Italia" überholen, wird die Frage der Leadership innerhalb des Mitte-Rechts-Bündnisses von selbst wieder aufgeworfen werden. Diese Debatte erfolgt bereits von Zeit zu Zeit und wird in der Regel von den Satrapen Finis vom Zaun gerissen, um die Stimmung über die Leadership innerhalb des Mitte-Rechts-Bündnisses feststellen zu können.

Sollte „Alleanza Nazionale" am 13. Juni aber tatsächlich zur stärksten Partei aufrücken, stehen für den Anspruch der Leadership nicht nur die Führungsqualitäten zwischen Fini und Berlusconi gegeneinander, sondern Fini wird auch auf die geänderte politische Gewichtung zwischen „Alleanza Nazionale" mit seinem Bündnispartner Segni und „Forza Italia" hinweisen können.

Sollte es Fini auch nach den Juniwahlen nicht gelingen, die Führung des Mitte-Rechts-Blocks zu übernehmen, kann er sich mit seinen blendenden Umfrageergebnissen trösten. Seitens der Italiener wird der Postfaschist schon längst dem Medientycoon Berlusconi vorgezogen. Erfreulich für Fini, aber erschreckend für Italien und Europa.