land in sicht ordnungswidrige aktionstage 16. bis 22. august 2002 in hamburg

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Antisemitismus, die konformistische Revolte der StaatsbürgerInnen und linke

10.08.2002 - Anonym

Konzept für eine Arbeitsgruppe auf dem Land in Sicht Camp

Die Entwicklung der letzten Jahre hat eine politische Konstellation hervorgerufen, in der die Kritik des Rassismus gegen diejenige des Antisemitismus ausgespielt werden kann und umgekehrt. Zuletzt akut wurde dies beispielsweise in Straßburg, wo TeilnehmerInnen einer Antira-Demo MitdemontrantInnen vom Angriff auf eine Synagoge abhalten mußten. Dabei ging es keinesfalls um die übliche linke Frage der Militanz auf Demos. Eine ähnliche Situation besteht im aktuellen Streit im Hamburger Freien Radio, indem den KritikerInnen einer antisemitischen Sendung im Gegenzug Rassismus vorgeworfen wird. Die allgemeine Vorlage dafür war die UN-Antirassismuskonferenz in Durban.

Historisch wie aktuell ist der linken Analyse die Dynamik des Antisemitismus zumeist ein Rätsel geblieben. Wenn er doch einmal ins Blickfeld von Theorie und Praxis gerät, wird er meistens, je nach politischer Strömung, unter Rassismus oder unter Faschismus subsummiert. Beides ist nicht ganz falsch. Während aber ersteres die für die Antisemitismuskritik wichtigen Unterschiede von Rassismus und Antisemitismus unterschlägt, kommt die Subsumtion des Antisemitismus unter Faschismus im allgemeinen nicht damit zurecht, dass es auch Antisemitismus gibt, der nicht unmittelbar faschistisch agiert.

Vor diesem Hintergrund soll es in dieser Diskussion zunächst einmal darum gehen, was Antisemitismus ist und warum es dringend geboten ist, ihn als eigenständiges Phänomen bürgerlicher Herrschaft zu analysieren. In den Vordergrund würde ich dabei das Verhältnis (bzw. die Unterschiede) von Rassismus und Antisemitismus stellen.

Darauf aufbauend würde ich das strukturelle Problem gerne an der Frage diskutieren, ob die Kritik des Antisemitismus einfach in die Liste der linksradikalen Antis (Antikapitalismus, Antisexismus und Antirassismus) aufgenommen werden kann. Das Problem fängt schon bei der Sprache an, deutet das "Anti"im Begriff Antisemitismus, den die AntisemitInnen vor dem NS durchaus zur Selbsbezeichnung verwendeten, doch an, dass im Antisemitismus selbst ein Moment enthalten ist, welches auch in der linken Begriffsbildung eine Rolle spielt.

Deutlich wird es zum Beispiel an der Frage, wie denn die Aufnahme eines Anti-Antisemitismus in die Logik derjenigen Argumentationen aussehen würde, die sich im weitesten Sinne an der Triple Opression Theorie orientieren. Was soll das Herrschaftsverhältnis zwischen Nichtjuden und Juden sein? Oder muß dieser Versuch, die bürgerliche Herrschaft wieder zu personalisieren, am Antisemitismus scheitern? Und ist das vielleicht der Grund, warum es der Linken so schwer fällt, das antibürgerliche Ressentiment von Rechts, welches ich als konformistische Revolte beschreiben würde, als ein solches zur Kenntnis zu nehmen anstatt es teilweise selbst zu bedienen.