land in sicht ordnungswidrige aktionstage 16. bis 22. august 2002 in hamburg

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Protokoll des ersten "Land in Sicht" Treffen in Hamburg

21.02.2002 - Hamburger Vorbereitungskreis

Zu dem Sondierungs- und Vorbereitungstreffen zu den »Schill-y-out-days« / »Land-in-Sicht-Tagen« in Hamburg waren ca. 50 Menschen aus Hamburg, Berlin, Wuppertal, Erfurt, Frankfurt/M., Kiel, Wendland, Bremen und Braunschweig gekommen.

Beredet wurden:

  1. Anlässe der Entstehung der Idee
  2. Diskussion verschiedener Erwartungen
  3. Motivationsrunde
  4. Thematische Zuspitzung: Rechtspopulismus
  5. Organisatorische Verdichtungen

1. Vorgeschichte

Anfangs wurde sehr kurz die gedankliche Entstehungsgeschichte dieser Tage angerissen, die sich aus der Entwicklung der Grenzcamps und der um die Grenzcamps herum geführten Debatten um das Verhältnis zu Antirassismus und Flüchtlingsunterstützung, zum Spagat zwischen Selbstorganisierung und Effizienz, um die verschiedenen Politikstile und den Stellenwert einer umfassenden Gesellschaftskritik speisten. Nach der im Dezember in Göttingen gefällten Entscheidung, das Grenzcamp dieses Jahr in Thüringen stattfinden zu lassen und damit einen Schwerpunkt auf die notwendige und sinnvolle Kampagne von »The Voice« gegen die Residenzpflicht zu legen, sahen einige der an den bisherigen Grenzcamps Beteiligten ihre Vorstellungen und Wünsche in diesem Rahmen nicht mehr realisierbar. Statt sich nun aus der Vorbereitung ganz zurück zu ziehen, entstand die Idee, im August diesen Jahres (angepeilt ist die zweite August-Hälfte) ein zusätzliches Camp in Hamburg zu organisieren unter dem Arbeitstitel »Schill-y-out-Tage« bzw. »Land-in-Sicht-Camp«. Dieses Camp versteht sich ausdrücklich nicht als Gegenveranstaltung zum Grenzcamp in Thüringen, sondern verfolgt - ähnlich wie das Internationale No-Border Camp in Strasbourg oder das aus der Crossover Konferenz hervorgegangene Summercamp - einfach eine andere thematische und politische Zielrichtung.

2. Zugänge und Begründungen

Diesem kleinen Input schloss sich eine erste Diskussionsrunde an, in der sehr frei über Zugänge und Begründungen für ein mögliches »Land-in-Sicht-Camp« oder »Schill-y-out-days« in Hamburg im Sommer geredet wurde. Dabei wurden durchaus unterschiedliche Gründe und Zugänge genannt und diskutiert, die zum Teil später bei der Benennung der eigenen Motivation noch mal auftauchten.

3. Motivationen

Mit diesen verschiedenen Begründungen im Hinterkopf wurde in einer Runde die Motivationen für mögliche Diskussions- und Aktionstage in HH erfragt. Den Ausgangspunkt in diesem Sommer ein »Land-in-Sicht-Camp« in Hamburg zu veranstalten bildet der in seiner Höhe überraschende Wahlerfolg der rechtspopulistischen Schill-Partei bei den Wahlen zur Hamburger Bürgerschaft im Herbst 2001. Alle Beteiligten waren sich aber auch darin einig, dass Schill nicht zum alleinigen Schwerpunkt eines Hamburger Camps werden solle. Bei einer Sammlung möglicher Themen- und Politikfelder kristallisierten sich fünf zentrale Themenfelder bzw. Fragestellungen heraus:

  1. Rechtspopulismus

    Der Erfolg der Schill-Partei ist Ausdruck einer allgemeinen Tendenz rechtspopulistischer Mobilisierung in Europa. Das »Phänomen Schill« muss im Zusammenhang mit dem Aufstieg Berlusconis in Italien, Blochers in der Schweiz und Haiders in Österreich gesehen werden. Aktions-/Diskussionspunkte für das »Land-in-Sicht-Camp« sind z.B.:

    • Es wäre wichtig, auf die Erfahrungen aus Italien und Österreich zurückzugreifen.
    • Es sollte ein Gegenmodell zum Modell des autoritären, starken Staats präsentiert werden.
    • Stehen die rechtspopulistischen Erfolge für einen Übergang von der Kontroll- zur Disziplinargesellschaft?
  2. Kriminalitätsdiskurs

    Schill ist es in HH gelungen, den Kriminalitätsdiskurs am erfolgreichsten zu bedienen. Er profilierte sich dabei aber nur als Konsequentester Vertreter einer Politik, die von allen bürgerlichen Parteien bedient wird. Das bedrohliche am Kriminalitätsdiskurs ist seine Schrankenlosigkeit: Niemals ist sicher sicher genug, der Ruf nach Sicherheit und Kriminalisierung kommt daher nie an ein Ende. Aktions-/Diskussionspunkte für das »Land-in-Sicht-Camp« sind z.B.:

    • Was sind die Sicherheitsversprechen, die so viel Resonanz finden?
    • Warum gibt es keinerlei vernehmbare Gegenstimmen gegen die Sicherheitsgesetze?
    • Welche aktionistischen Ansatzpunkte bieten sich im Bereich »innere Sicherheit«?
  3. Theorie und Aktion

    Das Camp sollte auf jeden Fall nicht nur aus Diskussionen bestehen. Die aktionistische komponente ist wichtig und für einige sogar zentral. Von verschiedenen Seiten wurde allerdings kritisiert, dass Aktionen auf dem letzten Grenzcamp vor allem für Außenstehende nur schwer verständlich waren. Zu selten haben wir uns über die Vermittlung der Aktionsideen genügend Gedanken gemacht. Auf dem »Land-in-Sicht-Camp« könnten wir die Situation nutzen, um

    • exemplarische Aktionen auszuprobieren,
    • im Anschluss an Aktionen ihre Durchführung und Wirkung zu reflektieren um evtl. schon am nächsten Tag eine veränderte Aktionsform auzuprobieren,
    • mit Aktionen zu polarisieren,
    • darauf zu achten, dass Aktionen irritieren, statt zu polarisieren,
    • die Mobilisierung auf dem Camp zu nutzen um z.B. Diskussionen des Vormittags am Nachmittag in Aktionen umzusetzen.
  4. Die Welt nach dem 11.9.

    Beim »Land-in-Sicht-Camp« sollte genügend Zeit und Raum dafür sein, die Bedeutung der veränderten weltpolitischen Situation nach dem 11.9. zu diskutieren.

  5. Ferienkommunismus

    Viele haben die intensiven Diskussionen auf den letzen Grenzcamps als außerordentlich interessant erfahren. Auf dem »Land-in-Sicht-Camp« sollte genügend Raum für Debatten, Streit und Austausch sein. Im Nachhinein war der Frankfurter Versuch, die Anzahl der großen Plena zu reduzieren, nicht die richtige Konsequenz aus den negativen Groß-Plenums-Erfahrungen des vorangegangenen Camps.

    Das »Land-in-Sicht-Camp« sollte gerade einen Ort bieten, über den lokalen, klein- oder großstädtischen Rahmen hinaus unter dem sozialen Zwang der Camp-Vergesellschaftung im größeren Rahmen Debatten zu führen.

Nach dieser unsystematischen Runde gab's eine Pause in der untypischen Hamburger Nachmittagssonne. Danach waren noch etwa 35 Menschen da, der Rest hatte die Pause zum angekündigten oder stillschweigenden Verlassen der Runde genutzt.

4. Rechtspopulismus/Schill

Die Moderation versuchte sich in einer Zusammenfassung des bisherigen Treffens und machte den Vorschlag, anhand der häufig gestellten Fragen zum Verständnis des modernen Rechtspopulismus und der Person des Innensenators Schill Zugänge zu Interessen, Verknüpfungen und Interventionen im Rahmen eines möglichen »Land-in-Sicht-Camps« herauszufiltern. Nach ein paar Unsicherheiten zu den Verfahrensfragen entwickelte sich eine gute Diskussion, die mit ein paar Thesen eingeleitet wurde:
  1. Schill sei lediglich ein Ausdruck autoritärer gesellschaftlicher Tendenzen, nichts ungewöhnliches oder spezifisch neues
  2. Schill sei eine spezifische Form, Rechtspopulismus als diffuses ideologisches Mischmasch, das ganz andere politische Antworten erfordere als die traditionelle reaktionäre Rechte bzw. die Neofaschisten

In der nachfolgenden Diskussion wurde noch einmal auf die Verbindungslinien des Kriminalitätsdiskurses zu den Selbstwidersprüchen hingewiesen. Danach erfolgte vor allem für Nicht-HamburgerInnen noch ein Abriss der Aktivitäten, die bislang aus radikale linker Sicht gegen Schill und v.a. dessen Politik gelaufen seien. Hierzu wurde die Politik und das Versprechen Schills von einem Teil der Anwesenden noch einmal in die Kontinuität rot-prüner Regierungspolitik gestellt. Ein großer Teil der Diskussion drehte sich dann um Unterschiede des Rechtspopulismus zur »etablierten« Politik:

5. Weitere Planungen

Das hohe Maß an Beteiligung und die überwiegend positiven Äußerungen zu einem möglichen »Land-in-Sicht-Camp« in Hamburg wurden als Interesse interpretiert, den Prozess der notwendigen organisatorischen Verdichtungen tatsächlich in Angriff zu nehmen. Als möglicher Termin des Hamburger Camps wird die zweite August-Hälfte angepeilt.

Nachdem noch einmal betont wurde, dass es sich dabei nicht um eine Konkurrenzveranstaltung zu den Camps in Jena, Strasbourg, Summercamp handele, wurde der Charakter des »Land-in-Sicht-Camps« in Hamburg bewusst noch offen gelassen.

Die Koordination und der Austausch zu diesem möglichen Event laufen über:

Das nächste bundesweite Vorbereitungstreffen findet am Sonntag, dem 17. März von 11 bis 17 Uhr in Hamburg statt. Der genaue Ort wird noch rechtzeitig über die Camp01-Liste bekannt gegeben.

Auf der Tagesordnung des nächsten Treffens sollten folgende Punkte vorkommen:

  1. Aktionsformen
  2. Wie kann es gelingen, auf dem Camp genügend Raum für inhaltliche Diskussionen zu lassen?
  3. Organisationsstrukturen des Camps
  4. Wo gibt es Anknüpfungspunkte im offiziellen Tourismusprogramm Hamburgs?