Webjournal zum Flüchtlingskongress vom 21. April bis 1. Mai in Jena zurück | back

Urgent Action!
Keine Abschiebung von Tidiane Sow nach Guinea-Bissau!

Dieser junge Mann steht kurz vor der Abschiebung nach Guinea-Bissau. Er konnte wie viele andere Zivilisten während der Rebellion im Juni 1998 fliehen. Die Kämpfe zwischen den rebellierenden Truppen und der Regierungsarmee flammen trotz ECOWAS-Beobachtern und internationalem Druck für einen Waffenstillstand und Befriedung immer wieder auf. Im November 99 haben zwar Wahlen stattgefunden, aber Menschenrechtsorganisationen wie ai berichten immer wieder von willkürlich aufgegriffenen Zivilisten, die schweren Mißhandlungen, Folterungen oder Haft ohne Verfahren ausgesetzt sind. Damals war Tidiane 16 Jahre alt. Seine einzig verbleibenden Familienangehörigen, sein Onkel und Bruder, sind seit dieser Zeit verschollen - wahrscheinlich wurden sie erschossen . Sein Bruder war aktives Mitglied der gestürzten Regierungspartei und sein Onkel Erziehungsminister. Es ist also mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß er als Familienmitglied der ehemaligen Regierung mit Todesgefahr rechnen muß.

Tidiane Sow

Seine politische Aktivität begann, als das " internationale Grenzcamp" 1999 in Zittau stattfand, wo seine Unterkunft stand. Die Baracken, in denen er zusammen mit anderen Flüchtlingen aus Algerien, Sri Lanka, Pakistan, Afghanistan, Angola, Kongo(Zaire), Kosovo, Albanien, Iran, Irak, Kroatien, Ghana, Nigeria, Liberia, Bangladesh, Vietnam, Türkei, Kurdistan, Lybien, Äthiopien und Guinea-Bissau lebte, verdienen ihren Namen nicht. Für 130 Asylbewerber standen ganze drei Waschmaschinen, und vier Kochplatten zu Verfügung. Die Toiletten waren meist defekt, meist kaltes Wasser in den Duschräumen, die Heizung war kaputt, offene elektrische Leitungen und zerborstene Rohre, Decken und Wände feucht und undicht gegen Regen, Ungeziefer in allen Räumen sind nur einige der Mängel, die bei einer Besichtigung des Vorsitzenden des Sozialausschusses bestätigt wurden. Dazu kommen die in Deutschlands Unterkünften schon obligatorischen Probleme mit einem diktatorischen Hausmeister und der fehlenden Freizeitgestaltung und Isolation hinter Stacheldraht hinzu.

Tidiane durchbrach das Ausgeliefertsein in diesen menschenunwürdigen Zuständen und suchte Kontakt zum "Grenzcamp 99", das im Juli 99 in der Nähe von Zittau stattfand. Es wurde von bundesweit vernetzten antirassistischen und antifaschistischen Gruppen, "kein mensch ist illegal" und der Jenaer Menschenrechtsorganisation "The Voice Afrika Forum" e.V. getragen. Sie veranstalteten eine Demonstration zum Landratsamt und dem AsylbewerberInnenheim (beide ironischerweise fast gegenüber gelegen) und protestierten auch per Internet gegen die Zustände im Heim. Diese Proteste führten dazu, daß das Heim Oktober 99 geschlossen wurde.

Tidiane Sow

Tidiane`s Bild und sein Name waren während der Proteste öffentlich in verschiedenen Zei-tungen deutlich zu sehen. Er bekam massiven Druck seitens des Haus-meisters und der Ausländerbehörde, die ihm drohten, sie wüßten genau, daß er der Verursacher dieser Probleme sei und daß er damit sein Asyl gefährden würde.

Alle Heimbewohner wurden in verschiedene Heime in der Umgebung von Zittau verteilt. Tidiane wurde von den übrigen, zu denen er während der Proteste einen guten Kontakt aufgebaut hatte, getrennt und einem besonders schlimmen Heim in Porschendorf zugeteilt. Es ist weit außerhalb in einem Waldgebiet gelegen, die Essensversorgung ist katastrophal, was bei vielen Bewohnern, auch bei Tidiane, zu gesundheitlichen Schäden führte. Die baulichen Zustände sind in einem noch schlimmeren Zustand wie in Zittau.

Unter diesen Umständen kann kein Mensch leben. Er protestierte bei der Ausländerbehörde, die ihn anwies, dort zu bleiben Tidiane suchte daraufhin sein erstes Heim in Quitzdorf/Kollm auf, blieb dort eine Woche und wurde erneut nach Porschendorf zurückgeschickt.

Die Behörde bestrafte ihn für dieses eigenständige Handeln. Er bekam während dieser Zeit immer nur für wenige Tage Duldung, mußte sich also ständig bei den Behörden melden. Einen Monat lang erhielt er überhaupt keine Duldung, konnte sich nur mit einem Papier ausweisen, das die Umzugsauflage enthielt. Auf diesem Papier war außerdem sein Name falsch geschrieben, so daß er Probleme bei einer Polizeikontrolle bekam. Er versuchte während dieser Zeit, weiterhin den Kontakt zu seinen MitstreiterInnen aus Zittau aufrecht zu halten.

Während dieser Zeit lief eine Klage gegen die Ablehnung des ersten Asylgesuches, das nach nur einer Woche als \\\'offensichtlich unbegründet\\\' abgelehnt worden war, vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wurde jedoch abgewiesen. Am 2.3. erhielt er die Aufforderung, das Bundesgebiet bis zum 10.03. 2000 zu verlassen (Grenzübertrittsbescheinigung). Durch die Schwierigkeit der Erstellung eines Passes erhielt er nochmals eine Duldung bis 4. Mai 2000. Ein Antrag auf eine Aussetzung der Abschiebung von einer Beratungsstelle vom 9.3.2000 wurde am 14.3.2000 mit der simplen Feststellung, das Bundesamt hätte keine Abschiebehindernisse festgestellt, zurückgewiesen. Darüber hinaus enthielt das Schreiben einen Zusatz, daß man sich doch sehr wundere, warum die Beratungsstelle diesen Antrag aufstelle - es hätte keine Erlaubnis zum Aufenthalt in dieser Einrichtung gegeben.

Tidiane Sow

Das letztere ist eine unverhüllte Drohung mit Abschiebehaft, da eine angebliche Verletzung der Residenzpflicht oft als Vorwand für eine Abschiebung dient. Daß die Abschiebung so lange nicht erfolgte ist wohl nur der Tatsache zu verdanken, daß Tidiane bis zum 1.1.2000 noch minderjährig war. Sein selbständiges politisches Verhalten ist unter diesen Umständen um so bemerkenswerter. Er ertrug die Zustände in den Heimen nicht, sondern suchte und fand aktiv Möglichkeiten, sie durch die Kampagne "kein mensch ist illegal" öffentlich zu machen. Dadurch setzte er sich immensen Druck seitens der Behörden aus. Diesen hielt er jedoch stand und kämpfte weiter, auch nachdem versucht wurde, den Kontakt mit seinen ehemaligen Hausmitbewohnern, zu unterbrechen. Dieser war gefährlich geworden, nachdem sie sich dem Protest angeschlossen hatten. Sie hatten gesehen, daß der Kampf gegen unmenschliche Zustände zum Erfolg führen kann. Wegen dieser Aktivität wurde Tidiane von den anderen Bewohnern isoliert und in ein besonders übles Heim verteilt. Dieser Bestrafung widersetzte er sich und kämpfte damit gegen die Residenzpflicht.

Wir, die AktivistInnen und UnterstützertInnen der \\\'Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen\\\' werden es nicht hinnehmen, daß Tidiane Sow, der sich für die Menschenrechte von Flüchtlingen einsetzt, nach Guinea-Bissau abgeschoben wird. Wir sind nicht bereit zu akzeptieren, dass er für seinen Kampf um bessere Lebensbedingungen bestraft wird. Wir werden dies unter allen Umständen verhindern und fordern Sie auf, die Kampagne gegen die Abschiebung von Tidiane Sow zu unterstützen.

Wir fordern:
* Keine Abschiebung von Tidiane Sow
* Sofortige Verlängerung der Duldung für Tidiane Sow
* Anerkennung seiner Fluchtgründe und die Gewährung von Asyl in der BRD- Rücknahme der Ablehnung
* Die Möglichkeit der freien Wahl des Wohnortes für Tidiane Sow- Schluss mit Repressalien
* Weg mit der Residenzpflicht, weg mit der Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in Lagern
* Asyl und Bleiberecht für alle Flüchtlinge, die aus politischen, rassistischen und sexistischen Gründen verfolgt werden!

Bitte schicken/faxen Sie den beiliegenden Formbrief, bzw. selbstformulierte Briefe an:

* Regierungsbehörde Chemnitz,
Zentrale Ausländerbehörde,
Postfach 1322,
09072 Chemnitz;
fax: 0371/4599-240

* Landratsamt Sächsische Schweiz,
Ausländerbehörde,
Zehistaer Str. 9,
01782 Pirna,
fax: 03501/515192,
zu Händen Frau Thomas

* Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge,
Aussenstelle Quitzdorf-Kollm,
Jahmenerweg 4,
02906 Quitzdorf-Kollm,
tel.: 03588-2620, fax: 03588-262-199

Bitte schicken Sie eine Kopie an:
The Voice Africa Forum Jena e.V.
Schillergässchen 5, 07745 Jena
tel.: 03641/665214, fax: 03641/423795
e-mail: THE_VOICE_Jena@gmx.de

Betreff: Bleiberecht für Tidiane Sow

Sehr geehrte Damen und Herren,

Tidiane Sow aus Guinea-Bissau lebt zur Zeit als Flüchtling in der Unterkunft Elbersdorferstr. 6 in 01833 Porschendorf. Er kam im Oktober 1998 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling versteckt an Bord eines Schiffes von Senegal nach Deutschland. Er war bereits im Juni 1998 im Alter von 16 Jahren aus Guinea-Bissau geflohen, da zu dieser Zeit ein schwerer Bürgerkrieg zwischen den Truppen der damaligen Regierung und der Rebellenarmee herrschte, bei dem zahlreiche Menschen grausam ermordet wurden. Dieser Bürgerkrieg endete schliesslich mit einem Sieg der Rebellenarmee. Tidiane Sows einzig verbliebene Familienangehörige, sein Onkel und sein Bruder, sind seitdem vermisst, vermutlich wurden sie bei den Kämpfen getötet. Da sein Onkel als Erziehungsminister der alten Regierung angehörte und sein Bruder sich ebenfalls in der damaligen Regierungspartei betätigte, müsste Tidiane Sow als deren enger Angehöriger bei einer Rückkehr nach Guinea-Bissau ebenfalls um sein Leben fürchten. Dennoch wurde ihm in der BRD das dringend benötigte Asyl bislang verweigert. Zuletzt wurde ihm am 2. März 2000 von der Ausländerbehörde Pirna/Landkreis Sächsische Schweiz eine Duldung bis zum 4. Mai 2000 erteilt. Der Antrag auf eine Verlängerung der Duldung durch seinen Anwalt wurde am 14. 3. 2000 von der Zentralen Ausländerbehörde im Regierungspräsidium Chemnitz abgelehnt. Darin wurde auch moniert, dass Herr Sow die Residenzpflicht angeblich nicht respektiert hätte. Von der Zentralen Ausländerbehörde wurde Herr Sow bereits aufgefordert, die BRD bis 10. März zu verlassen. Da er mittlerweile 18 Jahre alt ist, wird ihm kein Abschiebeschutz mehr gewährt.

Tidiane Sow bekam während des antirassistischen Grenzcamps im Sommer 1999 in Zittau Kontakt mit der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen. Er, zum damaligen Zeitpunkt Insasse der Flüchtlingsunterkunft Zittau, setzte sich gemeinsam mit AktivistInnen der Karawane, der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" und der Menschenrechtsorganisation "The Voice Africa Forum Jena", dafür ein, die unakzeptablen Zustände in der Zittauer Flüchtlingsunterkunft an die Öffentlichkeit zu bringen. Als Ergebnis dieser Aktivität wurde die Zittauer Unterkunft geschlossen. Tidiane Sow ist seitdem mit Einschüchterungsversuchen und Repressalien von Seiten der Behörden konfrontiert. Wir gehen davon aus, dass es kein Zufall ist, dass gerade er nach seinen Aktivitäten in Zittau gegen seinen Willen in eine Unterkunft in völlig isolierter Lage verlegt wurde. Es scheint uns, dass die Behörden ihn gerne abschieben wollen, da er sich für eine Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen in der BRD einsetzt. Die Verweigerung der Duldungsverlängerung mit Verweis auf eine angebliche Verletzung der Residenzpflicht im Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Chemnitz in Kombination mit der Ausreiseaufforderung begreifen wir als Drohung gegen Herrn Tidiane Sow, da solche Konstrukte des öfteren als Vorwand dienen, um Flüchtlinge in Abschiebehaft zu nehmen.

Es ist uns nicht begreiflich, dass Tidiane Sow trotz der Lebensgefahr, die ihm in Guinea-Bissau droht, kein Asyl gewährt wird- zumal er als Minderjähriger, der seine ganze Familie verloren hat, in die BRD kam.

Wir wurden durch den Flüchtlingskongress 2000 in Jena über die bedrohliche Situation von Tidiane Sow informiert. Wir erklären hiermit, dass wir als AktivistInnen und UnterstützerInnen der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen es nicht hinnehmen werden, dass Tidiane Sow, der sich hier für die Menschenrechte von Flüchtlingen einsetzt, nach Guinea-Bissau abgeschoben wird. Wir werden alles in unserer Macht stehende unternehmen, um dies zu verhindern.

Wir fordern:
* Keine Abschiebung von Tidiane Sow
* Sofortige Verlängerung der Duldung für Tidiane Sow
* Anerkennung seiner Fluchtgründe und die Gewährung von Asyl in der BRD- Rücknahme der Ablehnung
* Die Möglichkeit der freien Wahl des Wohnortes für Tidiane Sow- Schluss mit Repressalien
* Weg mit der Residenzpflicht, weg mit der Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in Lagern
* Asyl und Bleiberecht für alle Flüchtlinge, die aus politischen, rassistischen und sexistischen Gründen verfolgt werden!

Name Adresse/Organisation Beruf Unterschrift

 

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